Anmerkungen

Einführung

1 Patrick Lencioni: Der Putzmann und der Manager. Ein fabelhaftes Führungsbuch. Übersetzt von Karin Krull. München: Econ 2. Aufl. 2002; Das Geheimnis. Ein Roman über die Prinzipien erfolgreicher Führung. Übersetzt von Andreas Simon. Frankfurt/New York: Campus 2001; Mein Traum-Team oder die Kunst, Menschen zu idealer Zusammenarbeit zu führen. Übersetzt von Birgit Schöbitz. Frankfurt/New York: Campus 2004; Tod durch Meeting. Eine Leadership-Fabel zur Verbesserung Ihrer Besprechungskultur. Übersetzt von Brigitte Döbert. Weinheim: Wiley-VCH 2009; Silos, Politik&Grabenkämpfe. Eine Leadership-Fabel über das Einreißen von Barrikaden zwischen Kollegen. Übersetzt von Brigitte Döbert. Weinheim: Wiley-VCH 2008; Die drei Symptome eines miserablen Jobs. Eine Fabel für Manager (und ihre Mitarbeiter). Übersetzt von Brigitte Döbert. Weinheim: Wiley-VCH 2008; Die drei Fragen des hektischen Familienlebens. Eine Leadership-Fabel über die wichtigste Organisation in unserem Leben. Übersetzt von Brigitte Döbert. Weinheim: Wiley-VCH 2009; Getting Naked. A Business Fable About Shedding The Three Fears That Sabotage Client Loyality. New York: J. Wiley 2010

Erste Disziplin: Ein geschlossenes Führungsteam aufbauen

1 Patrick Lencioni: Das Geheimnis. Ein Roman über die Prinzipien erfolgreicher Führung. Übersetzt von Andreas Simon. Frankfurt/New York: Campus 2001; Overcoming the Five Dysfunctions of a Team. San Francisco: Jossey-Bass 2005

2 Jon Katzenbach, Douglas Smith: Teams. Der Schlüssel zur Hochleistungsorganisation. Übersetzt von Annemarie Pumpernig und Stefan Gebauer. Frankfurt: Redline 2003

3 Chris Agyris, Donald Schön: Die lernende Organisation. Grundlagen, Methoden, Praxis. Übersetzt von Wolfgang Rhiel. Stuttgart: Schäffer-Poeschel 2008

4 E. E. Jones, V. A. Harris: „The Attribution of Attitudes“, in: Journal of Experimental Social Psychology, 3/1967, S. 1-24; L. Ross: „The Intuitive Psychologist and His Shortcomings. Distortions in the Attribution Process“, in: L. Berkowitz (Hrsg.): Advances in Experimental Social Psychology. Orlando: Academic Press 1977

Zweite Disziplin: Klarheit schaffen

1 Jim Collins, Jerry Porras: Immer erfolgreich. Die Strategien der Top-Unternehmen. Übersetzt von Thorsten Schmidt und Fritz Böhler. München: dtv 2005

2 Patrick Lencioni: „Make Your Values Mean Something“, in: Harvard Business Review, Juli 2002

3 Michael Porter: Wettbewerbsstrategie. Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten. Übersetzt von Volker Brandt und Thomas Car Schwoerer. Frankfurt/New York: Campus 12., aktualisierte und erweiterte Auflage 2013

4 ders.: „What is Strategy?“, in: Harvard Business Review 1996

5 Patrick Lencioni: Silos, Politik&Grabenkämpfe. Eine Leadership-Fabel über
das Einreißen von Barrikaden zwischen Kollegen.
Übersetzt von Brigitte Döbert. Weinheim: Wiley-VCH 2008

Die überragende Bedeutung von Meetings

1 Patrick Lencioni: Tod durch Meeting. Eine Leadership-Fabel zur Verbesserung Ihrer Besprechungskultur. Übersetzt von Brigitte Döbert. Weinheim: Wiley-VCH 2009

Der Autor

Patrick Lencioni ist Gründer und Geschäftsführer von The Table Group, die seit 1997 Führungskräfte bei der Gesundung ihrer Organisationen unterstützt. Seine Grundsätze wurden von Führungskräften rund um den Globus und von Organisationen aller Art, darunter multinationale Konzerne, inhabergeführte Unternehmen, Sportklubs, Militär, gemeinnützige Organisationen, Schulen und Kirchen übernommen.

Patrick Lencioni hat neun Managementratgeber veröffentlicht, die in insgesamt über 3 Millionen Exemplaren weltweit verkauft wurden. Darüber hinaus schrieb er Beiträge im Wall Street Journal, Harvard Business Review, Fortune, Bloomberg Businessweek und USA Today.

Vor der Gründung seiner eigenen Consultingfirma war er im Vorstand von Sybase Inc. Er begann seine berufliche Laufbahn bei Bain & Company und arbeitete im Anschluss daran bei Oracle Corporation.

Patrick Lencioni lebt mit seiner Frau und vier Söhnen in der San Francisco Bay Area. Mehr erfahren Sie über ihn und The Table Group unter www.tablegroup.com.

Die Bedeutung gesunder Unternehmen

Vitalität ist der größte Wettbewerbsvorteil für jedes Unternehmen. Der Weg dahin ist leicht, kostet nichts und steht allen offen, und trotzdem ignorieren ihn die meisten Führungskräfte.

Auf dieser Prämisse beruht das Buch – übrigens auch meine Karriere – und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass sie zutrifft. Die absurde Formulierung ist Absicht: Wie kann es sein, dass intelligente Wesen etwas links liegen lassen, was ihnen so einfach so viel weiter helfen würde?

Die Antwort bekam ich am 28. Juli 2010.

In aller Bescheidenheit

Im Rahmen meiner Beratungstätigkeit saß ich während einer Vorstandssitzung direkt neben dem Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens. Nicht irgendeines Unternehmens: Es war – und ist – eine der für meine Begriffe vitalsten Organisationen überhaupt, einer der in den zurückliegenden fünfzig Jahren erfolgreichsten US-Riesen. Die Branche leidet unter schwindenden Margen, wild gewordenen Kunden und Arbeitskämpfen, und trotzdem blickt dieses Unternehmen auf eine lange Wachstumsphase und wirtschaftliche Höhenflüge zurück, ganz zu schweigen von Kunden, die ihm wie Fans die Treue halten. Die Mitarbeiter mögen ihren Arbeitgeber, ihre Vorgesetzten und die Kunden. Vergleicht man die Kennziffern mit denen der Konkurrenten, verschlägt einem der Erfolg beinah die Sprache.

Ich saß also neben dem Vorstandsvorsitzenden und lauschte einer Präsentation nach der anderen und verfolgte, welch bemerkenswert ausgefallenen Maßnahmen das Unternehmen so solide machen. Irgendwann raunte ich meinem Nachbarn die halb rhetorisch gemeinte Frage ins Ohr: »Warum zum Kuckuck macht keiner Ihrer Wettbewerber vergleichbare Sachen?«

Er überlegte und wisperte dann fast traurig: »Ehrlich gesagt nehme ich an, sie halten es für unter ihrer Würde.«

Genau das war es.

Drei Vorurteile

Organisatorische Gesundheit (eine Definition folgt in Kürze) bleibt trotz ihrer unbestreitbaren Vorteile häufig ungenutzt, weil sich die Verantwortlichen für zu gut ausgebildet, zu beschäftigt oder zu analytisch halten. Anders gesagt: Sie finden, es liegt unter ihrer Würde.

Man kann es verstehen. Jahrelang waren externe Schulungen mit Kletterparcours oder vertrauensbildenden Maßnahmen in Mode, mit dem Erfolg, dass Führungskräfte um alles, was nach Gefühlsduselei riecht, einen großen Bogen schlagen. In Verbindung mit der Tatsache, dass Unternehmenskultur vielerorts auf Oberflächenphänomene wie schicke Büromöbel, Yogaangebote für die Belegschaft und die Duldung von Hunden am Arbeitsplatz reduziert wurde, muss man sich über zynische, ja herablassende Reaktionen auf den Bereich Organisationsentwicklung nicht wundern.

Aber »Vitalität einer Organisation« bzw. organisatorische Gesundheit geht in eine andere Richtung, die absolut nichts mit Gefühlsduselei zu tun hat und nicht auf Unternehmenskultur reduziert werden kann. Sie ist viel mehr als ein Gewürz oder Sößchen, mit dem man Fleisch und Kartoffeln aufpeppt, sie ist der Teller, auf dem Fleisch und Kartoffeln liegen.

Die Vitalität einer Organisation liefert den Kontext, in dem Strategie, Finanzen, Marketing, Technologie und alles andere ihren Platz finden, und deswegen ist sie der größte Einzelfaktor, der über ihr Wohl und Wehe bestimmt. Entscheidender als Talent. Wichtiger als Wissen. Mehr als Innovation.

Doch um diesen Quell sprudeln zu lassen, müssen Führungskräfte sich zurücknehmen und drei Vorurteile ablegen:

 

Wer schnell sein will, muss bremsen können.

 

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Sobald organisatorische Gesundheit richtig verstanden und im richtigen Kontext gesehen wird, wird sie alle anderen Ansätze überflügeln und als größte Chance für Verbesserungen und Wettbewerbsvorteile gefeiert werden. Bestimmt!
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Aber selbst wenn Führungskräfte die genannten Vorurteile ablegen könnten, bleibt ein Grund bestehen, warum die Bedeutung der Vitalität verkannt wird, und das ist zugleich der Grund für dieses Buch: Das Konzept wurde nie als einfache, integrierte und praxisrelevante Lehre ausgearbeitet.

Ich bin überzeugt:

Sobald organisatorische Gesundheit richtig verstanden und im richtigen Kontext gesehen wird, wird sie alle anderen Ansätze überflügeln und als größte Chance für Verbesserungen und Wettbewerbsvorteile gefeiert werden. Bestimmt!

Was ich mit organisatorischer Gesundheit eigentlich meine?

Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass Sie noch fragen.

Organisatorische Gesundheit

Im Kern hat Vitalität oder organisatorische Gesundheit mit Integrität zu tun, aber nicht im moralischen oder ethischen Sinn. Eine Organisation ist integer, d. h. gesund, wenn sie solide, konsistent und vollständig ist, also Management, Betriebsabläufe, Strategie und Unternehmenskultur sich gegenseitig ergänzen und ineinandergreifen.

Wenn Ihnen das zu schwammig ist (ich würde das so empfinden), überlegen Sie bitte Folgendes. Wenn ich das Konzept Interessenten oder Klienten vorstelle, zeige ich zunächst Kontraste zu bekannten Vorstellungen auf. Jede Organisation, die ihren Erfolg mehren will, muss über zwei Qualitäten verfügen: Sie muss smart und vital sein.

Smart versus vital

Smarte Organisationen verstehen sich auf die klassischen Disziplinen wie Strategie, Marketing, Finanzen und Technologie, also alle Bereiche, in denen es um Entscheidungen geht.

Direkt nach meinem Berufseinstieg bei der Beratungsfirma Bain & Company habe ich etliche Analyseinstrumente kennengelernt, mit denen wir Klienten zu smarteren, besseren Entscheidungen in diesen Bereichen verhalfen. Smartsein ist entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens, keine Frage, nichts in der Welt könnte das Gegenteil beweisen.

Aber es ist nur die eine Seite der Gleichung. Trotzdem beansprucht es fast die ganze Zeit, frisst die meiste Energie, und darüber gerät die andere Seite der Gleichung – Sei vital! – ins Hintertreffen.

Ein vitales Unternehmen erkennt man an bestimmten Merkmalen. In ihm herrschen klare Verhältnisse, es gibt kaum Machtkämpfe, Arbeitsmoral und Produktivität sind hoch und gerade die guten Mitarbeiter wechseln selten zu anderen Arbeitgebern.

Zwei Erfolgsbedingungen

Smart Vital
• Strategie • Kaum Machtkämpfe
• Marketing • Klare Verhältnisse
• Finanzen • Gute Arbeitsmoral
• Technologie • Hohe Produktivität
• Geringe Fluktuation

Wenn ich diese Liste an die Wand projiziere, höre ich meistens zweierlei: Nervöses, verhaltenes, fast schuldbewusstes Lachen oder Seufzer, so wie Eltern sie ausstoßen, die von einer Familie hören, deren Kinder ohne Widerrede gehorchen. In beiden Fällen steht offenbar derselbe Gedanke dahinter: »Wäre das schön!« »Stell dir nur vor!«

Zu meinem Erstaunen hat bisher mir gegenüber noch kein Unternehmensführer, nicht einmal die größten Zyniker unter ihnen, abgestritten, dass sein Unternehmen einen Schub bekäme, könnte es sich die Merkmale eines vitalen Unternehmens aneignen. Noch keiner hat das als gefühlsduselig oder windelweich diffamiert, keiner leugnet den unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem Mangel an Vitalität und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Sollte man nicht meinen, dass diese Menschen, zurück in ihrem Unternehmen, einen Großteil ihrer Zeit, Energie und Aufmerksamkeit der Vitalität ihres Unternehmens widmen würden?

Doch wie ich erfahren musste, sind selbst hoch motivierte Führungskräfte im Arbeitsalltag sehr schnell wieder auf der smarten Seite der Gleichung und schlagen sich mit Marketing-, Strategie-, Finanz- und Technologiefragen herum. Aber warum?

Mehr Licht

Sehr anschaulich finde ich, lässt sich das eigenartige Phänomen mit einer Szene aus der Sitcom I love Lucy erklären; ich habe sie als Kind gesehen, es muss also eine recht alte Folge sein.

Ricky, Lucys Ehemann, kommt von der Arbeit und findet seine Frau im Wohnzimmer auf allen Vieren krabbelnd. »Was machst du?«, fragt er, und sie antwortet: »Ich suche meine Ohrringe.«

»Hast du sie im Wohnzimmer verloren?«, fragt Ricky, und sie schüttelt den Kopf: »Nein, im Schlafzimmer, aber hier ist das Licht besser.«

Genau.

Die meisten Führungskräfte suchen gern da, wo viel Licht ist und sie sich sicher fühlen. Und die objektbezogene, zahlengesteuerte Welt der Betriebswirtschaft mit ihren Kennziffern (die smarte Seite der Gleichung) ist sicher heller als das chaotische, nicht gut prognostizierbare richtige Leben.

Bilanzen lesen, Balkendiagramme betrachten und Finanzberichte studieren sind sichere, absehbare Tätigkeiten, und die meisten Führungskräfte bevorzugen sie. Darin sind sie ausgebildet, damit fühlen sie sich wohl. In aller Regel vermeiden sie, koste es, was es wolle, persönliche Gespräche, die rasend schnell emotional und heikel werden können. Und Probleme rund um die Vitalität eines Unternehmens sind potenziell immer mit Emotionen und schwierigen Auseinandersetzungen befrachtet.

Deswegen halten sich so viele Männer und Frauen in Führungspositionen ausschließlich an die objektiven Bereiche ihres Jobs, selbst wenn sie zugeben, dass Machtkämpfe und unklare Verhältnisse das Unternehmen belasten. Aber leider bieten die smarten Disziplinen höchstens inkrementelle, kurzfristige Wettbewerbsvorteile und Verbesserungsmöglichkeiten.

Doch, doch. Die klassischen Managementfelder Finanzen, Marketing, Strategie sind trotz all des Aufhebens, das um sie gemacht wird, inkrementell und kurzfristig orientiert. Angesichts allseits verfügbarer Informationen und nanosekundenschnellem Technologietransfer war es noch nie so schwer wie heute, einen auf Wissen gegründeten Wettbewerbsvorteil zu halten. Wissen verbreitet sich einfach zu schnell. Unternehmen, ja, ganze Branchen entstehen und vergehen viel schneller als wir uns das noch vor einem Jahrzehnt hätten vorstellen können.

Starterlaubnis

Smartness, schlau sein, Grips haben – es geht nicht ohne, klar –, aber es genügt nicht. Intelligenz ist nicht mehr als eine Vorbedingung, um überhaupt mitmischen zu dürfen, der Mindeststandard, ohne den man sang- und klanglos untergehen würde. Um auch nur auf mittlere Sicht einen bedeutsamen, nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erreichen, genügt Cleverness nicht annähernd.

Ich jedenfalls habe noch bei keinem meiner Klienten unabhängig von der Branche erlebt, dass mangelnde Intelligenz das Problem gewesen wäre. Das Führungsteam muss mir erst noch begegnen, bei dem ich insgeheim denken würde, dass den Beteiligten die nötigen Kenntnisse fehlen. In meinen zwanzig Berufsjahren ist mir so einiges untergekommen, nicht jedoch, dass es am Wissen, Sachverstand und IQ gefehlt hätte. Gefehlt hat immer nur die Vitalität des Unternehmens.

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Ich bin zu hundert Prozent davon überzeugt: Erfolgreiche und mittelmäßige bis erfolglose Unternehmen unterscheiden sich nicht durch die Intelligenz der dort beschäftigten Personen, über Wohl und Wehe entscheidet allein die Vitalität der Organisation.
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Der Punkt verdient einen gewissen Nachdruck.

Seit zwanzig Jahren berate ich CEOs und andere Vorstandsmitglieder und bin inzwischen zu hundert Prozent davon überzeugt: Erfolgreiche und mittelmäßige bis erfolglose Unternehmen unterscheiden sich kaum oder gar nicht durch die Intelligenz der dort beschäftigten Personen; über Wohl und Wehe entscheidet allein die Vitalität der Organisation.

Wenn Sie sich für den Gedanken nicht erwärmen können, überlegen Sie bitte Folgendes. Ich habe, wie eben erwähnt, noch nie Vorstände getroffen, die intellektuell unterbelichtet gewesen wären, wohl aber sehr viele Teams, deren Umgang miteinander nichts Gutes für die Zukunft des Unternehmens hoffen ließ. Oje, wie oft dachte ich, für einen nachhaltigen Erfolg ist der Ton hier viel zu giftig. Und ich habe reihenweise smarte Firmen untergehen sehen, trotz ihres beachtlichen intellektuellen und strategischen Kapitals.

Noch einmal: Intelligenz ist wichtig. Sehr wichtig. Aber Vitalität ist wichtiger. Vor die Wahl gestellt, würde ich immer der Vitalität gegenüber der Intelligenz den Vorzug geben, und ich werde Ihnen sofort verraten warum.

Vitalität übertrifft Intelligenz

Ein gesundes Unternehmen wird unvermeidlich im Lauf der Zeit klüger. Denn in einer vitalen Organisation lernen die Menschen voneinander, angefangen von der Führungsetage bis hinunter zum Pförtner. Gemeinsam spüren sie Probleme auf und ziehen die richtigen Schlüsse aus Fehlern. Weder Machtkämpfe noch unklare Strukturen hindern sie daran, einen Missstand auszuräumen, und deswegen finden sie viel schneller Lösungen als es ihren dysfunktionalen Konkurrenten möglich ist. Das betrifft wie gesagt nicht nur die Führungsebene.

Umgekehrt gilt das offenbar nicht. Durch Smartness ist noch kein Unternehmen gesund geworden. Es könnte sogar sein, dass das Gegenteil zutrifft. Führungskräfte, die sich zu viel auf ihre Fachkenntnisse und Intelligenz einbilden, wollen sich keine Blöße geben und können keine Ratschläge von Kollegen annehmen. Sie reden nicht offen, nicht einmal mit Personen auf derselben Hierarchieebene, und das verzögert Lernprozesse und öffnet Intrigen und Verwirrung Tür und Tor. Damit soll Klugheit nicht verteufelt werden, im Gegenteil, man muss sich nur darüber klar werden, dass Intelligenz nicht automatisch Gesundheit nach sich zieht.

Dasselbe lässt sich in Familien beobachten. Ein gesundes Familienleben, eins, in dem die Eltern sich mit ihren Kindern beschäftigen, ihnen Zuwendung und Liebe schenken, verhilft den Familienmitgliedern im Laufe der Jahre zu einem besseren Leben, selbst wenn sie viele Vorteile entbehren, die man für Geld kaufen kann. Geht aber alles drunter und drüber und fehlt es an bedingungsloser Liebe, dann können weder Geld noch Privatlehrer noch technische Hilfsmittel etwas ausrichten: Probleme sind unausweichlich.

Der Schlüssel zu Verbesserungen und Erfolg ist weder der Zugang zu Wissen noch zu Ressourcen, so hilfreich beides sein mag. Es geht ausschließlich um ein gesundes Umfeld. So wie ein Kind aus einem gestörten, gleichgültigen Umfeld kaum eine echte Chance gegenüber einem Kind hat, das in einem fürsorglichen, liebevollen Elternhaus aufwächst, unabhängig von den finanziellen Verhältnissen der Familie, so wird auch eine dysfunktionale Organisation nicht erfolgreich sein können.

Multiplikatoreneffekte

Die Vitalität einer Organisation ist aus einem weiteren Grund der Intelligenz überlegen. Als Unternehmensberater habe ich eine Reihe von tollen, vitalen Firmen erlebt, deren Führungsspitze keineswegs an Spitzenuniversitäten studiert hatte und sich nicht für geistige Überflieger hielt. Trafen diese Unternehmen kluge Entscheidungen, die sie an die Spitze ihrer Branche katapultierten, schrieben das Journalisten und Branchenanalysten zu Unrecht ihrer Intelligenz zu. In Wirklichkeit waren diese Unternehmen nicht schlauer als ihre Wettbewerber, sie nutzten nur die vorhandenen durchschnittlichen geistigen Kapazitäten und schalteten das Störfeuer durch Grabenkämpfe, Egoismen und schlechten Umgang miteinander aus.

Umgekehrt sah ich genügend Unternehmen mit Männern und Frauen an der Spitze, die die angesehensten Universitäten mit Auszeichnung abgeschlossen hatten, wahnsinnig intelligent waren, sehr viel Erfahrung und Branchenkenntnisse mitbrachten und trotzdem scheiterten, weil sie nichts daraus machen konnten. Fast immer verleiteten sie Machtkämpfe, Fehlverhalten und Inkonsequenz zu gravierenden taktischen und strategischen Missgriffen, die im Nachhinein unglaublich dumm wirken. Außenstehende Beobachter sind von dieser offensichtlichen Borniertheit immer wieder frappiert und suchen den Fehler auf der falschen Seite, wenn sie ihn intellektuellen Defiziten zuschreiben. Der wahre Fehler liegt in einer ungesunden Organisation, die es einem intelligenten Menschen erlaubt, dumme Entscheidungen zu treffen.

Vital kann man also eine Organisation nennen, die Intelligenz vervielfacht. Je gesünder eine Struktur ist, desto eher erlaubt sie es allen Beteiligten, sich einzubringen.

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Die meisten Unternehmen nutzen nur einen Bruchteil der Intelligenz, Erfahrung und Wissensfülle, die ihnen zur Verfügung stünde. Die vitalsten Unternehmen dagegen nutzen gerade dies.
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Die meisten Unternehmen nutzen nur einen Bruchteil der zu Verfügung stehenden Intelligenz, Erfahrung und des Wissensfülle, die ihnen zur Verfügung stünde. Die vitalsten Unternehmen beziehen eben daraus ihre Vitalitätdagegen nutzen gerade dies. Und deswegen sind sie ihren Wettbewerbern so sehr überlegen.

Warum die meisten Führungskräfte in diesem Punkt versagen, habe ich bereits angesprochen. Aber ich sollte noch erläutern, warum sich die Frage, was ein gesundes Unternehmen charakterisiert, auch in Forschung und Lehre sowie den Medien bisher nicht durchgesetzt hat.

Journalisten und Wissenschaftler

Ein Teil der Antwort ist sicher die fehlende Aufregung, mit der gesunde Unternehmen ihren Weg gehen. Es ist einfach nicht sexy; es gibt keine Story, wenn eine Geschäftsführerin ihren Laden in aller Bescheidenheit mit Disziplin, gesundem Menschenverstand und Kontinuität im Griff hat. Da berichtet man lieber von einem Jungspund, der die Welt – oder sich selbst – mit einer revolutionären Erfindung in Brand stecken will. Zeitungen und Zeitschriften sind auf Auflagenhöhe und Anzeigenkunden angewiesen, insofern kann man ihnen keinen Vorwurf aus der Neigung zur Sensationspresse machen. Besonders praxisrelevant oder lehrreich sind solche Artikel aber nicht.

Außerdem schreckt die schwierige Bezifferung des Anteils von Vitalität am Unternehmenserfolg ab. Wie bereits erwähnt, ist es nahezu unmöglich, den Beitrag gesunder Unternehmensstrukturen zum Betriebsergebnis in Zahlen auszudrücken, zu viele Faktoren spielen hinein, zu viele Variablen wären zu berücksichtigen. Und wie ebenfalls bereits gesagt, heißt das nicht, dass die Effekte nicht sehr real wären, aber Journalisten und Wissenschaftler haben es nicht leicht, sie abschließend zu quantifizieren.

Und drittens wird der Einfluss der Vitalität oft übersehen, weil die Faktoren, die dazu beitragen, alles andere als neu sind. Sie sind es wirklich nicht. Seit langem werden die einzelnen Komponenten – Führungsstil, Zusammenarbeit, Kultur, Strategie, Besprechungen – in den Universitäten diskutiert. Und genau da liegt das Problem: Sie wurden immer isoliert gesehen und rein theoretisch erörtert, statt sie zu einer integrierten, praktischen Lehre zusammenzufassen.

Man neigt schnell dazu, dieses Versäumnis herunterzuspielen und als ein Beispiel von vielen lehrreichen Missständen in der modernen Wirtschaftskultur zu sehen. Doch wir haben den blinden Fleck im Auge von Lehre und Forschung sehr teuer bezahlt, das kann man gar nicht oft genug betonen.

Der Preis der Dysfunktionalität

Wer je in einem Unternehmen mit ungesundem Betriebsklima gearbeitet hat – und das dürfte praktisch jeder sein, der überhaupt je in einem Unternehmen gearbeitet hat –, kennt das Elend aus Machtkämpfen, Mobbing, Chaos und Bürokratie. Wir reißen gern Witze über solche Missstände, aber sie sind ungeheuer belastend.

Die Kosten durch ungesunde Strukturen lassen sich nicht leugnen: Ressourcen- und Zeitverschwendung, sinkende Produktivität, hohe Fluktuation, abwandernde Kunden. Viele Einnahmen gehen dem Unternehmen dadurch verloren, und es muss beachtliche Beträge aufwenden, um die Einbrüche zu überwinden.

Doch das ist das geringere Problem. Wenn Führungskräfte nicht ehrlich mit sich und anderen sind, wenn sie ihre Bedürfnisse und die ihres Verantwortungsbereichs über die Erfordernisse der Gesamtorganisation stellen, wenn sie konfus, widersprüchlich und unangemessen agieren und keine erkennbaren Prioritäten setzen, bedeutet das für die von ihnen abhängigen Menschen sehr reale Qualen. Und auch für sie selbst.

Abgesehen von den offensichtlichen Folgen für das Unternehmen, zahlt auch die Gesellschaft einen hohen Preis. Für Menschen, die in ungesunden Strukturen arbeiten, wird die Arbeit zum Frondienst. Den Erfolg des Unternehmens bringen sie nicht mit sich selbst in Verbindung, woraus eine gewisse Sinnlosigkeit und ein vermindertes Selbstwertgefühl resultieren, und das hat Auswirkungen über die Firmengrenzen hinaus, es wirkt bis in die Familien hinein und kann im Extremfall zu massiven psychischen Problemen führen, die jahrelang anhalten. Das sind vermeidbare Tragödien!

Ich erwähne das alles, damit wir die Nachteile einer ungesunden Organisation nicht unterschätzen und vor allem die Größenordnung der Chancen begreifen, die deren Veränderung zum Besseren bietet. Ein vitales Unternehmen zu schaffen, heißt nicht nur, dass ein Wettbewerbsvorteil entsteht und sich die Bilanz sehen lassen kann, auch das Leben der Beschäftigen wird sich dramatisch verbessern. Und für die Verantwortlichen, die den Prozess in Gang setzen, wird es das sinnvollste und befriedigendste Unterfangen sein, das sie je in Angriff nahmen.

Also gut, hier kommt die Frage, die es zu beantworten gilt und uns für den Rest des Buches beschäftigen wird: Was muss eine Organisation machen, um gesund zu werden? Sie muss sich in vier Disziplinen üben.

 

Die vier Disziplinen

Vitalität ist keine Frage von Gradlinigkeit, Ordnung und Sauberkeit. Es ist ein chaotischer Prozess, nicht anders als das Zusammenwachsen eines Paares oder einer Familie, bei dem mehrere Dinge gleichzeitig ablaufen müssen und der niemals abgeschlossen ist. Immerhin lässt er sich in vier Teilbereiche untergliedern.

Erste Disziplin: Geschlossenes Führungsteam aufbauen

Kein Unternehmen kann gesund sein, wenn die Menschen an seiner Spitze nicht in fünf grundlegenden Hinsichten zusammenhalten. Die Art der Organisation spielt dabei keine Rolle: vom kleinen Start-up bis zu einer Kirchengemeinde oder Schule, falsches Verhalten und mangelnder Zusammenhalt an der Spitze wirken sich unvermeidlich auf die gesamte Einheit negativ aus.

Zweite Disziplin: Klarheit schaffen

Neben dem menschlichen Zusammenhalt muss das Führungsteam intellektuell auf einer Linie sein und sich den Antworten auf sechs einfache, aber entscheidende Fragen verpflichtet fühlen. In diesen fundamentalen Punkten dürfen die Verantwortlichen kein Jota voneinander abweichen.

Dritte Disziplin: Klarheit überkommunizieren

Hat die Führungsmannschaft den nötigen Zusammenhalt erreicht und sich in den sechs Fragen auf eine Linie geeinigt, muss sie ihre Antworten klar und deutlich immer wieder mit Begeisterung an die Beschäftigen weitergeben, immer wieder (kein Druckfehler!). Wenn es um Klarheit geht, kann es kein Zuviel an Kommunikation geben.

Vierte Disziplin: Klarheit im Unternehmen verankern

Damit ein Unternehmen auch gesund bleibt, müssen die Verantwortlichen ein paar wichtige unbürokratische Mechanismen einbauen, um die Klarheit in jedem Personalprozess zu verankern. Jede Anweisung, jedes Programm, jede Maßnahme sollte so konzipiert sein, dass die Mitarbeiter das, was wirklich wichtig ist, nie aus den Augen verlieren.

Ob das Modell idiotensicher ist?

Durchaus. Wenn die Führungsmannschaft zusammensteht, wenn sie ohne Wenn und Aber auf die Antworten auf die entscheidenden Fragen eingeschworen ist, wenn sie diese Antworten wieder und wieder und wieder an die Mitarbeiter weitergibt und effiziente Prozesse installiert, die die Klarheit verankern, schafft sie ein Umfeld, das auf Erfolg programmiert ist. Garantiert.

Klar, wenn diese Führungsmannschaft eine katastrophale Fehlentscheidung trifft und sich bei Finanzen, Marketing oder Strategie einen saublöden Missgriff leistet, reitet sie das Unternehmen ins Verderben. Aber in gesunden Strukturen sind solche Fehler die Ausnahme. Denn die Mitglieder eines eingeschworenen Führungsteams müssen sich keinem Gruppendruck beugen, sie lernen aus Fehlern und weisen sich gegenseitig darauf hin, wenn etwas schief läuft, bevor die Lage außer Kontrolle gerät. Deswegen ist der Aufbau eines Führungsteams, dessen Mitglieder im Sinn des Unternehmens an einem Strang ziehen, sinnvollerweise der erste Schritt.

Welchen Vorteil hat das für Sie?

Stellen Sie sich zwei Unternehmen vor.

Das eine wird von einem Team geleitet, dessen Mitglieder offen miteinander umgehen, leidenschaftlich über Probleme diskutieren und engagiert Entscheidungen mittragen, auch wenn sie ursprünglich eine andere Auffassung vertraten. Sie sprechen ihre Kollegen an, wenn sie etwas zu kritisieren haben, und ordnen eigene Interessen dem Wohl der Gesamtorganisation unter.

Das andere wird von einem Team geleitet, dessen Mitglieder vorsichtig und unehrlich untereinander sind, sich in schwierigen Diskussionen mit ihrer Meinung zurückhalten, Zustimmung heucheln, ihre Kollegen lieber nicht auf unproduktive Verhaltensweisen ansprechen und eher eigene Interessen verfolgen als die der Gesamtorganisation.

Frage: Welchen Vorteil hätte das erste Unternehmen gegenüber dem zweiten? Wie viel Aufwand wäre für die Realisierung dieses Vorteils gerechtfertigt?