Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.ddb.de abrufbar.
Marlene Toussaint
Seid nicht traurig, wir leben weiter
ISBN: 978-3-936795-57-8
eISBN: 978-3-936795-35-6
Mato-Verlag: Memmingen/Allgäu
Am Geisberg 6, 87779 Trunkelsberg
Tel./Fax 08331-494445
Website: www.engel-buecher.de, www.mato-verlag.de
Cover: Wolkenengel, gemalt von Alfred Weinand.
Herr Weinand malt auch Bilder auf Bestellung,
www.impression-in-oel.de
Umschlaggestaltung: Johann-Christian Hanke,
www.jchanke.de
Lektorat: Helene Power-Englert,
www.schreibjournal.de
Satz & Layout: Johann Christian Hanke, www.jchanke.de
Gesetzt aus der Rabenau von Axel Bertram
© Marlene Toussaint, 2010,
2. Auflage 2018
Printed in Germany
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die der Übersetzung und des
Nachdrucks. Es bedarf einer schriftlichen Genehmigung des Verlags. Dieses
Buch ist direkt beim Verlag oder in allen Buchhandlungen auf Bestellung
erhältlich.
Dieses Buch ist auch als E-Book erhältlich.
Marlene Toussaint
Seid nicht traurig, wir leben weiter
Sterbehilfe ja oder nein?
Leserbriefe
Menschen in Pflegeheimen
Phänomene
Leserbriefe
Gebet eines Kindes zu seinem Engel
Es gibt immer wieder Wunder
Das Jenseits ist kein Ort zum Schlafen
Kinder haben keine Angst vor dem Tod
Ein Mann spricht mit seiner verstorbenen Frau
Ein behindertes Wunderkind
Ein weiteres Schicksal
Mein Besuch bei dem Medium Doris Forster
Die Jenseitigen bereiten mich auf den Tod meiner Mama vor
Die letzten Tage mit meiner Mama
Meine Mama stirbt
Dieses Buch widme ich meiner geliebten Mutter, die am 9. Juni 2009 für immer nach Hause gegangen ist. Meine ewige Liebe begleitet sie genauso wie alle anderen lieben Menschen, die ich bereits verloren habe. Sie werden immer in meinem Herzen und meinen Gedanken weiterleben.
Die Jahre 2008 und 2009 waren Jahre des Abschieds für mich. Mehrere Menschen, die mir viel bedeutet haben, wurden von Gott nach Hause gerufen. Mein Onkel Albert, der Bruder meiner Mutter, der ständig anrief, um sich nach ihrem Gesundheitszustand zu erkundigen, starb noch vor ihr am 27. Dezember 2008. Albert war ein Nachzügler und viel jünger als sie. Aber er machte sich schon kurz nach seinem Tod bei mir bemerkbar: Als ich an seinem Todestag in das Zimmer meiner Mutter im Pflegeheim kam, ging ständig die Nachttischlampe an und aus. Da wusste ich sofort, dass mein Onkel gestorben war.
Mein Cousin Michael verließ uns ganz jung, um auf die andere Seite zu gehen. Sein Vater – mein Onkel Kurt – ging ebenfalls und außerdem in jungen Jahren Monika, eine wunderbare Frau.
Am 9. Juni 2009 starb schließlich meine geliebte Mutter. Noch immer ist ihr Verlust für mich mit viel Traurigkeit verbunden. Natürlich weiß ich, dass es ihr sehr gut auf der anderen Seite geht. Es geht ihr sogar viel besser als hier. Aber ich kann sie nicht mehr in den Arm nehmen, sie nicht mehr anlächeln, drücken oder ihr etwas Nettes sagen. Es geht mir dabei genau wie allen meinen Lesern, die Trauer in sich tragen. Auch ich bin davor nicht geschützt. Ich bin ein Mensch wie jeder andere, auch wenn ich viele Jenseitskontakte habe. Aber ich weiß, die Liebe kann man niemals auslöschen. Ich bin ganz sicher, das Band der Liebe zwischen zwei Menschen kann man niemals trennen. Aber der Abschied tut weh. Es tut ja manchmal schon weh, wenn einer in den Urlaub fährt und der andere zurückbleibt. Da fließen Tränen auf beiden Seiten. Aber wir wissen, wir kommen wieder zusammen – nicht nur nach dem Urlaub. Das ist ein großer Trost. Für Sie, für mich, für uns alle.
