Hans-Ulrich Lüdemann
Doppelzweier
ISBN 978-3-86394-899-3 (E-Book)
Die Druckausgabe erschien erstmals 1972 bei DER KINDERBUCHVERLAG BERLIN - DDR.
Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
© 2012 EDITION digital®
Pekrul & Sohn GbR
Alte Dorfstraße 2 b
19065 Godern
Tel.: 03860-505 788
E-Mail: verlag@edition-digital.com
Internet: http://www.ddrautoren.de
„Schietkram", sagte der Bootswart durch die zusammengepressten Lippen, die mit Mühe eine kurze Tabakpfeife waagerecht hielten.
Weiß wie eine Kalklatte stand Pinne an der offenen Schiebetür, die den Blick freigab in das Halbdunkel des Bootsschuppens. Jetzt kommt's, dachte Pinne. Am liebsten würde Käptn Zühlow mich jetzt kielholen.
Käptn Zühlows schwielige Hand fasste den Pfeifenkolben. Er brauchte keine Angst zu haben, dass er sich verbrennen würde. Die Pfeife rauchte nur nach Feierabend. Das wussten alle Mitglieder des RC Poseidon. Auf dem Bootsgelände war das Rauchen ohnehin untersagt. Mit der Zunge fuhr der Alte sich über die trockenen Lippen.
„Verdammter Schietkram!", wiederholte der Käptn. Diesmal brüllte er so laut, dass einige Möwen vom Bootssteg hinter dem Hügel kreischend aufstiegen.
Pinne ließ den Kopf hängen. Käptn Zühlow hatte recht. Der Einer war erst einmal hin. Und in zwei Monaten wurden die Ausscheidungsrennen zur Sommerspartakiade gestartet.
„Und wenn man ...", begann Pinne zaghaft, ohne den Satz zu beenden und ohne aufzusehen.
„Wenn man was?", entfuhr es Käptn Zühlow. Er steckte die Tabakpfeife wieder zwischen die Zähne.
Pinne dachte: Was fragt er mich denn? Er weiß doch ganz genau, was ich meine. Ich habe es doch nicht mit Absicht gemacht, das mit dem Skiff!
„Ob man ihn wieder hinkriegt bis zum Rennen, meine ich, Herr Zühlow." Nach diesen Worten warf Pinne einen Seitenblick auf das Rennboot. Es sah aus, als hätte jemand mit einem scharfen Finndolch hineingestochen. Und das mehrmals. Ein weidwundes Tier, dieses Skiff. Pinne beobachtete, wie Käptn Zühlow zu den beiden Böcken ging, auf dem der einzige Renneiner des RC Poseidon lag. Wie zur letzten Ruhe gebettet, darauf wartend, für immer dem Wasser Lebewohl zu sagen. Die schmale, sehnige Hand des ehemaligen Segelmachers der Kaiserlichen Marine hob den Bootskörper an. Spielend leicht ist so ein Skiff. Es gleicht einer verstrebten Holzschale. Bug und Heck sind mit Kunststofffolie überspannt. Diese Luftkästen halten Boot und Besatzung über Wasser. Die beiden Skulls in den Auslegern verhindern sein Umschlagen.
Pinne hatte mit dem Rudern in der fünften Klasse begonnen. Sein erstes Boot war ein Gig. Er lernte alle Tücken dieser schweren Übungsboote kennen. Als er später in die Rennklasse umsteigen durfte, hatte Pinne das Gefühl, am Ufer einen zentnerschweren Rucksack zurückgelassen zu haben. Jeder Zug der beiden Skulls ließ den leichten, ungefähr acht Meter langen Renner nach vorn schießen. Und - Zug! Und - Zug! Und - Zug! Wie das Pendel einer Standuhr musste es gehen. Im Vorrollen die Blätter aus dem Wasser, beim Rückrollen im Wasser durchziehen. Eins, zwei! Wie oft hatte Pinne sich dieses Kommando selbst gegeben und dabei die Luft schräg hoch zur Stirn gepustet, dass die Schweißtropfen von der Nasenspitze flogen. Dahin, wo die Füße an die Stemmbretter geschnallt waren. Ja, wer ein Skiff fuhr, musste schon was können. Was, wenn der Einer umkippt? Bleibt der Skuller mit den Beinen nicht am Stemmbrett hängen? Das ist Pinne schon oft gefragt worden. Zuerst von seiner Mutter, die manchmal lächelnd sagte: Warum läufst du nicht hinter einem Fußball her wie die anderen, Junge? Wasser hat keine Balken, Klas.
