AUSTROFRED

PFERDELEBERKÄSE

Austrofred: Pferdeleberkäse / Austrofred
Wien: Czernin Verlag 2015
ISBN: 978-7076-0546-4

© 2015 Czernin Verlags GmbH, Wien
Gestaltung: Mitter Klaus
Umschlagfotos: Pertramer Ingo
Leberkäseskulptur: Bruno Lipp (www.atelierlipp.com) nach einer Idee von Mitter Klaus
Leberkäse zur Verfügung gestellt von der Fleischhauerei Ozlberger, A-4081 Hartkirchen
Lektorat: Sabine Edith Braun
Produktion: www.nakadake.at
ISBN E-Book: 978-3-7076-0545-7
ISBN Print: 978-7076-0546-4

Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe
in Print- oder elektronischen Medien

INHALT

Die beste Austrofred-Geschichte aller Zeiten

Quattro Stagioni

Ein bescheidener Vorschlag

Does Humour belong in Music?

Pferdeleberkäse aus der Tube

Wirtshaus zum Goldenen Pelikan

Von Wöd-Musiker zu Weltmusiker

Schasaug

Es ist jemand faul im Staate Österreich

Das Telefonbuch singen

Obermayer, Untermeyer, Vordermeier, Hintermaier

Rechnen Sie immer noch in Schilling, Herr Austrofred?

I bin i

BÖF

Ein Schritt viri, zwölf Schritte zruck

Ein besseres skug ist möglich

Carports in Senftönen

Phil

Queen halb leer?

The Sound of Music – eine Fehleranalyse

Legal schwanern

Weiße Pferde

ERSTVERÖFFENTLICHUNGEN

DIE BESTE
AUSTROFRED-GESCHICHTE
ALLER ZEITEN

Allerwerteste Damen und Herren,

liebe Fans,

leider muss ich euch als Erstes gleich gestehen, dass ich euch angelogen habe. Und zwar mit dieser Überschrift. In Wirklichkeit handelt es sich nämlich bei diesem Text nicht um die beste Austrofred-Geschichte aller Zeiten, ja, nicht einmal um eine Geschichte, rein vom Prinzip her, sondern das ist ganz einfach ein Vorwort. Aber was hätte ich denn machen sollen, ich kenne ja mein Publikum: Wenn ich da „Vorwort“ drüberschreibe, dann liest es wieder keiner. Der Großteil von euch kriegt ja schon Kopfweh, wenn er die Rückseite von einer Senftube lesen muss. Wenn man da nicht ein bisschen trickst, dann denkts ihr euch, auweh, ein Vorwort, das lasse ich lieber aus – nicht, dass ich mich beim Austrofred mit einer Überdosis Gescheitheit anstecke.

Viele Leser schätzen an meinen Büchern besonders den Humor, und das ist gut so, weil Lachen ist bekannterweise die wirksamste Medizin. Aber: Nur lustig ist auch nichts. Als Schriftsteller, den viele Fachleute mittlerweile auf einem Niveau bis hinauf zu einem Franz Werfel sehen, möchte ich mich auch mit den ernsten und brennenden Themen unserer Gesellschaft beschäftigen. Wobei das symbolisch gemeint ist: brennende Themen. Weil in der Realität kann ein Thema natürlich nicht wirklich brennen – Holz kann brennen, oder Papier. Dieses Buch brennt theoretisch auch sehr gut. (Auch wenn ich niemandem empfehlen möchte, dass er es anzündet, weil so etwas macht einen schlechten Leumund unter Geistesmenschen.) Aber ein Thema brennt erst dann, wenn ein literarischer Mensch wie der Austrofred etwas darüber schreibt, und damit ein literarischer Mensch wie der Austrofred über ein Thema schreibt, schadet es nicht, wenn ein mehr oder weniger finanzkräftiger Auftraggeber beim Austrofred einen Aufsatz in Auftrag gibt. Die meiner bescheidenen Meinung nach gelungensten und bestbezahlten dieser Auftragsarbeiten sind in diesem Buch versammelt.

