LITERATUR

Kapitel 1

  • Alice Miller, »Am Anfang war Erziehung«, Frankfurt/Main 1983 UND »Evas Erwachen. Über die Auflösung emotionaler Blindheit«, Frankfurt/Main 2001

  • Herbert Renz-Polster, »Kinder verstehen. Born to be wild: Wie die Evolution unsere Kinder prägt«, München 2009

Kapitel 2:

  • Lloyd deMause, »Hört ihr die Kinder weinen: Eine psychogenetische Geschichte der Kindheit«, Frankfurt/Main 1980

  • Philippe Ariès, »Geschichte der Kindheit«, München 1998

  • John Locke, »Some Thoughts Concerning Education«, Mineola (N.Y.) 2007

  • Jean-Jacques Rousseau, »Emile oder Über die Erziehung«, Stuttgart 1998

  • Klaus Hurrelmann, »Mut zur demokratischen Erziehung«, in: Pädagogik 7 bis 8/94, S. 13

  • Klaus Hurrelmann und Heidrun Bründel, »Einführung in die Kindheitsforschung«, Weinheim, Basel, Berlin 2003

  • Remo Largo, »Babyjahre. Entwicklung und Erziehung in den ersten vier Jahren«, München 2003 UND »Kinderjahre. Die Individualität des Kindes als erzieherische Herausforderung«, München 2000

  • Daniel Stern, »Mutter und Kind – die erste Beziehung«, Stuttgart 2000 UND »Die Lebenserfahrung des Säuglings«, Stuttgart 2003

  • Rolf Oerter und Leo Montada (Hrsg.), »Entwicklungspsychologie«, Weinheim, Basel 2008

  • Martin Dornes, »Die emotionale Welt des Kindes«, Frankfurt/Main 2000

  • Jesper Juul, »Aus Erziehung wird Beziehung: Authentische Eltern – kompetente Kinder«, Freiburg 2005 UND »Dein kompetentes Kind: Auf dem Weg zu einer neuen Wertgrundlage für die ganze Familie«, Reinbek bei Hamburg 2009

  • Katharina Saalfrank: »Kindheit ohne Strafen. Neue wertschätzende Wege für Eltern, die es anders machen wollen«, Weinheim 2019

Kapitel 3:

  • Annette Kast-Zahn: »Jedes Kind kann Regeln lernen«, Düsseldorf 2005

Kapitel 4:

  • Christoph Türcke, »Hyperaktiv! Kritik der Aufmerksamkeitsdefizitkultur«, München 2012

  • Manfred Spitzer, »Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen«, München 2012

  • Gerald Hüther, »Was wir sind und was wir sein könnten: Ein neurobiologischer Mutmacher«, Frankfurt/Main 2011

  • Gerald Hüther und Uli Hauser, »Jedes Kind ist hoch begabt. Die angeborenen Talente unserer Kinder und was wir aus ihnen machen«, München 2012

Kapitel 5

  • Peter Hübner, Abschiedsvorlesung an der Universität Stuttgart, 19. Juli 2007

Impressum

 

© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2020

Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung und öffentliche Zugänglichmachung, auch auszugsweise, sowie die Verbreitung durch Film und Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Zustimmung des Verlags.

 

Projektleitung: Christof Klocker

Lektorat: Ulrike Auras

Bildredaktion: Nele Schneidewind

Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München

eBook-Herstellung: Christina Bodner

 

ISBN 978-3-8338-7457-4

1. Auflage 2020

 

Bildnachweis

Coverabbildung: Stocksy

Fotos: Getty Images; iStockphoto; Stocksy

Syndication: www.seasons.agency

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Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung der Verfasserin dar. Sie wurden von ihr nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autorin noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

VORWORT

Ich freue mich sehr, dass das vorliegende Buch in seiner neuen Ausgabe bei Gräfe und Unzer erscheinen darf. Das hat auch und vor allem mit Ihnen als Leser meiner Bücher zu tun. Denn Sie waren es, die fast tagtäglich bei mir nach dem Buch »Du bist o. k., so wie du bist – das Ende der Erziehung« fragten, nachdem es vergriffen und nur noch gebraucht im Internethandel zu finden war. Danke schön also für Ihre Hartnäckigkeit, denn jetzt halten Sie die Zeilen nagelneu gedruckt und gebunden in Ihren Händen.

»Sind denn die Inhalte des Buches noch aktuell?«, wurde ich gefragt, als ich mit der Idee der Neuausgabe zum Verlag kam. Natürlich. Aktueller denn je. Denn Erziehung ist ein Thema, das jeden und jede zu jeder Zeit betrifft, nicht zuletzt deshalb, weil wir selbst mal Kind waren und von unserer eigenen Erziehung geprägt sind. Darin liegt auch der Grund, warum sich Merkmale herkömmlicher Erziehung hartnäckig halten – weil sie von Generation zu Generation weitergegeben werden. Dies zwar in modifizierten Formen, letztlich jedoch geht es bei Erziehung immer darum, dass Kinder sich an ein von Erwachsenen gewünschtes Verhalten anpassen. Tun sie das nicht oder lehnen sie sich dagegen auf, üben Erwachsene in Form von Sanktionierungs- und/oder Belohnungsmaßnahmen ihre Macht aus. Es geschieht jeden Tag: in Familien, in Kindertagesstätten und auch in Schulen. Und deshalb lohnt es sich auch heute noch, überlieferte Erziehungsmechanismen zu ergründen und – darauf kam und kommt es mir an – kritisch zu hinterfragen. Denn es besteht berechtigter Zweifel daran, dass herkömmliche Erziehung, die nach dem Prinzip von Macht und Gehorsam funktioniert, gut für unsere Kinder ist. Und damit komme ich zu einem weiteren Punkt, der für eine Neuausgabe des Buches von 2013 spricht.

Im Vorfeld der Erstveröffentlichung habe ich mich eingehend mit wissenschaftlichen Erkenntnissen – insbesondere aus Entwicklungspsychologie und Hirnforschung – beschäftigt. Und in diesem Zusammenhang auch damit, was unsere Kinder brauchen, um sich physisch und psychisch bestmöglich zu entwickeln. Dabei habe ich festgestellt, dass das Modell der herkömmlichen Erziehung destruktiv auf die Entwicklung von Kindern wirkt, ihnen sogar schadet. Und das hat mich zu der Frage geführt: Was wäre, wenn wir das Modell der herkömmlichen Erziehung zur Seite stellen und uns weniger auf das Kind an sich als auf eine konstruktive Beziehung zueinander fokussieren? Konstruktiv im Sinne wissenschaftlicher Erkenntnisse auf der Basis von Bindungstheorie und Neuropsychologie. Was wäre, wenn wir das in den Blick nehmen, was zwischen zwei Menschen geschieht, was die Verbindung zueinander ausmacht. Quasi, wie der Ton zwischen Groß und Klein klingt? Denn darauf kommt es an. Die Wissenschaft bestätigt den hohen Stellenwert, den die Qualität der Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern hat, und dass ein Kind mit seinem Verhalten immer eine Antwort gibt auf die Tonalität, die es in der Beziehung zu seinen Eltern erfährt. Das Kind befindet sich im Wachstum und in der Entwicklung und kann deshalb aus sich selbst heraus den Ton nicht bestimmen oder verändern. Es ist nicht seine Aufgabe, Verantwortung dafür zu übernehmen, sondern die Aufgabe von uns Erwachsenen. Zu dieser Verantwortung gehört auch, anzuerkennen, dass Kinder eine liebevolle Begleitung, keine druckvolle Beschneidung benötigen.

Die wichtigsten Erkenntnisse in diesem Zusammenhang und meine Gedanken dazu finden sich in diesem Buch. Sie sind nach wie vor noch nicht genügend in der pädagogischen Praxis und im Alltag von Familien präsent, können aber einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Kinder besser zu verstehen. Auch unter diesem Aspekt ist also eine Neuausgabe wünschenswert.

Doch auch wenn Erziehung (noch) nicht überwunden ist – ich bin voller Freude und Hoffnung. Denn es tut sich was, und das ist wundervoll: Es kommt Bewegung in alles und verkrustete Erziehungsmuster brechen gerade sichtbar auf. Unzählige Eltern suchen mich in meiner Praxis auf und lassen sich in ihrer Familiensituation begleiten und beraten, nehmen offen und interessiert an meinen Kursen teil, lassen sich zum Beispiel von mir in den Kursen »Kinder besser verstehen« in bindungs- und beziehungsorientierter Pädagogik schulen, sind bei der »Familienwerkstatt Kinder besser Verstehen« – einer von mir gegründeten weltweiten Online-Community für Familien – mit dabei und lassen sich langfristig den Rücken stärken in einer Gesellschaft, die wenig auf Beziehung, sondern vielmehr auf Erziehung setzt. Viele tausende Menschen lesen meine Bücher, hören meinen Familienrat-Podcast und besuchen mich auf meiner Lesereise, die von einer der größten Krankenkassen Deutschlands, der DAK-Gesundheit, im Bereich Prävention organisiert wird und sich unter dem Motto »Kindheit ohne Strafen« und »Was unsere Kinder brauchen« damit beschäftigt, was unsere Kinder zum gesunden Aufwachsen brauchen.

So bin ich fest davon überzeugt, dass sich gerade ein gesellschaftlicher Wandel vollzieht. Von der Erziehung hin zur Beziehung. Aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass immer mehr Eltern, Pädagogen und Pädagoginnen es ganz bewusst anders machen wollen. Viele Erwachsene sind auf neuen Wegen, wollen ohne Sanktionen handeln und überlegen, was Kinder wirklich brauchen, was sie stark macht, und setzen auf eine konstruktive Beziehung zu Kindern.

Das heißt, die Entscheidung, es anders machen zu wollen, ist von vielen Eltern längst getroffen. Die einzig offene Frage ist häufig: Wie gelingt das denn? Wie kann ich es denn anders machen? Wenn ich nicht mehr sanktionieren, strafen oder mit Konsequenzen drohen, nicht mehr meckern und schimpfen möchte, was kann ich stattdessen machen und woran kann ich mich orientieren? Und in der Tat, hier gehen die Meinungen weit auseinander.

Eltern haben es nicht so leicht, sich zwischen den vielen Konzepten und verschiedenen Richtungen zu entscheiden, die für sich den Anspruch erheben, herkömmliche Erziehungsmechanismen nicht zu praktizieren und stattdessen den Schwerpunkt auf die Bindungstheorie und auf Beziehung zu legen. Das Bedürfnis des Kindes soll im Mittelpunkt stehen – und genau hier scheiden sich dann die Geister, es wird kompliziert. Denn oft sind Handlungsempfehlungen für Eltern nicht gut umsetzbar, und nicht alles, was bindungsorientiert scheint, ist auch beziehungsorientiert. So kann oder will nicht jede Mutter nach Bedarf das Baby tragen und/oder stillen, und nicht jede Familie kann oder will das Familienbett (Kinder und Eltern schlafen in einem Bett) praktizieren. Und es ist erst mal kein Zeichen für eine konstruktive Beziehung, wenn Eltern in Bezug auf Süßigkeiten- oder Fernsehkonsum auf die Selbstregulation des Kindes hoffen. In letzterem Fall werden oft vordergründige Wünsche mit wichtigen emotionalen Basis-Grundbedürfnissen verwechselt. Die ersten beiden Beispiele stellen Möglichkeiten dar, auf das Grundbedürfnis nach Nähe, Sicherheit und Geborgenheit einzugehen, sie sind aber nicht als Direktive zu sehen. Ein bindungs- und beziehungsorientiertes Familienleben muss nicht bestimmte Aspekte dogmatisch erfüllen. Im Gegenteil: Die Entscheidung einer Familie etwa für das Familienbett ist für sich genommen nicht das Kennzeichen eines neuen Umgangs, sondern eine höchst individuelle Entscheidung der Eltern, in dieser Form auf das Nähebedürfnis ihrer Kinder einzugehen. Es gibt aber viele verschiedene andere Möglichkeiten, das Bedürfnis nach Bindung zu beantworten – es darf für alle Beteiligten passen, also konstruktiv für die Beziehungen sein, und nicht unter Druck von einer Methode abgeleitet.

Dogmatische Einstellungen, denen ich oft begegnet bin, fördern Ratlosigkeit und Verunsicherung bei Eltern, vertiefen Gräben, und es entstehen Missverständnisse, was die Führung von Kindern, was Grenzen und die eigene Positionierung betrifft. Dies sogar innerhalb der Familie. Meine Erfahrung ist, dass Elternpaare, die es eigentlich gemeinsam anders machen wollen, durch diese Unklarheiten in Konflikt miteinander geraten. Den Vätern scheinen die Konzepte oft zu wenig praktisch umsetzbar, sodass sie schnell in eher autoritäre Handlungsmuster zurückfallen, und die Mütter haben große Sorge, dass sie die Grenzen ihres Kinder übertreten, Bedürfnisse missachten und nicht nach den bindungsorientierten Maximen handeln.

