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1. Auflage
Deutsche Erstausgabe Mai 2017
Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Copyright: © 2017 Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Copyright: © 2015 der Originalausgabe Rob & Chelsea McFarland
Originaltitel: Save The Bees With Natural Backyard Hives
Originalverlag: Page Street Publishing Co., Salem (MA)
Umschlag: UNO Werbeagentur, München,
nach einem Entwurf von Page Street Publishing Co.
Fotografien: W.B. Fontenot & Rob McFarland
Redaktion: Carla Felgentreff
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
JT · Herstellung: CB
ISBN 978-3-641-20347-4
V001
www.goldmann-verlag.de
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EINLEITUNG –
Von den Bienen erwählt
KAPITEL 1
Das Prinzip der behandlungsfreien Bienenhaltung:
Wie es die Bienen retten kann
KAPITEL 2
Grundlagen der Bienenhaltung:
Es ist leichter, als Sie glauben!
KAPITEL 3
Honigbienen erwerben:
Das erste Volk
KAPITEL 4
Superorganismus Bienenvolk:
Die Kennenlernphase
KAPITEL 5
Erfolgreiche Bienenhaltung:
Inspektion, Umgang mit Problemen und Voraussetzungen für eine reiche Ernte
KAPITEL 6
Rettung für ein Volk in Not
KAPITEL 7
Nektar, Pollen und sonstige Bienennahrung
KAPITEL 8
Einen Stock winterfest machen
KAPITEL 9
Die Honigernte
KAPITEL 10
Bienen in der Stadt:
Tipps für kleine und große Gärten
KAPITEL 11
Die Kunst des Imkerns
DANKSAGUNG
ANHANG
STICHWORTVERZEICHNIS
ANMERKUNGEN
Von den Bienen erwählt
Es ist erstaunlich, dass ich das Summen der Bienen überhaupt hörte, als ich an jenem Frühlingstag in meinem Garten vor mich hin werkelte. Ich hatte mir an meinem Geburtstag frei genommen, denn ich musste mich im wahrsten Sinn des Wortes erden, um den auf mir lastenden Druck abzubauen. Der ständige Stress als Leiter eines Start-ups für Neue Technologien und die Intrigen machthungriger Kollegen forderten ihren Tribut. Ich hatte den Appetit verloren und über 15 Kilo abgenommen – es war, als würde ich mich in Luft auflösen. Als ich einmal morgens schnell zu einem Flug musste, sprang ich in eine Jeans, die irgendwie nicht richtig saß. Erst deutlich später, als ich zugeben mag, wurde mir klar, dass ich mich in die Hose meiner Frau Chelsea gezwängt hatte. Ich war wie vor den Kopf geschlagen! Eine Veränderung musste her, und zwar schnell. Zum Glück registrierte ich jenes Summen, und seit diesem Moment ist in unserem Leben alles anders.
Mein Garten war für mich immer der Ausgleich für beruflichen Stress und die Anforderungen des modernen Lebens. Die Arbeit mit der Erde und der Anbau eigener Nahrung belebt Körper und Geist auf eine Weise, die ich nicht richtig beschreiben kann. Es ist das perfekte Mittel gegen die »Naturdefizitstörung«. Nichts hilft so gut gegen Ängste und Sorgen wie das Betrachten und die Pflege der Pflanzen im eigenen Garten. Man staunt über die Wunder der Natur, die Gedanken nehmen ihren Lauf, und der Ärger über den Fahrer, der einen unterwegs geschnitten hat, oder den Quertreiber bei der Arbeit verfliegt.
Zuerst bemerkte ich einige Bienen, die meine Himbeeren umsummten, während ich ein Hochbeet vorbereitete. Ich dachte mir nicht viel dabei, außer dass ich mich über die kostenlose Bestäubung freute. Der Stress war noch nicht ganz von mir abgefallen, da bemerkte ich, dass das Summen über mir lauter wurde. Wie aus dem Nichts tauchten plötzlich Tausende von Honigbienen auf, die mich umschwärmten. Ich hatte keine Angst vor ihnen (vermutlich, weil sie keine Anstalten machten, mich zu stechen, obwohl ich ein leichtes Ziel bot). Da ich mich mit Bienen ein bisschen auskannte, wusste ich, was los war, und rannte ins Haus, um meine Kamera zu holen.