Wobei „bestbezahlt“ sehr relativ ist: In Summe habe ich für die Texte in diesem Buch, habe ich mir ausgerechnet, nicht einmal 5000 Euros Honorar gekriegt. Ich bin einfach ein zu guter Mensch, es hilft nichts. Wenn da so ein armer Hansl daherkommt, so ein Verleger oder eine Verlegerin, und sagt, „Austrofred, mein Blattl pfeift aus dem letzten Loch, kannst du mir nicht ein bisschen etwas schreiben, damit die Auflage wieder anzieht, du kriegst auch ein Bussi und eine Kiste Bier dafür“ – dann kann ich sehr schwer Nein sagen. Und das nur wegen meinem übertrieben weichen Herzen! Eigentlich eine Frechheit, die ich mir da erlaube, mir selbst gegenüber. Höchste Zeit, dass diese schriftstellerischen „Nuggets“ über den Buchmarkt noch ein bisschen was hereinspielen.

Wenn ich über solche quasi Schubladisierungen nicht längst erhaben wäre, dann tät ich die Texte in diesem Buch als Essays und Reportagen bezeichnen und also als journalistische Texte. Und nicht die schlechtesten! In meinem letzten Buch Hard on! habe ich mich sehr kritisch mit dem österreichischen Kulturjournalismus auseinandergesetzt, und nicht wenige haben daraufhin gesagt, „aha, der Austrofred, der Herr Gscheit, wenn er es besser kann, dann soll er uns doch seine genialen journalistischen Arbeiten zeigen!“ – bitte, gern geschehen.

Zum Titel: Ich bin bei der Zusammenstellung von diesem Buch draufgekommen, dass es Thematiken gibt, die mich offensichtlich so sehr beschäftigen, dass sie nicht nur ein- oder zweimal vorkommen, sondern gleich drei-, vier- oder fünfmal: Autobahnraststätten zum Beispiel, der Falco oder die Fernsehsendung Wetten dass..? Am öftesten aber kommt der Begriff Leberkäse vor, was vor allem von dem her bemerkenswert ist, weil ich in der Öffentlichkeit ja fast ausschließlich als Schnitzeltiger wahrgenommen werde. Dann ist mir geschossen, dass „Leberkäse“ eigentlich ein super Titel für dieses Buch wäre, indem es ja aus quasi bereits veröffentlichten Texten besteht, so wie auch der Leberkäse ein Wurstprodukt ist, das aus den Abfällen von anderen Wurstprodukten besteht. – Und trotzdem schmeckt er köstlich! Allerdings habe ich mich dann gefragt, ob dieser Titel wirklich für die Ewigkeit taugt. Hätte ein Franz Grillparzer ein Stückl mit dem Titel „Leberkäse“ geschrieben? Eher nicht. Einem Grillparzer wäre dieser Titel zu proletarisch gewesen. Also habe ich den Leberkäse zu einem Pferdeleberkäse upgegradet, das klingt gleich deutlich nobler. Weil ein Pferd ist ein elegantes und anmutiges Geschöpf mit einer dichten Mähne, einem kraftvollen Körper und einem stolzen Schweif – die Ähnlichkeiten zum Austrofred liegen auf der Hand –, weswegen der Titel ganz gut signalisiert, dass dieses Buch nicht von irgendeinem Schwachmatiker stammt, sondern von einer Edelfeder.

Noch eine Anmerkung: Ich habe an diesen Aufsätzen im Nachhinein nichts mehr geändert oder verfälscht, nur ein bisschen Fehler ausgebessert und die gröbsten Wiederholungen weggelassen. Beziehungsweise hat meine Lektorin noch ein wenig die Schreibweisen angeglichen, weil das schadet nicht, und ich persönlich scheiße mir diesbezüglich ja gar nichts. Einmal schreibe ich eine direkte Rede mit Gänsefüßchen, einmal in Schrägschrift, das dritte Mal ganz normal. Mir ist das einfach wurscht. Bin ich denn ein Roboter? Eine Maschine?

Nein, ich bin

euer

PS: Natürlich ist es für so einen wie mich nicht leicht, meine Reportagen undercover zu schreiben – ich bin einfach zu bekannt. Einmal habe ich eine ungute Autopanne gehabt – es war zwar nur der Reifen zum wechseln, aber wenn man eine weiße Hose anhat, dann macht einem das trotzdem keine Freude –, da hat mir dann ein Rohrbacher mit Fleischhaube (= Glatze) geholfen. Wie er fertig war, hat er mich aufgeweckt und gelacht und gesagt: „Aber Herr Austrofred, nicht, dass Sie mich jetzt in einem von Ihren Büchern als einen rechten Deppen hinstellen!“

„Ja, Gott bewahre“, habe ich gesagt, „ganz im Gegenteil: Wenn Sie bei mir vorkommen, dann werden Sie eine ordentliche Matte am Kopf haben, und aus dem RO-Nummernschild mache ich ein WE oder ein GR!“

„Wieso, was stimmt denn nicht mit einem Rohrbacher Taferl?“, ist er gleich ein bisschen fuchtig geworden.

