Nr. 111

 

Unter falscher Flagge

 

Auf Okúl lauert die Falle – der Köder ist das Leben von Millionen Menschen ...

 

von CLARK DARLTON

 

 

In Atem gehalten vom turbulenten Geschehen der letzten Zeit hatten Perry Rhodan und seine Leute es versäumt, den Antis – wie die Diener des geheimen Báalol-Kultes allgemein genannt werden – die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken.

Und so kam es, dass der »Zehnjahresplan« der Antis, der die Verbreitung des Liquitivs, eines heimtückischen Rauschgiftmittels, auf den bewohnten Welten der Milchstraße zum Ziele hat, ungestört anlaufen konnte.

Welche Folgen dieser Plan hat, das zeigten bereits eindringlich die von den Agenten der Abteilung III auf dem Planeten Lepso erbrachten Untersuchungsergebnisse, die den Anstoß dafür gaben, dass die Nachforschungen im Fall »Liquitiv« vorangetrieben wurden.

Was zuerst nur wenige Agenten des Solaren Imperiums beschäftigte, ist inzwischen zu einer Staatsaktion geworden, denn die Lage auf Terra, den irdischen Kolonialplaneten und den Welten von Arkon ist verzweifelt.

Jahrelang hatte man die nötigen Vorsichtsmaßnahmen außer acht gelassen, nachdem namhafte Forscher zu der Ansicht gelangt waren, das Liquitiv, der neue Likör, wäre vorzüglich dazu geeignet, den natürlichen Alterungsprozess des menschlichen Organismus hinauszuschieben und denjenigen, die das Liquitiv genossen, neue Spannkraft zu verleihen.

Der verhängnisvolle Irrtum ist zwar längst erkannt – doch das ändert an der Lage nichts, die, so denkt Perry Rhodan, nur durch einen verzweifelten Schritt normalisiert werden kann ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Je höher man steigt, um so tiefer ist der Fall.

Thomas Cardif – Ein Plan, aus Verzweiflung geboren, wird in die Tat umgesetzt.

Reginald Bull – Des Administrators bester Freund lässt sich auf Anhieb täuschen.

Sir John Rengall – Er besteigt ein »Museumsstück«, um Cardif zu verhaften.

Rhobal – Hoher Diener des Báalol-Kultes.

1.

 

Die Party hatte ihren Höhepunkt erreicht.

Die Fläche des Meeres lag wie ein Spiegel unter dem silbernen Schein des fast vollen Mondes. An den nahen Klippen brach sich kaum eine Woge, und wären die lärmenden Menschen in dem Park und auf der Veranda nicht gewesen, hätte man von einer wundervollen Mondnacht am herrlichen Strand von Florida sprechen können.

So aber war es eine Party.

Sie wurde von Sir John Rengall gegeben, der seine Freunde zu einer Abschiedsfeier eingeladen hatte. Morgen würde er sein Ferienheim wieder verlassen und nach Terrania zurückkehren müssen. Seine Gattin, Lady Lydia, begleitete ihn, denn bei Terrania, am Goshunsee, wartete ein komfortables Landhaus auf sie.

Der Hausherr, ein hochgewachsener, dunkelhaariger Brite, widmete sich seinen Gästen. Zumeist waren seine Gäste Amerikaner, denn in ihrem Land verbrachte er seinen Urlaub. Floridas Strand, das milde Klima, das warme Meer – das alles waren Dinge, für die – seiner Meinung nach – sich zu leben lohnte.

An der Bar, die im Freien aufgebaut worden war und von wo aus man einen herrlichen Blick auf das silberüberflossene Meer hatte, traf er den Arzt Dr. Philipp Morris. Ein Engländer wie er, aber schon seit Jahren im Bundesstaat Nordamerika ansässig.

»Hallo, Phil. Amüsierst du dich?«

Der Arzt nickte und lachte. In seinen blauen Augen funkelte es unternehmungslustig. Aber neben diesem Funkeln vermeinte John Rengall noch etwas anderes zu sehen.