Ich weiß nicht, was ich rief, als ich wieder hinauseilte, aber es brachte Chelsea dazu, schnell die Tür hinter mir zu schließen. Sie war gerade erst mehrfach von einer tückischen Wespe gestochen worden. Dass ich mich nun freiwillig zwischen Tausende stachelbewehrter Insekten begab, ließ sie an meinem Verstand zweifeln. Mir hingegen gingen fast die Augen über, als ich filmte, wie der Schwarm sich an einem Ast im Nachbargarten niederließ. Bei der Beobachtung dieses faszinierenden Geschehens stiegen unzählige Fragen in mir auf.
Plötzlich jedoch durchfuhr es mich siedend heiß: Der Ast, auf dem sich der Schwarm niedergelassen hatte, befand sich direkt vor der Tür meiner Nachbarin – das konnte nicht gut gehen! Als ich mich mit ihr in Verbindung setzte, bestätigten sich meine schlimmsten Befürchtungen. Sie hatte bereits die Behörden informiert, und wenn das nicht reichte, würde sie einen Schädlingsbekämpfer rufen. Zum Glück konnte ich ihr klarmachen, dass sie nicht unmittelbar in Gefahr war, und sie überzeugen, dass ich ihr das Problem ganz kostenlos abnehmen würde.
Zufällig hatte ich mir wenige Wochen vorher auf YouTube Videos über Bienenhaltung angesehen und war dabei auf einige Beiträge von dem schrägen (schräg im Sinne von beeindruckend!) Kirk Anderson aus Los Angeles gestoßen, der online unter dem Namen »Kirkobeeo« zu finden ist. Alle anderen Videos zum Imkern waren bierernst und rein informativ gewesen, doch Kirk hatte etwas sehr Authentisches an sich. Ich saugte förmlich in mich auf, was er erzählte. Die Videos erklärten, dass Schwärme relativ friedliebend sind und dass Imker sie gerne einfangen. Dank Kirk wusste ich also, was zu tun war, als dieser Schwarm auftauchte. Ich googelte nach seinen Kontaktdaten, rief die entsprechende Hotline an und hinterließ dort eine begeisterte Nachricht. Dann wartete ich ungeduldig auf den Rückruf eines Imkers. Gemäß der Videoanleitung von Kirkobeeo bereitete ich in der Zwischenzeit schon einmal einen Karton als improvisierten Schwarmfangkasten vor. Nach einer gefühlten Ewigkeit – in Wahrheit sicher nur zwei bis drei Stunden – tauchte Maurice auf, der uns beim Umsiedeln des Schwarms beistehen wollte.
Gemeinsam sprangen wir über den Zaun in den Nachbargarten, wo wir meinen Karton unter die fußballgroße Bienenmasse an dem Ast stellten. Die Nachbarin spähte durchs Fenster und fragte, wann wir denn nun unsere Schutzanzüge anziehen würden. Dieselbe Frage kam mir zugegebenermaßen auch in den Sinn, als Maurice direkt neben Tausenden von Honigbienen diverse Zweige und Äste abschnitt. Weil er dabei aber beruhigend vor sich hin redete und ich viel zu aufgeregt war, um mich um meine Sicherheit zu sorgen, machte ich einfach alles mit. Nachdem er mit einem festen Schnitt den Ast gelöst hatte, war die ganze Geschichte vorüber. Die Schwarmtraube hielt fest zusammen, während er sie vorsichtig in den offenen Bienenkasten legte und ich den Deckel allenfalls eine Idee zu schnell schloss. Das war so spannend gewesen, dass ich sofort wusste: Mehr davon!
Chelsea und ich werden regelmäßig gefragt, wie wir zur Bienenhaltung gekommen sind. Womit hat es angefangen? Unter Bienenfreunden heißt es oft: »Man entscheidet sich nicht für die Bienen. Die Bienen entscheiden sich für dich.« Besser kann man es bei uns nicht ausdrücken!
Seit unserer Zufallsbegegnung mit jenem Schwarm sind Chelsea und ich immer tiefer in die überaus interessante, geheimnisvolle Welt der Honigbienen eingetaucht. Dieser Schwarm blinkte wie ein Köder im trüben Wasser, und wir haben prompt angebissen. Seit wir mehr über die Gefährdung der Bienen und Imker wissen, zappeln wir am Haken und haben uns intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Zunächst einmal stellten wir fest, dass wir mit unserem Erlebnis in Los Angeles keineswegs allein dastehen. In der zweitgrößten Stadt der Vereinigten Staaten existiert seit Langem eine sehr robuste Population wilder Honigbienen mit drei bis vier Völkern pro Quadratkilometer. Später erfuhren wir, dass die Bienenhaltung in der Stadt verboten ist – obwohl die Bienen ohnehin da sind. Und so kamen wir zu unserer Mission.
