Contents

Vorwort

1 Einführung

1.1 Ausgewählte Daten aus der Geschichte der Kunststoffe

1.2 Zur Systematik der Kunststoffe, deren Strukturen sowie Eigenschaften

1.3 Materialien für die Experimente

2 Allgemeine physikalisch-chemische Eigenschaften

2.1 Dichte

2.2 Lösemittel-Beständigkeit

2.3 Wärmeleitfähigkeit

2.4 Kunststoffe im Heißluftstrom

2.5 Brennbarkeit

2.6 Saugfähigkeit spezieller Polymere

3 Experimente mit speziellen Biokunststoffen

3.1 Modifizierte Biopolymere – Pergamentpapier und Cellophan

3.2 Galalith aus Magermilch

3.3 Stärkopor und Folien aus Stärke

3.4 Polyester aus Sorbit und Citronensäure

3.5 Gummi – aus Kautschuk oder synthetisch?

3.6 Schwämme aus Viskose

4 Experimente mit vollsynthetischen Kunststoffen

4.1 Massen-Kunststoffe – Überblick und Synthesen

4.2 Verfahren der Kunststoff-Verarbeitung

4.3 Massen-Kunststoffe: PE/PP, PET, PVC und PS

4.4 Technische Kunststoffe

5 Experimente mit speziellen Kunststoff-Produkten

5.1 Superabsorber

5.2 Joghurtbecher

5.3 Tischtennisball

5.4 Basotect®-Schmutzradierer

5.5 Folien

5.6 PET-Flaschen

5.7 Kunststoffkorken und andere Flaschenverschlüsse

5.8 Phenolharze: Proben aus dem Bakelit-Museum Kierspe

5.9 Plastik-Geschirr für das Picknick

5.10 SAN: Messbecher für die Küche

5.11 Die CD und ihre Hülle

5.12 Perlmutt-Imitate für Knöpfe und Plektren für Zupfinstrumente

5.13 Kunststoffmaterialien aus dem Baumarkt

Literatur

Index

Beachten Sie bitte auch weitere interessante Titel zu diesem Thema

Schwedt, G.

Flaschen, Fleece und Styropor

Ohne Kunststoffe geht es nicht

2013

978-3-527-33362-2

Schwedt, G.

Zuckersüße Chemie

Kohlenhydrate & Co

2010

978-3-527-32786-7

Schwedt, G.

Experimente rund ums Kochen, Braten, Backen

2010

978-3-527-32790-4

Schwedt, G.

Noch mehr Experimente mit Supermarktprodukten

Das Periodensystem als Wegweiser

2009

978-3-527-32476-7

Schwedt, G.

Experimente mit Supermarktprodukten

Eine chemische Warenkunde

2009

978-3-527-32450-7

Kreißl, F. R., Krätz, O.

Feuer und Flamme, Schall und Rauch

Schauexperimente und Chemiehistorisches

2008

978-3-527-32276-3

Autor

Prof. Dr. Georg Schwedt

Lärchenstr. 21

53117 Bonn

Vorwort

Kunststoffe bestimmen unseren Alltag: „Flaschen, Fleece und Styropor – Ohne Kunststoffe geht es nicht“ – so der Titel eines Sachbuchs vom Autor dieses Experimentierbuchs, in dem die Entdeckung, die Entwicklung und die Bedeutung der verschiedensten Kunststoffe und der daraus entstandenen Produkte als Teil sowohl der Wissenschafts- und Technikgeschichte als auch der Sozial- und Kulturgeschichte dargestellt sind.

Parallel dazu ist dieses Experimentierbuch entstanden. In ihm werden die Grundlagen der Polymerchemie und -synthese vorgestellt, aber vor allem die Eigenschaften der verschiedenen Kunststoffe bzw. Polymere – vom Naturprodukt über vollsynthetische Kunststoffe bis zu Biopolymeren und Kunststoff-Blends – durch Experimente anschaulich gemacht.

Im Vordergrund aller (einfachen) Experimente stehen folgende Eigenschaften, die auch zur Identifizierung von Kunststoffen geeignet sind: Dichte, thermisches Verhalten, Brennbarkeit, Verhalten gegenüber Lösemitteln. Aber auch spezielle Eigenschaften wie die Kristallinität von Polymeren oder die Einflüsse auf die Elastizität von Elastomeren werden in den auf einfache Weise durchführbaren Experimenten veranschaulicht. Einige Biopolymere werden sogar synthetisiert.

