Contents
Vorwort
1 Einführung
1.1 Ausgewählte Daten aus der Geschichte der Kunststoffe
1.2 Zur Systematik der Kunststoffe, deren Strukturen sowie Eigenschaften
1.3 Materialien für die Experimente
2 Allgemeine physikalisch-chemische Eigenschaften
2.1 Dichte
2.2 Lösemittel-Beständigkeit
2.3 Wärmeleitfähigkeit
2.4 Kunststoffe im Heißluftstrom
2.5 Brennbarkeit
2.6 Saugfähigkeit spezieller Polymere
3 Experimente mit speziellen Biokunststoffen
3.1 Modifizierte Biopolymere – Pergamentpapier und Cellophan
3.2 Galalith aus Magermilch
3.3 Stärkopor und Folien aus Stärke
3.4 Polyester aus Sorbit und Citronensäure
3.5 Gummi – aus Kautschuk oder synthetisch?
3.6 Schwämme aus Viskose
4 Experimente mit vollsynthetischen Kunststoffen
4.1 Massen-Kunststoffe – Überblick und Synthesen
4.2 Verfahren der Kunststoff-Verarbeitung
4.3 Massen-Kunststoffe: PE/PP, PET, PVC und PS
4.4 Technische Kunststoffe
5 Experimente mit speziellen Kunststoff-Produkten
5.1 Superabsorber
5.2 Joghurtbecher
5.3 Tischtennisball
5.4 Basotect®-Schmutzradierer
5.5 Folien
5.6 PET-Flaschen
5.7 Kunststoffkorken und andere Flaschenverschlüsse
5.8 Phenolharze: Proben aus dem Bakelit-Museum Kierspe
5.9 Plastik-Geschirr für das Picknick
5.10 SAN: Messbecher für die Küche
5.11 Die CD und ihre Hülle
5.12 Perlmutt-Imitate für Knöpfe und Plektren für Zupfinstrumente
5.13 Kunststoffmaterialien aus dem Baumarkt
Literatur
Index
Beachten Sie bitte auch weitere interessante Titel zu diesem Thema
Schwedt, G.
Flaschen, Fleece und Styropor
Ohne Kunststoffe geht es nicht
2013
978-3-527-33362-2
Schwedt, G.
Zuckersüße Chemie
Kohlenhydrate & Co
2010
978-3-527-32786-7
Schwedt, G.
Experimente rund ums Kochen, Braten, Backen
2010
978-3-527-32790-4
Schwedt, G.
Noch mehr Experimente mit Supermarktprodukten
Das Periodensystem als Wegweiser
2009
978-3-527-32476-7
Schwedt, G.
Experimente mit Supermarktprodukten
Eine chemische Warenkunde
2009
978-3-527-32450-7
Kreißl, F. R., Krätz, O.
Feuer und Flamme, Schall und Rauch
Schauexperimente und Chemiehistorisches
2008
978-3-527-32276-3
Autor
Prof. Dr. Georg Schwedt
Lärchenstr. 21
53117 Bonn
1. Auflage 2013
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Umschlaggestaltung Simone Benjamin,
McLeese Lake, Canada
Satz Reemers Publishing Services GmbH, Krefeld
ISBN: 978-3-527-33503-9
ePDF: 978-3-527-33573-2
epub: 978-3-527-67253-0
mobil: 978-3-527-67252-3
Kunststoffe bestimmen unseren Alltag: „Flaschen, Fleece und Styropor – Ohne Kunststoffe geht es nicht“ – so der Titel eines Sachbuchs vom Autor dieses Experimentierbuchs, in dem die Entdeckung, die Entwicklung und die Bedeutung der verschiedensten Kunststoffe und der daraus entstandenen Produkte als Teil sowohl der Wissenschafts- und Technikgeschichte als auch der Sozial- und Kulturgeschichte dargestellt sind.
Parallel dazu ist dieses Experimentierbuch entstanden. In ihm werden die Grundlagen der Polymerchemie und -synthese vorgestellt, aber vor allem die Eigenschaften der verschiedenen Kunststoffe bzw. Polymere – vom Naturprodukt über vollsynthetische Kunststoffe bis zu Biopolymeren und Kunststoff-Blends – durch Experimente anschaulich gemacht.
