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INHALT

Vorwort

KAPITEL 1

KEINE VORFAHRT FÜR DIE SÄURE – VERKEHRSREGELN DER VERDAUUNG

EINBAHNSTRASSE SPEISERÖHRE

FLEXIBEL, SAUER UND SENSIBEL: UNSER MAGEN

DIE ANTI-REFLUX-BARRIERE ODER: „SPHINKTER SCHLIESSE DICH!“

SPHINKTER UNTER DRUCK: WENN DIE STRASSENSPERRE SCHWÄCHELT

ZWERCHFELLBRUCH: WENN DER MAGEN NACH OBEN RUTSCHT

KAPITEL 2

REFLUX – MAGENSAFT IM RÜCKWÄRTSGANG

SODBRENNEN – SÄUREATTACKE AUF DIE SPEISERÖHRE

WER IST GERD? REIZENDE BEKANNTSCHAFTEN BEI REFLUX

MAGENSAFT AUF LEISEN ABWEGEN: STILLER REFLUX

REFLUX IN DER SCHWANGERSCHAFT

BARRETT-ÖSOPHAGUS: WENN DIE SÄURE ZUM KREBSRISIKO WIRD

KAPITEL 3

SÄUREBLOCKER – FLUCH ODER SEGEN?

EINE KLEINE GESCHICHTE DER SÄUREBLOCKADE

ANTAZIDA UND H2-BLOCKER

PPI: EIN ZWEISCHNEIDIGES SCHWERT IM KAMPF GEGEN DIE SÄURE

WARUM NICHT PPI FÜR ALLE UND FÜR IMMER?

GERD UNTERM MESSER – OPERATIVE THERAPIEVERFAHREN

THERAPIE BEI STILLEM REFLUX

KAPITEL 4

SOS SODBRENNEN – REFLUXBESCHWERDEN NATÜRLICH BLOCKEN

NATÜRLICH UND NACHHALTIG GEGEN DIE SÄURE

DIE 10 WICHTIGSTEN MASSNAHMEN ZUR NATÜRLICHEN REFLUXBLOCKADE

KAPITEL 5

DIE FEUER-FIBEL: IHR PERSÖNLICHES REFLUX-TAGEBUCH

KAPITEL 6

REZEPTE GEGEN REFLUX

ANTI-REFLUX-ERNÄHRUNG LEICHT GEMACHT

FRÜHSTÜCK

MITTAGSGERICHTE

ABENDESSEN

SNACKS

Wichtige Begriffe rund um die Refluxkrankheit

Abkürzungen

Register

Rezeptregister

Impressum

VORWORT

Es brennt und brennt, aber kein Feuerlöscher in Sicht – Sodbrennen, der brennende Schmerz hinterm Brustbein, der oft bis in den Hals und Rachen ausstrahlt und für die Betroffenen sprichwörtlich einfach nur ätzend sein kann. Sodbrennen ist eine der häufigsten Beschwerden des Menschen und nervt rein statistisch etwa 10–20 % der Bevölkerung in Industrienationen Tag für Tag und Nacht für Nacht.

Sodbrennen ist dabei keine eigenständige Krankheit, sondern das SOS-Alarmsignal unserer Speiseröhre, wenn der übermäßige Rückfluss (Reflux) von Magensäure zu einer Reizung der empfindlichen Schleimhaut führt. Durch diesen Reflux von Säure können neben Sodbrennen auch andere Symptome wie saures Aufstoßen, Halsschmerzen und Heiserkeit oder dauerhafter Reizhusten auftreten und dabei die Lebensqualität, den Schlaf und die Freude am Essen ziemlich gründlich ruinieren. Diese sogenannte gastroösophageale Refluxkrankheit (mit der reizenden Abkürzung GERD; Gastroesophageal Reflux Disease) ist mittlerweile eine wahre Volkskrankheit, die inzwischen bei jedem vierten bis fünften Erwachsenen in Deutschland Einzug in die Speiseröhre gehalten hat – Tendenz steigend.

Für die Generation GERD hält die pharmazeutische Industrie zahlreiche „Feuerlöscher in Tablettenform“ parat. Allein die Verordnungszahlen für medikamentöse Säureblocker lassen aufhorchen: 12 % aller deutschen Patienten verlassen die Praxis ihres Hausarztes mit einem Rezept für Säureblocker, bei bestimmten Patientengruppen wie z. B. bei Schmerzpatienten, Krebspatienten oder Patienten mit rheumatischen Erkrankungen liegen die Zahlen sogar deutlich höher. Allein in den letzten zehn Jahren haben sich Verkaufszahlen für diese sogenannten Protonenpumpeninhibitoren (kurz PPI) mehr als verdoppelt.

Doch was stößt so vielen jungen und alten Patienten täglich sauer auf? Sind medikamentöse Säureblocker langfristig die Lösung bei Sodbrennen und anderen Refluxbeschwerden oder können sie gar schädlich sein?

Viele Betroffene suchen daher nicht nur in den Packungsbeilagen nach Antworten auf diese Fragen, sondern nach Alternativen zu medikamentösen Säureblockern und einer Linderung auf natürlichem Weg. Und in der Tat kann vieles von dem, was uns täglich so sauer aufstößt, durch unsere Ernährungsweise, den Rhythmus unserer Nahrungsaufnahme, Sport oder Stressbelastung, die richtige Atmung und Haltung wie auch durch pflanzliche Stoffe beeinflusst werden.

Nicht ohne Grund wird in vielen Leitlinien zur Therapie der Refluxerkrankung auf die Bedeutung einer „Lifestyle“-Modifikation nachdrücklich hingewiesen. Doch was genau ist an unserem „Lifestyle“ so „brand-gefährlich“ und refluxfördernd?

Dieser Patientenratgeber möchte Ihnen helfen, die Ursachen und verschiedenen Formen der Refluxerkrankung besser zu verstehen und Ihnen – als Alternative oder Ergänzung zu medikamentösen Therapien – Möglichkeiten aufzeigen, wie Sie selbst durch Ihre Ernährung und Lebensgestaltung auf natürliche und nachhaltige Weise dem Säurefluss den Hahn abdrehen und rechtzeitig Komplikationen vorbeugen können. Denn Sodbrennen und Refluxbeschwerden sind nicht immer nur harmlos, sondern können ernsthafte Schleimhautschäden nach sich ziehen und langfristig auch das Krebsrisiko erhöhen.

Wenn der Magensaft den Rückwärtsgang einlegt und in der Speiseröhre immer wieder zu Sodbrennen und Schmerzen führt, wird es also höchste Zeit, den Feuerlöscher zu suchen.

Neben leicht verdaulichem Wissen über die Vorfahrtsregeln der Verdauung auf dem Weg durch unseren Organismus und die Bedeutung der Anti-Reflux-Barriere zwischen Magen und Speiseröhre wird es im zweiten Teil des Buchs deshalb auch ganz praktisch.

Ernährung und Essverhalten, Körperhaltung und Schlafposition, Genussmittel und Medikamente, aber auch Stress und Hektik werden in den Blick genommen und praktische Ernährungs-Tipps und Atemübungen rund um das Thema „natürliche Refluxblockade“ vorgestellt.

Wobei reflux-hemmende Ernährung nicht automatisch Haferschleimsuppe bedeutet: Viele leckere Rezepte sollen Ihnen Appetit darauf machen, den Ursachen von Refluxbeschwerden entgegenzuwirken und langfristig neues Wohlbefinden und Gesundheit zu erlangen.

München, September 2020

Prof. Dr. med. Julia Seiderer-Nack

KAPITEL 1

KEINE VORFAHRT FÜR DIE SÄURE – VERKEHRSREGELN DER VERDAUUNG

Eigentlich wäre alles ganz einfach – wenn sich im Körper alle an die Vorfahrtsregeln halten und die Straßensperren funktionieren würden. Wenn allerdings die Magensäure den Rückwärtsgang einlegt und entgegen der Fahrtrichtung ungebremst in die Speiseröhre brettert, nimmt das Reflux-Schicksal seinen Lauf.