„Eh nix“, habe ich gelogen, „passt eh alles.“

Vom Heiraten, von der Ehe
und von den vielfältigen Aufgaben eines Alleinunterhalters
im Rahmen einer Hochzeitsfeier
handelt die Insider-Reportage

QUATTRO STAGIONI

Normalerweise ist es ja so, dass das Gröbste schon vorbei ist, wenn ich am Tatort eintreffe, nämlich das sogenannte Jawort. Aber wie es in einem alten Alleinunterhalter-Sprichwort heißt: Nach dem Gig ist vor dem Gig. Jetzt fängt die Hochzeit erst richtig an! Und auch wenn untertags vielleicht alles voll in den Arsch gegangen ist, weil das Wetter nicht mitgespielt hat, der Bräutigam die Ringe versawelt hat oder der Ex-Haberer der Braut uneingeladenerweise aufgetaucht ist und jetzt am Kindertisch aufrührerische Reden schwingt – als Hochzeits-Entertainer kannst du immer noch alles herumreißen. Du allein hast es in der Hand, dass der Braut noch Jahre später die Freudentränen in die Augen schießen, wenn sie an diesen Tag zurückdenkt.

Ich darf mit gutem Gewissen behaupten, dass ich ein äußerst erfahrener Hochzeits-Entertainer bin, wahrscheinlich der erfahrenste überhaupt. Ich habe Hochzeitsgesellschaften in Österreich, Bayern und Baden-Württemberg unterhalten, eine in Budapest und mehrere in Istanbul. Silberne Hochzeiten, Goldene Hochzeiten, gleichgeschlechtliche Hochzeiten, geheime Hochzeiten; Bauern, Bäcker, Banker – alles. Auch Scheidungen natürlich. Dazu noch Taufen, Firmungen und Bar-Mizwas, und immer zur vollsten Zufriedenheit meiner Kundschaft.

Diese Zufriedenheit kommt von dem her, dass ich meine Aufgabe viel umfassender sehe als irgendein dahergerannter Falco-Imitator, der gschwind-gschwind zu einer lieblos eingelegten Playback-CD Jeanny1 und Out of the dark herunterdrückt, sich vom Brautvater gach sein Kuvert abholt und dann so schnell es geht wieder in seinen zusammengeschotterten VW Jetta steigt (den er pietätvollerweise immerhin ums Eck geparkt hat, weil so eine Rosthütte wäre einem Falco ja wirklich nicht angemessen). Ich dagegen sehe mich viel ganzheitlicher, als Zeremonienmeister, der direkt vom Pfarrer oder vom Standesbeamten die Aufgabe übernimmt, dass er die ganze Geschichte ein bisschen feierlich gestaltet. Also gehe ich mit gemessenem Schritt auf die Bühne, sage ein paar positive Worte, die den Bräutigam über den Verlust seiner Freiheit und seiner Finanzvollmacht hinwegtrösten – natürlich mit einem gewissen Humor, weil es kann dir heutzutage überall passieren, dass du eine feministische Tendenz im Publikum hast –, lege liebevoll meine Playback-CD ein und starte mit einem Klassiker des Austrian Wedding Songbook: Überdosis G’fühl von den STS. Das geht ganz tief hinein, da zieht es dem ganzen Saal eine Ganslhaut auf. Die Braut fühlt sich in ihrem innersten Wesen verstanden, dankbar schaut sie mir in die Augen.