Auch für mich als Pädagogin war und ist oft zu wenig klar, worum es wirklich geht, wenn es heißt, dass die Bindung und Beziehung zu unseren Kindern doch das Wichtigste ist. Was hat daraus für den Umgang mit unseren Kindern konkret zu folgen? Deshalb habe ich mich in einem weiteren Teil des vorliegenden Buches damit beschäftigt, was die Grundlagen für eine bindungs- und beziehungsorientierte Haltung sein können, und im letzten Jahrzehnt eine ganz eigene Pädagogik und ein methodisches Vorgehen entwickelt – gerade auch in Abgrenzung zu den vielen anderen Richtungen, die sich mit der Bindungstheorie auseinandersetzen. Vielleicht kennt der eine oder die andere meine pädagogische Arbeit unter dem Titel: »Bindungs- und Beziehungsorientierte Pädagogik nach Katia Saalfrank« (kurz: buboks). Diese Pädagogik hat sich in den letzten Jahren als eigenständiger Begriff etabliert. Eltern profitieren hiervon insofern, als sie selbst befähigt werden, ihr Kind in seinen Verhaltensweisen ganz neu zu lesen und es dadurch erst mal einfach besser zu verstehen. Das nimmt Hilflosigkeit und versetzt Erwachsene in die Lage, wieder neu zu handeln. Die erste Frage lautet also nicht: »Was kann ich tun?«, sondern: »Was ist mit dem Kind los, welche Botschaft sendet das Kind mit seinem Verhalten?«

Dazu ein kleines Beispiel aus meiner Beratungspraxis: Ein dreijähriges Kind wird von seiner Mutter zum Essen gerufen und verweigert dies. Auf Nachfrage erklärt es, dass es lieber spielen als essen wolle. Die Mutter mutmaßt, dass das Kind hier sein emotionales Bedürfnis formuliert. Das ist aber nicht der Fall: Spielen ist lediglich das Anliegen. Das Kind bringt allerdings über sein Anliegen ein wichtiges Grundbedürfnis zum Ausdruck, nämlich das nach Autonomie und Selbstwirksamkeit. Es will selbst (mit)entscheiden.

Es geht also darum, das kindliche Verhalten als ein wertvolles Signal auf innerseelische Prozesse und emotionale Grundbedürfnisse zu verstehen. In diesem Sinn können ganz neue Antworten von Erwachsenen auf der emotionalen Ebene folgen. Das kostet nicht mehr Zeit! Der Kontakt zum Kind findet lediglich auf einer anderen Ebene statt.

Die Ausführungen in diesem Buch über emotionale Grundbedürfnisse – insbesondere über Verbundenheits- und Autonomiestreben – sind auch heute noch aktuell und nach wie vor dazu geeignet, ein solches Verständnis und darauf aufbauend neue Reaktions- und Handlungsweisen zu entwickeln. Darin liegt ein dritter und ganz entscheidender Grund, weswegen ich Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, dieses Buch weiter zur Verfügung stellen möchte. Dabei denke ich nicht nur an Eltern, sondern auch an Erzieher und Lehrerinnen, denn in Kita und Schule wird, besonders in Konfliktsituationen, nach wie vor bevormundet und sanktioniert. Da wird ein Kind schnell von der Gruppe ausgeschlossen und muss sich auf ein »Strafbänkchen« setzen, und »blaue Briefe« an die Eltern sind oft die Ultima Ratio von Lehrern und Lehrerinnen. Die hinter einem Konflikt oder hinter (oft nur vermeintlich) auffälligem Verhalten liegenden (Grund-)Bedürfnisse werden nicht in den Blick genommen. Dabei wäre ein Wandel von der Erziehung zur Beziehung auch in den staatlichen Institutionen konstruktiv und zielführend und für alle Beteiligten entlastend.

Ein wesentliches Anliegen von mir war und ist, dass wir Kindern eine kindgerechte Entwicklung zugestehen, dabei Rücksicht auf ihre Bedürfnisse, Gefühle und ihre Würde nehmen und sie auf diesem Wege wertschätzend begleiten. Dass wir sie nicht nach unseren Vorstellungen formen (also erziehen), sondern ihnen eine tragfähige Beziehung und eine sichere Bindung bieten und dabei ihre Individualität, ihren Entwicklungsstand und den jeweiligen Kontext einbeziehen. Das ist es, was Kinder brauchen. Auf diese Weise stärkrn wir sie und vermitteln ihnen das Gefühl, angenommen und geliebt zu sein, und sagen ihnen: »Du bist o. k., so wie du bist!«

In diesem Sinne lade ich Sie auch 2020 nochmals und erneut dazu ein, die Idee des klassischen Erziehens hinter sich zu lassen und im Umgang mit Ihren Kindern vor allem auf die Qualität des Miteinanders zu schauen. So können Sie neue Wege für sich und Ihre Familie gehen.

Viel Freude dabei!

Ihre und eure

Katia Saalfrank

BEZIEHUNG DIENT DEN KINDERN – UND UNS

Von der ERziehung zur BEziehung scheint es nur ein kleiner Schritt zu sein, nur zwei Buchstaben gilt es auszutauschen. Zu verstehen jedoch, was Beziehung heißt, sich darauf einzulassen und sie in der Praxis, im Umgang mit Kindern, zu leben, ist natürlich schwieriger, zumal es wenig Erprobtes gibt, auf das wir zurückgreifen können.

Es fällt uns schwer, uns aus alten Mustern zu befreien, denn Beziehungsprozesse laufen häufig unbewusst ab. So ist zuallererst und immer wieder ein Blick auf uns selbst ganz wesentlich. Es geht eben nicht (mehr) darum, den Fokus ausschließlich auf das Kind zu richten, es zu manipulieren und auf es einzuwirken, um ein bestimmtes Ziel im Sinne eines erwünschten Verhaltens zu erreichen. Während Erziehung klar definierbare, zielgerichtete, lösungsorientierte Handlungen der Erwachsenen beinhaltet, setzt Beziehung eine offene Haltung dem Kind und seinem Wesen gegenüber voraus, die von Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist.

»Beziehung stellt den gleichwertigen und persönlichen Dialog in den Mittelpunkt und lebt davon, dass beide Partner vom jeweils anderen profitieren wollen.«

Es geht also nicht darum, Kindern lediglich ein demokratisches »Mitspracherecht« einzuräumen, sondern vielmehr darum zu verstehen, dass wir Erwachsene von dem profitieren, was Kinder in eine Beziehung zu uns miteinbringen, was sie denken, fühlen und sagen. Es ist für uns Erwachsene ein großer Gewinn, wenn wir Kinder ernst nehmen und ihnen in einem persönlichen Dialog begegnen können! Wenn wir Erwachsenen uns trauen, uns auf eine echte Beziehung einzulassen, dann wird es uns möglich, von Kindern zu lernen und bestimmte Kompetenzen, wie zum Beispiel Offenheit, Unvoreingenommenheit, Sensibilität – also das, was uns aberzogen und mit Erziehung abtrainiert wurde –, wiederzuerlangen.

Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass sich gelebte Familienstrukturen hinterfragen lassen müssen, etwa wie folgt:

  • Warum folgen wir noch oft einer alten Machtstruktur und behandeln Kinder wie »Untertanen«, die uns ausgeliefert sind?

  • Welche Rolle wollen wir als Eltern unseren Kindern gegenüber einnehmen?

  • Sollten wir überhaupt eine Rolle einnehmen, oder können wir uns als Mensch authentisch zeigen? AUTHENTISCH in dem Sinne, dass wir uns den Kindern mit unseren Gefühlen – und nicht nur mit unseren vermeintlichen Stärken, sondern auch mit unseren Schwächen – offen zeigen.

Nach meiner Erfahrung ist es gut, sich solche Fragen zu stellen, und dazu sind heute auch immer mehr Eltern bereit.

Was ist eine gute Beziehung?

Eine gute Beziehung ist geprägt von Dialog, Offenheit und Toleranz: Der andere wird "mit seinen Bedürfnissen respektiert und auch in seiner Andersartigkeit und Vielfalt akzeptiert. Heute sind wir – wie zu keiner anderen Zeit zuvor – in der Lage, gleichwertige Beziehungen einzugehen, auch wenn es uns schwerfällt und dem eingeübten Hierarchiedenken widerspricht. An fest gefügten Machtstrukturen festzuhalten hilft natürlich, den Alltag zu meistern. Reich über arm, Bildungsbürger besser als »Ungebildete«, Erwachsene den Kindern überlegen – sichtbare oder nur gefühlte Machtstrukturen stehen einer immer neuen Offenheit in einer Beziehung auf Augenhöhe im Weg. Wir stehen uns selbst im Weg.