EINBAHNSTRASSE SPEISERÖHRE

Unsere Verdauungsorgane leisten täglich Schwerstarbeit, um lebenswichtige Nährstoffe, Vitamine, Mineralien und Wasser aus unserer Nahrung aufzunehmen und dem Körper als Baustoffe und Energieträger bereitzustellen. Etwa 30 Tonnen Nahrung müssen im Lauf eines menschlichen Lebens zerkleinert, gemischt, zersetzt und aufgenommen werden. Die Regulation dieser Verdauungsprozesse im Körper wird dabei nicht dem Zufall überlassen, sondern unterliegt strengen Verkehrsregeln, die durch eine Vielzahl von Rezeptoren, Hormonen, Botenstoffen und Nervenbahnen koordiniert werden. Der Weg der Nahrung durch unseren Verdauungstrakt ist dabei aus vielen guten Gründen eine klassische Einbahnstraße, die vom Mund über die Speiseröhre zum Magen, durch den Dünndarm zum Dickdarm und dann via Enddarm ab nach draußen führt. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass sich größere Mengen unserer aufgenommenen Nahrung in dieser Einbahnstraße entgegen der Fahrtrichtung bewegen – nur im äußersten Notfall (z. B. nach dem Genuss einer mit Bakterien beladenen Bratwurst oder nach zehn Maß Bier) dient Erbrechen als natürliche Entgiftungsfunktion zum Schutz des Körpers, um schädliche Stoffe trotz des Einbahnstraßenschildes in der Speiseröhre aus dem Magen wieder schnell zurück nach oben und aus dem Körper hinauszubefördern. Unsere Verdauung ist dabei neben aller Mechanik ein geradezu sinnlicher Vorgang, da er wirklich alle Sinne erfordert und sprichwörtlich bereits beginnt, bevor der erste Bissen überhaupt im Magen gelandet ist: Beim Anblick und Geruch einer leckeren Mahlzeit „läuft uns das Wasser im Munde zusammen“. Die von einer Pizza – frisch aus dem Holzofen – stimulierten Sinneseindrücke unserer Nase und Augen sorgen über Nervenbahnen und Botenstoffe im Gehirn blitzschnell dafür, dass genügend Speichel und Verdauungssäfte in Magen und Darm für die Verdauungsprozesse zur Verfügung stehen.

Die eigentliche Nahrungsaufnahme und -zerlegung beginnt dann in unserem Mund. Durch gründliches Kauen wird die Pizza mechanisch zerkleinert und mit Speichel durchmischt, sodass ein schluckbarer Nahrungsbrei entsteht. Hätten wir keinen Speichel als Gleitgel für die Speiseröhre, würden uns die trockenen Bro-cken im wahrsten Sinne des Wortes im Hals stecken bleiben. Um ein solches „Verkehrshindernis“ in der Speiseröhre zu vermeiden, produziert der menschliche Organismus im Schnitt etwa 1–1,5 Liter Speichel pro Tag. Er enthält wichtige Enzyme, die bereits in der Mundhöhle mit der chemischen Aufspaltung von Nahrungsbestandteilen beginnen. Gut gekaut ist also halb verdaut – die Verdauungsarbeit, die durch gründliches Kauen im Mund und die Vermischung mit Speichel geleistet wird, reduziert später den workload von Magen und Dünndarm. Speichel ist also nicht nur das Gleitgel für die Speiseröhre, sondern ein wichtiger Verdauungssaft.

Durch die Speiseröhre (Ösophagus) gelangt der Nahrungsbrei nun in unseren Magen. Wie der Name „Speiseröhre“ schon sagt, handelt es sich bei diesem täglich viel genutzten Transportweg um eine etwa 25 Zentimeter lange dehnbare Röhre, die anatomisch im Hals zwischen der Luftröhre und der Wirbelsäule liegt und die Aufgabe hat, die Speisen geordnet in Einbahnstraßenrichtung nach unten zum Mageneingang zu schaffen. Für den nötigen Rutschspaß ist das Innere der Speiseröhre mit einer speziellen gleitfähigen Schleimhaut ausgekleidet, die selbst Schleim produziert und gemeinsam mit dem geschluckten Speichel dafür sorgt, dass die Nahrung mit möglichst wenig Reibung den Magen erreichen kann.

Dabei gilt eine klare Einbahnstraßenregelung: Der Nahrungsbrei, der sich ab jetzt mit saurem Magensaft vermischt, hat im Magen zu bleiben und soll – sobald er ausreichend zerlegt ist – Richtung Dünndarm weiterrutschen. Unter normalen Bedingungen gilt also: Keine Vorfahrt für die Säure!

Um diese Einbahnstraßenregelung durchzusetzen, besitzt die Speiseröhre am oberen und unteren Ende jeweils einen Verschluss (in der Fachsprache „Sphinkter“ genannt), der als Verkehrspolizist in der Speiseröhre wirkt und die Fahrtrichtung des Speisebreis vorgibt. Der obere Verschluss (oberer Ösophagus-Sphinkter, OÖS) am Eingang der Speiseröhre verhindert, dass beim normalen Einatmen Luft in die Speiseröhre gelangt, der untere Sphinkter (unterer Ösophagus-Sphinkter, UÖS) soll den Rückfluss von Nahrungsbrei und Magensäure in die Speiseröhre verhindern (siehe Abb. Der Magen und die Anti-Reflux-Barriere).

Wird nun Nahrung geschluckt, öffnet sich der OÖS, und die Nahrung beginnt ihre Rutschpartie durch die Speiseröhre. Hierbei plumpst der Nahrungsbrei nicht einfach nach unten, sondern wird durch eine Wellenbewegung der Speiseröhre geordnet transportiert. Diese Wellenbewegung – auch „Peristaltik“ genannt – entsteht durch das abwechselnde Anspannen und Entspannen der Muskelschichten in der Speiseröhre. Sobald die geschluckte Nahrung durch die Wellenbewegungen am Ende der Speiseröhre angelangt ist, öffnet sich der untere Speiseröhrenverschluss (UÖS), und die Nahrung fließt in den Magen. Die Peristaltik der Speiseröhre funktioniert sogar entgegen der Schwerkraft: Schlucken geht nämlich auch, wenn man einen Kopf- oder Handstand macht! Wie man sich nun denken kann, spielt dieser untere Ösophagus-Verschluss eine besonders wichtige Rolle für die Entstehung einer Refluxerkrankung. Unter dem Begriff „Reflux“ versteht man dabei, dass saurer Nahrungsbrei gegen die Fahrtrichtung aus dem Magen wieder in die Speiseröhre zurückläuft und dabei auch zu Schäden führt, die wir dann beispielsweise als Sodbrennen zu spüren bekommen. Doch dazu später mehr …

Anatomische Übersicht Verdauungstrakt

FLEXIBEL, SAUER UND SENSIBEL: UNSER MAGEN

Kaum hat er die Rutschpartie durch die Speiseröhre erfolgreich hinter sich gebracht, trifft der Nahrungsbrei in unserem Magen ein. Dieser kann sich als muskuläres Hohlorgan durch Dehnung schnell und flexibel anpassen. Durchschnittlich 1,5 Liter Nahrung und Flüssigkeit kann der Magen ohne Probleme aufnehmen und speichern. Er ist innen mit einer relativ dicken, in Falten gelegten Schleimhaut ausgekleidet; die Magenwand selbst besteht aus kräftigen Muskelschichten, die ebenfalls Wellenbewegungen erzeugen können.

Der Magen verläuft leicht gebogen, wodurch sich an seiner linken Seite eine große Kurve (große Kurvatur) und an der rechten Seite eine kleine Kurve (kleine Kurvatur) bildet. Im Mageneingang (Kardia) mündet die Speiseröhre leicht seitlich von rechts in den Magen. Oberhalb dieser Einmündung befindet sich noch die Magenkuppel, der sogenannte Fundus. Der größte Teil des Magens wird vom Magenkörper gebildet (Corpus), der in den Magenausgang (Antrum) übergeht und am Magenpförtner (Pylorus) endet, der als Türsteher des Dünndarms ein strenges Regiment führt (siehe Abb. Der Magen und die Anti-Reflux-Barriere und Ursachen des Reflux). Auch im Magen wird täglich Schwerstarbeit geleistet: Seine Hauptaufgabe ist es, aus der aufgenommenen Nahrung durch die Produktion von Magensäften einen flüssigen Nahrungsbrei herzustellen und diesen für die weitere Verdauung im Dünndarm vorzubereiten. Der Nahrungsbrei muss durchmischt, umgeschichtet und auf dieselbe Temperatur gebracht werden, zudem sollen gefährliche Krankheitserreger abgetötet und natürlich die Nahrung verdaut und zerlegt werden. Hierzu werden täglich – in Abhängigkeit von der Nahrungsaufnahme – etwa 1,5–2 Liter Magensaft von speziellen Drüsenzellen der Magenschleimhaut hergestellt. Die beiden wichtigsten Drüsenzellen des Magens sind die Belegzellen (sie bilden die Magensäure) und die Hauptzellen (sie stellen Pepsinogen, die Vorstufe des Eiweiß-spaltenden Enzyms Pepsin her).

Der Magen ist ein sinnliches und sensibles Organ und durch Gerüche oder optische Eindrücke leicht in Wallung zu bringen. Er beginnt seine Tätigkeit nicht erst, wenn die Nahrung in ihm gelandet ist, sondern weit vorher: Bereits der Geruch oder das Bild von Essen stimulieren über Nervenbahnen und Hormone die Produktion von Verdauungssäften im Magen. Dabei werden vor allem Magensäure und Enzyme produziert, deren Aufgabe die Zersetzung von Eiweißstoffen (Proteinen) ist. Die Eiweiße bestehen aus langen zusammengefalteten Ketten aus Aminosäuren, die von Enzymen in kurze Stücke geschnitten werden. Diese kurzen Stückchen (Peptide) kann der Körper später mithilfe anderer Enzyme im Dünndarm durch die Darmwand aufnehmen und weiterverarbeiten. Aber nicht nur Nahrung kann die Magensäure-Produktion anregen: Die Produktion von Magensaft unterliegt einer komplexen Regulation durch verschiedene Hormone und Botenstoffe des Nervensystems, die hemmenden oder stimulierenden Einfluss haben können. Über diese Regulationsmechanismen können uns beispielsweise auch Ärger und Stress auf den Magen schlagen, da sie eine erhöhte Magensäurebildung bewirken können – der sinnliche und sensible Magen kann also sehr schnell Rückmeldung bezüglich unserer Gemütslage und Lebensweise geben.

Aufgrund seines hohen Gehalts an Magensäure ist der Magen vor allem eines: sauer. Der durchschnittliche pH-Wert des Magens im nüchternen Zustand liegt etwa zwischen 1 und 2, das entspricht ungefähr dem Säure-Charme einer Zitrone. Aber im Fall des Magens gilt: Sauer macht effektiv! Denn nur wenn es richtig schön sauer ist, kann der Magen seine vielfältigen Funktionen effizient erfüllen: Die Eiweißverdauung durch Pepsin läuft erst in einer sauren Umgebung auf Hochtouren, Enzyme werden aktiviert, Bakterien im Säurebad abgetötet. Die Magensäure selbst ist daher – am richtigen Ort – eine wichtige Voraussetzung für eine optimale Verdauung. Der Magensaft enthält neben Magensäure und Pepsin aber auch noch weitere wichtige Enzyme und Transportmoleküle, die dem Nahrungsbrei für seine weitere Reise durch den Verdauungstrakt mitgegeben werden. Ein wichtiger Vertreter dieser Transportmoleküle ist zum Beispiel der sogenannte Intrinsic factor, der später im Darm wichtig für die Aufnahme von Vitamin B12 wird (siehe Infokasten “Je weniger Säure im Magen, desto besser?”).

Während die Verdauungssäfte chemisch schon voll bei der Arbeit sind, kommt der Magen durch den Kontakt mit dem Nahrungsbrei zunehmend in Bewegung. Durch die Dehnung der Magenwand werden dabei Nerven stimuliert, die zu einer Freisetzung eines weiteren wichtigen Hormons – des Gastrins – führen. Gastrin heizt zum einen die Produktion von Magensäure und Pepsin noch weiter an, zum anderen bewirkt es ein Zusammenziehen der Magenmuskulatur (Kontraktion) und führt damit zu kräftigen Wellenbewegungen. Kurz gesagt: Die Pizza befindet sich mittlerweile in einem Wellenbad aus Säure. Die Wellenbewegungen bewirken eine weitere Vermischung und Zerlegung des Nahrungsbreis und transportieren ihn Richtung Magenausgang. Dort wartet ein weiterer Schließmuskel, der Magenpförtner (Pylorus), auf den Nahrungsbrei, um ihn dann häppchenweise in den ersten Abschnitt des Dünndarms, den Zwölffingerdarm (Duodenum) einzulassen. Dieser Magenpförtner ist ein Türsteher: Alles was noch nicht die richtige Größe für den Dünndarm hat, muss erst eine „Ehrenrunde“ mit weiterer Zerkleinerung im Säurebad des Magen drehen.

Zudem werden immer nur kleine Mengen eingelassen. Dieses strikte Vorgehen des Magenpförtners hat aber durchaus seinen tieferen Sinn: Würde zu viel saurer Nahrungsbrei auf einmal in den Dünndarm gelangen, könnte die Säure Schäden an der Dünndarmschleimhaut verursachen. Die Säure wird später im Darm durch basische Verdauungssäfte aus der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ausgeglichen, sodass der Dünndarm nun wichtige Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe durch die Darmwand in den menschlichen Organismus aufnehmen kann. Schließlich erreicht der Nahrungsbrei den Dickdarm, der ihm vor allem Wasser entzieht und ihn eindickt, bis er dann am Ende den Körper als Stuhl über Enddarm und Anus wieder verlässt.

Warum verdaut sich der Magen nicht selbst?

Gastritis