Wieder haben meine Leser ein wunderschönes Buch mitgeschrieben. Es sind ihre Erlebnisse mit Verstorbenen, die wieder sehr viel Liebe und Trost bei anderen verbreiten können. Der Titel dieses Buches »Seid nicht traurig, wir leben weiter« findet seine Bestätigung in diesen vielen Berichten darüber, wie sich die Verstorbenen bemerkbar machen. Im Namen aller möchte ich mich für die Schilderung dieser schönen Erlebnisse bedanken. Denn in jedem Bericht kommt Liebe, Freude und der Glaube an das Wiedersehen auf der anderen Seite zum Ausdruck. Es tut uns allen gut zu wissen, dass es ein Leben nach dem Leben gibt!
Meine Mutter mit 35 Jahren
Mein Cousin Michael
Nie hätte ich über diese Thematik geschrieben, wäre ich nicht selbst betroffen gewesen. In diesem Kapitel möchte ich den Menschen, die vielleicht eines Tages vor der gleichen Entscheidung stehen wie ich, über meine Erfahrung mit dem Thema Sterbehilfe berichten. Immer wieder habe ich mich gefragt, ob ich meine schwerkranke Mutter weiterbehandeln lassen soll. Ich habe sehr viel Trost durch die lieben Briefe vieler Leser erfahren. Jetzt möchte ich euch alle daran teilhaben lassen, damit ihr seht, dass es in dieser kalten Welt noch sehr viele Menschen gibt, die einem Trost, Liebe und gute Worte schenken. Menschlichkeit gibt es tatsächlich noch. Vor allem aber ist es etwas Besonderes, wenn Menschen, die meine Mama gar nicht kannten, sie in ihre Gebete einschließen. Auch ich habe nun gelernt, dass man sich nicht in seiner Trauer einschließen und abkapseln soll. Man muss reden, schreiben und unter Menschen gehen, die Gleiches erlebt haben.
Der 14. Juni 2008 war einer der schlimmsten Tage meines Lebens: An diesem Samstagmorgen fand ich meine Mutter leblos in ihrem Bett. Sofort rief ich einen Krankenwagen, aber mein Gefühl sagte mir, wenn da überhaupt noch etwas zu machen ist, nur noch durch die Kraft der Gebete und mit der Hilfe des Himmels. Als ausgebildete Heilpraktikerin wusste ich, dass es sehr schlecht um meine Mama stand. Ich bedrängte den Notarzt »Man muss ein CT machen.« Das hatte ich schon Tage vorher auch dem Hausarzt gesagt. Außerdem hatte ich mit einem Facharzt telefoniert, aber die Helferin verwies mich wieder zurück an den Hausarzt. Es war ein Teufelskreis. Ich wusste tief in meiner Seele, meine Mama war in Gefahr, ich rannte von Arzt zu Arzt und immer wieder stieß ich auf Hindernisse. Es sollte einfach nicht sein, dass ihr geholfen wird. Nur einen Tag vor ihrer Einlieferung ins Krankenhaus war der Hausarzt noch bei ihr und attestierte ihr beste Blutdruckwerte und gute Gesundheit. Ich bat ihn damals inständig, ihr eine Infusion zu legen, ich wäre auch bereit, für die Kosten selbst aufzukommen. Ich hatte sogar vorher in seiner Praxis angerufen und über die Helferin gebeten, dass er eine Infusion mitbringt, weil meine Mutter in den letzten Tagen zeitweise etwas verwirrt sei. Aber die Helferin erzählte mir etwas von einer beginnenden Demenz. Und ein CT war scheinbar für meine Mutter, eine alte Frau, zu teuer. Die Ärzte müssen ja sparen! Ich sagte schließlich zum Arzt, er bräuchte nicht einmal wiederkommen, ich würde die Infusion selbst entfernen, wenn die Flasche durchgelaufen ist. Doch er meinte, eine Infusion bringe gar nichts. Meine Mutter würde sich höchstens für die nächsten zwei Wochen ein wenig besser fühlen, dann sei ihr Zustand wieder genauso wie vorher. Er nahm ihr jedoch Blut ab und versprach mir, eine Woche später wieder nach ihr zu sehen. Aber so weit kam es nicht mehr, denn am nächsten Tag war sie bereits in der Klinik.
Ich packte an diesem Samstag ihre Sachen zusammen und begleitete meine Mutter im Krankenwagen in die Klinik. Auch dem diensthabenden Arzt sagte ich, »Sie müssen ein CT machen!«. Und tatsächlich wurde nun meine Mama sofort in die Röntgenabteilung geschoben, um diese Computertomografie zu machen. Ich wartete mit Tränen in den Augen. Dann kam der Arzt zu mir und sagte: »Es sieht nicht gut aus, Ihre Mutter hatte eine Hirnblutung.« Das, was ich in meinem Unterbewusstsein längst gewusst hatte, war nun Wirklichkeit.