Käptn Zühlow sagt immer Krischan zu ihm, während die anderen aus der Klasse 7a ihn Pinne rufen. Obwohl im Klassenbuch klar und deutlich steht: Klas Miggelsen. Aber ein Klassenbuch gibt keine Auskunft über die Körpergröße der Schüler. Und das war bei Klas der springende Punkt. Springender Punkt - ein Lieblingsausdruck von Pinnes Vater, der als Schweißer auf der Werft arbeitet. Von ihm hatte Klas die kleine Statur. Das behaupteten jedenfalls die anderen Miggelsens aus der Verwandtschaft. Mit ein Meter sechzig ist in einer siebenten Klasse nicht viel Staat zu machen. Beim Rennrudern eigentlich erst recht nicht. Aber Trainer Breiting hatte Klas damals trotzdem genommen. Weil der Junge offensichtlich Talent besaß. Und vor allem die nötige Willenskraft, was ja wohl wichtiger ist als die fehlenden Zentimeter. Klas Miggelsen brauchte keine Angst zu haben, dass er in der Schule übersehen wurde. Vor allem ab Frühjahr nicht. Weil die Rudersaison dann beginnt, wenn es auf dem Wasser wieder warm wird. Nachdem Klas in den Einer umgestiegen war, gewann er im Vorjahr fünfmal und setzte sich damit ohne viel Mühe in den Vorkämpfen zur Teilnahme an dem diesjährigen Sommerspartakiadeausscheid durch. Nach jedem Sieg holte ihn Direktor Drews, der in der 7a auch im Fach Deutsch unterrichtete, beim montäglichen Fahnenappell nach vorn. Vor alle angetretenen Schüler! So kam es, dass Pinne selbst unter den Älteren seine Anhänger hatte. Er bemühte sich, sie nicht zu enttäuschen. Selbst heute, am Sonntag, wo die meisten mit den Eltern zum Baden gefahren waren oder einfach in den freien Tag hinein lebten - Pinne machte seine Kilometer. So wie es der Trainingsplan vorsah, den Jochen Breiting und er im Frühjahr für die Rennsaison ausgearbeitet hatten. Das Training an diesem Maisonntag hatte wie hundert andere Trainingstage begonnen. Trainer Breiting kümmerte sich um Frank und Thomas. Beide sind eine gute Crew im Doppelzweier. Pinne skullte hinterher, den Fluss abwärts in Richtung Bodden. Kurz vor der Mündung hatte er gewendet, weil die steife Brise über dem offenen Gewässer sein leichtes Skiff umzuschlagen drohte. Auf dem Rückweg begegnete Pinne nur wenigen Booten. Es war den meisten Leuten zu heiß, sie aalten sich lieber im weißen Sand und ließen sich die Sonne auf den Bauch scheinen.
Und - Zug! Und - Zug!
Plötzlich hatte Pinne am Ufer Rieke Habedank mit ihrem Bruder gesehen. Die beiden radelten immer ein Stück auf dem Weg voraus und lachten über den einsamen Skuller auf dem Fluss. Klas hatte da die Blätter ins Wasser gehackt, als ginge es um Olympisches Gold. Er wollte der schwarzhaarigen Rieke beweisen, dass sie zwar in der Klasse 7b einiges zu sagen hatte, aber in einem Wettkampf ihm unterliegen musste. Wie ein Pfeil war das Skiff durch das Brackwasser geschossen. Über die Heckfahne, die das Emblem des RC Poseidon trug, peilte Klas die Richtung an. Rudern mit dem Rücken in Fahrtrichtung - auch das muss ein Skuller erst lernen. Rieke und ihr Bruder Robert, Pinne kannte ihn von den Pausen auf dem Schulhof, hatten anfangs Schwierigkeiten gehabt, mitzuhalten. Aber da Pinne mehrmals den Flusswindungen steuerbords und backbords folgen musste, war es für den Skuller ein aussichtsloses Rennen. Pinne wollte es nicht wahrhaben. Von Rieke ließ er sich nicht unterkriegen! Er kämpfte immer so lange, bis er glaubte, alles gegeben zu haben.
Und - Zug!
Plötzlich stimmte die Peilung über die Heckfahne zur alten Mühle nicht mehr, Zu spät zog Pinne das rechte Skull stärker durch das Wasser - er kam zu weit nach backbord. Ins Schilf! Und irgendjemand hatte dort seinen Angelkahn festgemacht. Mit einer auseinandergezogenen Rolle Stacheldraht, die vom Kahn weg durch das Schilf zum flachen Wiesenufer führte. Pinne war bleich an Land gestakst, die beiden Skulls unter den rechten Arm. Mit dem linken zog er das zerfetzte Skiff hinter sich her. Den Schaden brauchte er sich nicht genauer anzusehen. Das kratzige Geräusch, das der Stacheldraht verursachte, hatte genügt. Pinne spürte, wie sich in ihm etwas zusammenzog. Für einen kurzen Augenblick nur. In Gedanken sah er sich in Oma Pegelows Zimmer, die gar nicht seine Großmutter war, um ihn herum große und kleine Scherben, dazwischen zappelten Fische - sie schnellten hoch und schnappten nach Luft. Ja, dort war ihm ähnlich zumute gewesen. Als er das Aquarium der alten Frau umsetzen wollte und er gestolpert war über den aufgeschlagenen Teppichrand. Oma Pegelow hatte nicht mit ihm geschimpft; sie hatte ihm geholfen, die Scherben beiseite zu schaffen, so wie er ihr seit einem Jahr half. Heimlich, nur seine Mutter wusste davon. Pinne mochte keine Belobigungen, in diesem Falle nicht. Dieses seltsame Gefühl zwischen Wut, Trauer und Angst verschwand so plötzlich, wie es gekommen war. An die beiden Habedanks dachte er nicht mehr. Pinne schulterte kurz entschlossen die Skulls, auf die andere Seite hievte er den Einer. Zu Fuß machte er sich auf den Weg zum Bootshaus. Unterwegs wünschte ihm einer von den Stippern am Uferrand freundlich und dabei schadenfroh grienend: Ski Heil! Tatsächlich, wenn die kurzen Hosen und die nackten Füße nicht gewesen wären, hätte man Pinne für einen Abfahrtsläufer halten können, der den Hang emporsteigt, die Bretter auf den Schultern. Klas schwor allen Anglern ewige Feindschaft! Nur eine Ausnahme wollte er gelten lassen: Käptn Zühlow, dessen Hände noch immer über den zerfetzten Bootskörper fuhren, als könnte er dadurch die Wunden heilen, die der Stacheldraht gerissen hatte. Für Käptn Zühlow waren Boote lebendig. Wenn er sie ausbesserte, sprach er zu ihnen. Es war nicht von ungefähr, dass die Studenten, die hier ihre Ruderausbildung absolvierten, ihn den Bootsdoktor nannten. Käptn Zühlow tat so, als ginge dieser Name ihm gegen den Strich. Dann tauchte er überall auf, mäkelte beim ins Wasser bringen der Boote herum, holte einen Ruderer aus dem Umkleideraum, der die Skulls am falschen Ort abgestellt hatte oder bei dem er in den Drehdollen Fett von der Belederung der Skulls entdeckte. Die Jungen unter sich nannten ihn ehrfurchtsvoll Käptn, was dem alten Segelmacher viel besser gefiel.
Der Fall mit dem Skiff war kompliziert. Das war einmalig für Käptn Zühlows vierzehnjährigen Dienst beim RC Poseidon. Und da fragte dieser Bengel einfach so: Und wenn man ... Als ob das Material kistenweise herumläge! Schließlich hat dieses Rennboot einen Preis, den man nur mit vier Stellen vor dem Komma ausdrücken kann. Käptn Zühlow kehrte zum Bootsschuppen zurück. Neben Pinne blieb er stehen.
„Und wieso?" Mehr sagte der Bootswart nicht. Aus seiner Stimme war die Aufregung, die sich mit verdammichter Schietkram! entladen hatte, verschwunden.
Pinne hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. Wie er so dastand, am weit geöffneten Schiebetor, erinnerte er nicht mehr an Klas Miggelsen, den Favoritenschreck auf der Regattastrecke.
„Düwel ok!" Käptn Zühlows Hände verschwanden in den Taschen seiner blauen Tuchjacke. Wenn er sich wirklich als Flickschneider betätigen sollte, dann hatte er wohl auch das Recht zu wissen, wie die Löcher in den Bootskörper gekommen waren, dass er aussah wie ein alter Käse.
„Der Dampfer zum Drammener-Ort", log Pinne. „An der Biegung, die Wellen haben mich in die Binsen getrieben", sagte er leise, mehr zu sich selbst als zum Bootswart.