Dieses Buch soll Informationen über eine Alternative zur gängigen, chemielastigen Bienenhaltung bereitstellen, die in der Fachliteratur bereits ausführlich beschrieben ist. Dabei geht es keineswegs nur um die Erklärung bestimmter Vorgehensweisen und Abläufe. Wenn es doch so einfach wäre! Die Bienenzucht, auch Apikultur genannt, ist ein Kulturgut, in dem sich die kollektiven Glaubenssätze, Weisheit und Praktiken einer kundigen Bevölkerungsgruppe vereinen, und muss als solches dargestellt werden. Auch unter Imkern gibt es unterschiedliche Strömungen oder Subkulturen, deren Vorgehensweisen und Überzeugungen je nach Standort und Tradition voneinander abweichen. Dieses Wissen wird von Generation zu Generation, und natürlich auf Imkertreffen, weitergereicht. Es greift also deutlich zu kurz, bei der behandlungsfreien Bienenhaltung lediglich von »chemiefrei« zu sprechen. Eine Subkultur, Philosophie, Bewegung, Idee oder Herangehensweise lässt sich nicht lediglich durch den Verweis auf das Gegenteil definieren. Ab einem bestimmten Punkt muss man Position beziehen und Prinzipien festlegen, um eine eigene Identität und ein produktives Ziel zu finden. Dieses Buch ist mein Versuch, eine Subkultur unter den Bienenhaltern nicht als Gegenentwurf darzustellen, sondern als eine Haltungsform mit gemeinsamen Prinzipien und Grundsätzen aufzuzeigen, auf denen unser Verständnis von den Honigbienen aufbaut und weiter wachsen kann.
Mit unserem Projekt HoneyLove wollen Chelsea und ich Stadtimker aufklären und inspirieren. Je mehr Menschen das Thema Bienen und Bienenhaltung am Herzen liegt, desto besser können wir die Honigbienen für künftige Generationen bewahren. Indem wir die Menschen in den Städten dieser Welt dazu anregen, Bienen und Bienenfreunde willkommen zu heißen, tragen wir dazu bei, unser städtisches Umfeld zu schützen, wir fördern eine nachhaltige Lebensweise und die urbane Landwirtschaft. So wächst das Bewusstsein, dass man auch im Kleinen seinen Beitrag leisten kann. Der Vorteil für den Menschen liegt auf der Hand: Bienen ermöglichen es uns, Nahrung dort anzubauen, wo wir leben, und liefern obendrein köstlichen Honig. Als Gegenleistung erhalten die Bienen Zugang zu den besten verbliebenen Lebensräumen für ihre Völker. Es hat sich nämlich gezeigt, dass unsere Städte in vieler Hinsicht die sauberste und artenreichste Bienenweide darstellen. Welch ein Glück!
Als Filmemacher und Medienexperten konnten Chelsea und ich unmöglich widerstehen, unseren neu entdeckten Quell der Inspiration mit Fotos und Videos zu dokumentieren. Chelsea fing an, unsere Erfahrungen über die sozialen Medien und den YouTube-Kanal HoneyLove zu teilen. Bald darauf begann sie mit der Arbeit an unserer Website HoneyLove.org und entwickelte eine umfassende Medienkampagne, um die Menschen für die zu Unrecht verteufelten Honigbienen zu gewinnen. Ihr nächstes Ziel war die Legalisierung der Bienenhaltung in Los Angeles. Sie nahm mit Maritza Przekop Kontakt auf, einer befreundeten Stadtplanerin aus der Stadtverwaltung von Los Angeles, die einige Jahre zuvor maßgeblich an der Einführung von Wochenmärkten mit lokalen Produkten in den westlichen Gemeinden von Los Angeles beteiligt gewesen war. Dank ihrer Erfahrungen konnte sie uns bei unserem Vorhaben bestens beraten. Auf Maritzas Vorschlag hin gründeten wir eine Bürgerinitiative, um den Verantwortlichen zu zeigen, dass ihre Bürger die Bienenhaltung in der Stadt befürworteten.
Wir fingen klein an, indem wir bei uns vor Ort einen Antrag auf Legalisierung stellten. Um die Gemeinderäte zu überzeugen, legten wir eine auf sechs Monate ausgelegte Machbarkeitsstudie vor und klärten die Nachbarschaft in vielfältiger Weise über Honigbienen auf. Anhand einer ausführlichen Dokumentation zu Vorschriften in anderen Städten in den USA konnten wir überzeugend darlegen, dass die urbane Bienenhaltung das gesunde, nachhaltige Leben in der Stadt unterstützt. Dank der direkten Ansprache auf Wochenmärkten und Veranstaltungen sowie in Schulen und Bibliotheken konnten wir bald ansehnliche Unterschriftslisten für unsere Petition vorlegen. Auf diese Weise gewannen wir die anfangs sehr skeptischen Gemeinderäte von Mar Vista für unsere Sache. Daraufhin setzte sich auch unser Stadtrat Bill Rosendahl für unser Anliegen ein und setzte das Thema auf die Tagesordnung.
Die Legalisierung der Bienenhaltung wandert noch immer durch die Verwaltungsgremien – zum Zeitpunkt der Manuskriptlegung seit vier Jahren –, doch in der Zwischenzeit hat sich HoneyLove zu einer großen Imkercommunity in Los Angeles ausgeweitet, deren Onlineaktivitäten ein weltweites Echo finden. Die Berichte von Imkern auf der ganzen Welt erzeugen ein Gefühl der Verbundenheit, das zu den lohnendsten Ergebnissen unserer Arbeit gehört. Über alle Sprachgrenzen hinweg eint uns die Begeisterung für Bienen. Wir erfuhren erstaunlich viel Resonanz – wir hatten ja keine Ahnung, dass es so viele Menschen gibt, die mindestens (!) so bienenverrückt sind wie wir. Der Dokumentarfilm Bienen – Himmelsvolk in Gefahr von 2009 hatte die Öffentlichkeit bereits auf dieses Thema aufmerksam gemacht und so unserem Engagement den Boden bereitet. Der Regisseur George Langworthy zählt heute zu unseren engsten Freunden und ist ein unverzichtbares Mitglied von HoneyLove.
Der Film zeigt, dass die moderne Bienenhaltung in Schieflage geraten ist. In den Vereinigten Staaten werden Bienen in erster Linie in großem Stil als Nutztiere zur Bestäubung der Nutzpflanzen gehalten. Ihre Stöcke werden nicht nur regelmäßig auf Lastwagen von einer Farm zur anderen transportiert, sondern sie müssen auch mit den verschiedenen Pflanzenschutzmitteln für die jeweiligen Bäume und Pflanzen fertigwerden. Der Austausch von Honig gegen fruktoselastigen Maissirup (HFCS) setzt ihrer Gesundheit weiter zu, und obendrein greifen kommerzielle Imker zur Eindämmung der Varroamilbe, der Amerikanischen Faulbrut (AFB) und diverser anderer Infektionserreger inzwischen auf ein breites Arsenal an Pestiziden und Antibiotika zur Behandlung ihrer Völker zurück.
Aus unserer Sicht passte das nicht zusammen: Wie kann man einen Insektenschwarm mit Insektiziden behandeln und hoffen, dass das gut geht? Trotz unwiderlegbarer Gegenbeweise hörten wir die gleichen Argumente, mit denen auch die biologische Landwirtschaft oft als unmöglich und lächerlich abgetan wird. Darauf fielen wir nicht herein; es musste andere Methoden geben. Kirk Anderson – der schräge Typ, aus dessen YouTube-Videos ich mein Wissen über die Bienenschwärme hatte – half uns auf die richtige Spur.
»Das Problem an den hellen Köpfen ist, dass die Dumpfbacken sie manchmal für völlig durchgeknallt halten …«
– Robert Kirkman, The Walking Dead,
Staffel 7, Folge 9: Here We Remain
Als die Frage aufkam, ob wir unsere Bienen mit Pestiziden und Antibiotika behandeln sollten, lag die Antwort auf der Hand. Wir legen großen Wert auf biologisch erzeugte Nahrung und verzichten im Garten auf Pestizide, weil wir die Familie keinen potenziell schädlichen Mitteln aussetzen wollen. Warum also sollten wir so etwas unseren Bienen zumuten? Es erschien uns widersinnig, auf diese Weise womöglich den Honig zu kontaminieren, den wir essen und mit Freunden und Familie teilen wollten. Zum Glück wies uns Kirk Anderson schon frühzeitig einen anderen Weg: Traditionelles Imkern ganz ohne Chemie.
Das Prinzip der behandlungsfreien Bienenhaltung: Wie es die Bienen retten kann
Vielen Imkern erscheint es undenkbar, ja, geradezu als Tabu, Bienen nicht zu behandeln. In der Praxis beruht die Imkerei vielerorts auf der Prämisse, dass man Honigbienen ohne Chemikalien nicht gesund erhalten könne. Alternativen zur chemielastigen Bienenhaltung werden leicht skeptisch bis feindselig abgewehrt. Imker, die auf jegliche Behandlung verzichten, wurden mit Eltern gleichgesetzt, die ihren Kindern medizinische Behandlung vorenthalten.
Trotz der Widerstände in jüngerer Zeit ist die behandlungsfreie Bienenhaltung jedoch keineswegs neu, sondern knüpft vielmehr an eine lange Tradition an. Imker achten seit jeher darauf, ihre Völker und ihren Honig rein zu halten. Essentielle Öle, Ameisensäure, organische Phosphate oder andere synthetische Substanzen in den Stock einzubringen, hätte ein Großteil von ihnen im Verlauf der Geschichte für absurd gehalten. Als jedoch etwa 1987 die gefürchtete Varroamilbe Einzug hielt, gerieten die Imker zunehmend in Panik und griffen nach jedem Strohhalm, um ihre Bienen gegen den zerstörerischen Parasiten zu wappnen. Erste chemische Gefechte eskalierten rasch zu einem umfassenden Feldzug und haben sich inzwischen zu einem 30-jährigen Krieg ausgeweitet, ohne Aussicht auf Waffenstillstand in naher Zukunft. Unglücklicherweise sind die Milben inzwischen stärker geworden und bilden zunehmend Resistenzen aus. Nach drei Jahrzehnten müssen Imker heute überlegen, ob dieses Vorgehen sinnvoll war und wie es nun weitergehen soll.
Bei der behandlungsfreien Bienenhaltung geht man davon aus, dass die gängigen »Medikamente« gegen Ungeziefer, Krankheitserreger und Parasiten die Bienen umso anfälliger für genau die Probleme machen, die sie eigentlich beheben sollen. Imkern ohne Chemie beruht auf der Überzeugung, dass Eingriffe in den Stock zumindest für einen Teil der Probleme verantwortlich sind, mit denen Honigbienen heute zu kämpfen haben. Wir sollten den Bienen stattdessen ein natürlicheres, störungsfreieres Leben zugestehen. Ein Verzicht auf Chemie setzt viel Vertrauen in die Überlebenskraft und die Anpassungsfähigkeit der Bienen voraus und gesteht ihnen ausreichend Resilienz zu, mit Milben und Mikroben selber fertigzuwerden.
Ein nachhaltiger Sieg über die Milben, der das natürliche Gleichgewicht im Bienenstock nicht auf den Kopf stellt, lässt sich besser über die Grundprinzipien der behandlungsfreien Bienenhaltung erreichen: Das Volk stark halten, erstklassiges Genmaterial einsetzen und nur mit Bienen züchten, die das nötige Hygieneverhalten aufweisen, mit dem sich die Milben zurückdrängen lassen. Studien haben ergeben, dass die Bienenvölker mit der Zeit ihrerseits gegen die Milben resistent werden. Chemische Behandlungen verzögern oder verhindern den Anpassungsprozess. Bienen mit guter Hygiene riechen, ob ihre Brut mit Varroalarven infiziert ist, und entfernen diese aus dem Stock, ehe sich die Milben weiter ausbreiten können.
Das Problem bei der Behandlung von Bienen ist, dass diese Chemikalien nicht zwischen Freund und Feind unterscheiden und leider auch viele hilfreiche Organismen vernichten. Ein Bienenstock ist ein empfindliches Ökosystem, das von zahlreichen Mikroben, Bakterien, Pilzen und sonstigen Lebewesen besiedelt ist, zwischen denen im Laufe von Jahrmillionen ein delikates Gleichgewicht entstanden ist. Wenn wir dieses System mit Chemie konfrontieren, verliert es unweigerlich die Balance. Die dadurch ausgelöste Kettenreaktion verstehen wir erst ansatzweise. Die chemische Behandlung stört ein System, das seine Probleme schon viel länger selber löst, als Menschen auf diesem Planeten existieren. Der Versuch, die Evolution auszutricksen, geht mit unerwünschten Wirkungen einher, die den Evolutionsdruck weiter erhöhen.
Weder Milben noch Sporen lassen sich durch die Behandlung der Bienenvölker vollständig vernichten. Die überlebenden Schädlinge sind gegen die eingesetzten Chemikalien rasch resistent, vermehren sich und geben die genetischen Vorteile weiter, dank derer sie die bisherigen Behandlungsversuche des Imkers überlebt haben. So züchtet man nicht stärkere Bienen, sondern mit jeder Generation kräftigere, therapieresistentere Milben.
Imker bei der Inspektion des Bienenstocks.
Eier, offene und verdeckelte Brutzellen.