Ich musste sofort an ihre Worte denken: »Kind, wenn ich wieder ins Krankenhaus komme, werde ich das nicht überleben, denn wenn man mal 80 Jahre alt ist und kein Privatpatient, machen die nichts mehr für einen.«
Der Arzt meinte, »Ihre Mutter kommt nun auf die Intensivstation und ich werde mit einem Kollegen reden, ob sich eine Operation lohnt.« Meine Gedanken kreisten im Kopf. Bei einem jungen Menschen würde es sich sicherlich lohnen, aber bei meiner alten Mama? Muss sie nun sterben, weil sie alt ist? Ich möchte sie doch nicht verlieren, sie ist doch einer der Menschen, die mir am meisten gegeben haben und ich liebe sie über alles. Was wird nun werden? Ich fühlte mich furchtbar hilflos, glaubte auch nicht mehr an das Gute im Menschen. Ist es heute nur noch wichtig, jung, gesund und gut versichert zu sein?
Als ich so in meine Gedanken versunken und weinend im Vorraum der Intensivstation saß, kam eine Schwester vorbei. Ich wollte ihr die Kleider meiner Mutter geben, aber sie meinte: »Nehmen Sie die wieder mit, die werden wir nicht benötigen. Und hier habe ich den Schmuck, den Ihre Mutter anhatte, nehmen Sie den auch mit nach Hause. Wenn Sie möchten, können Sie für ein paar Minuten zu ihr, aber Sie müssen sich erst umziehen.«
Als ich meine Mama dann so liegen sah, war ich total geschockt. Sie sah mehr tot als lebendig aus und ich fing an, zu Gott, der Mutter Maria und ihrem Schutzengel zu beten. Ich schrie innerlich fast zu ihnen, bitte, bitte, helft ihr! Meine Augen waren gefüllt mit Tränen. Doch dann fasste ich mich und zwang mich, ruhig zu bleiben: »Bleib stark Marlene, denn so kannst du deiner Mama nicht helfen, sie braucht dich und deine Kraft, nicht deine Schwäche, denn schwach ist sie selbst.« Obwohl sie im Koma lag, fing ich deshalb an, mit ihr zu reden. Als ich den Namen Franzi erwähnte, so hieß ihre Katze, konnte ich auf dem Monitor sehen, wie ihr Blutdruck und ihr Pulsschlag sofort anstiegen. Nun wusste ich, dass sie mich verstehen konnte. Ich redete dann nicht nur über die Katze, sondern sprach vor allem über ihre Genesung und dass sie wieder ganz gesund würde, auch wenn niemand daran glaubte, der sie so da liegen sah.
Am dritten Tag machte sie zum ersten Mal die Augen wieder auf und hob die linke Hand. Aber sie war nun rechtsseitig gelähmt und konnte nicht mehr sprechen. Der Arzt meinte: »Ihre Mutter kommt jetzt auf die Innere Station, Sie können gleich mitgehen, wenn Sie möchten. Aber bitte machen Sie sich keine großen Hoffnungen, denn Ihre Mutter wird bis an ihr Lebensende ein Pflegefall bleiben – wenn sie überhaupt überlebt.« Er schlug mir vor, sofort nach einer geeigneten Pflegestelle zu suchen, denn falls sie nicht an der Hirnblutung sterbe, könnte ich die Pflege nicht ohne Hilfe schaffen, außerdem sei ich ja auch berufstätig.
Mein Bruder war in der Zwischenzeit ebenfalls angereist und wir warteten gemeinsam, bis unsere Mama verlegt wurde. Während die Schwester sie auf die andere Station brachte, hob sie die linke, noch gesunde Hand, um sich am Griff ihres Krankenbettes festzuhalten. Da dachte ich, langsam setzen die Reflexe wieder ein und es wird wieder alles gut, die Gebete haben geholfen. Beruhigt ging ich an diesem Tag nach Hause. Aber trotzdem schlief ich in dieser Nacht furchtbar schlecht, ich war die ganze Zeit wach und wartete jeden Moment darauf, dass das Telefon klingelte und man mir sagen würde, dass meine Mama verstorben sei.
Als ich am nächsten Tag in die Klinik kam, bestätigten sich diese schlimmen Gedanken. Meine Mutter lag wieder im Koma und sah furchtbar aus. Die Ärztin meinte nur: »Es tut mir furchtbar leid, aber der Zustand Ihrer Mutter ist sehr kritisch, ich weiß nicht, ob sie überlebt, denn sie hat eine Lungenentzündung bekommen.«
In der Zwischenzeit wurde ich zum Vormund meiner Mutter erklärt, da sie ja keine Entscheidungen mehr treffen konnte. Es war ein furchtbares Gefühl, aber innerhalb von 24 Stunden hatte ich die Unterlagen über die Vormundschaft in der Hand. In dem Zimmer lagen noch zwei andere Damen. Eine fragte »Wie alt ist denn Ihre Mama?« Als ich sagte »Sie ist 80 Jahre alt«, meinte sie, »Dann ist sie ja das Küken im Zimmer, wir beide sind 88 und 89 Jahre alt.« Als die Dame sah, wie traurig ich war, erzählte sie mir, dass sie vor sieben Jahren auch einen Schlaganfall gehabt hatte und genau so schlimm da lag, wie meine Mama. »Aber glauben Sie mir, junges Fräulein«, sagte sie lächelnd, »ich hatte anschließend noch sieben schöne Jahre und möchte mein Leben auch weiterhin genießen, obwohl ich schon so alt bin.« Das beruhigte mich ein wenig.