Im Vordergrund aller (einfachen) Experimente stehen folgende Eigenschaften, die auch zur Identifizierung von Kunststoffen geeignet sind: Dichte, thermisches Verhalten, Brennbarkeit, Verhalten gegenüber Lösemitteln. Aber auch spezielle Eigenschaften wie die Kristallinität von Polymeren oder die Einflüsse auf die Elastizität von Elastomeren werden in den auf einfache Weise durchführbaren Experimenten veranschaulicht. Einige Biopolymere werden sogar synthetisiert.
Für die verwendeten Materialien bzw. deren Auswahl galten zwei Regeln:
Ziel der Versuche ist es, jeweils an einem exemplarischen Beispiel die wesentlichen Eigenschaften eines Kunststoffes erkennbar zu machen. Darüber hinaus sollen sie zur Untersuchung weiterer Produkte (jeweils als Produktgruppen genannt) anregen, die möglicherweise aus den gleichen Kunststoffen bestehen. Dafür sind die genannten allgemeinen Untersuchungsverfahren gut geeignet.
Ein Experiment, das sich nur an einem speziellen Produkt (Material) durch-führen lässt, regt nicht dazu an, sich weiterhin – die Palette erweiternd, die Kenntnisse vertiefend, das Interesse und die Neugier fördernd – und darüber hinausgehend mit der Chemie der Kunststoffe zu beschäftigen. Ziel und Zweck dieses Buches ist es aber, den Leser zu ermutigen, über die beschriebenen und vom Autor erprobten Experimente hinausgehend eigene Entdeckungsreisen in die Welt der Kunststoffe zu unternehmen.
Ich danke dem Unternehmen BASF, Ludwigshafen, für die Bereitstellung des „Experimentiersets Kunststoffe“ (mit CD), der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Kunst-stoff-Industrie (AKI) in Frankfurt am Main für die „Kunststoff-Probensammlung“ und den Mitarbeitern der LyondellBasell in Wesseling, die mich mit Informationen und vor allem umfangreichen Materialien zum Experimentieren (s. Abschn. 4.1) unterstützt haben, sowie Herrn Dr. Volker Hofmann als Vorsitzendem vom För-derverein des Troisdorfer Kunststoff-Museums für seine interessante Führung (s. Abschn. 1.1).
1530 | Galalith („Kunsthorn“ aus Casein) – Benediktinerpater Wolfgang Seidel (1492–1562), nach einem Rezept des Schweizer Handelsherren Bartholomäus Schobinger (1500–1585) |
1770 | Radiergummi aus Naturkautschuk – von Joseph Priestley (1733–1804) bekannt gemacht |
1833 | Begriff Polymerie – J. J. Berzelius (1779–1848) |
1841 | Heißvulkanisation des Kautschuks mit Schwefel – Charles Goodyear (1800–1860) |
1865 | Herstellung von Celluloseacetat – Paul Schützenberger |
1868 | Celluloid – Gebrüder John Wesley Hyatt (1837-1920), in Amerika als Vater der „Plastikindustrie“ bezeichnet, und Isaiah Hyatt |
1882 | Viskose aus Cellulosexanthogenat (Kunstseide) |
1904 | Produktion von Casein-Kunststoff in Hamburg-Harburg |
1907 | Bakelit – Leo Hendrik Baekeland (1863–1944) |
1908 | Cellophan – Jacques E. Brandenberger (1872–1954) |
1909 | Cellon (Celluloseacetat) – Ernst Arthur Eichengrün (1867–1949) |
1912 | Polyvinylchlorid (PVC) – Fritz Klatte (1880–1934) |
1922 | Begriff Makromolekül – Hermann Staudinger (1881–1965) |
1930 | Nylon – W. H. Carothers (1896–1937) |
1932 | Plexiglas (Polymethylmethacrylat) – Röhm & Haas |
Hochdruckpolymerisation von Ethylen in England | |
1937 | Polyurethan – Otto Bayer (1902–1982) |
1938 | Perlon (aus Caprolactam) – Paul Schlack (1897–1987) |
1941 | Polyurethanschaum – August Hoechtlen und Walter Droste, I.G. Farben, Leverkusen |
1946 | Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymere (ABS) – US Rubber Company |
1949 | Aufschäumen von Polystyrol (Styropor) – Fritz Stastny (1908–1985) |
1952 | Niederdruck-Polyethylen – Karl Ziegler (1898–1973) |
Polycarbonat – Hermann Schnell (1916–1999); Makrolon/Bayer AG | |
1976 | Polymerblend aus Polycarbonat und ABS (Acryl-Butadien-Styrol) – Bayer AG |
1983 | Verbrauch von Kunststoffen übertrifft volumenmäßig (125 Mio m3) die Stahlproduktion |
(Nach: „Zeittafel zur Geschichte der Kunststoffe“ des Deutschen Kunststoff Museums: www.deutsches-kunststoff-museum.de). Weitere Daten auch in B. Tieke, s. Literaturverzeichnis).