Für die verwendeten Materialien bzw. deren Auswahl galten zwei Regeln:

1) Alles, was nach dem Gebrauch in die Gelbe Tonne als Wertstoff gelangen würde, ist für die beschriebenen Versuche geeignet.
2) Spezielle Materialien aus den Bereichen Büro- bis Baumarkt wurden so ausgewählt, dass sie zu den „Billig-/Preiswertprodukten“ (in der Regel zwischen ein und zwei Euro) zu rechnen bzw. als solche zu erwerben sind.

Ziel der Versuche ist es, jeweils an einem exemplarischen Beispiel die wesentlichen Eigenschaften eines Kunststoffes erkennbar zu machen. Darüber hinaus sollen sie zur Untersuchung weiterer Produkte (jeweils als Produktgruppen genannt) anregen, die möglicherweise aus den gleichen Kunststoffen bestehen. Dafür sind die genannten allgemeinen Untersuchungsverfahren gut geeignet.

Ein Experiment, das sich nur an einem speziellen Produkt (Material) durch-führen lässt, regt nicht dazu an, sich weiterhin – die Palette erweiternd, die Kenntnisse vertiefend, das Interesse und die Neugier fördernd – und darüber hinausgehend mit der Chemie der Kunststoffe zu beschäftigen. Ziel und Zweck dieses Buches ist es aber, den Leser zu ermutigen, über die beschriebenen und vom Autor erprobten Experimente hinausgehend eigene Entdeckungsreisen in die Welt der Kunststoffe zu unternehmen.

Ich danke dem Unternehmen BASF, Ludwigshafen, für die Bereitstellung des „Experimentiersets Kunststoffe“ (mit CD), der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Kunst-stoff-Industrie (AKI) in Frankfurt am Main für die „Kunststoff-Probensammlung“ und den Mitarbeitern der LyondellBasell in Wesseling, die mich mit Informationen und vor allem umfangreichen Materialien zum Experimentieren (s. Abschn. 4.1) unterstützt haben, sowie Herrn Dr. Volker Hofmann als Vorsitzendem vom För-derverein des Troisdorfer Kunststoff-Museums für seine interessante Führung (s. Abschn. 1.1).

1

Einführung

1.1 Ausgewählte Daten aus der Geschichte der Kunststoffe

1530 Galalith („Kunsthorn“ aus Casein) – Benediktinerpater Wolfgang Seidel (14921562), nach einem Rezept des Schweizer Handelsherren Bartholomäus Schobinger (15001585)
1770 Radiergummi aus Naturkautschuk von Joseph Priestley (17331804) bekannt gemacht
1833 Begriff Polymerie – J. J. Berzelius (17791848)
1841 Heißvulkanisation des Kautschuks mit Schwefel Charles Goodyear (18001860)
1865 Herstellung von Celluloseacetat – Paul Schützenberger
1868 Celluloid – Gebrüder John Wesley Hyatt (1837-1920), in Amerika als Vater der „Plastikindustrie“ bezeichnet, und Isaiah Hyatt
1882 Viskose aus Cellulosexanthogenat (Kunstseide)
1904 Produktion von Casein-Kunststoff in Hamburg-Harburg
1907 Bakelit – Leo Hendrik Baekeland (18631944)
1908 Cellophan – Jacques E. Brandenberger (18721954)
1909 Cellon (Celluloseacetat) Ernst Arthur Eichengrün (18671949)
1912 Polyvinylchlorid (PVC) Fritz Klatte (18801934)
1922 Begriff Makromolekül – Hermann Staudinger (18811965)
1930 Nylon – W. H. Carothers (18961937)
1932 Plexiglas (Polymethylmethacrylat) Röhm & Haas
Hochdruckpolymerisation von Ethylen in England
1937 Polyurethan – Otto Bayer (19021982)
1938 Perlon (aus Caprolactam) Paul Schlack (18971987)
1941 Polyurethanschaum – August Hoechtlen und Walter Droste, I.G. Farben, Leverkusen
1946 Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymere (ABS) US Rubber Company
1949 Aufschäumen von Polystyrol (Styropor) Fritz Stastny (19081985)
1952 Niederdruck-Polyethylen – Karl Ziegler (18981973)
  Polycarbonat – Hermann Schnell (19161999); Makrolon/Bayer AG
1976 Polymerblend aus Polycarbonat und ABS (Acryl-Butadien-Styrol) Bayer AG
1983 Verbrauch von Kunststoffen übertrifft volumenmäßig (125 Mio m3) die Stahlproduktion

(Nach: „Zeittafel zur Geschichte der Kunststoffe“ des Deutschen Kunststoff Museums: www.deutsches-kunststoff-museum.de). Weitere Daten auch in B. Tieke, s. Literaturverzeichnis).