1   Jeanny ist übrigens eine ziemliche Sau zum Singen. Das habe ich feststellen müssen, wie mich die originale Begleitband vom Falco eingeladen hat, dass ich diese Nummer im U4 zu seinem Todestag mit ihnen spiele. Große Ehre. Leider hat die Nummer aber einen einerseits genialen, andererseits extrem geschissenen Sprechtext, den sich kein normaler Mensch merken kann, weswegen ich mich textlich so vergagelt habe wie überhaupt noch nie in meinem Leben. Und das in einem mit Falco-Fans angefüllten U4, alle zwei Meter groß, wo ich mir schon gedacht habe, wenn ich jetzt nicht bald einmal eine Passage korrekt erwische, dann fassen mich die von der Bühne. Zum Glück hat der Stefan Weber von den Drahdiwaberl, der den Refrain gesungen hat, dann die Monitorbox vor seinen Füßen geschossen, weil er einen Kübel Urin ins Publikum schütten hat wollen und nicht genau getroffen hat. Das hat ein bisschen die Aufmerksamkeit von mir abgelenkt.

Als Musiker bei einer Hochzeit musst du nämlich immer auch ein Psychologe sein. Speziell die Braut braucht viel Unterstützung, weil es soll ja der schönste Tag in ihrem Leben sein, der Tag, an dem sie sich mit ihrem Traummann vereinigt. Und auch wenn man auf den ersten Blick glauben könnte, dass sich da mit einem Austrofred-Auftritt eh beide Wünsche gleichzeitig erfüllen, ist mit dem Traummann halt leider der Bräutigam gemeint. Und da stellen sich oft existenzielle Fragen: Passt der gewählte Partner wirklich zu mir, oder schmeiße ich mein Leben für einen Unwürdigen weg? Werde ich seine zusammengewachsenen Augenbrauen in zehn Jahren immer noch als „süß“ wahrnehmen? Und noch wichtiger: Ist dieser Arsch überhaupt zeugungsfähig?

Oft nehme ich mir die verzweifelte Frau zur Seite und erzähle ihr mein Gleichnis von der Pizza Quattro Stagioni, mit dem ich schon so vielen Menschen weitergeholfen habe. Ich kriege nämlich sehr viele Fanbriefe und -mails, und nicht immer wünschen sich die Menschen von mir nur ein Autogramm. Hin und wieder wendet sich auch wer mit einem Problem an mich. Mit diesen E-Mails beschäftige ich mich sehr lange, weil da schreiben Menschen, die mir ihr Herz öffnen, die mir ihre Sorgen anvertrauen und auf meinen Rat hoffen. Für diese Menschen nehme ich mir viel Zeit, oft sinniere ich ein ganzes Wochenende darüber, weil mit ein bisschen Blabla ist denen ja nicht geholfen. Am Montag kopiere ich ihnen dann mein Pizza-Gleichnis ins Antwortmail, weil das passt immer.

Dieses Gleichnis besagt, dass man sich nicht zu viele Gedanken machen soll über die Zukunft, weil es kommt ja eh sowieso, wie es kommt, und oft ganz anders als man vorher glaubt. Wie bei einer Pizza Quattro Stagioni weiß man im Leben nie, wie es weitergeht (sofern man die Augen zugebunden hat): mit einem mit Schinken belegten Stückl oder einem mit Champignons? Einem Stückl mit Käse? Mit Artischockenschas? Und auch wenn der Gatte mit seinem nicht wegdiskutierbaren Bauchansatz im akuten Moment vielleicht nicht so ausschaut wie der Top-Märchenprinz – wer weiß, vielleicht stellt er sich ja als robuste Love Machine und als liebevoller Kindsvater heraus? Als Koch oder zumindest als talentierte Küchenhilfe? Und falls er sich zu nichts dergleichen entwickelt – vielleicht steht er ja immerhin nicht allzu viel im Weg?

Ich gebe zu, mein Pizza-Gleichnis ist dem vom Forrest Gump, nach dem die Welt eine Bonbonniere ist, nicht ganz unähnlich. Aber ganz ehrlich: Natürlich kommt es viel besser, wenn man die Ehe mit etwas Italienischem vergleicht – vor allem wenn man eine so gute italienische Aussprache hat wie ich selber –, weil dann kann das die Braut viel leichter annehmen, indem es so romantisch klingt. Freilich, dass sich so manche Ehe nicht als Quattro Stagioni entpuppt, sondern eher als Quattro Formaggi, das sage ich in diesem Moment nicht dazu.