Keine Nacht ist in dieser Zeit vergangen, in der ich nicht die Mutter Gottes, Gott und alle Heiligen angefleht habe, meiner Mama zu helfen. Als ich das nächste Mal ins Krankenhaus kam und die Tür zu ihrem Zimmer öffnete, war sie nicht mehr da. Ich fiel beinahe in Ohnmacht, das war ein ganz schlechtes Zeichen. Ich ging zu der diensthabenden Ärztin, die sie betreut hatte, und erfuhr, dass man sie verlegt hatte, sie würde jetzt von einem Kollegen betreut. Sofort war mir klar, dass meine Mama jetzt in einem Sterbezimmer lag. Das sind meistens die letzten Zimmer am Ende des Flurs. Das wusste ich noch von der Zeit, als ich im Klinikum gearbeitet habe. Und ich fand meine Befürchtung bestätigt. Meine Mutter lag mit einer anderen Frau in diesem Sterbezimmer. Sie war im Koma, die andere Dame sah aus, als wäre ihr Körper nicht mehr in der Lage, lange am Leben zu bleiben. Ihre Augen wirkten riesig in ihrem winzigen Gesicht und sie sah aus wie ein Skelett. Sie wog höchstens 40 Kilo und man ahnte, dass sie bald sterben würde. Man hatte also die beiden Todeskandidaten zusammengelegt. Ich fing an zu weinen. Dann bemerkte ich, dass mir die Frau den Arm entgegenstreckte. Sofort ging ich zu ihr, nahm ihre Hand, vergaß meinen eigenen Schmerz und fing an, sie zu trösten. Mir wurde klar, dass ich diejenige war, die hier Trost spenden musste. Ich streichelte sie und sprach mit ihr. Sie verstand mich, konnte aber nicht antworten. Ich redete lange mit ihr und erzählte ihr von ihrem Schutzengel, der immer bei ihr ist und sie nie verlässt. »Sie sind nie alleine«, sprach ich ihr Mut zu. Da strahlte sie mich an und machte einen sehr glücklichen Eindruck.
Als ich an diesem Abend nach Hause kam, wollte ich mich mit Menschen austauschen, die bereits in der gleichen Situation waren und meine Ängste und Sorgen deshalb sicher verstanden. Heute kann ich aus Überzeugung sagen, ich bin gegen Sterbehilfe, denn Gott hat mir erlaubt, noch ein sehr schönes Jahr mit meiner Mama zu verbringen. Bereits damals wusste meine Seele aber, dass es nur eine einmalige Verlängerung war, die es nicht noch einmal geben würde.
Guten Abend, liebe Michaela,
ich kämpfe gerade um das Leben meiner Mama. Du weißt ja am besten, was das bedeutet. Meine Mama ist sehr krank und wird sicher ein Pflegefall bleiben. Sie kam mit einer Hirnblutung ins Krankenhaus und man wollte sie gleich sterben lassen. Ein junger Arzt sagte, eine Behandlung bringt nichts mehr, sie liegt im Koma und wir sollten sie am besten sterben lassen. Also Tod durch Verhungern! Ich habe darauf bestanden, dass man sie über eine Sonde ernährt. Diese wird morgen eingesetzt. Der Arzt meinte, es sei eine gefährliche Angelegenheit und ich müsse mit dem Schlimmsten rechnen.
Liebe Marlene,
wie geht es deiner Mama heute? Ich denke jeden Tag an euch und hoffe, du konntest ihr mit deinem Kampfgeist helfen. Jeden Tag schaue ich in mein Postfach, denn ich denke viel an euch und hoffe immer auf eine positive Nachricht von dir. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass deine Gedanken jetzt ganz woanders sind und daher bitte ich dich, melde dich nur, wenn es deine Zeit mal zulässt. Ich bete für dich und deine Mama, ich drücke und umarme euch beide, Michaela
Liebe Michaela,
heute war ich wieder bei meiner Mutter. Es geht ihr einigermaßen, aber sie liegt leider im Wachkoma. Gestern schlief sie die zwei Stunden, als ich dort war. Aber vorgestern habe ich sie massiert und sie hat sogar die Hand ausgestreckt, als ich gesagt habe, jetzt massiere ich dir die Arme. Es ist furchtbar stressig für mich, sie so zu sehen und ganz viel Lauferei. Mein Tag beginnt ganz früh und endet in der Nacht. Dann habe ich noch ihre Katze Franzi zu versorgen. Ich liebe sie über alles, aber mein Freund macht Theater. Er will, dass sie sich nur in einem Raum aufhält und wir hatten deshalb einen Riesenkrach. Am besten wäre es, wenn ich die Katze verschenken würde, meinte er, denn er mag keine Katzen: »Du musst dich entscheiden, entweder die Katze, oder ich«, sagte er sogar. Ich antwortete, dass er mich nicht vor diese Entscheidung stellen darf, denn ich würde mich für die Katze entscheiden, weil meine Mama gewollt hätte, dass ich mich um das Tier kümmere.
Liebe Marlene,
oh Gott, das tut mir furchtbar leid mit deiner Mama. Es ist schlimm, wenn man mit ansehen muss, wie ein geliebter Mensch leidet und man nicht helfen kann. Man würde alles tun, doch manchmal ist man einfach hilflos und muss Gott machen lassen. Er wird es zum Besten richten für euch alle. Sprich viel mit deiner Mama, sag ihr alles was dir auf dem Herzen liegt, sag ihr wie sehr du sie liebst und dass sie das Beste war, was dir in deinem Leben passiert ist. Ich habe das meiner Mama auch oft gesagt, aber heute denke ich, ich habe es noch viel zu wenig getan. Wenn ich ihr jetzt Blumen auf den Friedhof bringe, dann denke ich immer wieder: »Mensch, warum hast du ihr nicht früher öfter Blumen geschenkt, nicht immer nur zum Muttertag oder zum Geburtstag?« Man muss den Lebenden Blumen bringen und die Mamas sind etwas ganz Besonderes, vor allem, wenn man so liebevolle Mamas hat wie wir zwei.
Es liegt mir noch etwas am Herzen: Wenn es so weit ist und sie will ins Licht gehen, dann lass sie gehen, gib ihr die Erlaubnis. Du weißt doch selbst, welch schöne Sachen sie dort erwarten und dass sie auch danach immer bei dir ist. Doch trotzdem, die Hoffnung stirbt zuletzt und daran hält man sich auch. Auch ich habe das bis zur letzten Minute getan. Dass man dir nun in deiner jetzigen Situation Stress macht, finde ich ausgesprochen mies. Gerade jetzt, wo du psychisch total überdreht bist, müsste man eigentlich Stärke zeigen und zu dir halten. Streit ist das Letzte, was du jetzt gebrauchen kannst. Im Gegenteil, gerade in dieser Zeit brauchst du jemanden, der dir zur Seite steht und dir die Kraft gibt, die du jetzt so bitter brauchst. Schade, dass es immer wieder Menschen gibt, die das nicht verstehen.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Zuversicht und wer weiß, vielleicht helfen dir deine lieben Engel. Ich denke übrigens jeden Tag an dich, weil ich weiß, wie traurig du dich nun fühlst, weil ich es selber mitgemacht habe.
Liebe Marlene, es freut mich unheimlich, dass es deiner Mama wieder besser geht. Ich habe so oft an euch gedacht und immer (selbst im Urlaub) in meinem Postfach nachgeschaut, ob eine Nachricht von dir da ist. Aber ich wollte dich auch nicht ständig mit meiner Fragerei belästigen, denn ich weiß doch, wie viele Dinge du um die Ohren hast. Ich denke, einerseits wärst du sehr erleichtert, wenn deine Mama aus dem Koma erwacht, andererseits wirst du dann sicher hin und hergerissen sein mit deinen Gefühlen, ob ihr diese hilflose Situation gefällt. Aber ich bin mir sicher, du wirst das Richtige für sie tun. Wenn nicht du, wer dann?
Unser Urlaub war wunderbar, mir ging es noch nie körperlich und seelisch so gut. Keine Kopfschmerzen, keine Magenschmerzen, ich kannte dieses Gefühl schon lange nicht mehr. Es gab auch wieder schöne Augenblicke mit Jana. Du weißt ja, dass ich unter Flugangst leide. Es ist so extrem, dass ich mir Tabletten besorgen musste, um dem Flug wenigstens einigermaßen relaxt entgegensehen zu können. Kurz bevor ich in den Flieger stieg, nahm ich die Tablette und ich muss sagen, es war ein sehr schöner Flug.
Am Abend vor unserem Heimflug nach Paderborn kam plötzlich Jana zu mir und sagte: »Ela, die Oma ist da und ich soll dir etwas ausrichten.« Sie sagte: »Du wirst morgen beim Rückflug sehr tapfer sein müssen und sie wird danach unheimlich stolz auf dich sein. Du wirst oft denken, Hilfe, was passiert jetzt mit mir, doch es wird alles gut gehen. Der eigentliche Flug wird sehr ruhig verlaufen, doch bei der Landung wirst du fürchterliche Angst bekommen, doch ich, deine Mama, werde neben dir sitzen und du brauchst keine Angst zu haben, denn es wird euch nichts passieren.« Kannst du dir vorstellen, mit welchen Gefühlen ich in den Flieger gestiegen bin? Der Flug war ruhig und eigentlich entspannend. Aber die Landung war, wie meine verstorbene Mama vorausgesagt hatte, eine große Katastrophe. Die Maschine kam über Soest in Scherwinde und wurde hin und her geschaukelt. Viele Mitreisende griffen nach ihren Tüten und erbrachen sich, außerdem wurde es ganz plötzlich totenstill in der Maschine. Ich war am Ende meiner Kräfte und habe dann vor lauter Erleichterung geweint, als das Flugzeug endlich zur Landung aufsetzte. Die Flugbegleiterin kam zu mir und fragte mich nach meinem Befinden. Ich sagte ihr, dass dieser Flug mir nervlich ziemlich zugesetzt hatte. Daraufhin meinte sie, dass die Landung wirklich sehr, sehr unruhig gewesen sei, weil die Thermik sehr unterschiedlich war, deshalb wurden wir so durchgerüttelt. Jana schaute mich nur an und nickte mir zu. Wir beide wussten es ja bereits, denn meine Mama hatte es uns genau so vorausgesagt. Muss ich dazu noch etwas sagen?
Gestern habe ich genau das erlebt, was meine Mama immer vorausgesagt hat: »Die Alten sind nichts mehr wert, die lässt man sogar sterben, um Geld zu sparen!« Gestern ging es meiner Mama furchtbar schlecht. Sie lag im Sterbezimmer mit einer anderen Frau zusammen. Ich suchte nach dem Arzt. Die junge Ärztin, die meine Mama vorher behandelt hatte, war nicht mehr zuständig. Da sie ins Sterbezimmer verlegt worden war, war nun ein anderer Arzt zuständig. Ich unterhielt mich mit ihm und er sagte: »Ich finde, wir sollten alle Indikationen bei Ihrer Mutter einstellen und sie sterben lassen. Denn sie hat nur eine geringe Chance, wieder gesund zu werden oder überhaupt wieder aufzuwachen. Ich fragte ihn: »Glauben Sie an Wunder?« Er schaute mich an und sagte: »Ja, es gibt schon Wunder, aber ich glaube nicht bei Ihrer Mutter, wir können froh sein, wenn sie den heutigen Tag überlebt, außerdem muss sie noch eine Operation hinter sich bringen, die nicht so einfach ist. Man muss eine Magensonde legen, das ist in ihrem Zustand eine gefährliche Operation!« Ich sagte: »Wenn auch Sie an Wunder glauben, dann werden Sie meine Mama weiterbehandeln und hoffen, dass bei ihr so ein Wunder eintritt.« Wenig später bekam sie plötzlich wieder Antibiotika, um ihre Lungenentzündung zu bekämpfen. Ich bin mir sicher, hätte ich an diesem Tag nicht mit dem Arzt gesprochen, hätte sie diese Nacht nicht überlebt.
Als ich gestern bei meiner Mama war, ist etwas Sonderbares passiert. Ich begrüßte sie, und sagte zu ihr, dass ich am Sonntag Geburtstag habe und sie furchtbar vermisse. Sie müsse bei ihrer Heilung mitarbeiten, damit ich sie bald wieder mit nach Hause nehmen kann. Dann zählte ich alle Bekannten und Freunde auf, die bereits für sie angerufen haben und ihr liebe Grüße ausrichten ließen. Da überwältigten mich meine Gefühle und ich fing ganz plötzlich an zu weinen, denn es tat mir furchtbar weh, dass Mama nicht antworten konnte und ich sie so hilflos da liegen sah. Da nahm sie meine Hand, drückte sie und weinte mit mir. Auf der einen Seite war ich in diesem Moment furchtbar traurig, auf der anderen Seite aber doch sehr glücklich, denn nun wusste ich ganz sicher, dass sie mich immer verstanden hat und es keine Einbildung von mir war.
Gestern Mittag war ich, bevor ich zu meiner Mama und ihrer sterbenden Bettnachbarin ging, noch in einem Geschenkartikelgeschäft. Ich hatte vor, beiden Frauen einen Engel an ihr Bett zu stellen. Meiner Mama kaufte ich einen blauen und der todkranken Frau einen grünen Engel. Auf dem Weg zum Krankenhaus bat ich die Engel darum, mir ganz viel Energie zu übermitteln, denn ich wollte bei meiner Mama eine Heilung durchführen. Als ich den Raum betrat, hatte meine Mama die Augen geschlossen und zeigte keine Reaktion. Sie lag noch immer im Koma und das bereits seit zwei Wochen.
Ich packte die beiden Engel aus, sprach zuerst mit der sterbenden Frau und streichelte sie am Arm. Bei ihr wusste ich ganz spontan, da konnte man nicht mehr helfen. Aber sie war so glücklich, als ich ihr den Engel zeigte und sagte: »Der Engel wacht über dich und wird dich immer und überall hin begleiten.« Sie strahlte mich an und streichelte meine Hand. Auch ich streichelte sie. Dann ging ich zu meiner Mama und betete ganz intensiv zu Gott, der Mutter Maria und den Engeln Raphael, Michael und Gabriel. Ich bat aus vollem Herzen um Heilung für meine Mama. Ganz plötzlich spürte ich ein Kribbeln und eine Hitze in meinen Händen, selbst meine Wirbelsäule vibrierte und wurde ganz heiß, ich hatte das Gefühl, als würde mein Rücken brennen. Meine Augen waren noch immer fest geschlossen, während ich aufrichtig betete. Als ich mit der Heilung fertig war und mich für den Beistand und die Hilfe Gottes und seiner Helfer bedankt hatte, schaute ich wieder auf meine Mama. Nun konnte ich sehen, dass sie auf einmal ihre wunderschönen blauen Augen ganz weit geöffnet hatte und mich verwundert anschaute. Ich war so glücklich, dass ich weinen musste, und ich schickte meinen Dank nach oben.
Dann kamen die Ärzte zur Visite. Sie waren total erstaunt: »Ihre Mutter hat sich ja wunderbar und so schnell erholt.« Ich wollte in dem Moment nicht sagen, dass sie ja nach ihren Aussagen schon längst tot sein müsste und von ihrer Seite bereits alle Hoffnung aufgegeben war. Aber ein Wunder war passiert, genau, wie ich es dem Arzt gesagt hatte. Vielleicht sollte ich den Ärzten mein neues Buch schenken, damit sie nicht so vorschnell Entscheidungen treffen, die man durch die Kraft der Gebete wieder zum Guten hätte lenken können.
Meine Mutter mit 75 Jahren
Der Lebensgefährte meiner Mutter im Alter von 77 Jahren
Hoffentlich geht es deiner Mama wieder besser. Ich denke sehr oft an euch und bete zu Gott, das er dir und deiner Mama viel Kraft gibt, damit ihr das durchstehen könnt. Nun komme ich wieder mit einem Problem zu dir, wo du ja gerade jetzt genug Probleme hast.
Mein Papa hat sich von seiner neue Liebe, der Thaifrau, getrennt. Leider, muss ich sagen, denn Pao ist mir sehr ans Herz gewachsen. Ich bedauere das sehr. Doch sie kann und will einfach mit meinem Vater nicht mehr zusammenleben, weil sie sonst kaputt geht, sagt sie. Mein Vater dagegen ruft sie ständig an und belästigt sie und will sie unbedingt wieder zurückhaben. Doch es ist scheinbar zu spät, ich habe keine Hoffnung mehr für diese Beziehung. Als ihm das auch klar war, hat er sich ganz schnell eine neue Herzensdame angelacht und ist mit ihr sogar sofort in den Urlaub gefahren. Die neue Frau gefällt mir aber überhaupt nicht. Sie spricht nur schlecht über alles und jeden. Auch lässt sie an ihrer Vorgängerin kein gutes Haar, das mag ich aber nicht, denn Pao war eine ganz liebe Seele und sie war auch immer gut zu uns. Aber das ist eine unendliche Geschichte. Wie gesagt, mein Vater hat sich ihr gegenüber wie kein Mensch benommen und sie will ihn nicht mehr. Sie möchte aber gerne mit uns Kindern und Enkelkindern weiterhin in Kontakt bleiben. Das freut mich sehr und wir werden uns in der nächsten Woche treffen. Gestern jedoch rief sie mich ganz unerwartet an und war sehr aufgeregt. Sie sagte zu mir, sie wüsste nicht, was sie machen sollte, denn meine verstorbene Mutter würde ihr ständig erscheinen. Meine Mama würde sie immer ganz lieb anschauen und lächeln, doch sie wüsste nicht, was sie von ihr will. Pao kannte meine Mama ja gar nicht, hat aber immer nur gut von ihr gesprochen und mir ständig versichert, welch eine gute Mutter ich doch hatte. Doch nun erscheint sie ihr ständig und will ihr etwas mitteilen. Sie ist nun traurig, weil sie die Botschaft nicht versteht.