»Ich amüsiere mich. Danke, John. Du hast aber zu wenig Damen eingeladen, finde ich.«

Sir Rengall lachte. Er griff nach der Whiskyflasche und zog zwei Gläser herbei. »Du nimmst doch auch einen ... oder hast du schon genug?« Morris betrachtete die Flasche mit einem geringschätzigen Blick.

»Wenn du nichts anderes zu bieten hast ...«

»Na, hör' mal!«, sagte Rengall etwas beleidigt. »Es ist der beste Whisky, der zu bekommen ist. Was darf ich denn dem Herrn zu trinken anbieten, wenn ihm der Whisky nicht mehr gut genug ist?« Dr. Philipp Morris antwortete nur mit einem Wort: »Liquitiv!«

Rengall setzte die Flasche hart auf die Theke der Bar.

»Dieses verdammte Gift! Du auch?«

Der Arzt zog seinen Freund am Ärmel.

»Ruhig doch! Es muss ja nicht gleich jeder wissen, dass ich rauschgiftsüchtig bin – ich, ein Arzt! Aber auf der anderen Seite, was macht es schon? Millionen Menschen sind nach Liquitiv süchtig – und werden es bald nicht mehr bekommen. Du solltest das besser wissen als ich, denn du bist doch Beamter des Solaren Sicherheitsdienstes.«

»Nur ein sehr kleiner Beamter«, wehrte Rengall ab. Es war ihm peinlich, wenn man auf seine Zugehörigkeit zum Geheimdienst zu sprechen kam. »Ich weiß nicht mehr als andere.«

Morris zog Rengall mit sich zu einer kleinen Bank, die dicht an den Klippen stand und von der aus man einen umfassenden Blick auf das Meer hatte. Einige Palmen verbargen die Bank vor dem Betrieb im Garten. Die Musik klang hier etwas gedämpft, und man musste nicht schreien, um sich verständlich zu machen.

»Was weißt du offiziell von diesem Zeug, John? Du musst es mir sagen, hörst du? Es ist lebenswichtig! Ich habe mehr als ein Dutzend prominente Patienten, die alle – wie ich – süchtig sind. Sie kommen zu mir, damit ich ihnen helfe. Es gibt kein Liquitiv mehr. Schon seit einer Woche nicht. Nur im Schwarzhandel und zu unerschwinglichen Preisen. Tausend Dollar eine Flasche. Und in der Flasche, das weißt du, sind ganze zwei Kubikzentimeter – ein winziger Schluck, mehr nicht. Aber er hilft. Ganze sechs Tage, wenn man Glück hat.«

»Ich habe einmal in meinem Leben diesen süßen Schnaps getrunken, und nie mehr wieder, Phil. Er schmeckte mir nicht, das ist alles. Ich ahnte die Gefahr genauso wenig wie jeder andere. Nur der Zufall verschonte mich davor, süchtig zu werden. Als ich dann sah, dass alle regelmäßigen Liquitivtrinker sich verjüngten und neue Lebenskraft erhielten, hätte ich auch fast das Trinken angefangen. Wer hätte damals auch ahnen können, dass ein harmloser Likör das grauenhafteste Gift der Milchstraße sein könnte?«

»Was weißt du?«, drängte Morris. »Ich möchte dein Wissen mit meinen bisherigen Untersuchungen vergleichen. Ich habe Experimente angestellt und versucht, mich zu entwöhnen. Es ist mir nicht gelungen, John. Nach einer Woche hielt ich es vor Kopfschmerzen und Schwindel nicht mehr aus. Ich wäre glatt verrückt geworden.«

Rengall war sehr ernst geworden. Alle Fröhlichkeit war aus seinem Gesicht verschwunden, als hätte sie jemand weggewischt. Wie ein drohender Schatten stand die morgen beginnende Pflicht vor ihm. Er wusste, was ihm bevorstand. Ihm und der ganzen Menschheit – wenn man keinen Ausweg aus dem Dilemma fand.