„Einzigartig ist dabei die umfassende Darstellung der Entwicklung der Kunststoffindustrie, die 1905 in Troisdorf ihre Geburtsstunde erlebte. Zahlreiche Neuentwicklungen gingen von hier aus in alle Welt. Aufgrund der vorhandenen umfangreichen Sammlung lässt sich die Entwicklung dieses Industriezweiges von den Anfängen bis heute nachvollziehen. Die Besucher erleben hier, welche neuen Möglichkeiten der Werkstoff »Kunststoff« im Laufe der Geschichte eröffnete und wie sehr er den heutigen Alltag bestimmt.“
„Die erste industrielle Kunststoffproduktion von Celluloid (…) ab 1905, dann die Erzeugung von Phenol-Formaldehyd-Pressmassen ab den Zwanziger Jahren (erster vollsynthetischer Duroplast-Kunststoff) und solchem mit Harnstoff und Melamin, die Herstellung von Kunststoffhalbzeugen wie Tafeln, Folien, Platten, Rohren, Stäben, Filamenten und Formteilen etc. aus diesen Materialien und die Herstellung und Verwendung voll- synthetischer Thermoplast-Kunststoff-Massen und Formteile wie Polystyrol PS, Polyvinylchlorid PVC, Polyisobutylen PIB und Polyethylen PE. Die Kunststoff-Verarbeitungstechniken wie Strangpressen (Extrudieren), Spritzgießen, Kalandrieren, Kleben, Schweißen, Umformen etc. wurden in Troisdorf erfolgreich entwickelt. Diese Entwicklung brachte der Dynamit Nobel AG den Ruf der weltführenden Kunststoffverarbeitungsfirma und der Stadt Troisdorf das Attribut der Industriestadt ein. Die Dynamit Nobel G beschäftigte in Troisdorf 1939 etwa 9000 Mitarbeiter. (…)
(Quellen: Matthias Dederichs „100 Jahre Kunststoffe aus Troisdorf“ in Troisdorfer Jahreshefte 2004 und „Hundert Jahre Dynamit Nobel AG“, Werkzeitschrift 1965, Bearbeitet Dr. Volker Hofmann, August 2007)“
Als Kunststoff (in der Umgangssprache Plastik, Plaste) wird ein Feststoff, ein Polymer bezeichnet, dessen Grundkörper synthetisch oder auch halbsynthetisch aus monomeren organischen Molekülen aufgebaut ist.
Die wichtigsten Gruppen der Kunststoffe werden im Folgenden kurz charakterisiert.
Abb. 1.1 Formeln der wichtigsten thermoplastischen Kunststoffe. [Aus: B. Tieke, Makromolekulare Chemie, Tab. 2a, S. 15.]
Thermoplaste Sie sind aus langen linearen Molekülen aufgebaut und nicht oder nur wenig vernetzt. Durch Energiezufuhr in Form von Wärme werden sie weich und verformbar und schmelzen schließlich. So lassen sie sich formen und behalten nach dem Abkühlen auch die vorgegebene Form. Der Prozess ist somit reversibel – erklärbar durch die Struktur der fadenförmigen, linearen Moleküle. Die meisten heute im Alltag verwendeten Kunststoffe zählen zu den Thermoplasten: Polyethylen, Polypropylen, Polystyrol, Polyester.
Abb. 1.2 Formeln elastomerer Kunststoffe. [Aus: B. Tieke, Makromolekulare Chemie, Tab. 2b, S. 16.]
Duroplaste Sie werden in einem Härtungsprozess aus einer Schmelze (oder auch Lösung) der Ausgangskomponenten durch eine Vernetzungsreaktion gewonnen. Es handelt sich um eine irreversible Reaktion, die durch Erhitzen oder auch durch ein Oxidationsmittel bzw. den Einsatz von Katalysatoren bewirkt wird. Bei Erwärmung tritt Zersetzung ein. In diese Gruppe gehört das historische Bakelit, weiterhin auch Polyesterharze und Polyurethan. Duroplaste weisen viele Vernetzungsstellen auf.