„Die Wellen also. Sie haben dich in die Binsen getrieben."
Klas Miggelsen nickte stumm mit dem Kopf. Er sah Käptn Zühlow nicht an.
„Dabei ist das Skiff also in die Binsen gegangen", wiederholte der alte Mann. Das war für ihn eine Sonntagsüberraschung besonderer Art, auf die er gern verzichtet hätte. Das einzige Skiff in die Binsen und Schuld daran kein Anfänger, sondern Breitings bester Schützling Klas Miggelsen. Der geschickteste Skuller unter den Jungen, die Jochen Breiting, Sportstudent im dritten Studienjahr, trainierte.
„Euer Breiting wird nach Luft schnappen wie eine Flunder an Land, wenn er die Havarie sieht", sagte Käptn Zühlow. Der Bootswart zog seine Taschenuhr aus der Brusttasche. Eigentlich müssten Breiting und der Doppelzweier schon da sein. Oder hatten Frank Mellenthin und Thomas Hüsing schlappgemacht? „Hoffentlich giwt dat hüt nicht noch mehr Havarie", orakelte Käptn Zühlow. „Und mit einer Reparatur, ick glöw nich, dat dat geiht, Krischan. Ohne Folie? Beim besten Willen."
Beide schauten zum Einer, der in der Sonne auf den beiden Böcken lag wie von Schrotkugeln durchlöchert.
„Folie für den Luftkasten werd ich besorgen, Käptn Zühlow." Klas klammerte sich an diesen Hoffnungsschimmer.
Aber der Bootswart winkte ab. „Woher kriegen, Krischan. Woher?"
Pinne biss die Zähne aufeinander. Aus, sagte eine Stimme in ihm. Aus und vorbei! Sicher gab es Folie, aber Käptn Zühlow wollte ihn hängenlassen. Weil er das Skiff zuschanden gefahren hatte! Wenn der wüsste, dachte Pinne beunruhigt. Das würde was geben. Lieber blieb er bei dem Dampfer nach Drammener-Ort. Trotzdem: keine Bronze, kein Silber; auf diese Medaillen hatte er sowieso nicht gesetzt. Nein, er hatte sich mehr ausgerechnet. Aber Gold war jetzt nur noch im Traum zu holen. Und es war nicht der Schweiß, der plötzlich in Klas' Augen zu brennen begann. Der Junge zog geräuschvoll Luft durch die Nase hoch. Als hätte er plötzlich Heuschnupfen oder Nasenbluten.
Dem alten Segelmacher tat es auf einmal leid, dass er Klas angebrüllt hatte. Aber Teufel noch eins, hing sein Herz nicht genauso an den Booten wie an den Jungen, die hier trainierten? Und je härter einer gegen sich selbst auf dem Wasser arbeitete, desto höher stand er in der Gunst von Käptn Zühlow. Die Boote brauchen das Wasser, wenn sie lange halten sollen, forderte er immer. Und Pinne sorgte dafür. Mehr als nötig. Und nun diese Havarie! „Tja", das war alles, was der Alte vor sich hin brummelte. Da klang etwas Mitleid durch, aber nicht zuviel. Alles wollte der Käptn nicht zurücknehmen. Das Boot war hin, das war und blieb ein Fakt!
Vom Bootssteg, der hinter einer kleinen Anhöhe lag, den beiden am Bootshaus unsichtbar, kommandierte eine kräftige Stimme: „Steuerbord - Ruder hoch!"
Breiting, schoss es Pinne durch den Kopf. Breiting mit Frank und Thomas. Irgendetwas kitzelte Klas Miggelsen plötzlich in der Magengegend. Und die Beine wollten auf einmal in Richtung Umkleidekabine. Da spürte der Junge die Hand von Käptn Zühlow auf der Schulter.
„Dat geit ok wedder vorbi, Krischan." Beruhigend klangen diese Worte. Es hieß nichts anderes als - da musst du schon durch, Klas, wenn du ein Kerl sein willst.
Als erste tauchten Frank und Thomas auf. Auf ihren Schultern lag der Doppelzweier, mit dem Kiel nach oben. Die Drehdollen an den beiden Auslegern bewegten sich im Takt der Schritte. Seitlich neben zwei freien Böcken blieben die Jungen stehen.
„Boot — ab!", kommandierte Frank. Von einem kräftigen Schwung getrieben, flog der dreißig Kilogramm schwere Doppelzweier durch die Luft, wurde dann sanft, als wäre er nicht aus Holz, sondern aus Glas, abgelegt.
