Zeit der Opfer, Zeit der Wunder
Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 – 24. Dezember 2009)
Unser gesamtes lieferbares Programm und viele
weitere Informationen zu unseren Büchern,
Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und
Aktivitäten findest du unter kosmos.de
© 2014, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-14762-7
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
»Wobei soll ich euch helfen?« Justus Jonas sah seine beiden Freunde Bob und Peter ungläubig an. Die drei ??? saßen ausnahmsweise mal nicht in ihrer geheimen Zentrale auf dem Schrottplatz, sondern in Peters Zimmer.
»Bei einem Aufsatz«, erklärte Bob geduldig. »Oder besser gesagt: bei zwei Aufsätzen. Du bist ja nicht in unserem Kurs, aber bei der Aufgabe geht es eben nicht ohne dich!«
»Genau«, bekräftigte Peter. »Das Thema lautet ›Mein Alltag in einer anderen Zeit‹, und wenn es um unseren Alltag geht, gehörst du nun einmal dazu.«
Bob nickte. »Uns wurden bereits Themen zugeteilt. Peter soll sich mit den Wikingern beschäftigen und bei mir soll es um eine Zukunftsvision gehen. Wir haben aber beschlossen, beide Aufsätze zusammen zu machen.«
Justus blickte nachdenklich aus dem Fenster. »Die drei ??? in einer anderen Zeit. Das könnte interessant werden.«
»Wir können gleich mit den Wikingern anfangen.« Peter räumte einen Stapel DVDs beiseite. »Ich habe mir bereits ein paar Filme angeguckt und Bob war heute früh in der Bibliothek. Das muss als Recherche reichen. Wir haben ja nicht ewig Zeit.«
»Ein ausreichendes Wissen über Skandinavien, also die Gegend, aus der die Wikinger stammten, würde uns allerdings die Arbeit erleichtern«, meinte Justus altklug. »Unser Aufsatz sollte etwa in den Jahren achthundert bis tausend nach Christus spielen. Immerhin soll die Geschichte doch authentisch werden. Keiner soll merken, dass es geschichtliche Fehler oder –«
»Es ist ein Literaturprojekt, Erster, keine Geschichtsarbeit!«, gab Peter genervt zurück. »Es soll Spaß machen. Und spannend soll’s sein, finde ich. Außerdem haben wir ja recherchiert! Sogar Bob ist zufrieden.«
»Und das will etwas heißen.« Der dritte Detektiv grinste. »Also verzichten wir auf diese albernen Helme mit Hörnern aus Zeichentrickserien für Kinder. Wir stellen auch klar, dass nur die räuberischen Seefahrer Wikinger waren, der Rest der Bevölkerung nicht. Und wir gehen darauf ein, dass man mit sechzehn damals längst kein Jugendlicher mehr war.«
»Schön«, sagte Justus. »Und in welcher Form schreiben wir? Ich-Erzähler, auktorialer Erzähler …«
»Es heißt mein Alltag«, erklärte Peter. »Also muss es auch einen Ich-Erzähler geben.«
»Na schön, das klingt einigermaßen logisch und so, als könnte es als wenigstens minimale Basis für eine korrekte Abhandlung«, der Anführer der drei ??? räusperte sich, »… also, eine recht gute Basis für eine erzählte Geschichte sein. Dann schreiben wir erst mal die Wikinger-Geschichte aus deiner Sicht, Peter. Die Zukunftsgeschichte aus Bobs Sicht kommt dann später. Habt ihr schon Ideen?«
Bob begann zu tippen:
Mein Alltag in einer anderen Zeit 1.0: Zeit der Opfer
Ein dunkler Winter lag vor uns. Die Tage wurden merklich kürzer und kälter. Ich konnte zum ersten Mal den Schnee riechen, der in der Luft lag. Bald würde er das Land unter sich bedecken. Die Wölfe würden die Wälder verlassen und sich in die Nähe der Siedlungen wagen. Die Zeit der langen Nacht stand bevor.
Ich saß am Steg und sah hinaus auf das graue Meer. Unsere Boote dümpelten träge vor sich hin. Sie hatten unser letztes Gefecht gut überstanden – ganz im Gegensatz zu unserer Mannschaft. Unser Stamm hatte sich wacker geschlagen. Trotzdem hatten wir viele Männer verloren. Ich selbst war verletzt heimgekehrt.
Im Langhaus wurden bereits die Feuer angezündet. Ich löste den Blick vom Meer. Meine Frau Kelly würde schon auf mich warten.*
* Peter: Meine Frau?! Ich les wohl nicht richtig!
Bob: Damals wurde man eben früh verheiratet.
Justus: Trotzdem kann sie nicht Kelly heißen. Das klingt nicht authentisch. So hat doch damals niemand in Skandinavien geheißen!
Bob: Alle Namen bleiben gleich. Basta!
Normalerweise herrschte im Langhaus reges Treiben. Als ich jedoch die Tür aufstieß, schlug mir betroffenes Schweigen entgegen.
»Was ist passiert?«, fragte ich meinen besten Freund Bob, den Sohn des Barden.
»Die weise Frau hatte eine Vision.« Bob wies zum großen Feuer, vor dem die alte Frau zusammengesunken saß.
»Etwas Schreckliches wird geschehen!« Nun trat auch Kelly zu uns. Sie sah so schön aus, dass ich meinen Blick nicht von ihr wenden konnte.*
* Peter: Jetzt hört aber auf! Das ist doch keine Liebesschnulze!
Justus: Still jetzt! Wir arbeiten …
Sie drückte mir einen dampfenden Humpen Met in die Hand. Nun fragte ich mich schon, was schöner aussah, das Getränk oder sie. Schließlich hatte ich ordentlich Durst.
»Ich wage nach wie vor zu bezweifeln, dass Prophezeiungen unwiderruflich eintreffen!« Die Worte kamen von meinem anderen besten Freund: Justus, dem Neffen des fahrenden Händlers. Seine Eltern waren schon vor Jahren gestorben, bei irgendeiner geheimen Sache, wie man munkelte.