Exkurs
Kunststoffgeschichte im Museum für Stadt- und Industriemuseum in Troisdorf
Troisdorf liegt rechtsrheinisch zwischen Bonn und Köln. Ihren Aufschwung erlebte die heutige Stadt mit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert – 1815 mit dem Betrieb einer Alaunhütte in Spich und 1825 mit dem Bau der Friedrich-Wilhelms-Hütte (später Mannstaedt-Werke), einer Eisenhütte, an der Agger. 1887 folgte der Bau einer Zündhütchen- und Sprengkapselfabrik (Rheinisch-Westfälische Sprengstoff AG, RWS), der späteren Dynamit Nobel, und damit begann auch die Produktion von Kunststoffen.
An der Burg Wissem in Troisdorf, bekannt durch sein Kinderbuchmuseum, entstand mit dem Museum für Stadt- und Industriegeschichte – kurz MUSIT genannt – ein weiteres interessantes und nach neuesten Gesichtspunkten der Museumstechnologien und -pädagogik gestaltetes Museum. In ihm werden zahlreiche Exponate aus der Sammlung des Kunststoff-Museums Troisdorf informativ präsentiert. Auf der Webseite www.kunststoff-museum.de führen Links u. a. zu ausführlichen Informationen zur Entstehung des Museums, zur Sammlung und zur Geschichte der Kunststoffherstellung in Troisdorf, die am 4. März 1905 mit der Produktion von Celluloid begann. Die bereits genannte Vorgängerin der späteren Dynamit Nobel AG ließ zur gleichmäßigen Auslastung ihrer Anlagen zwei Zentrifugen nur für schwach nitrierte Celluloid-Kollodiumwolle laufen und stellte daraus Celluloid-Halbzeuge wie Platten, Folien und Rohre für die Produktion von Kämmen, Toilettenartikeln, Spielwaren, Puppen und später auch für technische Artikel wie Rechenschieber her. Alle diese Produkte als Anwendungsbeispiele können im MUSIT besichtigt werden.
Die Ausstellung insgesamt ist chronologisch aufgebaut. Sie beginnt um 1800 und endet mit Ideen zu einer „Stadt der Zukunft“. Sie wendet sich sowohl an Kinder und Jugendliche – mit Textinformationen, umfangreichem Bildmaterial, zahlreichen Exponaten und mit Hörstationen sowie interaktiven Stationen – als auch an Fachbesucher durch sogenannte „Vertiefungsebenen“ zu ausgewählten Ausstellungthemen wie dem Schwerpunkt Kunststoffe.
Wer dieses Museum besichtigt hat, wird der Aussage des Museumsflyers zustimmen. Sie lautet:

„Einzigartig ist dabei die umfassende Darstellung der Entwicklung der Kunststoffindustrie, die 1905 in Troisdorf ihre Geburtsstunde erlebte. Zahlreiche Neuentwicklungen gingen von hier aus in alle Welt. Aufgrund der vorhandenen umfangreichen Sammlung lässt sich die Entwicklung dieses Industriezweiges von den Anfängen bis heute nachvollziehen. Die Besucher erleben hier, welche neuen Möglichkeiten der Werkstoff »Kunststoff« im Laufe der Geschichte eröffnete und wie sehr er den heutigen Alltag bestimmt.“

