Inhaltsverzeichnis

Was wollen Sie wissen?

Krankheit des guten Lebens

Purine und Harnsäure

Grenzüberschreitung

Gründe für einen Anstieg der Harnsäurewerte

Abwarten oder behandeln?

Medikamente

Nierensteine und mehr

Akuter Gichtanfall

Medikamente beim akuten Gichtanfall

NSAR

Colchizin

Cortison

Chronische Gicht

Medikamente zur Dauerbehandlung

Allopurinol und Febuxostat

Benzbromaron

Und wie ernährt man sich richtig?

Die Basics einer gesunden Ernährung

Mit Messer, Gabel und Glas gegen Gicht

Purinarm essen leicht gemacht

Die richtige Wahl

Purinarm kochen

Rezepte

Kalte Küche: Brotaufstriche und pikante Kleinigkeiten

Schnelles Essen für jeden Tag

Sonntagsessen: Fleisch und Fisch

Frisch vom Grill

Süßes raffiniert kombiniert

Drinks, Bowlen, Cocktails

Hilfe

Literatur

Noch mehr Informationen

Stichwortverzeichnis

Was wollen Sie wissen?

Gicht. Unerwartete Erklärung für schlimme Schmerzen im Fuß oder für das bedenkliche Gesicht des Arztes nach einer Blutuntersuchung. Dieser Ratgeber erklärt Ihnen, was hinter der Erkrankung steckt, wie Sie sie in den Griff bekommen und dabei Ihre Lebensfreude behalten.

Warum hat mein Arzt den Harnsäurewert bestimmt?

Bei einer routinemäßigen Blutuntersuchung wird der Harnsäurewert oft mit bestimmt. Dahinter steht zunächst einmal kein konkreter Verdacht auf eine Krankheit. Doch ein erhöhter Harnsäurewert ist der wichtigste Risikofaktor für Gicht. Was Harnsäurewert und Gicht miteinander zu tun haben, erfahren Sie unter „Spitze Kristalle“ ab Seite 11. Vielleicht sind Sie aber auch zu Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt gegangen, weil Ihnen plötzlich ein Gelenk wehgetan hat. Bei Gelenkschmerzen kann der Harnsäurewert helfen, eine Gicht von anderen Gelenkentzündungen abzugrenzen. Für eine genaue Diagnose ist aber mehr erforderlich. Was dabei zu beachten ist, lesen Sie unter„Gichtdiagnose“ ab Seite 12.

Mein Arzt sagt: „Ihr Harnsäurewert ist zu hoch.“ Was bedeutet das?

In der Medizin gibt es für vieles definierte „Grenzwerte“. Für die Harnsäurekonzentration im Blut lautet dieser Grenzwert für Frauen 6,2 mg/dl und für Männer 7,4 mg/dl. Das heißt, in 100 Milliliter Blutflüssigkeit einer gesunden Frau sind im Durchschnitt 6,2 Milligramm Harnsäure enthalten, bei Männern sind es 7,4 Milligramm. Beobachtungen an gesunden Menschen haben diesen Wert bestätigt. Wenn Ihr Harnsäurewert diesen Grenzwert nicht überschreitet, bekommen Sie in der Regel keine Gicht. Was es mit den Werten sonst auf sich hat und warum es unterschiedliche Grenzwerte für verschiedene Personen gibt, erfahren Sie unter dem Kapitel „Grenzüberschreitung“ ab Seite 17.

Ich soll kein Bier mehr trinken. Muss das wirklich sein?

Vermutlich ja. Gicht beruht auf einem Zuviel an Harnsäure. Harnsäure entsteht, wenn im Körper lebenswichtige Substanzen abgebaut werden: die Purine. Purine ihrerseits stammen aus zwei Quellen. Der Körper baut sie selbst auf und Sie nehmen sie mit der Nahrung zu sich. Was Sie essen und trinken und wie viel jeweils, bestimmt mit darüber, wie hoch Ihr Harnsäurewert ist. Wie die Harnsäure ins Blut kommt und warum es manchmal viel, manchmal weniger ist, lesen Sie unter „Purine und Harnsäure“ ab Seite 15.