Thomas winkte Pinne zu, dann verschwanden sie wieder, um die Skulls vom Steg zu holen. Während Käptn Zühlow die Standfestigkeit der Holzböcke prüfte, wischte Klas mechanisch mit einem Lappen den Bootskörper trocken. Es war nicht gut für den Lack, wenn die Skuller der Sonne diese Arbeit überließen. Nun kam auch Breiting über die kleine Anhöhe, die wie ein Deich das Bootshaus vom Fluss trennte. Breiting trug über dem Kopf das Gig-Boot. Ja, nur Breiting war in der Lage, dieses schwere Übungsboot alleine zu tragen. Breiting, der selbst einmal von sich geglaubt hatte, ein ausgezeichneter Skuller zu werden. Bis er nach einem Muskelriss am Oberarm aufhören musste. Natürlich waren die Muskeln wieder richtig angewachsen; den Belastungen des Leistungssports aber nicht mehr standhaltend, hatte der Sportarzt trocken erklärt. Seitdem kümmerte sich Jochen Breiting um den Nachwuchs vom RC Poseidon. Frank und Thomas liefen zu ihrem Trainer, um ihm beim Absetzen des Übungsbootes zu helfen. Nachdem dies mit vereinten Kräften geschehen war, drehte Breiting sich um. Auf seinem Gesicht sah Klas Miggelsen ein Lächeln. Sicher aus Freude darüber, dass Thomas und Frank, der auf Platz eins als Schlagmann den Rhythmus im Doppelzweier bestimmte, dass die beiden so gut in Schuss waren für die nächsten Rennen. Plötzlich verschwand das Lächeln. Breitings Schritte verharrten.
„Was ist denn mit dem Skiff?", fragte er ungläubig und so leise, dass gerade Käptn Zühlow und Pinne die sechs Worte verstanden.
Frank und Thomas hatten ihre Skulls an die Schuppenwand gestellt, die Blätter nach oben, damit das Wasser ablaufen konnte. Beide kamen näher.
„Meine Güte!" Thomas hatte das Skiff ebenfalls entdeckt. „Ein neuer Keschertyp für Raubfische?" Diese Bemerkung konnte er sich nicht verkneifen.
„Sei still!", fuhr Frank ihn an, der mitbekommen hatte, was los war.
„Klas, wie ist das passiert?", wollte Breiting wissen.
Klas Miggelsen schwieg. Er wünschte, er wäre an diesem Tag nie aus dem Bett aufgestanden. Dann wäre ihm dieses hier sicher erspart geblieben. Die Spitze des linken Bootsschuhs bohrte in der Schlacke herum. Feiner schwarzer Staub wirbelte auf.
„Der Dampfer nach Drammener-Ort. An der Biegung, durch die Wellen." Die Antwort kam von Käptn Zühlow.
„Der Dampfer?", fragte Jochen Breiting, und er wandte sich dem Einer zu. Aber näher an ihn heran trat er nicht. Breiting wollte noch immer seinen Augen nicht trauen. Der Schock war ihm in die Glieder gefahren. Seine Gedanken überschlugen sich. Alles umsonst gewesen, hämmerten sie. Alles hatte keinen Sinn gehabt! Das Trockentraining im Winter, die Waldläufe, die Spiele in der Halle. Woher ein anderes Skiff nehmen? Diese Frage konnte er sich gleich selbst beantworten. Es gab nämlich kein anderes! Ein Skiff kostete Geld, viel Geld, und in diesem Augenblick fasste Jochen Breiting einen Entschluss, den er immer wieder zurückgedrängt hatte. Es ging um Klas, dem er von ganzem Herzen ein erfolgreiches Abschneiden bei den Wettkämpfen wünschte. Aber Rennen waren nur eine Seite für die Skuller. Trotz dieses traurigen Abbildes von einem Skiff wusste Breiting, dass es schwer sein würde, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Er musterte Klas Miggelsen. Lange ruhte sein Blick auf dem Jungen. Kein Wort fiel.
Klas spürte, wie sein Gesicht heiß wurde. Er war nicht sicher, ob Breiting das mit dem Dampfer geglaubt hatte. Der Junge schwieg. Er wollte nicht noch versuchen, seine Lüge als Wahrheit darzustellen.
„Wir reden in aller Ruhe darüber." Jochen Breiting bückte sich und hob den Lappen auf, der ihm aus der Hand gefallen war. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging zu seinem Boot, um es zu säubern.