An die Celluloidproduktion anschließend wurde in den Troisdorfer Laboratorien ab 1911 Celluloseacetat hergestellt und 1921 erstmalig die Spritzgussverarbeitung für Celluloseester-Kunststoffe (Cellon) industriell angewandt. 1909 erhielt Ernst Arthur Eichengrün (1867–1949; 1896–1908 bei der Bayer AG) das Patent auf Cellon (Celluloseacetat, gewonnen durch Direktacetylierung von Cellulose mittels Essigsäureanhydrid). Eichengrün gründete ein Cellon-Werk in Berlin. 1911 erwarben die Rheinisch-Westfälischen Sprengstoffwerke eine Fertigungslizenz.
Mit Trolit F auf der Basis von Nitrocellulose-Typen fertigte man hartgummiähnliche Produkte für die Elektro- und Radioindustrie, von denen in der Ausstellung auch Exponate zu sehen sind. 1924 gelangten Phenolharze unter den Namen Trolon (Phenol-Formaldehyd-Gießharz) nach Auslaufen der Baekeland-Patente als Edelkunstharz auf den Markt – als Phenolharzpressmassen und-schichtstoffe Trolitan bzw. Trolonit genannt. 1922 wurde in Troisdorf ein Trolit-Presswerk errichtet und 1924 eine Knopffabrik mit Trolit und Trolon als Kunststoffrohstoffe aufgebaut. Auch solche Exponate sind im MUSIT ausgestellt. In den 1920er Jahren waren Phenol, Formaldehyd, Melamin und Harnstoff die wichtigsten Rohstoffe für die Produktion in Troisdorf. Mit dem Auslaufen der Baekeland-Patente begann ab 1931 die Herstellung von Harnstoff-Formaldehyd-Harzen unter dem Namen Pollopas (Erfinder Dr. Pollak; s. www.kunststoff-museum.de, Sammlung, „Eine kurze Geschichte der Kunststoffe und die Rolle Troisdorfs“) sowie des Melamin-Formaldehyd-Harzes Ultrapas. Als Produkte (Harz 1938, papiergebundener dekorativer Schichtstoff ab 1954) werden u. a. Salatbestecke und Seifendosen, ein Telefon, Radiogehäuse, Lichtschalter und Steckdosen gezeigt.
Als Trolitul wurde ein Polystyrol- und als Trolit ein Acetylcellulose-Produkt bezeichnet. Unter dem Markennamen Trolitax kam ab 1935 ein Phenolharz-gebundenes Hartpapier mit und ohne Kupferfolien auf den Markt. Ab 1973 wurden Epoxidharz-gebundene Glasgewebeverbund-Materialien (EPG), ebenfalls mit und ohne Kupferfolien, produziert. Lignofol nannte man Phenolharz-imprägnierte und gehärtete Kunsthölzer (ab 1931, auch in der Ausstellung zu sehen).
Bereits 1928 gelangten die Hamburger Dynamit AG und die Troisdorfer Rheinisch-Westfälische Sprengstoff AG als Dynamit AG, Troisdorf unter das Dach der I.G. Farben. Die Firma Dynamit Nobel AG hatte im I.G. Farben-Verbund die Aufgabe, Kunststoffrohstoffe (u. a. der Firmen Bayer, BASF, Hoechst) mit geeigneten Rezepturen zur Verarbeitung mit Kunststoff-Verarbeitungsmaschinen (Kalandern, Pressen, Extrudern, Spritzgießmaschinen – s. Abschn. 4.2) weiterzuentwickeln. Damit wurde Troisdorf zum weltweiten Zentrum der Kunststoffverarbeitung.
Ab 1936 kamen erste PVC-Produkte auf den Markt: Mipolam-Bodenbeläge und Strangpressmassen für Kabelummantelungen, Astralon-Tafeln, -Platten und -Folien. In der Ausstellung werden diese Materialien u. a. als Schichtmaterialien für gravierte Schilder und Rechenschieber gezeigt. Als Polyvinylchlorid-Misch-polymerisate wurden hochtransparente und eingefärbte Astralon-Folien hergestellt. Polystyrol wurde unter dem Markennamen Trolitul zu hochtransparenten Spritzgussartikeln wie Haushaltsgeräten verarbeitet. Polyisobutylen und Polyethylen wurden unter den Namen Dynagen und Dynalen u. a. als Folien produziert. 1933 wurde eine kontinuierlich arbeitende Anlage zur Herstellung von Vulkanfiber (Verbundmaterial auf der Basis von Zellstoff ) in Betrieb genommen – ein Vulkanfiber-Koffer ist ausgestellt. Als Troporit wird ein Phenolharzschaum bezeichnet, die als Blumensteckmasse heute ebenso bekannt ist wie die Mipolam-Bodenbeläge.
Die Geschichte der Kunststoffindustrie in Troisdorf bis zum Zweiten Weltkrieg ist zusammenfassend auf der Website wie folgt dargestellt; der Text spiegelt den im Museum auf eine sehr gelungene Weise durch Exponate dargestellten Überblick über mehr als 100 Jahre wider:

