Über die Autoren

Ulf C. Goettges verfügt als ehemaliges Mitglied der Chefredaktionen von Welt am Sonntag, BILD und der Berliner Zeitung über 20 Jahre Erfahrung im politischen und investigativen Journalismus. Heute ist er Inhaber einer Kommunika­tionsagentur in Hamburg.

Martin Häusler arbeitete viele Jahre für Gruner+Jahr sowie Axel Springer als Redakteur, Reporter, Kolumnist und Ressortleiter. Er ist Autor mehrerer Bücher zu gesellschaftspolitischen Themen und lebt heute als freier Journalist in Hamburg.

Ulf C. Goettges | Martin Häusler

DU SOLLST
DEN WÄHLER
FÜR DUMM VERKAUFEN

Die 10 ungeschriebenen
Gebote der Politik

BASTEI ENTERTAINMENT

Für M.C., C.H., A.W. und John Henry

Inhalt

Vorwort

1. Du sollst deine Macht verteidigen – der Parteifreund ist dein bester Feind

2. Du sollst dir einen Clan suchen – ohne Seilschaft stürzt du ab!

3. Du sollst nichts können – Minister kann jeder

4. Du sollst hilfsbereit sein – wer sagt schon gern »korrupt«?

5. Du sollst Schauspieler sein – allein als Politiker packst du es nicht

6. Du sollst Journalisten zensieren – Pressefreiheit ist gefährlich

7. Du sollst nicht denken – die Partei regelt dein Leben schon

8. Du sollst die Steuern verschwenden – es ist ja nicht dein Geld

9. Du sollst dich dumm stellen – der U-Ausschuss ist nur Theater

10. Du sollst die Verfassung nicht so ernst nehmen – benutze sie, wie du sie brauchst

Nachwort – Plädoyer für eine politische Kultur

So durchschauen Sie den Politik-Zirkus

Quellen

»In der Politik geschieht nichts zufällig. Wenn etwas geschieht, kann man sicher sein, dass es auf diese Weise geplant war.«

FRANKLIN D. ROOSEVELT

»In der Politik ist es wie im täglichen Leben: Man kann eine Krankheit nicht dadurch heilen, indem man das Fieberthermometer versteckt.«

YVES MONTAND

Vorwort

Was muss man können, um Politiker zu sein? Nichts Besonderes, sagen 40 Prozent der Bundesbürger. Und, wer versteht mehr von Politik als die Abgeordneten in Berlin? Wir, sagen 50 Prozent der Bundesbürger. Mit anderen Worten: Politiker kann jeder.

Verwundert dieses Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung?1 Nein. Denn die Politiker selbst tun alles, um diesen Eindruck nach Kräften zu verstärken. Bei ihren Reden und Interviews riecht es längst nicht mehr nach Schwefel, sondern nach Schwafel. Sie beschimpfen sich unflätig (»Eierkrauler«) und würdigen sich damit selbst herab. Sie werden offenkundig von Lobbys, Beratern oder Verbänden vor den Karren gespannt – und nennen es »Sachpolitik«. Während das Volk über vereiste Straßen schliddert, lassen sie, wie in Hamburg geschehen, den Bürgersteig vor ihrem Häuschen auf Steuerkosten enteisen.2 Derweil die Bürger sparen und sich um ihre Geldanlagen sorgen, investieren sie, zum Beispiel in einer Baden-Württembergischen Großstadt, Steuergelder in Zinswetten (»Swaps«) – den Schaden, in diesem Fall laut Anklage der Staatsanwaltschaft 14,2 Millionen Euro, zahlen dann wie immer nicht sie, sondern die Bürger.3

Weil dies und anderes erstens so häufig und zweitens immer wieder passiert, drängt sich eine unangenehme Schlussfolgerung auf: Die Wähler werden aus Prinzip für blöd verkauft.