Pao sagt immer, sie liebt mich wie ihr eigenes Kind, aber sie will niemals eine Mama für mich sein, nur eine gute Freundin. Sie sagt immer zu mir, dass ich eine wunderbare Mutter gehabt habe, die sie nie ersetzen könnte. Das ist doch schön, wenn man so liebe Worte über seine geliebte Mama hört. Nun hat sie mir anvertraut, dass meine Mutter ihr bereits seit längerer Zeit erscheint, und glaub mir, sie lügt nicht. Sie sagte mir, das meine Mama ganz plötzlich vor ihr gestanden hätte, und das mehrmals am Tag. Sie beschrieb sie mir ganz genau und sagte, dass meine Mutter nicht mit ihr gesprochen hätte, sondern sie immer nur lächelnd angesehen habe. Auch hätte sie keine Angst vor ihr gehabt, weil sie so viel Liebe ausstrahlte, alles an ihr sei positiv. Jedenfalls ist meine Mutter ihr täglich erschienen, nachdem sich Pao von meinem Vater getrennt hatte. Sie sagte zu mir, sie hätte immer zu meiner Mutter gesagt: »Bitte, sei nicht böse auf mich, aber ich kann mit deinem Mann nicht mehr zusammenleben.« Doch meine Mama hat immer weiter gelächelt. Einmal als ich und die Kinder bei ihr zu Besuch waren, kam auch Mama und hat wieder lächelnd neben Pao gestanden.
Meine Schwester und ich waren heute bei Pao. Sie hat sich sehr gefreut, als sie uns wieder sah, und wir uns natürlich auch. Sie hat uns ihre neue Eigentumswohnung gezeigt und dann sind wir alle zum Eisessen gegangen. Es war einfach schön heute mit Pao. Ich merkte heute noch mehr, wie sehr sie uns und besonders mir fehlt. Wir haben dann noch zusammen einen Bummel durch die wunderschöne Altstadt gemacht. Wir saßen lange am Brunnen und sie ging mit Tine in ein »Hello-Kitty«-Geschäft. Tine hat gestrahlt, endlich mal wieder jemand, der sich nur mit ihr beschäftigte. Meine Mama wäre glücklich gewesen, wenn sie das gesehen hätte. Alle bekamen von Pao eine Kleinigkeit geschenkt. Ich weiß nicht, wie ich ihr danken soll. Doch sie sagte zu mir, dass wir sie so lieb in unsere Familie aufgenommen haben und dass es ihr eine Freude sei, sich zu bedanken. Wir haben lange über meinen Vater gesprochen und ich habe sie, genau wie du es vorgeschlagen hast, gebeten, es doch noch einmal mit ihm zu versuchen. Sie sagte, dass sie der anderen Frau das Glück nicht zerstören möchte und dass sie Angst hat, dass diese Frau sich dann vor lauter Kummer etwas antut. Außerdem glaubt sie nicht daran, dass mein Vater sich ändern wird. Es müsse sich aber viel ändern, wenn er sie wieder zurückhaben will. Wir haben alle beim Abschied geweint. Ich hätte nie gedacht, dass ich so viel für sie empfinde. Meine Schwester sagte das Gleiche.
Nun weiß ich nicht, was ich meinem Vater erzählen soll, wenn er übermorgen aus dem Urlaub zurückkommt. Ich könnte ihm ja sagen, was er unbedingt ändern muss, damit sie zurückkommt. Aber es tut mir jetzt schon von Herzen leid, wenn er sie dann doch wieder schlecht behandelt. Dann habe ich alles eingefädelt und ich bin am Ende schuld, wenn es Pao wieder schlecht ergeht. Er müsste natürlich auch sofort das Verhältnis zu dieser neuen Frau beenden. Allerdings kann ihm ja niemand versprechen, dass ihn dann Pao wirklich zurücknimmt. Dann steht er vielleicht wieder alleine da. Und ich möchte einfach nicht, dass er Pao noch einmal so weh tut. Verstehst du das? Andererseits weiß ich erst jetzt, was für eine Bereicherung diese Frau für unsere Familie war und noch immer ist.
Heute musste ich lachen, weil Pao zu mir sagte, dass sie meine Mama ja eigentlich nur vom Foto her kennt und dass sie erstaunt ist, dass gerade sie immer wieder zu ihr kommt, denn eigentlich würde sie auch gerne mal ihren verstorbenen Mann sehen, doch der lässt sich nicht bei ihr blicken.
Ich bin froh, dass ich mich bei dir ausquatschen kann und du mir mit deinen Ratschlägen hilfst. Es geht doch nichts über gute Freunde!