Elastomere Das Charakteristikum von Elastomeren besteht darin, dass sie sich durch Druck oder Dehnung kurzzeitig verformen können. Nachdem die Einwirkung von Druck bzw. Dehnung beendet ist, nehmen sie ihre ursprüngliche Form relativ schnell wieder an. Zu den Elastomeren zählen alle Arten von vernetztem Kautschuk. Sie sind allgemein weitmaschig vernetzt und daher flexibel. Sie werden beim Erwärmen nicht weich und sind in vielen Lösemitteln löslich. Zu den Elastomeren zählen außer Naturkautschuk noch die halbsynthetischen Polymere Acrylnitril-Butadien, Styrol-Butadien-, Chloropren-, Butadien- und Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk. Elastomere bestehen allgemein aus weitmaschig vernetzten Molekülen.
Elastomere Das Charakteristikum von Elastomeren besteht darin, dass sie sich durch Druck oder Dehnung kurzzeitig verformen können. Nachdem die Einwirkung von Druck bzw. Dehnung beendet ist, nehmen sie ihre ursprüngliche Form relativ schnell wieder an. Zu den Elastomeren zählen alle Arten von vernetztem Kautschuk. Sie sind allgemein weitmaschig vernetzt und daher flexibel. Sie werden beim Erwärmen nicht weich und sind in vielen Lösemitteln löslich. Zu den Elastomeren zählen außer Naturkautschuk noch die halbsynthetischen Polymere Acrylnitril-Butadien-, Styrol-Butadien-, Chloropren-, Butadien- und Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk. Elastomere bestehen allgemein aus weitmaschig vernetzten Molekülen.
Thermoplastische Elastomere Zu dieser speziellen Gruppe zählen Copolymere, die aus einer „weichen“ Elastomer- und einer „harten“ thermoplastischen Komponente bestehen. Ihre Eigenschaften liegen zwischen denen der Duroplasten und Thermoplasten – Beispiele sind sogenannte Blockpolymere aus Styrol und Polyolefinen.
Die grundlegenden Eigenschaften von Kunststoffen lassen sich auf deren Strukturen zurückführen, wodurch sich folgende Einteilung ergibt:
Glasartige Kunststoffe Ihre Ketten sind geknäult oder stark vernetzt. Als Glas (übergangs)temperatur (s. auch Abschn. 5.2 mit einem praktischen Beispiel und Experiment) oder Einfriertemperatur bezeichnet man diejenige Temperatur, unterhalb derer der Kunststoff einen glasartig-harten Zustand einnimmt. Der Begriff stammt aus der Glaschemie und ist dort als die Temperatur definiert, bei der ein Glas die größte Änderung der Verformungsfähigkeit besitzt. Der sogenannte Glasübergang trennt den spröden energieelastischen Bereich (Glasbereich) von dem darüber liegenden weichen entropieelastischen (gummielastischen) Bereich. Bei Kunststoffen tritt unterhalb der Glastemperatur eine Versprödung ein, bei welcher der amorphe Teil „einfriert“. Bei der Schmelztemperatur löst sich der kristalline Teil auf. Beispiele – Polyethylenterephthalat (PET): Glastemperatur 70 °C, Schmelzpunkt >250 °C; Thermoplast Polyethylen (PE), 40 bis 50 % Kristallinität, Glastemperatur – 100 °C, Schmelzpunkt 130–145 °C.
Abb. 1.3 Thermogramm eines teilkristallinen Polymers vom Glasübergang bis zur Zersetzung. [Aus: B. Tieke, Makromolekulare Chemie, Abb. 3, S. 13.]
Kristallartige Kunststoffe Ihre Ketten sind sterisch regelmäßig angeordnet. Beispiel: Polymethylmethacrylat (PMMA) als glasähnlicher thermoplastischer Kunststoff (Glastemperatur ca. 105 °C).
Faserige Kunststoffe Bei ihnen sind die Ketten überwiegend parallel orientiert.
Kautschukelastische Kunststoffe Ihre Ketten knäueln sich dann spontan, wenn eine auf sie einwirkende äußere Spannung aufgehoben wird.
Abb. 1.4 Formeln faserbildender Polymere. [Aus: B. Tieke, Makromolekulare Chemie, Tab. 2c, S. 17.]
Wie bei den natürlichen Polymeren wird bei den Strukturen der Kunststoffe zwischen Primär- und Sekundärstruktur sowie der Aggregatstruktur unterschieden. Die Primärstruktur bezieht sich auf die Art und vor allem die Anordnung der Monomere in den Polymerketten. Die Primärstruktur hat einen wesentlichen Einfluss auf die makroskopischen Eigenschaften. Lineare oder verzweigte Polymerketten können Netzwerke bilden, wodurch sie sich bei gleichen Ketten in der Raumstruktur voneinander unterscheiden.
Die Sekundärstruktur wird durch die Länge, Form und Beweglichkeit der Polymerketten bestimmt. So steigt die Festigkeit eines Polymermoleküls mit seiner Länge. Damit steigt auch die Schmelzviskosität, und deshalb können bei zu langen Ketten Schwierigkeiten bei der Bearbeitung auftreten. Kunststoffketten bilden auch Knäuel, wodurch die Entropie des Moleküls einen Maximalwert erreicht. Die Knäuelgröße kann durch Messung der Lichtstreuung ermittelt werden. Die Beweglichkeit der Polymerketten als Bewegungen einzelner Segmente innerhalb der Kette wird in erster Linie durch die freie Drehbarkeit um C−C-Bindungen bestimmt, wobei Kettensubstituenten die Beweglichkeit sterisch behindern. Diese Beweglich- keit verschwindet unterhalb der Glastemperatur.
Mit dem Aggregatzustand wird schließlich die Anordnung der Polymerketten untereinander beschrieben. Im Gel wird das verfügbare Lösungsvolumen durch Polymerknäuel ausgefüllt, wodurch ein formbeständiges Riesenknäuel entsteht. Der Glaszustand wurde bereits beschrieben; ein kristalliner Zustand tritt nur bei einer räumlich regelmäßigen Anordnung der Polymerketten auf und ist in Kunststoffen nur zum Teil vorhanden. Kunststoffe weisen somit nur teilkristalline Bereiche auf (Beispiel Abschn. 5.2 beim Joghurtbecher aus Polyethylen).
Zur Charakterisierungvon Polymeren wurden bis in die 1970er Jahre vor allem Untersuchungen zur Wirkung von Lösemitteln, die Ermittlung des Molekulargewichts, die Bestimmung von Einfrier- und Erweichungstemperatur und des Schmelzbereichs, die Bestimmung der Kristallinität, der Dichte und auch die IR-Spektroskopie eingesetzt (s. in Braun et al. 1971). In dem wenige Jahre später erschienenen Buch zur „Polymeranalytik“ von Hoffmann/Krömer/Kuhn (1977) spielen bereits die physikalischen Methoden – von der IR- und Raman-Spektroskopie bis zur Hochauflösungs-NMR und Photoelektronen-Spektroskopie (ESCA) – sowie die Methoden der Thermoanalyse eine entscheidende bis heute gültige Rolle. Die einfachen Methoden zur Charaktersierung der Polymere, die in diesem Buch beschrieben werden, werden vor allem zur Identifizierung im Hinblick auf mögliches Recycling eingesetzt.
Für die meisten der beschriebenen Versuche, die in der Regel als Versuchsreihen konzipiert sind, eignen sich vor allem die „Wertstoffe“ („Abfälle“), die nach dem Dualen System für die Gelbe Tonne (oder den Gelben Sack) vorgesehen sind. Dazu zählen allgemein:
Diese Abfälle werden auch als Verkaufspackungen aus Leichtstoffen bezeichnet, die im Auftrag der „Duales System Deutschland AG“ zur Zeit (2012) durch eine Privatfirma eingesammelt werden. (Zur Kennzeichnung der Kunststoffarten s. Abschn. 5.8.)
Darüber hinaus werden Alltagsmaterialien, vom Gummiband über Nylonstrümpfe bis zu „Billigartikeln“ bzw. auch einfache (und preiswerte) Materialien („Kleinteile“) aus Baumärkten, eingesetzt.
In der „Kunststoff-Probensammlung“der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Kunststoff-Industrie (AKI – Frankfurt am Main) sind folgende Kunststoffe enthalten; in eckigen Klammern […] sind jeweils die äußeren Merkmale und Anwendungsbeispiele – nach der Broschüre der AKI – aufgeführt: