Liebe Leserin, lieber Leser,
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Wir wünschen viel Vergnügen.
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Sommer in Maple Creek!
Während Molly und Nat auf Wolken des Glücks schweben und ihre Hochzeit immer näher rückt, kämpfen ihre Freunde mit den harten Seiten der Realität. Nora, die sich gerade erst in den charmanten Anwalt Jim verliebt hat, sieht sich mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen konfrontiert. Sie sollte dringend ihr Leben ändern; aber ist sie wirklich bereit, beruflich und privat kürzerzutreten?
Der Konkurrenzdruck in Lillys Werbeagentur spitzt sich weiter zu. Mit hinterhältigen Mitteln wagt es Charlotte tatsächlich, Lilly den größten Kunden abzuwerben. Schon bald weiß Lilly nicht mehr, wo ihr der Kopf steht und wie sie die Situation in den Griff bekommen soll.
Einmal mehr schickt das Leben die Bewohner von Maple Creek durch Höhen und Tiefen. Werden sie auch dieses Mal zusammenhalten?
Über Olivia Anderson
Hinter dem Pseudonym Olivia Anderson verbirgt sich die Bestsellerautorin Gerlinde Friewald. Sobald sie lesen konnte, hat Gerlinde Friewald gelesen. Sobald sie schreiben konnte, hat sie geschrieben – im wahrsten Sinne des Wortes. Was früher nebenbei geschah und auch in ihren Beruf in der Werbung und PR naturgemäß einfloss, betreibt sie seit über zehn Jahren als Hauptpassion: Schreiben. Mit ihrer Familie lebt sie im Süden Wiens in Österreich. Gerlinde Friewald ist in verschiedenen Genres der Unterhaltungsliteratur beheimatet. Besonders wichtig sind für sie – ob Krimi, Thriller oder Liebesroman – die Spannung und das Gefühl für die Menschen in der Geschichte.
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Sommerglück in Maple Creek
Inhaltsübersicht
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Impressum
Laurie bog den Weg zum Maple Lake Inn ein und schlenderte auf das Hotel zu. Als sie beim Eingang ankam, verharrte sie und blickte zum stahlblauen Himmel hoch. Wenige Wolken zogen gemächlich dahin. Der Frühling zeigte sich wahrlich von seiner angenehmsten Seite. Als Kanadierin war sie lange, kalte Winter gewohnt, und prinzipiell störten sie weder die tiefen Temperaturen noch der Schnee, doch die wärmende Sonne und die sprießende Natur taten Körper und Geist einfach gut.
Sie öffnete die Tür des Hotels und trat ein.
Pamela und ihre Angestellte Mary standen vor dem Empfangstresen und redeten leise miteinander.
Pamela hielt inne, als sie Laurie sah, und sagte: »Ich dachte, du tauchst heute gar nicht mehr auf.«
»Inzwischen kann ich es mir gar nicht mehr vorstellen, dich im Zuge meines täglichen Spaziergangs nicht zu besuchen. Ich bin später dran, weil ich eine große Runde gemacht habe. Das Wetter ist traumhaft.«
»Ließe es meine Zeit zu, wäre ich im Augenblick nur an der frischen Luft. Der Frühling ist meine Lieblingszeit – Anfang, Mitte und Ende gleichermaßen: Vom ersten zarten Versuch, den Winter zu verdrängen, über die Zeit, wo es zu grünen beginnt, bis hin zu jenem Punkt, wo der Sommer schon so richtig durchgreift.« Pamela wandte sich wieder Mary zu. »Laurie und ich setzen uns auf die Veranda. Ist dir klar, wie die Rabatte in das Buchungssystem eingepflegt werden? Am wichtigsten ist, dass du die richtige Spalte nimmst.«
Mary nickte. »Keine Sorge – sollte etwas sein, weiß ich, wo ich dich finde.«
»Du kannst dich jederzeit an mich wenden. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig«, erwiderte Pamela und setzte sich in Bewegung.
Laurie folgte ihr auf die Veranda hinaus.
Nachdem sie es sich an einem der vorderen Tische direkt am Geländer bequem gemacht hatten, trat sofort eine junge Frau heran und fragte: »Was darf ich Ihnen bringen?«
»Zwei Mapleccino, einer ungesüßt, und zwei stille Mineralwasser«, übernahm Pamela die Bestellung. »Laurie, wir haben frischen Apfelkuchen. Den wirst du zwar nicht essen dürfen, aber einige Äpfel sind übrig geblieben – schöne rote. Willst du einen?«
Laurie hob abwehrend die Hände. »Tom zwingt mir jeden Tag nach dem Frühstück eine Ration Obst auf – die reicht völlig.« Sie verdrehte die Augen. »Wenn ich nach dem Spaziergang heimkomme, wartet bereits die nächste Mahlzeit auf mich: Fisch und Gemüse. Ich bin dieses häufige Essen nicht gewohnt. Ebenso wenig, jeden Tag in der Natur herumzuspazieren und überhaupt so ruhig zu leben. In der Tavern weise ich Fred an, was er zu kochen hat, und verschwinde wieder. Sonst tue ich nichts.«
»Ich finde es bewundernswert, dass du dich eisern an den Diätplan und alle sonstigen Weisungen hältst«, bemerkte Pamela.
Laurie wartete mit der Antwort, bis die Kellnerin, die gerade die Getränke brachte, wieder gegangen war. »Die Werte sind super, und ich möchte nicht, dass sich das ändert. Wenn das Baby auf der Welt ist, verschwindet auch der Zucker schlagartig. Es ist nicht mehr als eine lästige und häufige Nebenerscheinung in der Schwangerschaft.« Kurz presste sie die Lippen aufeinander. Durch das frühe Einsetzen der Schwangerschaftsdiabetes bestand die Gefahr, in der Folge dauerhaft daran zu erkranken – nur Tom und natürlich ihre Ärztin wussten davon. Darüber hinaus wollte sie es niemandem erzählen. Machte sie es öffentlich, würde es für sie zum echten Gegenstand ihres Lebens werden, und das wiederum fühlte sich an wie ein schlechtes Omen. Keinesfalls durfte sie der Angst vor einer unbegründeten Zukunft nachgeben. »Ist die Kleine neu? Ich bilde mir ein, sie vom Sehen zu kennen«, setzte Laurie nach, um auf ein anderes Thema zu lenken.
»Du meinst die Kellnerin? Das ist gut möglich. Sie heißt Monique und stammt aus einem Nachbarort. Erst mal ist sie zur Probe hier. Seit sich Mary verstärkt um die organisatorischen Belange und die Rezeption kümmert, brauche ich jemanden, der die Gäste versorgt.«
»Und, wie tut sie sich?«
»Mary oder Monique?«, fragte Pamela.
Laurie schmunzelte. »Na, beide.«
»Mary ist großartig. Sie blüht richtig auf und versteht alles auf Anhieb, was ich ihr erkläre. Außerdem kann ich mich auf sie verlassen, das ist das Wichtigste. Und Monique, nun, sie ist freundlich und sehr bemüht, für das Gastgewerbe allerdings eigentlich zu schüchtern. An der Abendschule macht sie dieselbe Ausbildung, die auch unsere gute Freundin Charlotte hinter sich gebracht hat – also Marketing, Werbung und Public Relations. Nebenbei will sie Geld verdienen, um ihren Eltern nicht auf der Tasche zu liegen.«
Laurie wiegte den Kopf. »Lobenswert. Sie ist hübsch und hinterlässt einen netten Eindruck bei mir. Vielleicht löst sich die Scheu auf. Früher habe ich das oft erlebt. Als Köchin hatte ich natürlich engen Kontakt mit dem Servierpersonal. Ließ man ihnen die Zeit, Sicherheit zu gewinnen, wurden aus Mauerblümchen nicht selten wahre Teufelinnen, die kaum zu stoppen waren.«
»Die Gefahr, zur Teufelin zu mutieren, besteht bei Monique meiner Meinung nach nicht. Allein der Gedanke ist abwegig.« Pamela lachte auf. »Gut an ihr gefällt mir, dass sie überall mit anpackt und klug ist. Ach, Timothy fehlt einfach, aber er gehört zu Lilly in die Agentur – das ist seine Leidenschaft.«
»Wer erledigt eigentlich die handwerklichen Aufgaben, seit er weg ist?«, erkundigte sich Laurie.
»Nat hilft mir bei Bedarf aus und schickt einen seiner Leute, das kann ich jedoch nicht für immer und ewig in Anspruch nehmen. Ich suche dringend jemanden für all die laufenden Kleinigkeiten – den Mann im Hotel sozusagen.« Pamela schmunzelte. »Nicht dass ich uns Frauen Handwerkskompetenz abspreche, genau das Gegenteil. Es fallen nur dauernd Dinge an, die Kraft erfordern. Ich könnte das schwere Holzbrett für die anstehende Reparatur des Stegs etwa nicht einmal anheben.«
»Wir brauchen sie halt für den festsitzenden Deckel des Gurkenglases.« Laurie zwinkerte ihr zu. »Warum schaltest du nicht eine Annonce bei Molly in der Zeitung?«
»Weil ich mir keinen weiteren Vollzeitangestellten leisten kann. Welcher Mann sucht einen Job zwischen zehn und zwanzig Stunden nebenbei, noch dazu mit Dienst an Samstagen und Sonntagen? Mundpropaganda ist die einzige Möglichkeit«, entgegnete Pamela.