Spannend an solchen Hochzeits-Gigs ist, dass die Brautleute selber meistens gar nicht wissen, dass ich spiele, sondern dass ich ein Geschenk bin. Das heißt aber nicht, dass sie sich nicht darüber freuen – klar, in den meisten Fällen sind das ja Austrofred-Fans, die es gar nicht fassen können, dass der Champion jetzt bei ihnen auftritt, die sind überglücklich. Nur ein einziges Mal hat es diesbezüglich ein Missverständnis gegeben, wo dann die Braut hinausgerannt ist und geschrien hat: „Ihr seids so deppert, ich habe mir die Barbra Streisand gewünscht und nicht den scheiß Austrofred!“

Ich habe ihr dann nachgeschrien, dass sie eine primitive Funsn ist und dass sie sich die geschissene Barbra Streisand sowieso niemals leisten könnte – was ich im Nachhinein zutiefst bedauere, weil de facto bin ich ja selber ein riesiger Barbra-Streisand-Fan. Oft, wenn es mich nicht zusammenräumen freut, dann lege ich mir eine Streisand-Scheibe auf, und die motiviert mich dann derartig, dass ich voller Elan abwasche, kehre und staubsauge. Nach gerade einmal einer knappen Stunde ziehe ich mich wieder an und die ganze Wohnung ist tipptopp sauber.

Das Problem bei Überraschungsauftritten ist ganz einfach, dass mich die Beschenkten vor der Bescherung nicht sehen dürfen. Da kann es dann schon einmal sein, dass ich mich einen halben Tag zwischen Soundcheck und Auftritt im Getränkelager verstecken muss. Einmal habe ich in Graz bei der Hochzeit von zwei Rot-Kreuz-Mitarbeitern gespielt, und die Freunde von denen haben sich überlegt, dass es eigentlich ein super Gag wäre, wenn ich auf einer Tragbahre auf die Bühne getragen werde. Und wieso nicht? Der Kunde ist beim Austrofred immer König! Leider haben dann aber irgendwelche Leute – der Brautvater und ähnliche Hiasln – unangemeldet ein paar Reden einschieben müssen, während ich schon aufgebahrt auf der Bühne gelegen bin, unter der Lieblingsdecke der Braut versteckt – einem Pferdehaarwahnsinn, mit dem du sicher ohne Weiteres zum Nordpol fahren kannst –, und wie ich nach einer Dreiviertelstunde endlich aufspringen habe dürfen, war ich so düd in der Birne, dass es mich sofort wieder von der Bühne hinuntergewandelt hat. Es waren aber klarerweise sehr viele Sanitäter anwesend, und so habe ich, nachdem sie mir den Unterschenkel geschient haben, mit ein bisschen Verspätung dann doch noch einen super Gig hingelegt. Die Braut und ich haben das ganze Konzert über Tränen in den Augen gehabt. Sie vor Freude, ich wegen dem Sauerstoffmangel.

Den musikalischen Abschluss von einer Hochzeit bilden zwingend die Lieder Ganz in Weiß vom Roy Black, Perhaps Love vom Placido Domingo und Goodbye My Love, Goodbye vom Demis Roussos, oder zumindest zwei davon, das ist unverhandelbar. Hin und wieder habe ich Paare, die sagen, sie wollen keine solchen Schlager auf ihrer Hochzeit haben, weil sie sind moderne Leute. Sie hätten lieber, dass ich etwas von den Coldplay singe oder vom Grafen von Unheilig. Bei solchen Ideen muss ich dann immer mit voller Strenge hineinfahren, weil genauso gut könnte man sagen, ich antworte auf die Frage vom Pfarrer, ob ich die anwesende Jessica Mitterhuemer zur Frau nehmen möchte, nicht mit Ja, sondern mit Eventuell oder mit Schauen wir einmal. Außerdem singe ich das Perhaps Love weit besser als Geboren, um zu leben, einfach weil mir der Placido Domingo stimmlich viel näher ist als der Graf.