Und es war ein Dilemma.

Rengall legte seinem Freund die Hand auf die Schulter.

»Wir wissen nicht viel, Phil, obwohl in der Zwischenzeit einige tausend Fälle in mühseliger Kleinarbeit zurückverfolgt worden sind. Einen Punkt hat man offengelegt:

Nach der zweiten, spätestens dritten Einnahme von Liquitiv, tritt mit radikaler Plötzlichkeit ein Verjüngungsprozess ein. Nicht nur seinem Empfinden nach fühlt sich der Betreffende jünger, sondern auch sein frisches Aussehen sagt ihm, dass er verjüngt wird. Dieser augenscheinliche Erfolg hat natürlich jeden Liquitivtrinker dazu geführt, mehr zu trinken, als auf der Packung empfohlen wird. Dieses Ofttrinken ließ das mittlerweile vorhandene Suchtgefühl nicht offenbar werden. Auch wer sich das kostspielige Vergnügen leistete, sich durch Liquitiv zu betrinken, konnte keine gesundheitlichen Störungen oder unangenehme Nebenerscheinungen feststellen. Doch bei der Zurückverfolgung der vielen Einzelfälle kristallisierte sich heraus, dass jeder, der sechsmal Liquitiv getrunken hatte, unheilbar süchtig geworden war. Und als das bekannt wurde, hatte man auch endlich eine Erklärung für eine große Zahl von rätselhaften Todesfällen in Kliniken und Krankenhäusern, deren vorletzte Stufe der Irrsinn war. Die Sucht ist unheilbar, und wer durch irgendeinen Umstand nicht mehr Liquitiv trinken kann, muss unter Qualen sterben.«

»Ich habe seit fünf Tagen nichts mehr getrunken«, gab Morris zu. »Einfach deshalb, weil nichts mehr verkauft wird. Warum das? Die Regierung sollte ...«

»Die Regierung hat die Einfuhr nicht gestoppt. Es wird einfach weniger geliefert, das ist alles. Man will uns unter Druck setzen.«

»Sollen wir alle den Verstand verlieren?«, jammerte Morris verzweifelt. Er hatte jede Maske fallen lassen und nichts mehr mit dem angesehenen Mediziner gemeinsam, zu dem die Patienten der besseren Gesellschaft unbeschränktes Vertrauen zu haben pflegten. »Es geht um Millionen Menschen ...«

»Die alle nicht mehr als sieben oder acht Jahre zu leben haben, je nachdem, wann sie mit dem Liquitivtrinken begannen«, warf Rengall ein.

»Sie werden ja wissen, dass genau zwölf Jahre und vier Monate nach Beginn des regelmäßigen Genusses von Liquitiv der endgültige Verfall eintritt. Die anfängliche Verjüngung hört auf und wird rückläufig. Ich habe die Toten von Lepso gesehen, Phil. Sie waren kein schöner Anblick. Wenn wir kein Entwöhnungsmittel finden, wird es auf der Erde ähnlich aussehen. Die Süchtigen dürfen nicht aufhören, süchtig zu sein, sonst werden sie wahnsinnig. Trinken sie aber weiter, sterben sie eines Tages. Es scheint keinen Ausweg zu geben.«

»Lieber in acht Jahren sterben, als in vier Wochen verrückt sein«, stöhnte Phil Morris und richtete sich auf, als er näherkommende Schritte vernahm. Er tat so, als sei nichts gewesen und wechselte das Thema: »Eine wundervolle Nacht, John, meinst du nicht auch?«

Eine Frau trat durch die Palmen und blieb vor der Bank stehen.

»Hier also seid ihr? Und ihr unterhaltet euch über den Mondschein? Niemals hätte ich gedacht, John, dass du romantisch veranlagt bist. Und von Ihnen, Doc, hätte ich es am allerwenigsten erwartet.«

Die Stimme der Frau klang spöttisch und überlegen. Sie trug ein tief ausgeschnittenes Abendkleid, schien noch sehr jung zu sein und hatte eine ausgezeichnete Figur. Sie trat zu John Rengall und küsste ihn auf die Stirn.

»Oh ... die romantische Stimmung überwältigte uns, Liebste«, sagte Rengall und zog seine Frau auf die Bank. »Unser Freund Phil hat Sorgen.«

»Sorgen? Werden die Leute nicht mehr krank?«

Aber Morris war nicht zum Scherzen aufgelegt.

»Es ist schlimmer, Lady Lydia«, sagte Morris und gab sich einen Ruck. »Ich habe seit fünf Tagen kein Liquitiv mehr gehabt.«

John Rengall zuckte erschrocken zusammen. Zu spät hatte er seinem Freund einen Wink geben können. Nun war es heraus.

Lydia Rengall warf ihrem Gatten einen spöttischen Blick zu und meinte dann, zu Morris gewandt: »Fünf Tage? Für einen Trinker eine lange Entbehrung. Sind Ihre Vorräte zu Ende?«

»Es gibt nichts mehr zu kaufen, Madam ...«

»Wenn es weiter nichts ist – ich helfe Ihnen gern aus, Doc. Wieviel benötigen Sie ...?«

»Lydia!«

Rengall sagte es scharf und vorwurfsvoll. Er war aufgestanden und sah auf das Meer hinaus.

»Was ist, Lieber? Sollte Doc es nicht wissen?«

»War das notwendig?«

»Du kannst doch einen alten Freund nicht einfach seinem Schicksal überlassen und zusehen, wie er verdurstet. Ich wusste ja nicht, dass du so geizig bist. Nun geh' schon und hole ein paar Flakons aus meinem Zimmer. Du weißt ja, wo sie stehen.«

Auch Phil Morris war aufgestanden. Er hielt Rengall am Arm fest.

»Deine Frau, John ...? Sie ist ebenfalls süchtig? Warum hast du mir das niemals gesagt?«

Lydia schüttelte den Kopf.

»Süchtig ...? Seit wann ist man süchtig, wenn einem ein guter und teurer Likör schmeckt?«

Rengall nickte Morris zu.

»Du kannst es ihr erklären – ich wollte nicht, dass du es erfuhrst. Tut mir leid, alter Junge, dich getäuscht zu haben. Aber nun bekommst du gleich deine Schluckimpfung.«

Er ging ohne ein weiteres Wort davon.

Lydia sah ihm aus engen Augen nach.

»Was ist, Doc? Süchtig? Reden Sie schon.«

»Wissen Sie es denn wirklich nicht, Lady Lydia? Hat Ihr Gatte es Ihnen niemals erklärt? Haben Sie ohne sein Wissen das Trinken begonnen ... eh, ich meine, den Genuss von Liquitiv?«

»Natürlich! Männer müssen ja nicht alles wissen!«

»In diesem Fall wäre es besser gewesen«, sagte Phil Morris und erklärte der Gattin seines Freundes, was es mit dem teuflischen Likör einer herrschsüchtigen Rasse irgendwo in der Milchstraße auf sich hatte.

Als er endete, war langes Schweigen. Ehe Lady Rengall etwas zu sagen vermochte, hörten sie schnell sich nähernde Schritte. Es war John. Er blieb dicht vor den beiden stehen und sah sie an, zuerst seine Frau und dann Phil Morris.

»In deinem Zimmer ist keine einzige Flasche mit Liquitiv«, sagte er dann mit tonloser Stimme. »Das Fach deines kleinen Schreibtisches ist aufgebrochen. Jemand muss den ganzen Vorrat gestohlen haben.«

Phil Morris sah seine letzte Hoffnung schwinden. Langsam stand er auf und ging wortlos davon. Seine Schultern hingen herab, und seine Beine zitterten.

Lydia warf sich an Johns Brust.

»Wieviel Zeit habe ich noch?«, schluchzte sie.

Er streichelte über ihr Haar.

»Sechs Tage, Liebes. Beruhige dich, vielleicht finden wir in Terrania einen Ausweg – für vorläufig. Ich bin sicher, man lässt uns nicht im Stich. Perry Rhodan findet bestimmt eine Lösung.«

Aber Perry Rhodan war weit, genau genommen 41.386 Lichtjahre. John Rengall wüsste das natürlich nicht. Aber er wusste auch nicht, dass es überhaupt keine Rolle spielte, ob Rhodan auf der Erde weilte oder irgendwo auf einem unbekannten, mörderischen Kleinplaneten nahe beim Zentrum der Milchstraße.

»Wer kann von dem Liquitiv gewusst haben?«, flüsterte Lydia verstört. »Wir haben es doch geheim gehalten, weil du mich darum gebeten hattest. Ich wusste zwar nie, warum du damals so erschrocken warst, als du davon erfahren hast, dass ich regelmäßig den Likör trinke, aber ich fügte mich deiner Bitte. Immerhin musst du zugeben, dass mich das Zeug verjüngte – und das gefiel dir doch. Wir haben zu spät erfahren, was es mit dem Teufelsgift auf sich hat – ich zu allerletzt.«

»Und es war noch zu früh«, sagte Rengall und setzte sich, indem er seine Frau mit sich zog. »Die Lust zu der Party ist mir vergangen. Sollen sie nach Hause gehen. Jetzt wird uns niemand helfen. Liquitiv wird bald wertvoller sein als Gold, denn es bedeutet für alle, die es tranken, pures Leben. Auch wenn jemand von unseren Freunden Liquitiv in großen Vorräten hat, wird er uns nichts geben. Außerdem will ich nicht, dass jemand etwas erfährt. Als Regierungsbeamter ...«

»Auch dann nicht, wenn mein Leben davon abhängt?«

Er streichelte ihren Arm.

»Vorher sind wir in Terrania, Liebling. Ich möchte nur wissen, wer der Schuft gewesen ist, der das Zeug gestohlen hat. Es kann nur jemand aus unserer nächsten Umgebung sein. Einer der Dienstboten vielleicht. Wenn jemand süchtig ist und nicht an das Zeug herankommt, ist er zu allem fähig.«

Sie legte den Kopf an seine Brust.

»Ich will nie mehr hierher zurück, John. Verkaufe das Haus. Ich will es nie mehr sehen.«

Er seufzte. »In fünf oder sechs Tagen, Liebes, wirst du andere Sorgen haben.«

Mit einem jähen Missklang brach die Musik ab. Jemand schrie laut und eindringlich. Ein anderer Mann fluchte, dann klatschte es. Polternd fiel etwas zu Boden.

John war aufgesprungen. Ohne sich weiter um seine Frau zu kümmern, lief er quer über den gepflegten Rasen in Richtung des Hauses. Im unsicheren Schein der Lampions erkannte er eine Menschenansammlung – seine Gäste. Sie umstanden die Bar und das Podium der Musiker.

Ein Mann lag am Boden. Jemand hatte ihn niedergeschlagen.

Es war Dr. Philipp Morris.

»Was ist hier geschehen?«, wollte Rengall wissen.

Einer der Musiker deutete auf seinen zertrümmerten Bass.

»Er muss verrückt geworden sein, Sir. Er riss mir das Instrument aus der Hand, sprang mit beiden Füßen hinein und zertrampelte es. Dabei tobte er wie ein Irrsinniger und schrie, es habe ja doch alles keinen Zweck mehr. Ich bin ein friedfertiger Mensch, Sir, aber ich hätte mich fast an ihm vergriffen.«

»Jemand hat es ... wer?«

Ein Mann im Frack trat vor. Er strich sich durch die Haare.

»Ich, Sir Rengall.« Es war Garry Rascall, der Manager des Golfclubs. »Was blieb mir anderes übrig? Er tobte wie ein Irrsinniger und hätte die gesamte Kapelle zerschlagen. Jemand musste ihn zurückhalten. Ich weiß auch nicht, was mit ihm geschehen ist, aber ...«

»Schon gut, Garry. Sie können nichts dafür.« Er betrachtete Phil und sah, dass er bewusstlos war. »Garry, bringen wir ihn zu mir hinauf in mein Zimmer. Wir legen ihn auf die Couch. Und wenn er zu sich kommt ...«

Sie trugen ihn hinauf. Dann fragte Rascall: »Was meinten Sie damit ... wenn er zu sich kommt? Warum sollte er nicht zu sich kommen? Es war ein harter Hieb, zugegeben, aber bisher sind alle wieder aufgewacht, die ich so behandelte.«

»Das meine ich nicht«, knurrte Rengall. »Phil Morris ist süchtig. Er trinkt Liquitiv.«

»Na und?«, zeigte sich der Manager wenig beeindruckt. »Wer tut das heute nicht?«

John Rengall sah einen Hoffnungsschimmer am Horizont seiner trüben Laune.

»Sie auch?«, fragte er. Und als Rascall nickte, fuhr er fort: »Ist es Ihnen möglich, mir einige Flakons zu besorgen? Wenn Phil aufwacht, muss er sofort seine Ration haben, sonst beginnt er wieder zu toben. Ich besaß einen kleinen Vorrat, aber er wurde mir gestohlen.«

»Gestohlen?«, wunderte sich Rascall. »Auf welche Ideen die Leute heutzutage kommen. Natürlich haben wir einen genügenden Vorrat im Club. Die Mitglieder trinken fast nichts anderes, höchstens hier und da einen Whisky oder Vurguzz. Aber nichts geht ihnen über Liquitiv. Wenn ich mich nicht irre, habe ich über tausend Flakons vorrätig. Wieviel soll ich holen?«

Innerlich atmete Rengall erleichtert auf. Eine Zentnerlast fiel ihm vom Herzen. Wenn man künftig gut einteilte, sollte Lydia nicht in Schwierigkeiten kommen. Und bis die acht oder neun Jahre vergangen waren, hatten die irdischen Forscher, sicher ein Gegenmittel gefunden, mit dem sich der angeblich unvermeidliche Tod bannen ließ.

»Sind hundert Flakons möglich, Garry ...?«

»Warum nicht?«, lachte der Manager. »Ich setze mich gleich in den Wagen und sause los. Haben Sie Geld da?«

Rengall gab ihm die Banknoten, die den bisher üblichen Handelspreis deckten und ein gehöriges Trinkgeld. In Wirklichkeit verpasste Garry an diesem Abend die Chance, ein steinreicher Mann zu werden. Dafür hatte er ein Trinkgeld verdient.

Als Phil Morris einige Stunden später erwachte, wusste er nichts mehr von seinem Anfall. Seine Hände zitterten aber noch. Er nahm die von Rengall angebotene Flasche und trank. Die Wirkung setzte fast augenblicklich ein. In die müden Augen trat ein lebendiger Glanz, und das Schwindelgefühl schwand sofort.

»Wo hast du das aufgetrieben, John?«

»Ich will es dir verraten – und ich rate dir, noch morgen früh hinzufahren und dir ein paar Dutzend Flakons zu holen. Garry Rascall, der Manager. Er hat die ganze Clubbar voll davon. Der übliche Preis.«

»Er weiß noch nichts von der Sperre?«

»Wahrscheinlich nicht, Phil. Sicher kauft er nur alle paar Monate ein und kümmert sich sonst nicht um die Marktlage. Wenn er die Wahrheit erfährt, wird er zwar toben, aber vielleicht gibt es bis dahin wieder genug. Niemand kann wissen, was geschieht.«

»Jedenfalls werde ich nur alle fünf oder sechs Tage einen Flakon trinken«, sagte Phil. »Das genügt, um normal zu bleiben.«