Laurie nickte. »Da hast du recht. Ich sage es Tom, und wir hören uns um.« Sie beugte sich vor und gab einen stöhnenden Laut von sich, dabei lächelte sie breit. »Schwanger zu sein ist ein wahrhaft absonderlicher Zustand. Man schleppt einen Bauch mit sich herum, die Beine erinnern an aufgequollene Spaghetti, überall zwickt und zwackt es, ständig muss man Pipi. Im Grunde fühlt man sich furchtbar und ist dennoch überglücklich. Für das nächste Kind suche ich eine Leihmutter.« Auf Pamelas erstaunten Blick fügte sie rasch hinzu: »Das war ein Scherz, Pam. Die Sache mit der Toilette hingegen nicht. Ich bin gleich wieder da.« Laurie stand auf, stemmte die Arme in die Hüften und bog sich durch. Dann betrat sie das Hotel und durchquerte den Aufenthaltsraum. Dabei sah sie aus dem Augenwinkel, wie Monique mit einem Tuch die große Kommode abwischte. Aus eigener Erfahrung wusste sie, wie schwer es war, umsichtiges Personal zu finden. Pamela hatte die positiven Eigenschaften der jungen Frau zum Glück erkannt.
Molly sah von ihrem Bildschirm auf und ließ den Blick durch die Redaktion wandern. An Elisabeth blieb sie hängen. Als freie Mitarbeiterin konnte sie ihre Artikelreihe über populäre Personen von Maple Creek schreiben, wo sie wollte, aber sie hatte sich entschieden, vorrangig in der Redaktion zu arbeiten. Unter Menschen und Teil dieser Gruppe zu sein, schien ihr viel zu bedeuten. Molly konnte sich fast nicht mehr vorstellen, wie es gewesen war, diese Frau nicht zu mögen. Mittlerweile hatte sie Elisabeth sogar regelrecht ins Herz geschlossen. Wie eine psychische Krankheit jemanden doch veränderte! Die Idee, Elisabeth aufgrund ihres Schreibtalents und Wissens über die Einwohner von Maple Creek auf die neue Serie VIPs of Maple Creek anzusetzen, war zwar Franklins gewesen, nichtsdestoweniger fühlte sich Molly eng damit verbunden und hatte Freude an der Arbeit mit Elisabeth.
Ganz anders verhielt es sich leider mit Emilia White. Das Verhältnis zwischen ihnen wurde einfach nicht besser. Wo sie konnte, rebellierte Emilia und versuchte, Mollys Weisungen zu umgehen. Offenbar war ihr Zorn unüberwindbar, die Position der stellvertretenden Chefredakteurin nicht erhalten zu haben. Dass Franklin sie nie ins Kalkül gezogen hatte, stand auf einem anderen Blatt Papier. Seinen Standpunkt dazu hatte er klar definiert: Legte Emilia sich weiter quer, musste sie die Redaktion verlassen. Die endgültige Entscheidung und zugleich Bürde hatte er Molly auferlegt. Seines Erachtens gehörte auch das zu ihrem Lernprozess.
In diesem Moment hob Elisabeth den Kopf und fing Mollys Blick auf. Sofort schnellte sie hoch, lief zu Molly und ließ sich in den Stuhl vor dem Schreibtisch fallen. »Du musst mir bitte, bitte aus der Patsche helfen. Ich bin am Verzweifeln.«
»Was ist denn los?«
»Ich suche nach dem nächsten VIP und befinde mich in der Klemme. Es ist furchtbar, wenn man die Qual der Wahl hat. Ganz oben auf meiner Liste stehen Pamela, Franklin, Laurie und Tom – ihre Sycamore Tavern ist eine Institution –, Thomas Livingston mit seiner Ahornsirup-Fabrik, unser Doctor Levi Strauss, der Reverend … Friedrich Mayer als größter Bauunternehmer muss selbstverständlich auch an die Reihe kommen. Ihn würde ich mit Nat als seinen Partner zusammenspannen. Sag mir ehrlich, wen du nehmen würdest.« Elisabeth präsentierte eine verzagte Miene. »Das Schreiben ist mir enorm wichtig, und ich will gut sein. Normalerweise würde ich mich mit Morris austauschen, doch der Schuss ginge nach hinten los. Er würde sich unverzüglich um meinen geistigen Zustand sorgen und versuchen, mich von der Arbeit abzuhalten.«
Molly konnte nachempfinden, wie sich Elisabeth fühlte. Artikel zu verfassen, war ein durchaus emotionaler Prozess, der einen besonders in der Anfangsphase unter Druck zu setzen vermochte. Außerdem war Elisabeths Enthusiasmus leicht mit dem Aufwallen ihrer Krankheit zu verwechseln. Molly schob die Unterlippe vor. »Probieren wir es mit dem Ausschlussverfahren. Durch deinen ersten Artikel über Tante Gynnie und mich würde ich Pamela vorerst außen vor lassen. Persönlich fände ich es zwar toll, das Maple Lake Inn ist schließlich mein Hotel, aber es stünde zu schnell erneut im Fokus. Genauso verhält es sich mit Franklin. Als Chefredakteur ist er untrennbar mit der Maple Creek News Time verbunden, die wir durch mich jedoch vorläufig genug in den Himmel gehoben haben. Dein zweiter Artikel war über die Greenwoods und ihren Laden, also würde ich jetzt keinen Unternehmer heranziehen. Somit bleiben Doctor Strauss und der Reverend. Was weißt du über sie?«
Elisabeth neigte den Kopf. »Über Levi sehr viel. Seine Familie stammt ursprünglich aus Deutschland und ist damals vor dem Holocaust geflohen. Aufgewachsen ist er in British Columbia, in der Nähe von Vancouver. Als jungen Arzt hat es ihn für einige Jahre nach Dawson verschlagen, wo er in der Medical Clinic gearbeitet hat. Seine Frau Rosalie ist dort aufgewachsen und kommt wiederum aus einer waschechten Goldgräberdynastie.«
»Ist Dawson nicht ganz oben?«, erkundigte sich Molly.
»Ja, es liegt am Polarkreis, nahe der Grenze zu Alaska. Selbst im Sommer wird es dort nur selten richtig warm, und über die Temperaturen im Winter will ich kein Wort verlieren – minus dreißig Grad sind Standard.«
»Das wäre nichts für mich. Mir ist es hier schon zu kalt.« Molly schüttelte sich. »Aber es klingt interessant. So kann Rosalie sicherlich auch einige Geschichten für den Artikel liefern.«
»Bestimmt«, antwortete Elisabeth und hob die Schultern. »Über den Reverend weiß ich im Gegensatz zu Levi und Rosalie – erstaunlicherweise – nichts, überhaupt nichts. Er ist vor etwa zehn Jahren nach Maple Creek gekommen, um die Kirchengemeinschaft zu betreuen, das war’s. Ich glaube, nicht einmal Emma Swan hat eine Ahnung. Oder sie ist nie mit einer Info herausgerückt, das ist natürlich ebenfalls möglich.«
»Wer ist Emma Swan?«, fragte Molly. Eigentlich war sie der Meinung, mittlerweile alle Einwohner Maple Creeks zumindest dem Namen nach oder vom Sehen zu kennen.
»Sie putzt die Kirche und die Wohnung des Reverends, kocht für ihn – ich würde sie als Wirtschafterin bezeichnen. Seinerzeit ist sie mit Reverend Arthur nach Maple Creek gekommen, er ist Reverend Gabriels Vorgänger. Es ist nicht verwunderlich, dass dir Emma Swan fremd ist. Zur Messe gehst du nicht, und sie führt kein Leben außerhalb der Kirche.« Elisabeth beugte sich vor. »Eine nette, allerdings seltsame Frau.«
»Der Reverend klingt fast noch reizvoller als Doctor Strauss.« Gedankenvoll griff sich Molly an die Nasenspitze und zupfte daran. »Wenn selbst du keinerlei Informationen über ihn hast, sind alle anderen erst recht ahnungslos. Der Artikel würde verschlungen werden.«
Elisabeth richtete sich auf. »Ich werde ganz einfach an beide Türen klopfen. Sollten sowohl Levi als auch der Reverend einwilligen, wird einer der beiden als übernächster berücksichtigt. Ich hoffe, ich darf weiterschreiben?«
»Die Resonanz auf deine Reihe ist großartig. Von unserer Seite hast du grünes Licht, bis …«
»… bis du in Maple Creek und Umgebung keine einzige Person mehr findest, die halbwegs bekannt ist«, vollendete Franklin Mollys Satz und trat aus seinem Büro. »Ich habe euch zugehört. Es war wirklich die beste Idee, deinen Schreibtisch direkt vor meiner Tür zu platzieren, Molly.« Er klopfte sich bestätigend auf die Schulter und grinste, kam jedoch sofort zurück zum eigentlichen Thema. »Levi hat Potenzial, und der Reverend riecht nach heißer Story. Sei bei ihm allerdings doppelt vorsichtig. Ich habe keine Lust, die Kirche zu verärgern. Na ja, Lust hätte ich auf meine alten Tage schon dazu, aber es passt nicht zur Maple Creek News Time, und dem muss ich Rechnung tragen.«
Elisabeth nickte. »Ich werde achtsam vorgehen. Glaube mir, nichts liegt mir ferner, als jemals wieder einen Menschen zu verärgern. Seit Längerem möchte ich den Reverend besuchen, mich entschuldigen und mich zugleich bei ihm bedanken. Das ist ein guter Aufhänger.«
»Wofür bedanken und warum entschuldigen?«, fragte Franklin.
»Nun, eine geraume Weile habe ich ihn ziemlich belagert. Und seinem Hinweis an Morris ist es zu verdanken, dass ich letzten Endes meine Krankheit entdeckt habe.«
»Scheint ein vernünftiger Mann zu sein, der Reverend. So mancher aus diesen Reihen hätte dir unzählige Gebete und schlimmstenfalls einen Exorzismus auferlegt«, erwiderte Franklin mit scharfer Stimme.
Mollys Kopf ruckte hoch, und irritiert sah sie ihn an. Diesen Tonfall hatte sie bei ihm noch nie gehört: eine Mischung aus Zynismus und Missfallen. Es war, als hätte er die Worte förmlich ausgespien. Molly besaß genug Menschenkenntnis, um sicher zu sein, dass sich dahinter etwas Tieferes verbarg – selbst ihr journalistisches Gespür meldete sich. Obwohl ihr die Frage, worum es sich handelte, auf der Zunge brannte, schwieg sie – und nicht nur das. Jäh hatte sie das dringende Bedürfnis, von dem Thema abzulenken.
Franklin kam ihr zuvor. Wieder völlig normal erkundigte er sich: »Wie ergeht es unserem zweiten Neuzugang? Kann sich Dorothy von den vielen Nachrichten, die sie erhält, erretten?«
Unmerklich atmete Molly auf. »Sie hat einen Riesenspaß daran, die Kummerkastentante zu spielen, und nimmt jede Mail, jeden Brief ernst. Bevor sie zurückschreibt, macht sie sich Gedanken über das jeweilige Problem und versucht, mit ihrer Antwort zu helfen. Bei ihren Büchern erhält sie zwar ebenfalls Feedback, dennoch ist dieser hautnahe Kontakt zum Leser nicht vorhanden.«
»Die Entwicklung ist überaus zufriedenstellend. Sowohl deine Artikel, Elisabeth, als auch Dorothys Beziehungsratgeberkolumne haben die Zeitung auf unterschiedlichen Ebenen deutlich belebt«, bemerkte Franklin. »Und die Zahlen sprechen für sich. Das gesamte Paket – vom neuen Design bis zur Online-Version der Maple Creek News Time – bringt die Anzeigenverkäufe und die Abos gehörig in Schwung. Interessant ist, dass die neuen Dauerleser zumeist nicht aus der unmittelbaren Umgebung stammen. Der Radius erweitert sich. Wir dürfen stolz auf uns sein.« Er tippte mit dem Zeigefinger auf seine Armbanduhr. »Es ist Freitag, drei Uhr. Als der Boss gebe ich hiermit folgende Anweisung: Packen wir zusammen und verschwinden ins Wochenende. Es ist Zeit, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen.«
»Solchen Befehlen wollen wir uns nicht entgegenstellen. Wir besprechen nur schnell fertig«, reagierte Molly prompt.
»Selbst schuld.« Franklin drehte sich um und verschwand in seinem Büro. Gleich darauf kehrte er mit seiner Aktentasche und den Wagenschlüsseln in der Hand zurück. »Ich wünsche euch ein schönes Wochenende, meine Damen.«
»Wir dir auch«, erwiderten Molly und Elisabeth wie aus einem Mund.
Molly sah Franklin nach, bis er die Redaktion verlassen hatte, dann sagte sie: »Über wen der beiden möchtest du eigentlich als Erstes schreiben?«
»Mir ist das gleich.« Elisabeth bedachte sie mit einem prüfenden Blick. »Was war das gerade? Franklin ist es nicht aufgefallen, aber ich sitze dir genau gegenüber und habe es sehr wohl bemerkt.«
Molly war sofort klar, worauf Elisabeth hinauswollte. »Ach, nichts weiter. Ich hatte das Gefühl, dass Franklin plötzlich von … Bitterkeit oder Missachtung erfüllt war, als er von der Kirche gesprochen hat. Es war nur ein Moment, und ich weiß es nicht exakt zu deuten. Hatte er früher einmal Probleme mit dem Glauben oder der Institution?«
»Du meinst im Zuge seiner Arbeit als Journalist?«
»Ja. Dein Vater war sein Lehrer und Unterstützer. Du hast gesagt, dass damals bei dir zu Hause viel über Franklins Erfolge geredet wurde.«
Elisabeth zuckte mit den Schultern. »Es ist unzählige Jahre her – ich war ein Mädchen. Das meiste habe ich nicht verstanden, um ehrlich zu sein. Besser kann ich mich an den Eindruck erinnern, den mir die Gespräche vermittelt haben: Spannung.«
»Entschuldige, Elisabeth, vergiss, dass ich überhaupt gefragt habe. Franklin hat recht. Es ist Freitagnachmittag, und wir sollten die Arbeit niederlegen. Seid ihr heute Abend in der Tavern?«
»Heute nicht. Morris kocht für uns, und danach schauen wir uns etwas im Fernsehen an.« Elisabeth stand auf und wandte sich zum Gehen. Abrupt hielt sie inne und drehte sich zu Molly um. »Ich verstehe dich. Dein Chef hat eine interessante Vergangenheit, und auch wenn du es versuchst zu unterdrücken, bist du dennoch neugierig.« Sie seufzte. »Du weißt, wie ich gewesen bin, als du nach Maple Creek gekommen bist – meine Ausforscherei hat viele Menschen vor den Kopf gestoßen und mehrfach Unstimmigkeiten mit sich gebracht. Dass dies meiner Krankheit entsprang, zählt in diesem Fall nicht. Ich möchte dir den Tipp geben, die Sache mit Franklin ruhen zu lassen. Will er dir etwas erzählen, wird er es tun.«
Molly lächelte Elisabeth dankbar an. »Das ist mir bewusst. Ich werde deinen Rat beherzigen.«
Wenngleich Elisabeths Hinweis richtig war, sinnierte Molly beim Aufräumen des Schreibtischs und sogar noch beim Verlassen der Redaktion über Franklins Bemerkung. Wie hatte er es formuliert? Mancher aus diesen Reihen hätte Elisabeth Gebete oder einen Exorzismus auferlegt. Warum kam er ausgerechnet auf Exorzismus?
Molly betrat die Tavern, hielt automatisch mitten in der Bewegung inne und taxierte die Bar. Gut zwei Drittel der Länge war von Frauen um die zwanzig bevölkert, einige wenige junge Männer hatten sich untergemischt. Ach ja, es ist Freitag, schoss es ihr durch den Kopf. Sie entdeckte Jim am äußeren Rand des Tresens und steuerte auf ihn zu.
»Das ist ein Trubel, was? Und alles wegen eines einzigen hübschen Mannsbilds. Ich werde euch Frauen nie verstehen«, begrüßte er sie und deutete auf Miles, der eben eine Flasche durch die Luft wirbelte, sie gekonnt auffing und die Flüssigkeit aus einem halben Meter Entfernung in das Glas laufen ließ.
»Ich muss mich erst daran gewöhnen, dass sich Tom für Donnerstag und Freitag eine Vertretung gesucht hat«, entgegnete Molly.
»Stört dich das veränderte Bild der Tavern an diesen Tagen?«
Molly verneinte. »Ich finde es lustig, den jungen Frauen zuzusehen, wie sie sich um Miles scharen und ihn anhimmeln. Das Treiben sorgt für gute Stimmung, und was Laurie erzählt hat, sind die Barumsätze gehörig gestiegen.«
»Am mutigsten und zugleich schlauesten sind die jungen Männer, die dabeistehen«, bemerkte Jim schmunzelnd. »Im Gegensatz zu Miles sind sie erreichbar.«
Molly hob die Hand und drehte sie hin und her. »Da bin ich mir nicht so sicher, ob die Weintraube namens Miles tatsächlich so hoch hängt. Vergangenen Donnerstag haben Nat und ich fast bis zum Schluss hier gesessen und geredet – wir hatten nicht auf die Zeit geachtet. Als es ruhiger wurde, war Miles eifrig dabei, eine der Frauen anzubaggern.«
Jim hob die Schultern. »Kannst du es ihm verübeln? Er ist jung, ungebunden und lebensfroh. Wenn selbst ich alter Esel vor nicht allzu langer Zeit mit zwei Frauen zugleich geliebäugelt habe, warum sollte er das nicht auch tun?«
Unwillkürlich musste Molly auflachen. »Jim! Du darfst doch sein Verhalten nicht mit deinem vergleichen. Ich glaube nicht, dass er sich den Kopf darüber zerbricht, was wohl der richtige Weg sei, wie er es besser machen könnte, und ob er jemanden durch seine Handlungen verletzen würde. Dein innerer Zwiespalt in Bezug auf Ann und Nora hingegen hat dich schlaflose Nächte gekostet.«
»Und mir letzten Endes eine Frau beschert, die mich hasst. Als ich Ann neulich begegnet bin, hat sie sich demonstrativ weggedreht.«
»Gegen Gefühle kommt man nicht an. Du bist ehrlich zu Ann gewesen, mehr konntest du nicht tun. Außerdem geht es um Miles und nicht um dich.«
»Sei nicht so streng mit ihm, Molly. Es ist das Privileg der Jugend, das Gehirn in manchen Momenten auszuschalten«, erwiderte Jim. »Bei dir ist das zwar nur schwer vorstellbar, aber auch du wirst deine wilden Zeiten an der Uni gehabt haben.«
»Oh, ich bin nie wild gewesen, allerdings hatte ich Dorothy an meiner Seite. Indirekt habe ich also in jeder Hinsicht viele Erfahrungen gesammelt. Ein Buch ließe sich damit füllen.«
Jim nickte versonnen. »Und sieh Dorothy heute an: Eine ebenso taffe wie erfolgreiche Frau und Schriftstellerin, deren Augen auf einen einzigen Mann gerichtet sind. Es läuft doch gut zwischen Dorothy und Jack?«
»Sie sind überglücklich und strahlen pure Harmonie aus«, antwortete Molly. »Die Missverständnisse und der daraus entstandene Riesenkrach waren ihnen eine Lehre. Nun achten sie darauf, wirklich über alles offen zu reden und ihre Gefühle auszudrücken.«
»Es ist das A und O einer Fernbeziehung. Glaube mir, Molly, ich weiß das am allerbesten.«
»Wann seht ihr euch wieder, du und Nora?«, fragte Molly und erklärte: »Ich telefoniere zwar regelmäßig mit ihr, aber Nora hält Privates und Berufliches streng getrennt. Wir unterhalten uns über meine Artikelserie bei der NY Woman und maximal über den Alltag in Maple Creek. Du wirst mit keiner Silbe erwähnt.«
Jim lächelte. »Was sich Dorothy und Jack schmerzhaft erarbeiten mussten, leben Nora und ich von der ersten Minute an. Es ist sicherlich ein Zusammenspiel unserer Charaktere und der Tatsache, dass wir rein gar nichts mehr zu verbergen haben. Dies wiederum ist ein Privileg des Alters. Wir basteln nicht verzweifelt an einer raschen Begegnung, sondern bringen in aller Ruhe die Dinge ins Laufen. Nora ist aktuell dabei, ihren beiden Stellvertreterinnen einige Kompetenzen zu übertragen, um sich zumindest gewisse Freiräume zu schaffen. Der Prozess ist langwierig, und Nora muss erst das Gefühl bekommen, dass auch ohne sie alles reibungslos funktioniert. Ich tippe auf viele Monate, bis es so weit sein wird.«
»Ella und Aria sind großartige Mitarbeiterinnen, die wie Nora alles für die NY Woman tun – Aria vielleicht sogar den Tick mehr als Ella. Als Single gibt es für sie ausschließlich die Redaktion. Ella hingegen ist verheiratet und hat eine Tochter. Sie ist zwar gut organisiert – die Großmutter wohnt nebenan und übernimmt die Kinderbetreuung –, aber dennoch hat sie ein Privatleben.« Molly wandte den Kopf in Richtung des Eingangs. »Pam ist da!«
Der schien es wie Molly zu ergehen. Sie stoppte, betrachtete die Menschentraube an der Bar und flüchtete im Laufschritt zu ihren Freunden.
»Puh, das werden ja immer mehr«, bemerkte sie, erklomm den Barhocker neben Molly und musterte weiter die Gruppe. Es folgten ein »Ah! Sehr gut« und ein »Oh! Schau einer an«, dann drehte sie sich sichtlich zufrieden Molly und Jim zu. »Entschuldigt. Ich wollte nur die Lage sondieren.«
Jim zog die Brauen hoch. »Und wozu?«
Pamela beugte sich vor. »Lilly und Timothy kommen direkt nach dem Büro gemeinsam hierher. Timothy hat uns gestanden, dass er seit geraumer Zeit in eine der Frauen verknallt ist. Ich habe nachgesehen, ob sie sich in der Gruppe befindet.«
»Er ist ein hübscher und intelligenter junger Mann. Bestimmt wird er sie im Sturm erobern. Welche ist es?«, fragte Molly.
»Die Blonde mit dem Pferdeschwanz, rotes Top, enge Jeans.«
»Die die ganze Zeit redet, lacht und gestikuliert? Das ist Thomas Livingstons Nichte, Eve. Die Tochter seines älteren Bruders Michael«, merkte Jim an.
Pamela nickte. »Da hat sich Timothy in jeder Hinsicht einiges vorgenommen.«
»Auf jeden Fall hat er mächtige Konkurrenz.« Molly wandte sich an Jim. »Sie ist die Frau, von der ich dir gerade erzählt habe.« Pamela erklärte sie: »Eve und Miles haben unlängst heftig miteinander geflirtet. Zwischen den beiden läuft sicherlich etwas.«
»Du hast doch noch jemanden entdeckt, Pam«, erkundigte sich Jim.
»Ja, Monique – die junge Frau mit den langen dunklen Haaren. Ich habe sie frisch im Hotel als Teilzeitserviererin eingestellt. Genau genommen ist sie zur Probe, und ich überlege, ob sie für den Job geeignet ist. Sie macht ihre Sache gut, ist aber sehr schüchtern – keine optimale Eigenschaft für eine Kellnerin. Seht ihr? Sie steht in der zweiten Reihe mit verschränkten Armen und schweigt, während die anderen herumalbern. Das meine ich.«
Nachdem Jim seinen berühmten prüfenden Blick auf die beiden jungen Frauen geworfen hatte, sagte er: »Wäre ich in deren Alter, gefiele mir Monique weitaus besser als Eve.«
»Stimmt. Wenn ich eingreifen könnte, wäre mir für unseren Timothy auch die nette Monique lieber als diese sichtlich überdrehte Eve.« Pamela zuckte mit den Schultern. »Timothy ist halt unser Junge, und sein Glück liegt Lilly und mir am Herzen.«
Bevor Molly etwas erwidern konnte, trat Miles zu ihnen. »Guten Abend, Molly, Pamela. Ich habe euch nicht kommen gesehen. Es tut mir leid.« Er lächelte einnehmend. »Darf ich euch zwei Tom’s Maple mixen? Die gehen auf mich, als kleine Entschuldigung.« Kurz schwieg er. »Pamela, ich würde dich gerne etwas fragen …«
»Ja, natürlich. Bitte, Miles.«
»Laurie hat mir berichtet, dass du für das Hotel jemanden suchst, der stundenweise handwerkliche Arbeiten erledigt. Ich bin nicht übel darin. Mein Vater hat mir von klein auf alles gezeigt – er ist Elektriker von Beruf, außerdem ein klassischer Heimwerker. Ich könnte das Geld gut gebrauchen.«
Pamela öffnete den Mund, benötigte jedoch eine endlos lang wirkende Sekunde, bis sie antwortete. Sie war sichtlich überrascht. »Ja, warum nicht? Besuch mich am Montag im Maple Lake Inn, dann reden wir in Ruhe. Zehn Uhr?«
Miles strahlte sie an. »Vielen Dank. Ich werde pünktlich da sein.« Er machte einige Schritte zur Seite und begann, die Tom’s Maple zu mixen.
»Was sagt man dazu?«, murmelte Jim.
»Ich bin genauso erstaunt. Wie nennt man das? Unverhofft kommt oft«, entgegnete Pamela. »Wisst ihr irgendetwas über Miles, außer dass er zwei Abende hier arbeitet, ein Frauenmagnet ist und es versteht, Flaschen showmäßig durch die Luft zu wirbeln?«
Einhellig schüttelten Molly und Jim den Kopf.