Meine traditionell letzte Amtshandlung ist die Moderation vom Brautstraußschmeißen. Wobei es keine Liturgie gibt, nach der das zwingend an letzter Stelle kommen müsste, sondern es wird einfach immer vergessen. Jedes Mal, ich schwöre es. Auf einmal, wie ich schon meinen CD-Player abbaue und unauffällig schaue, ob noch wo ein paar halbvolle Weinflaschen herumstehen – weil ich bin zwar vom Prinzip her mehr ein Biermensch, aber da sind teilweise edle Tropfen dabei, die will ich nicht verkommen lassen –, schreit irgendwer: „Mah, wir müssen ja noch den Brautstrauß schmeißen!“ Dann stellen sich die übrig gebliebenen Damen – wobei ich mit „übrig geblieben“ nicht die zeitlich Übriggebliebenen meine, sondern die bindungstechnisch Übriggebliebenen – in einem sauberen Halbkreis auf und fighten, was das Zeug hält, weil laut ihrem Aberglauben wäre die, die den Strauß fängt, dann die nächste Braut. Als könnte ein so ein bisschen ein aufgemascherltes Hasenfutter in solchen Härtefällen etwas ausrichten!

Einmal, wie ich gerade wieder in einer meiner kurzzeitigen quasi Bindungsphasen war, hat akrat meine eigene Begleiterin den Brautstrauß gefangen! Peinlich. Die Arme hat mich dann auch wirklich angeschaut, wie wenn ich jetzt irgendwelche Verpflichtungen hätte. Direkt verliebt. Dabei habe ich ihr von Anfang an klar gesagt, dass für einen Rockmusiker die Heiraterei nicht infrage kommt, weil der muss ungebunden sein, frei wie ein wilder Mustang. Im Endeffekt ist diese Geschichte dann aber eh bald von allein auseinandergegangen, was zu 98 Prozent einfach mit dem zum tun gehabt hat, dass wir grundsätzlich nicht zusammengepasst haben, typmäßig, und zu zwei Prozent wahrscheinlich mit der Grazerin, mit der sie mich erwischt hat.

Aber so ist das halt: Der eine ist für die Freiheit geboren, der andere für den Käfig, und im Endeffekt muss dann eh ein jeder für sich selber wissen, was für ihn am besten passt. Weil ich sage immer: Der Mensch ist wie eine Pizza Calzone – man sieht nicht in ihn hinein.

EIN BESCHEIDENER VORSCHLAG

zur Sicherung des Musikstandortes Österreich,
unter Bezugnahme auf
neueste rockhistorische und medizinische Erkenntnisse,
vorgetragen bei einem Wirtschaftssymposium
in Salzburg

Der Pop- und Rock-Standort Österreich ist – das ist eine Tatsache – am Boden. Fast hätte ich gesagt, am Arsch. Weswegen sich auch regelmäßig die sogenannten heimischen Musik-Experten und -Expertinnen – Gschaftlhuber der Sonderklasse, ausnahmslos! – ihre Köpfe zerbrechen, was man da machen kann dagegen. Ein neuer Falco muss her, eine Lichtgestalt, ein zweiter Austrofred. Junge Talente sollen in diese enormen Fußstapfen hineingepeitscht werden, damit man irgendwann sagen kann, ja, dieser oder diese eine hat in Österreich und aus Österreich heraus gewirkt!

Vom Prinzip her unterstütze ich solche Bestrebungen durchaus, wie ich ja überhaupt alles gutheiße, was ein bisschen ein Geld von der öffentlichen Hand – die ja sonst immer eine strafende und also nehmende ist – in Richtung Künstler manövriert. Trotzdem stellt sich mir mittlerweile die Frage, ob die Förderung des hiesigen Nachwuchses wirklich das richtige Mittel ist, um den Standort Österreich auf der europäischen Rocklandkarte nachhaltig zu verankern. Ist es denn tatsächlich so wichtig, wo einer geboren ist? Meiner Meinung nach wird dieser Faktor überschätzt.

Nehmen wir her den Jim Morrison: Von dem weiß ein jeder, dass er in Paris gestorben ist, und immer noch pilgern rudelweise Fans zu seinem Grabstein. Aber wer weiß, dass der Jim Morrison in Melbourne, Florida geboren ist? So etwas wissen nur Fanatiker. Oder der John Lennon: Wenn du nach New York fliegst, dann kann dir dort ein jeder sagen, wo das Häusl steht, vor dem der derschossen worden ist. Hingegen in Liverpool, seiner Heimatstadt, kannst du lange fragen, bis dir einer das Lennon-Geburtshaus zeigen kann. Der Liverpooler zuckt bei dieser Frage mit der Achsel. Warum? Weil es keinen Schwanz interessiert.