Werden wir mal polemisch: Wenn er die Macht dazu bekommt, kann wirklich jeder Politiker werden. Ist es geschafft, beginnen die Drogen Macht, Privilegien und Selbstüberschätzung langsam den Blick auf das wahre Leben und damit auf die Sorgen und Bedürfnisse der Menschen zu verschleiern. Irgendwann kommt dann der Zeitpunkt, an dem sie keine Hemmungen mehr haben, dem Wähler gegenüber jeden Respekt zu verlieren.

Wie viel Wahrheit steckt in dieser Feststellung? Oder ist es nur eine böswillige Unterstellung? Egal wie die Antwort lautet – was muss geschehen, damit dieser Eindruck weicht, über den es keine zwei Meinungen geben kann? Unser Buch soll analysieren, empören und letztlich Antworten auf diese Fragen geben.

Bei der bereits zitierten Studie kam auch heraus: 65 Prozent der Befragten halten Politik für »undurchsichtig«. Auch das ist nicht verwunderlich, denn die Politik und ihre Macher folgen oft komplexen und unlogisch konstruierten eigenen Gesetzen, die mit den Regeln des wahren Lebens und den Werten eines anständigen Steuerzahlers nichts gemein haben. Diese unausgesprochenen Gebote wollen wir erklären, ihre Mechanismen und ihre Entstehung transparent machen.

Der große Soziologe Max Weber destillierte schon vor fast hundert Jahren die wichtigsten Qualitäten eines Politikers heraus und goss sie in seinen viel beachteten Klassiker Politik als Beruf. Die drei Haupteigenschaften seien: sachliche Leidenschaft, Verantwortungsgefühl, distanziertes Augenmaß.4 Vor allem die Punkte zwei und drei scheinen unseren Politikern völlig entglitten zu sein – sofern sie jemals von Max Webers Dreiklang gehört haben.

Auch wenn uns das vielleicht nicht passt: Demokratie braucht Berufspolitiker, die sie gestalten, bewahren und fortentwickeln. Doch sie braucht zweifelsohne einen neuen Typus Politiker. Was soll er können? Welche Werte soll er leben, was darf er und was darf er nicht? Wir haben mit Insidern, Aussteigern, Beobachtern und Akteuren darüber gesprochen. Und darüber, ob der etablierte Politikbetrieb mit seinen zahlreichen Abgründen überhaupt reformfähig ist.

Wir begnügen uns also nicht mit der bloßen Beschreibung der politischen Erosion, sondern verknüpfen die zehn ungeschriebenen Gebote der Politik, die im Berliner Regierungsviertel, in den Landeshauptstädten und in den Rathäusern täglich gelebt werden, mit Vorschlägen zur Erneuerung.

Die ist längst überfällig. Denn die Wähler spüren, dass die Kluft zwischen der Realität ihres Lebens und der des politischen Lebens immer größer wird. Der Ärger darüber wächst und die Verdrossenheit auch – die erwähnte Allensbach-Studie und die überraschenden Erfolge der Piratenpartei in den Jahren 2011 und 2012 sind dafür die besten Beweise. Die Piraten wurden nicht trotz mangelnder Konzepte und utopischer Ziele gewählt, sondern eben genau deshalb, weil sie keine wohlgefälligen Antworten oder hochtrabenden Projekte präsentierten. Dass sie ihre Stimmen nur bei Internet-Freaks oder idealistischen Jungwählern gesammelt haben, ist eine Legende der etablierten Parteien. In Wahrheit hatten viele ihrer bürgerlichen Stammwähler die Nase so voll und jede Illusion auf Besserung verloren, dass sie die Option Chaos im Gegensatz zum »Laberalismus« durchaus sexy fanden.

Die Indizien mehren sich: Wähler lassen sich nicht mehr für blöd verkaufen. Immer häufiger erkennen sie, was sich hinter der Fassade der Tagesschau-Politik und Talkshow-Zirkel wirklich abspielt, womit sie gelockt und gefoppt werden.

Die Kulisse bröckelt. Es ist höchste Zeit für grundlegende Veränderungen.

Darum schreiben wir dieses Buch.