„Die erste industrielle Kunststoffproduktion von Celluloid (…) ab 1905, dann die Erzeugung von Phenol-Formaldehyd-Pressmassen ab den Zwanziger Jahren (erster vollsynthetischer Duroplast-Kunststoff) und solchem mit Harnstoff und Melamin, die Herstellung von Kunststoffhalbzeugen wie Tafeln, Folien, Platten, Rohren, Stäben, Filamenten und Formteilen etc. aus diesen Materialien und die Herstellung und Verwendung voll- synthetischer Thermoplast-Kunststoff-Massen und Formteile wie Polystyrol PS, Polyvinylchlorid PVC, Polyisobutylen PIB und Polyethylen PE. Die Kunststoff-Verarbeitungstechniken wie Strangpressen (Extrudieren), Spritzgießen, Kalandrieren, Kleben, Schweißen, Umformen etc. wurden in Troisdorf erfolgreich entwickelt. Diese Entwicklung brachte der Dynamit Nobel AG den Ruf der weltführenden Kunststoffverarbeitungsfirma und der Stadt Troisdorf das Attribut der Industriestadt ein. Die Dynamit Nobel G beschäftigte in Troisdorf 1939 etwa 9000 Mitarbeiter. (…)

(Quellen: Matthias Dederichs „100 Jahre Kunststoffe aus Troisdorf“ in Troisdorfer Jahreshefte 2004 und „Hundert Jahre Dynamit Nobel AG“, Werkzeitschrift 1965, Bearbeitet Dr. Volker Hofmann, August 2007)“

Im Troisdorfer MUSIT kann der Besucher diese Entwicklungen anhand zahlreicher Exponate und anschaulicher Informationen nachvollziehen und wird je nach Alter auch einige oder viele der ausgestellten Exponate als Gebrauchsgegenstände seines Alltags – gestern und heute – wiedererkennen.

1.2 Zur Systematik der Kunststoffe, deren Strukturen sowie Eigenschaften

Als Kunststoff (in der Umgangssprache Plastik, Plaste) wird ein Feststoff, ein Polymer bezeichnet, dessen Grundkörper synthetisch oder auch halbsynthetisch aus monomeren organischen Molekülen aufgebaut ist.

Die wichtigsten Gruppen der Kunststoffe werden im Folgenden kurz charakterisiert.

Abb. 1.1 Formeln der wichtigsten thermoplastischen Kunststoffe. [Aus: B. Tieke, Makromolekulare Chemie, Tab. 2a, S. 15.]

Thermoplaste Sie sind aus langen linearen Molekülen aufgebaut und nicht oder nur wenig vernetzt. Durch Energiezufuhr in Form von Wärme werden sie weich und verformbar und schmelzen schließlich. So lassen sie sich formen und behalten nach dem Abkühlen auch die vorgegebene Form. Der Prozess ist somit reversibel – erklärbar durch die Struktur der fadenförmigen, linearen Moleküle. Die meisten heute im Alltag verwendeten Kunststoffe zählen zu den Thermoplasten: Polyethylen, Polypropylen, Polystyrol, Polyester.

Abb. 1.2 Formeln elastomerer Kunststoffe. [Aus: B. Tieke, Makromolekulare Chemie, Tab. 2b, S. 16.]

Duroplaste Sie werden in einem Härtungsprozess aus einer Schmelze (oder auch Lösung) der Ausgangskomponenten durch eine Vernetzungsreaktion gewonnen. Es handelt sich um eine irreversible Reaktion, die durch Erhitzen oder auch durch ein Oxidationsmittel bzw. den Einsatz von Katalysatoren bewirkt wird. Bei Erwärmung tritt Zersetzung ein. In diese Gruppe gehört das historische Bakelit, weiterhin auch Polyesterharze und Polyurethan. Duroplaste weisen viele Vernetzungsstellen auf.