Die Gründe dafür sind durchaus nachvollziehbar, denn es birgt ein gewisses Risiko, sich auf eine echte Beziehung einzulassen und sich als Mensch zu zeigen. Wir müssen dann nämlich auch zu unseren Schwächen stehen und uns in unserer Rolle als Eltern hinterfragen lassen. Wir müssen Verantwortung übernehmen für das Gelingen eines Dialogs – und der Beziehung zu den Kindern überhaupt. Das haben wir nicht gelernt. Sobald wir dann unsicher werden, greifen wir reflexartig auf etwas Gelerntes, Bekanntes zurück. Diese Prozesse gilt es sichtbar und transparent – und sich so bewusst zu machen.

Es geht mir nicht darum, neue Erziehungsstile oder -modelle zu finden und so die Erziehung zu verändern – da hat sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder etwas getan. Es geht mir vielmehr darum, Erziehung und ihre Folgen beziehungsweise ihre Wirkung auf uns alle zu entlarven und letztlich zu zeigen, dass wir sie im Umgang mit unseren Kindern nicht brauchen. Ich gehe noch weiter und sage, dass Erziehung oft sogar negative Folgen hat.

»Erziehung ist nicht nur überflüssig, sie richtet häufig auch Schaden an.«

Die Veränderung im Verhältnis zwischen Männern und Frauen hat gezeigt, dass es möglich ist, Grundsätzliches zu überdenken und einen Großteil unserer bisherigen Auffassungen und Vorstellungen infrage zu stellen. Folglich sollten wir auch keine Scheu haben, das Verhältnis zu unseren Kindern zu hinterfragen. Anders als die Frauen, die selbst für ihre Rechte eintreten können, sind Kinder nicht in der Lage, Veränderungen aus sich selbst heraus zu bewirken. Wir brauchen deshalb ein gesellschaftliches Umdenken.

Was das Buch Ihnen bietet

Verschiedene gesellschaftliche Faktoren wie hohe Scheidungsraten, Rückgang der Kinderzahl, nicht eheliche Lebens- und Wohngemeinschaften mit und ohne Kinder und die häufigere Berufstätigkeit der Frau haben zu einer größeren Vielfalt und so gleichzeitig auch zu einem radikalen Wandel der Familienformen geführt. Werte, Normen und Vorstellungen wandeln sich dadurch ebenfalls. Das verunsichert einerseits, bietet andererseits aber auch Chancen und macht Vielfältigkeit und INDIVIDUELLE LEBENSKONZEPTE möglich. So können Eltern heute für ihre Familie nach eigenen individuellen Werten suchen und diese für sich ausprobieren. Auch hierzu soll das vorliegende Buch anregen – neben der schon erwähnten ERMUTIGUNG, das Konzept »Erziehung« ganz hinter sich zu lassen.

Darüber hinaus habe ich Informationen über die Entwicklungsstufen von Kindern zusammengetragen und BINDUNGSTHEORETISCHE UND ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGISCHE ERKENNTNISSE in alltagspraktische Beispiele einfließen lassen. Kinder verbringen immer mehr Zeit in Bildungseinrichtungen. Hat sich hier ein Wandel vollzogen? Haben die entwicklungspsychologischen Erkenntnisse Einfluss auf unser Bildungssystem? Auch solche Fragen werden im Folgenden diskutiert.

Die Gedanken und HANDLUNGSALTERNATIVEN in diesem Buch sollen zum Experimentieren anregen. Sie sind nicht einfach nur zu befolgen und auch nicht als Erziehungshilfen oder im Sinne eines Ratgebers gedacht. Vielmehr sollen sie neue Grundsätze anbieten, die sich aus meiner Erfahrung bewährt haben und als Navigationshilfe im Alltag mit Kindern dienen können, um neue Betrachtungsweisen zu finden und individuelle Wege für sich und die eigene Familie zu gehen.

Eine gesellschaftliche Aufgabe

Eventuell wird mancher Leser an der einen oder anderen Stelle den Eindruck haben, dass einseitig Partei für das Kind genommen wird. Die Haltung zum Kind gesellschaftlich aufzubrechen stellt jedoch keine Parteinahme für das Kind dar und soll auch nicht als Akt der Gerechtigkeit verstanden werden. Wenn sich im Wandel der Zeit die wissenschaftlichen Erkenntnisse über ein gesundes Aufwachsen von Kindern verändern, ist es schlichtweg notwendig, diese Veränderung nach unserem kulturellen Selbstverständnis als gesellschaftliche Aufgabe zu begreifen.