Angeblich soll eine Ernährungsumstellung helfen. Stimmt das?

Ja, das kann bei der Therapie einer Gicht hilfreich sein, aber auch, um einem Anfall vorzubeugen! Einen Teil der Purine, aus denen der Körper Harnsäure aufbaut, nehmen Sie mit der Nahrung zu sich. Deshalb steht bei der Behandlung von Gicht eine purinbewusste Ernährung und der Verzicht auf Alkohol, vor allem von Bier und Spirituosen, im Vordergrund. Das schützt nicht nur vor schmerzhaften Gichtanfällen, sondern auch vor Folgeerkrankungen. Die Ernährungsumstellung gelingt mühelos mit unseren praktischen Ernährungstipps für purinarme Kost (ab Seite 67) und leckeren Rezepten (ab Seite 80).

Ich hatte höllische Schmerzen im Fuß. Das war wohl ein Gichtanfall. Was kann ich dagegen tun?

Gicht gibt es in zwei Erscheinungsformen: den akuten Gichtanfall und die chronische Gicht. Für jede dieser Formen wird Ihr Arzt spezielle Empfehlungen haben. Ein akuter Gichtanfall kann mit so unerträglichen Schmerzen verbunden sein, dass man nahezu zu allem bereit ist. Hauptsache, die Schmerzen vergehen. Es gibt eine Reihe von Medikamenten, die bei einem Gichtanfall zuverlässig wirken. Antworten auf die Frage, welche das sind, ob sie Nebenwirkungen haben und wie Sie die richtige Wahl unter den zahlreichen Medikamenten treffen, finden Sie unter „Akuter Gichtanfall“ ab Seite 39.

Der Arzt will mir Tabletten verschreiben. Muss das sein?

Es ist nicht von der Hand zu weisen: Eine dauerhafte Medikamenteneinnahme kann mit Risiken verbunden sein. Bei erhöhten Harnsäurewerten ist darum vorher die Frage zu klären: Welches Risiko ist größer? Durch die Harnsäure zu Schaden zu kommen oder durch die Nebenwirkungsrisiken der Medikamente? Das sollte immer mit dem Arzt oder der Ärztin besprochen werden.

Bei manchen Menschen liegen Bedingungen vor, die klar für die regelmäßige Einnahme von Medikamenten sprechen. Bei anderen kann man zunächst versuchen, den Harnsäurewert ohne Medikamente allein mit entsprechender Ernährung zu normalisieren. Hilfe beim Abwägen finden Sie unter „Medikamente“ ab Seite 28 und zu den Ernährungsempfehlungen ab Seite 61.

Mein Freund nimmt dieses Mittel, mein Bruder jenes. Woher weiß ich, welches für mich das richtige ist?

Für die Langzeitbehandlung von Gicht stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. So können Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin das auswählen, das für Sie und Ihre individuelle gesundheitliche Situation am ehesten geeignet ist. Welche Arzneimittel für die Langzeitbehandlung von Gicht infrage kommen und wie sie zu bewerten sind, steht unter „Medikamente zur Dauerbehandlung von Gicht“ ab Seite 53. Auch die wichtigsten Nebenwirkungen, die bei der Einnahme auftreten können, sind dort beschrieben und Sie können abwägen.

Krankheit des guten Lebens

Alexander der Große, Heinrich VIII. ebenso wie der Reformator Martin Luther – sie alle litten an Gicht. Die Krankheit traf die Reichen und Privilegierten. Ihre Bediensteten blieben davon eher verschont.

Warum Gicht jahrhundertelang die „Krankheit der Könige“ war, hatte schon Hippokrates erkannt: Gicht war die Folge anhaltenden Wohllebens mit jeder Menge Fleisch auf den Tellern, begleitet von reichlich alkoholischen Getränken bei wenig körperlicher Aktivität. In den entbehrungsreichen Zeiten der Weltkriege kam Gicht praktisch nicht vor, doch mittlerweile können sich viele Menschen mehr Fleisch und auch alkoholische Getränke leisten. Seit Anfang der 1950er-Jahre steigt der durchschnittliche Harnsäurewert in der Bevölkerung stetig an. So haben 1 bis 2 von 100 Erwachsenen Gicht. Mit dem Alter werden es immer mehr. Unter den über 65-jährigen Männern sind es 7 von 100, bei den über 85-jährigen Frauen sind es 3 von 100.

Spitze Kristalle

Ein erhöhter Harnsäurespiegel ist zwar der bedeutendste Risikofaktor für eine Gicht, Probleme gibt es aber erst, wenn die Harnsäure nicht mehr nur im Blut bleibt, sondern sich in Geweben ablagert. Wie zu viel Harnsäure im Blut eine Gicht auslösen kann, können Sie in der Küche nachvollziehen, indem Sie Kochsalz in kaltes Wasser geben. Die erste Portion löst sich rasch auf, die zweite auch noch. Doch irgendwann nimmt das Wasser kein Salz mehr auf. Die Salzkristalle sinken zu Boden.

Nach dem gleichen Prinzip wirken sich im Körper die Folgen von zu viel Harnsäure aus. Nur ist das Lösungsmittel hier kein reines Wasser, sondern die Blutflüssigkeit. Bis zu einer gewissen Grenze bleibt die Harnsäure in der Blutflüssigkeit gelöst. Wie viel Harnsäure das ist, hängt auch davon ab, wie sauer die Blutflüssigkeit ist. Je höher der Säuregehalt (d. h. verwirrenderweise, je niedriger der pH-Wert) der Blutflüssigkeit ist, desto weniger Harnsäure nimmt sie auf.

Auch die Temperatur spielt eine Rolle bei der Frage, ob die Harnsäure im Blut gelöst bleibt oder ob sich ein Teil davon als winzige Kristalle abscheidet. In den Außenbereichen des Körpers, beispielsweise den Zehen, ist das Blut etwas kälter als in der Körpermitte. In den kühleren Zonen kann das Blut nur eine geringere Menge Harnsäure gelöst halten. Das Zuviel wird zu winzigen Kristallen.

Harnsäurekristalle sind Fremdkörper im Gewebe. Sie müssen entfernt werden. Zuständig sind dafür weiße Blutkörperchen. Sie nehmen die Kristalle auf. Doch die scharfkantigen Gebilde zerstechen die Zellwand der Blutkörperchen. Dadurch treten Substanzen aus, die Zellen auflösen und das Gewebe schädigen. Auf diesen Angriff reagiert der Körper mit einer Entzündung. Dabei wird so lange Harnsäure abgeschieden, bis die verbliebene Harnsäure in der Blutflüssigkeit gelöst bleiben kann. Die abgeschiedenen Harnsäurekristalle bleiben als Ablagerung in den Geweben zurück, vornehmlich in Gelenken, Sehnen und Nieren.

Gichtdiagnose

Kommt zum erhöhten Harnsäurewert noch eine Schmerzattacke am großen Zeh hinzu, scheint die Diagnose Gicht klar zu sein. Doch ganz so einfach ist es nicht. Die europäische Rheumaliga EULAR hat 2019 ihre Empfehlungen aktualisiert, die für die Diagnose einer Gicht wichtig sind (siehe rechts):

Ein erhöhter Harnsäurespiegel ist in der Tat der wichtigste Indikator. Doch weder bestätigt er eine Gicht, noch schließt ein momentan normaler Harnsäurewert eine Gicht aus. Viele Menschen mit erhöhtem Harnsäurespiegel entwickeln keine Gicht. Andererseits kann der Harnsäurespiegel bei einem akuten Anfall durchaus normal sein. Dass Sie Gicht haben, ist erst dann sicher, wenn bei Ihnen in der Gelenkflüssigkeit oder in den Gichtknoten Harnsäurekristalle nachgewiesen wurden. Um Gelenkflüssigkeit untersuchen zu können, muss das Gelenk punktiert werden. Ihr Arzt sticht also in das Gelenk hinein und entnimmt Gelenkflüssigkeit. Ähnlich werden auch Gichtknoten punktiert.

Röntgenaufnahmen sind für die Diagnose einer Gicht kaum hilfreich. Im Frühstadium und bei akuter Gicht zeigen sie nichts Bemerkenswertes, da Harnsäurekristalle im Röntgenbild nicht sichtbar sind. Erst wenn eine chronische Gicht typische Gelenkveränderungen hervorgerufen hat, gibt eine Röntgenaufnahme eventuell darüber Auskunft. Zu diesen Folgen einer chronischen Gicht gehören Gelenkverformungen und -zerstörungen sowie Gichtknoten. Letztere finden sich bevorzugt an den Ohren, den Achillessehnen, den Zehen- und Fingergelenken und an den Knien. Letztlich können Gichtknoten aber im gesamten Körper auftreten. Dazu sollte es aber gar nicht erst kommen. Wenn die Gicht schon lange vorher festgestellt wurde, lassen sich solche Folgen vermeiden.

Checkliste

8 Empfehlungen der EULAR zur Gichtdiagnose

Zeichen einer akuten Attacke sind sich rasch entwickelnde schwere Schmerzen, Schwellung und Berührungsempfindlichkeit, die innerhalb von 6 bis 12 Stunden ihr Maximum erreichen. Eine Diagnose nur aufgrund dieser Symptome ist jedoch nicht sicher. Wichtig sind folgende Punkte:

Harnsäurekristalle. Erst ihr Nachweis in Gelenkflüssigkeit oder Gichtknoten bestätigt die Diagnose.

Routinemäßige Untersuchung. Die Gelenkflüssigkeit aller aus unbekanntem Grund entzündeten Gelenke sollte routinemäßig auf Harnsäurekristalle untersucht werden. Häufig wird bei eindeutigen Beschwerden auf diese aufwendige und nicht risikolose Untersuchung verzichtet.

Akute Gelenkentzündung, u. a. der Befall eines Fuß- oder Knöchelgelenks, schneller Beginn mit starker Schwellung und Schmerzen sowie Hautrötung, und das Vorliegen entsprechender Risikofaktoren wie Herz-Kreislauf-Erkrankung sowie männliches Geschlecht.

Voreilige Schlüsse. Ein erhöhter Harnsäurewert gilt als ein wesentliche Risikofaktor. Dennoch bekommen viele Menschen mit erhöhten Harnsäurewerten keine Gicht, während andere selbst während eines akuten Gichtanfalls normale Harnsäurewerte haben können.

Wenn Kristallnachweis nicht möglich ist. Bildgebende Verfahren wie eine Ultraschalluntersuchung eignen sich am besten, um abgelagerte Harnsäurekristalle zu finden.

Röntgenaufnahmen. Eine frühe oder akute Gicht kann damit nicht festgestellt werden.

Metabolisches Syndrom klären. Dazu gehören vor allem Faktoren wie Übergewicht, erhöhte Blutzuckerwerte, gestörte Blutfettwerte und erhöhter Blutdruck.

Risikofaktoren für chronisch erhöhten Harnsäurespiegel: chronische Nierenerkrankungen, Übergewicht, Medikamente, übermäßiger Alkoholkonsum, Verzehr von Limonaden, Fleisch und Meeresfrüchten.

Bei manchen Menschen beruht die Gicht darauf, dass die Nieren zu wenig Harnsäure ausscheiden können. Diese Nierenstörung muss als Gichtursache erst erkannt werden. Eine entsprechende Untersuchung der Nieren wird Menschen nahegelegt, die

unter 25 Jahre alt waren, als die Gicht auftrat,

Nierensteine haben,

Angehörige haben, die bereits in jungen Jahren gichtkrank wurden.

Pseudogicht

Nicht nur eine Gicht muss zuverlässig erkannt werden, sie muss zudem sicher von anderen Gelenkerkrankungen abgegrenzt werden. Schließlich gibt es noch andere Gelenkentzündungen, die durch kristalline Ablagerungen hervorgerufen werden, zum Beispiel die Pseudogicht (Chondrokalzinose).

Obwohl im Namen dieser Krankheit das Wort Gicht vorkommt, ist sie keine „richtige“ Gicht, sondern eine „falsche“ („pseudos“, griechisch: vortäuschen). „Falsch“ ist daran, dass die Gelenkentzündungen nicht durch Harnsäurekristalle hervorgerufen werden, sondern durch Kalziumphosphat – ein anderes Salz in der Blutflüssigkeit. Auch diese Substanz kann sich in Kristallform abscheiden. Sie führt dann zu Verkalkungen im Knorpel von Gelenken. Diese sind im Röntgenbild zu erkennen – anders als die Harnsäureablagerungen der echten Gicht.

Pseudogicht kann – ebenso wie die „echte“ Gicht – erblich bedingt sein. Sie kann ohne erkennbare Ursache auftreten und sie kann die Folge einer Krankheit sein, z. B. einer Überfunktion der Nebenschilddrüsen und einer Unterfunktion der Schilddrüse.

Mit zunehmendem Alter tritt die Krankheit häufiger auf. Nur etwa 3 von 100 Betroffenen sind jünger als 70 Jahre.

Eine Pseudogicht ist schlecht zu diagnostizieren. Ihre Symptome sind vielgestaltig und ähneln jener der Arthrose. Die Gelenke können wie bei einer rheumatoiden Arthritis akut entzündet sein und sich mit der Zeit auch verformen. Meist wird die Diagnose anhand von Röntgenaufnahmen gestellt. Abgesichert ist sie aber erst, wenn nach einer Punktion in der Gelenkflüssigkeit die Kalziumphosphatkristalle nachgewiesen werden.

Die wirksamste Behandlung bei Pseudogicht ist die Injektion von Cortison direkt in das betroffene Gelenk. Die Schmerzen können wie beim akuten Gichtanfall mit NSAR behandelt werden. Bei einem akuten Anfall hilft es, das betroffene Gelenk zu entlasten und mit Eis zu kühlen. Colchicin ist ebenfalls eine Möglichkeit, wirkt aber nicht so verlässlich wie beim Gichtanfall.

Purine und Harnsäure

Harnsäure bleibt übrig, wenn Purine im Körper abgebaut werden. Das ist an sich ein völlig normaler und gesunder Vorgang. Ursache für Gicht ist aber ein Zuviel an Harnsäure.

Harnsäure ist eines der vielen Endprodukte, die im Stoffwechsel des Körpers anfallen. Sie kann der Körper nicht mehr verwerten, er muss sie ausscheiden. Bliebe sie in unbegrenzter Menge im Körper, könnte sie Schaden anrichten.

Harnsäure ist aber nur das letzte Glied einer langen Kette, an deren Anfang die Purine stehen. Alle Maßnahmen, mit denen der Harnsäuregehalt des Blutes niedrig gehalten werden soll – also eine entsprechende Ernährung und die Einnahme von Medikamenten –, greifen an der Schiene Purine – Harnsäure an.

Dieser Zusammenhang zwischen Purinen und Harnsäure ist auch der Grund, warum in Ernährungstipps bei erhöhten Harnsäurewerten vor allem von purinreichen Lebensmitteln die Rede ist.

Um zu verstehen, wie Harnsäure ins Blut kommt, muss also zuerst von Purinen gesprochen werden.

Woher kommen Purine?

Purine sind chemische Verbindungen. Es sind für den Körper lebenswichtige Bausteine, auf die er nicht verzichten kann und die er nicht durch anderes ersetzen kann.

Alle Purine des Körpers stammen aus zwei Quellen: Entweder Sie haben sie als Bestandteil von Lebensmitteln mit der Nahrung oder mit Getränken aufgenommen oder Ihr Körper hat sie selbst produziert. Zunächst verwendet der Körper immer die Purine, die im Stoffwechsel beim Abbau irgendwelcher Substanzen anfallen. Den Weg der Eigenproduktion vermeidet der Körper so lange wie möglich, weil er sehr viel Energie kostet. Die Produktion von neuen Purinen wird erst dann angeworfen, wenn nicht mehr genügend Abbauprodukte vorhanden sind, die der Körper zu Harnsäure verwerten kann.

Was macht der Körper mit Purinen?

Purine gehören für jeden Organismus zum Wichtigsten überhaupt. Sie sind wesentlicher Bestandteil von sehr vielen verschiedenen Substanzen, die für die Funktionen von Lebewesen und ihre Vermehrung unerlässlich sind.

Beispielsweise werden Purine in jene Verbindungen eingebaut, aus denen Nukleinsäuren entstehen. Die wohl bekannteste Nukleinsäure ist DNS. Diese Abkürzung steht für Desoxyribonukleinsäure. Gebräuchlich ist auch die Bezeichnung DNA, wobei „A“ für das englische Wort „acid“ für „Säure“ steht. DNA ist ein Bestandteil des Zellkerns und Träger der Erbinformationen.

Darüber hinaus sind Purine Bausteine von energieübertragenden chemischen Verbindungen. Diese Verbindungen befördern die Energie, die in den Zellen entsteht, zu den Orten in der Zelle, wo sie benötigt wird.

Auch als Bestandteil von Enzymen sind Purine unersetzlich. Enzyme sind chemische Verbindungen, die an der Steuerung vieler Stoffwechselreaktionen beteiligt sind und die die Signale vieler Hormone übertragen.

Alle diese Verbindungen, für deren Aufbau Purine erforderlich sind, werden kontinuierlich auf- und abgebaut. Im Inneren von Zellen werden also immer wieder Purine frei. Sind es mehr, als die Zelle für ihre Funktionen wiederverwenden kann, muss der Überschuss beseitigt werden. Das geschieht vor allem in der Leber und zu einem geringeren Teil auch im Dünndarm. Dort werden Purine zu Harnsäure abgebaut. Harnsäure ist also das Endprodukt des Purinabbaus.

Was macht der Körper mit Harnsäure?

Durch den Abbau von Purinen entsteht fortwährend eine gewisse Menge Harnsäure. Sie ist für den Körper nutzlos. Sie wird von den Körperflüssigkeiten weggeschafft und in den Körperkreislauf eingespeist. Auf dem Blutweg gelangt die Harnsäure zu den Ausscheidungsorganen. Etwa zwei Drittel der täglichen Harnsäureproduktion scheiden die Nieren aus, das andere Drittel verlässt den Körper über den Darm.

Bei den Nieren gibt es jedoch eine Besonderheit. Von der Harnsäure, die durch sie hindurchgeht, geben sie nur etwa ein Zehntel zur Ausscheidung frei. Der Rest bleibt weiterhin im Blut und durchläuft den Kreislauf wieder und wieder.

Doch das Blut kann nicht unbegrenzt Harnsäure aufnehmen. Irgendwann ist seine Kapazität erschöpft. Dann fallen im Blut winzige Kristalle von Harnsäure aus. Sie werden in Geweben abgelagert.

Grenzüberschreitung

Mit einem Mal ist Ihr Harnsäurewert zu hoch und Sie fragen sich: Wie kommt das? Wenn Sie die Gründe für den Anstieg kennen, können Sie selbst aktiv gegensteuern.

Wenn der Arzt Ihnen bei der Besprechung der Ergebnisse Ihrer Blutuntersuchung sagt: „Ihr Harnsäurewert ist viel zu hoch“, meint er bzw. sie wahrscheinlich, dass Ihr Wert über dem liegt, was der Laborbericht als Grenzwert aufführt.

Und wahrscheinlich steht dort als Grenzwert 6,8 mg/dl, also 6,8 Milligramm Harnsäure in einem Deziliter (100 Milliliter) Blutflüssigkeit. Dieser Grenzwert ist chemisch-physikalisch begründet. Denn im Labor kann man prüfen, wie viel Harnsäure sich in einem Deziliter Blutflüssigkeit löst. Es sind 6,8 Milligramm. Dieser Wert ist nachprüfbar und das Ergebnis ist immer in etwa dasselbe. Ein solcher Grenzwert geht davon aus, dass bei Menschen im Blut unter Normalbedingungen nur 6,8 Milligramm Harnsäure gelöst sein können und sich alles, was darüber hinausgeht, als Kristalle abscheidet. Wie so oft in der Medizin gilt diese Regel „normalerweise“, Ausnahmen und Regelabweichungen sind nicht selten.

Dieser Grenzwert unterscheidet nicht, ob er für eine Frau oder einen Mann gelten soll. Er folgt vielmehr dem Prinzip: einer für alle. Das entspricht aber nicht der Realität, wie sie sich zeigt, wenn man die Harnsäurewerte bei Frauen und Männern getrennt erfasst. Was dabei herauskommt, gibt ein medizinisches Lehrbuch so an:

Normalbereich Frauen: 2,3–6,1 mg/dl Harnsäure im Blut

Normalbereich Männer: 3,6–8,2 mg/dl Harnsäure im Blut

Hier ist – für Frauen und Männer unterschiedlich – ein Höchstwert genannt, bei dessen Überschreiten man davon ausgeht, dass im Gewebe Harnsäurekristalle ausfallen. Noch stärker an der Alltagsrealität orientiert sich die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, wenn sie sagt:

Grenzwert Frauen: 6,2 mg/dl Harnsäure im Blut

Grenzwert Männer: 7,4 mg/dl Harnsäure im Blut

Diese Grenzwerte wurden festgelegt, nachdem man die Harnsäurewerte einer großen Zahl von Personen gemessen und dann geschaut hat, wer von ihnen Gicht hat. Daraus ergeben sich die genannten, für Frauen und Männer unterschiedlichen Werte, bis zu deren Erreichen in aller Regel keine Gicht auftritt.

Wenn Mediziner untereinander über „zu viel Harnsäure im Blut“ sprechen, sagen sie im Allgemeinen Hyperurikämie. Hyper = zu viel, urik = abgeleitet von Acidum uricum, dem lateinisch-pharmazeutischen Begriff für Harnsäure, ämie = im Blut. Welchen Grenzwert genau sie als überschritten ansehen, ist damit jedoch nicht gesagt.

Doch wenn in einem Fachbuch für Rheumatologie steht: „In wohlhabenden Ländern findet sich bei 30 von 100 Männern und bei 3 von 100 Frauen eine Hyperurikämie“, ist anzunehmen, dass bei diesen Personen der Harnsäurewert über 6,8 mg/dl liegt.

Unterschiedliche Zahlen

Von den meisten medizinischen Laboren wird die aus der Probe ermittelte Harnsäuremenge in mg/dl angegeben, also wie viel Milligramm (mg) Harnsäure in 100 Milliliter (dl) Blutflüssigkeit enthalten sind.

International verwendet man jedoch sogenannte SI-Einheiten, die seit 1970 auch in Deutschland gelten. Die SI-Einheit für Substanzmengen ist Mol. Die kleinere Einheit heißt Mikromol (µmol).

Nach folgenden Formeln können Sie eine Angabe in der einen Einheit in die andere umrechnen:

mg/dl x 59,485 = µmol/l Harnsäure

µmol/l x 0,0168 = mg/dl Harnsäure

Aus 5,6 mg/dl bzw. 435 µmol/l ergeben sich damit folgende Berechnungen:

5,6 mg/dl x 59,485 = 333 µmol/l Harnsäure