Elastomere Das Charakteristikum von Elastomeren besteht darin, dass sie sich durch Druck oder Dehnung kurzzeitig verformen können. Nachdem die Einwirkung von Druck bzw. Dehnung beendet ist, nehmen sie ihre ursprüngliche Form relativ schnell wieder an. Zu den Elastomeren zählen alle Arten von vernetztem Kautschuk. Sie sind allgemein weitmaschig vernetzt und daher flexibel. Sie werden beim Erwärmen nicht weich und sind in vielen Lösemitteln löslich. Zu den Elastomeren zählen außer Naturkautschuk noch die halbsynthetischen Polymere Acrylnitril-Butadien, Styrol-Butadien-, Chloropren-, Butadien- und Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk. Elastomere bestehen allgemein aus weitmaschig vernetzten Molekülen.

Elastomere Das Charakteristikum von Elastomeren besteht darin, dass sie sich durch Druck oder Dehnung kurzzeitig verformen können. Nachdem die Einwirkung von Druck bzw. Dehnung beendet ist, nehmen sie ihre ursprüngliche Form relativ schnell wieder an. Zu den Elastomeren zählen alle Arten von vernetztem Kautschuk. Sie sind allgemein weitmaschig vernetzt und daher flexibel. Sie werden beim Erwärmen nicht weich und sind in vielen Lösemitteln löslich. Zu den Elastomeren zählen außer Naturkautschuk noch die halbsynthetischen Polymere Acrylnitril-Butadien-, Styrol-Butadien-, Chloropren-, Butadien- und Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk. Elastomere bestehen allgemein aus weitmaschig vernetzten Molekülen.

Thermoplastische Elastomere Zu dieser speziellen Gruppe zählen Copolymere, die aus einer „weichen“ Elastomer- und einer „harten“ thermoplastischen Komponente bestehen. Ihre Eigenschaften liegen zwischen denen der Duroplasten und Thermoplasten – Beispiele sind sogenannte Blockpolymere aus Styrol und Polyolefinen.

Die grundlegenden Eigenschaften von Kunststoffen lassen sich auf deren Strukturen zurückführen, wodurch sich folgende Einteilung ergibt:

Glasartige Kunststoffe Ihre Ketten sind geknäult oder stark vernetzt. Als Glas (übergangs)temperatur (s. auch Abschn. 5.2 mit einem praktischen Beispiel und Experiment) oder Einfriertemperatur bezeichnet man diejenige Temperatur, unterhalb derer der Kunststoff einen glasartig-harten Zustand einnimmt. Der Begriff stammt aus der Glaschemie und ist dort als die Temperatur definiert, bei der ein Glas die größte Änderung der Verformungsfähigkeit besitzt. Der sogenannte Glasübergang trennt den spröden energieelastischen Bereich (Glasbereich) von dem darüber liegenden weichen entropieelastischen (gummielastischen) Bereich. Bei Kunststoffen tritt unterhalb der Glastemperatur eine Versprödung ein, bei welcher der amorphe Teil „einfriert“. Bei der Schmelztemperatur löst sich der kristalline Teil auf. Beispiele Polyethylenterephthalat (PET): Glastemperatur 70 °C, Schmelzpunkt >250 °C; Thermoplast Polyethylen (PE), 40 bis 50 % Kristallinität, Glastemperatur – 100 °C, Schmelzpunkt 130145 °C.

Abb. 1.3 Thermogramm eines teilkristallinen Polymers vom Glasübergang bis zur Zersetzung. [Aus: B. Tieke, Makromolekulare Chemie, Abb. 3, S. 13.]

Kristallartige Kunststoffe Ihre Ketten sind sterisch regelmäßig angeordnet. Beispiel: Polymethylmethacrylat (PMMA) als glasähnlicher thermoplastischer Kunststoff (Glastemperatur ca. 105 °C).

Faserige Kunststoffe Bei ihnen sind die Ketten überwiegend parallel orientiert.

Kautschukelastische Kunststoffe Ihre Ketten knäueln sich dann spontan, wenn eine auf sie einwirkende äußere Spannung aufgehoben wird.

Abb. 1.4 Formeln faserbildender Polymere. [Aus: B. Tieke, Makromolekulare Chemie, Tab. 2c, S. 17.]

Wie bei den natürlichen Polymeren wird bei den Strukturen der Kunststoffe zwischen Primär- und Sekundärstruktur sowie der Aggregatstruktur unterschieden. Die Primärstruktur bezieht sich auf die Art und vor allem die Anordnung der Monomere in den Polymerketten. Die Primärstruktur hat einen wesentlichen Einfluss auf die makroskopischen Eigenschaften. Lineare oder verzweigte Polymerketten können Netzwerke bilden, wodurch sie sich bei gleichen Ketten in der Raumstruktur voneinander unterscheiden.

Die Sekundärstruktur wird durch die Länge, Form und Beweglichkeit der Polymerketten bestimmt. So steigt die Festigkeit eines Polymermoleküls mit seiner Länge. Damit steigt auch die Schmelzviskosität, und deshalb können bei zu langen Ketten Schwierigkeiten bei der Bearbeitung auftreten. Kunststoffketten bilden auch Knäuel, wodurch die Entropie des Moleküls einen Maximalwert erreicht. Die Knäuelgröße kann durch Messung der Lichtstreuung ermittelt werden. Die Beweglichkeit der Polymerketten als Bewegungen einzelner Segmente innerhalb der Kette wird in erster Linie durch die freie Drehbarkeit um C−C-Bindungen bestimmt, wobei Kettensubstituenten die Beweglichkeit sterisch behindern. Diese Beweglich- keit verschwindet unterhalb der Glastemperatur.

Mit dem Aggregatzustand wird schließlich die Anordnung der Polymerketten untereinander beschrieben. Im Gel wird das verfügbare Lösungsvolumen durch Polymerknäuel ausgefüllt, wodurch ein formbeständiges Riesenknäuel entsteht. Der Glaszustand wurde bereits beschrieben; ein kristalliner Zustand tritt nur bei einer räumlich regelmäßigen Anordnung der Polymerketten auf und ist in Kunststoffen nur zum Teil vorhanden. Kunststoffe weisen somit nur teilkristalline Bereiche auf (Beispiel Abschn. 5.2 beim Joghurtbecher aus Polyethylen).

Zur Charakterisierungvon Polymeren wurden bis in die 1970er Jahre vor allem Untersuchungen zur Wirkung von Lösemitteln, die Ermittlung des Molekulargewichts, die Bestimmung von Einfrier- und Erweichungstemperatur und des Schmelzbereichs, die Bestimmung der Kristallinität, der Dichte und auch die IR-Spektroskopie eingesetzt (s. in Braun et al. 1971). In dem wenige Jahre später erschienenen Buch zur „Polymeranalytik“ von Hoffmann/Krömer/Kuhn (1977) spielen bereits die physikalischen Methoden von der IR- und Raman-Spektroskopie bis zur Hochauflösungs-NMR und Photoelektronen-Spektroskopie (ESCA) – sowie die Methoden der Thermoanalyse eine entscheidende bis heute gültige Rolle. Die einfachen Methoden zur Charaktersierung der Polymere, die in diesem Buch beschrieben werden, werden vor allem zur Identifizierung im Hinblick auf mögliches Recycling eingesetzt.

1.3 Materialien für die Experimente

Für die meisten der beschriebenen Versuche, die in der Regel als Versuchsreihen konzipiert sind, eignen sich vor allem die „Wertstoffe“ („Abfälle“), die nach dem Dualen System für die Gelbe Tonne (oder den Gelben Sack) vorgesehen sind. Dazu zählen allgemein:

  • Becher von Margarine, Milchprodukten wie Joghurt etc.
  • Flaschen von Körperpflegemitteln, Spülmitteln, Waschmitteln
  • Folien wie beispielsweise Beutel, Einwickelfolien, Tragetaschen
  • Verbundverpackungen wie Saft- und Milchkartons, Vakuumverpackungen (z. B. für Kaffee)
  • Kunststofftüten von Süßwaren
  • Schaumstoffschalen

Diese Abfälle werden auch als Verkaufspackungen aus Leichtstoffen bezeichnet, die im Auftrag der „Duales System Deutschland AG“ zur Zeit (2012) durch eine Privatfirma eingesammelt werden. (Zur Kennzeichnung der Kunststoffarten s. Abschn. 5.8.)

Darüber hinaus werden Alltagsmaterialien, vom Gummiband über Nylonstrümpfe bis zu „Billigartikeln“ bzw. auch einfache (und preiswerte) Materialien („Kleinteile“) aus Baumärkten, eingesetzt.

2

Allgemeine physikalisch-chemische Eigenschaften

In der „Kunststoff-Probensammlung“der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Kunststoff-Industrie (AKI – Frankfurt am Main) sind folgende Kunststoffe enthalten; in eckigen Klammern [] sind jeweils die äußeren Merkmale und Anwendungsbeispiele – nach der Broschüre der AKI – aufgeführt: