Timo Parvela
Ellas Klasse und der Wundersmoothie
Aus dem Finnischen von Elina Kritzokat
Mit Bildern von Sabine Wilharm
Carl Hanser Verlag
Inhalt
Stress ist eine ernste Sache
Was ist da drin?
Gute Medizin schmeckt nicht
Unser Lehrer malt ein Haus an die Tafel
Bare litt
Die sind unheimlich!
Der ist genau wie ich!
Was genau ist noch mal Wald
Welche Zutaten sind da drin?
Die heißen Millionenfische und sind so wenige?
Dummerweise ist er nicht so schlau wie wir
187.888
Unser Lehrer ist glücklich
Jetzt müssen wir die Wahrheit sagen!
Wir sitzen tief in der Patsche
Abrakadabra, simsalabim!
Ein echter Festtag
Tick, du bist dran!
Und dann …
Tatatataa!
Stress ist eine ernste Sache
Ich heiße Ella. Ich gehe in die zweite Klasse. Genauer gesagt, in die zweieinhalbte Klasse1. Unser Direktor findet nämlich, dass wir für die dritte nicht reif genug sind. Von sich selber sagt er, er wäre reif für die Rente. Das finden wir ziemlich albern, weil wir doch genau wissen, dass unser Direktor noch gar nicht so alt ist. Okay, er ist nicht mehr wirklich jung, aber noch lange nicht im Rentenalter. Denn Rentner wird man erst mit hundert oder so. Unser Direktor kann höchstens neunzig sein.
Meine Klasse ist supernett, und auch unser Lehrer ist richtig prima. Seit Kurzem ist er allerdings sehr besorgt: Er hat Magenprobleme.
»Das kommt garantiert vom Stress«, erklärte der Lehrer seiner Frau. Die war gerade aus dem Mutterschaftsurlaub zurück an die Schule gekommen.
»Hast du denn wirklich so viel Druck?«, fragte sie den Lehrer skeptisch.
»Ja. Das spüre ich direkt hier im Magen«, antwortete der Lehrer und legte die Hand auf den Bauch. »Immerhin habe ich einen sehr verantwortungsvollen Job. Ich bilde die Erwachsenen der Zukunft aus. Diese kleinen Kinder werden später für uns sorgen, wenn wir alt sind. Leider haben die Kinder mich vorhin allen Ernstes gefragt, ob alte Menschen auch im Winter Essen brauchen. Da steigt der Stresspegel natürlich sofort.«
»Vielleicht solltest du dich endlich mal gesünder ernähren?«, schlug die Lehrerin vor.
Wir standen auf dem Flur um die beiden herum und machten uns natürlich große Sorgen um unseren Lehrer.
»Jetzt heißt es wirklich aufpassen«, sagte Timo, der immer vollen Durchblick hatte, »denn wie heißt es so schön? Gestresste Kühe geben keine Milch.«
Wir schauten verblüfft zum Lehrer. Dieser Mensch war also nicht nur eine unerschöpfliche Quelle von Wissen, sondern auch von Milch? Unglaublich, wie vielseitig Lehrer waren. Bis auf unseren Lehrer. Denn leider konnte er ja nun vor Stress keine Milch geben.
»Was ist Stress eigentlich genau?«, überlegte Pekka und kratzte sich am Kopf.
»Das ist eine typische Erwachsenenkrankheit«, wusste Tiina, »die gibt es bei Männern und bei Frauen. Aber das kann ganz unterschiedlich sein. Babyfieber zum Beispiel haben fast nur Frauen.«
»Ach? Und ich dachte, Babyfieber wäre eine von den allerersten Kinderkrankheiten«, sagte Mika. »Die erste Grippe bei Babys eben. Sie heulen und brüllen und kriegen ein heißes, rotes Gesicht.«
»Witzig. Genau das sind doch bei Erwachsenen die typischen Anzeichen für Stress«, stellte Tiina fest.
»Vielleicht sind Babyfieber und Stress dann ein und dieselbe Sache?«, überlegte ich.
»Könnte gut sein«, meinte Tiina. »Der einzige Unterschied: Wenn Erwachsene gestresst sind, ertragen sie keine Kinder. Aber wenn Erwachsene Babyfieber haben, können sie von Kindern gar nicht genug kriegen.«
»Warum ist bei Erwachsenen nur immer alles so unlogisch und kompliziert?«, seufzte ich. »Kein Wunder, dass sie so wenig lachen.«
»Wenn ich erwachsen bin, vergeht ihnen das Lachen sowieso. Dann dresche ich ihnen voll eins in die Lachgrübchen! Falls sie die dann überhaupt noch haben. Erwachsene sind doch einfach doof«, knurrte der Rambo.
Wir nickten traurig. Erwachsene waren wirklich doof. Immer verdarben sie uns Kindern den Spaß, und das erst recht, wenn sie Stress hatten. Und unser Lehrer hatte Stress.
»Genug geredet für heute«, sagte der Lehrer, verabschiedete sich von seiner Frau und winkte uns in den Klassenraum. »Wir nehmen sofort die Ernährungspyramide durch.«
Während er nach vorn zur Tafel ging, hielt er sich leidend den Bauch.
Unser armer Lehrer.
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1 Wieso das so ist, könnt ihr in »Ella und der falsche Zauberer« nachlesen.