LEKTÜRESCHLÜSSEL
FÜR SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER
Philipp Reclam jun. Stuttgart
Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe: Theodor Fontane: Effi Briest. Stuttgart: Reclam, 2002 [u.ö.]. (Universal-Bibliothek. 6961.) Sperrungen in Zitaten wurden durch Kursivschrift ersetzt.
2003, 2012 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2018
RECLAM ist eine eingetragene
Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-960094-9
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015327-7
www.reclam.de
1. Erstinformation zum Werk
2. Inhalt
3. Personen
4. Die Struktur des Werks
5. Wort- und Sacherläuterungen
6. Interpretation
7. Autor und Zeit
8. Rezeption
9. Checkliste
10. Lektüretipps/Filmempfehlungen
Anmerkungen
Effi Briest erschien als Fortsetzungsroman von Oktober 1894 bis März 1895 in der Monatszeitschrift Deutsche Rundschau, als Buchausgabe im Verlag von Friedrich Fontane, dem Sohn des Autors, im Oktober 1895 und erwies sich bald als das erfolgreichste und bedeutendste Werk des Dichters. In seinem Tagebuch verzeichnet Fontane, dass es sein Roman »in weniger als Jahresfrist zu 5 Auflagen«1 brachte; später schreibt Thomas Mann, der sich in die Tradition von Theodor Fontane stellt: »Eine Romanbibliothek der rigorosesten Auswahl, und beschränkte man sich auf ein Dutzend Bände, auf zehn, auf sechs, – sie dürfte Effi Briest nicht vermissen lassen.«2
Einige Jahre bevor Fontane seinen ersten Roman Vor dem Sturm veröffentlichte, hatte er sich in einer Rezension mit der Frage beschäftigt: »Was soll ein Roman?« Seine Antwort, von der er auch später nicht abrückte, lautete: »[…] er soll uns eine Welt der Fiktion auf Augenblicke als eine Welt der Wirklichkeit erscheinen, soll uns weinen und lachen, hoffen und fürchten, am Schluß aber empfinden lassen, teils unter lieben und angenehmen, teils unter charaktervollen und interessanten Menschen gelebt zu haben.«3
Besonders wichtig ist ihm der Bezug zur Welt der Wirklichkeit. Der Leser soll nicht aus seiner Alltagswelt in andere Sphären entführt werden; sondern ihm soll die Welt, in der er lebt, bewusst gemacht werden. Am sichersten erreichen jene Romane dieses Ziel, die ein »Bild der Zeit« bieten; deshalb Fontanes Forderung: »Der moderne Roman soll ein Zeitbild sein, ein Bild seiner Zeit.«4
Die Geschichte der Effi Briest, die erzählt wird, spielt in der Zeit zwischen 1870 und 1889, in der Zeit des zweiten deutschen Kaiserreichs, in der Wilhelm I. deutscher Kaiser und Otto von Bismarck deutscher Reichskanzler war. Das erste Lesepublikum hatte diese Epoche miterlebt und kannte die Lebensbedingungen dieser Zeit. Vor allem Berlin – einer der Haupthandlungsorte – war vielen Lesern vertraut. Für sie war Effi Briest ein Zeitroman im besten Sinne.
Mehr als hundert Jahre später kann der Leser zwar noch einige der genannten Stadtteile und Straßen in Berlin aufspüren, die dargestellte Situation ist jedoch nicht mehr gegenwärtig, sondern historisch. So kann man den Roman heute mit geschichtlichem Interesse und unter der Fragestellung lesen: Wie waren die Lebensbedingungen der Menschen in diesem Abschnitt der Geschichte? Für Leser der Gegenwart wird der Roman zum Geschichtsbild.
Dem Werk Fontanes wäre damit jedoch nicht Genüge getan. Nicht der Fall, der geschildert wird und der in ein ganz bestimmtes Umfeld gesetzt wird, macht die Bedeutung des Romans aus, sondern die Fragestellung, die über den Fall hinausgeht und die Grundlagen der gesellschaftlichen Ordnung betrifft. Der Roman wirft Fragen auf, die Menschen stellen, seit sie in Gruppen, Staaten und Gemeinschaften leben, und die ihre Aktualität jeden Tag beweisen:
Wie gestaltet sich das Zusammenleben der Menschen in der Gesellschaft?
Nach welchen Regeln lebt die Gesellschaft?
Wer bestimmt diese Regeln? Wer wacht über sie? Inwieweit ist der Einzelne dieser Gesellschaft verpflichtet?
Inwieweit darf er selbst über sich bestimmen?
Was macht das Glück des Einzelnen aus? Inwiefern kann das Glück des Einzelnen durch Ansprüche der Gesellschaft bedroht sein?
Wodurch ist der Bestand der Gesellschaft gesichert? Was bietet die Gesellschaft denen, die sich ihren Regeln und Gesetzen unterordnen?
Indem der Roman diese Fragen aufwirft und indem er zur Diskussion herausfordert, ohne selbst verbindliche Antworten geben zu wollen, wird er zum großen Gesellschaftsroman, einem der größten der deutschen Literatur.
1. Der achtunddreißigjährige Baron Geert von Innstetten, seit etwa drei Jahren Landrat im pommerschen Kessin, macht Ende der siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts einen Besuch auf dem Herrensitz der Familie von Briest im brandenburgischen Hohen-Cremmen. Dort trifft er auf die jetzt achtunddreißigjährige Frau von Briest, um die er einst geworben hat, auf ihren Gatten, den Ritterschaftsrat – »ein wohlkonservierter Fünfziger« (17) – und auf Effi, deren siebzehnjährige Tochter, die gerade noch übermütig mit ihren Freundinnen gespielt hat.
2. Als Effi hereingerufen wird, ahnt sie noch nicht, dass Innstetten, den sie zwei Tage zuvor bei ihren Verwandten zum ersten Mal gesehen hat, gerade um ihre »Hand angehalten hat« (17). Es überkommt sie zwar ein »nervöses Zittern« (17); der zustimmenden Empfehlung ihrer Mutter hat sie jedoch nichts entgegenzusetzen.
3. Das geplante Mittagessen wird zum »Verlobungsmahl« (18). Gleich darauf berichtet Effi ihren Freundinnen von dem Ereignis. Nachdem Innstetten abgereist ist, beginnen im Hause Briest die Hochzeitsvorbereitungen, die ihren Höhepunkt in einem einwöchigen Aufenthalt in Berlin haben, wo die Aussteuer zusammengekauft wird.
4. Bis zum Hochzeitstag am 3. Oktober erhält Effi regelmäßig Briefe von ihrem Bräutigam, die sie weniger regelmäßig beantwortet. Wichtiger als der Briefwechsel scheinen ihr die Gespräche mit ihrer Mutter zu sein, in denen sie ihre Zukunft phantasiereich ausmalt, in denen sie allerdings auch zugibt, dass es in der Person Innstetten etwas gibt, »was mich quält und ängstigt« (37).
5. Unmittelbar nach den Festlichkeiten hat das Brautpaar die Hochzeitsreise nach Italien angetreten. Effis Eltern tauschen zu Hause ihre Gedanken über die Vermählten aus. Sie werden in ihren Sorgen bestätigt, als sie aus Effis Karten und Briefen nicht nur Glück, sondern auch »Sehnsucht« (45) herauslesen.
6. Am 14. November trifft das Paar wieder in Berlin ein und fährt nach kurzem Aufenthalt nach Kessin weiter. Innstetten bereitet Effi, die »halb ängstlich, halb begierig« (51) zuhört, auf Land und Leute vor und führt sie endlich in das landrätliche Haus, wo die Dienerschaft und Rollo, der Haushund, auf den Herrn und seine Gattin warten.
7. Am ersten Morgen in Kessin hat sich Effi verschlafen, frühstückt dann mit ihrem Mann und nimmt langsam die innere Umgebung ihres Hauses wahr.
8. Apotheker Alonso Gieshübler, der tags zuvor schon Blumen zur Begrüßung hatte schicken lassen, ist der erste Kessiner, der Effi, der Gattin des Landrats, seine Aufwartung macht.
9. Die nächsten Wochen sind ausgefüllt mit Pflichtbesuchen, die man den Honoratioren der Stadt und dem Landadel abzustatten hat und bei denen Effi genau und kritisch beobachtet wird. Als Innstetten dann nach Varzin, dem Gut von Reichskanzler Fürst Bismarck eingeladen wird, fühlt sich Effi zum ersten Mal einsam; es überkommt sie »Sehnsucht« und »Angst« (81). In der Nacht wacht sie schreckhaft auf und glaubt, im Haus spuke es.
10. Beim gemeinsamen Frühstück am nächsten Morgen bittet Effi ihren Mann, das Spukhaus aufzugeben und ein anderes zu mieten. Aber dazu ist Innstetten nicht bereit. Er schlägt vor, zur Ablenkung und zur Erholung eine Schlittenfahrt zu machen, die dann allerdings an dem Grab des Chinesen vorbeiführt, von dem der Spuk angeblich ausgeht.
11. Der Abend bei Gieshübler, bei dem die zu Besuch weilende Marietta Trippelli, Tochter der verwitweten Frau Pastor Trippel, singt, sorgt für Unterhaltung, kann aber Effis Gespensterfurcht nicht beheben.
12. Weihnachten wird still gefeiert. Am Silvestertag teilt Effi ihrer Mutter in einem langen Brief mit, es bestehe nun »Gewissheit« (109), dass sie schwanger sei, dass diese Freude jedoch nicht alle Sorgen beseitige. Am liebsten mache sie sich »auf nach Hohen-Cremmen« (110).
13. Der Winter bringt mehr »Langeweile« (113) als Abwechslung. Etwas lebhafter wird es, als im Frühjahr die Badesaison beginnt. Im Juni wird Roswitha, der Effi zufällig am Grab von deren verstorbener Dienstherrin begegnet, vorsorglich als Kinderfrau angestellt.
14. Am 3. Juli wird »Lütt-Annie« (129) geboren, am 15. August getauft. Beim anschließenden Festmahl ist auch Major von Crampas, der neue Landwehrbezirkskommandeur, anwesend. Tags darauf treten Effi, Annie und Roswitha die lang ersehnte Reise nach Hohen-Cremmen an.
15. Effi genießt die sechs Wochen in Hohen-Cremmen und ist Ende September wieder in Kessin. In das erste ausführliche Gespräch, das Effi und Innstetten führen, platzt Crampas, der trotz fortgeschrittener Jahreszeit im Meer gebadet hat und der nun Pläne erläutert, die ein abwechslungsreiches Leben im winterlichen Kessin garantieren sollen.
16. Auf gemeinsamen Ausritten von Crampas, Innstetten und Effi kommt es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Männern, bei denen Effi mit Crampas’ Ansichten sympathisiert. Als Effi und Crampas dann allein ausreiten, wird Innstetten zum Gesprächsthema.
17. Noch intimer und anzüglicher werden die Gespräche, die Effi und Crampas bei einem letzten gemeinsamen Ausritt im November führen.
18. Kurz vor Weihnachten wird das Theaterstück »Der Schritt vom Wege« aufgeführt, in dem Effi eine Rolle übernimmt und Crampas Regie führt. Nach Weihnachten werden Besuche in der Umgebung gemacht.
19. Nach einem Festessen in der etwas abgelegenen Oberförsterei gibt es Schwierigkeiten bei der Rückfahrt der Schlitten am Meer vorbei. Es fügt sich, dass Effi und Crampas auf der letzten Strecke allein im Schlitten sitzen, was Crampas zu »heißen Küssen« (181) auszunutzen weiß.
20. Auf dem Silvesterball begegnen sich Effi und Crampas nur flüchtig. Trotzdem merkt Effi, dass sie »wie eine Gefangene sei« (189).
21. Während eines einwöchigen Aufenthalts Innstettens in Berlin betreibt Effi ihre vom Arzt verordneten »Spaziergänge nach dem Strand und der Plantage« (194) und trifft dort mehrmals Crampas. Ihr »Gott sei Dank« (204) als Reaktion auf Innstettens Mitteilung, er werde demnächst als Ministerialrat in Berlin gebraucht, ist sprechend.
22. Effi will möglichst schnell nach Berlin, um eine Wohnung zu mieten. Sie verabschiedet sich persönlich von Gieshübler und schriftlich von Crampas. Es wird deutlich, dass diese Abschiede endgültig sein sollen.
23. In Berlin trifft Effi ihre Mutter, die an einem Augenleiden laboriert, und Vetter Dagobert. Effi zögert die Wohnungssuche hinaus und stellt sich schließlich krank, um nicht noch einmal nach Kessin zu müssen.
24. Ende März zieht Familie Innstetten in die Berliner Wohnung. Im Sommer reisen Effi und Innstetten zuerst nach Rügen, von dort nach Kopenhagen und Jütland. Auf der Rückreise machen sie Station in Hohen-Cremmen.
25.