Scott Adams
Die Kunst des erfolgreichen Scheiterns
Was wir vom Dilbert-Erfinder lernen können
Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch von Fabian Sevilla
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar. |
Für Fragen und Anregungen:
adams@redline-verlag.de
1. Auflage 2014
© 2014 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
© 2013 by Scott Adams, Inc. All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.
Die englische Originalausgabe erschien 2013 bei Penguin Group (USA) LLC unter dem Titel How to Fail at Almost Everything an Still Win Big: KInd of the Story of my Life
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Fabian Sevilla
Redaktion: Desirée Šimeg, Gersthofen
Umschlaggestaltung: Melanie Melzer, München
Umschlagabbildung: Scott Adams, Inc.
Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering
Druck: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt
Printed in Germany
ISBN Print 978-3-86881-543-6
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-356-4
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414- 677-0
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter www.redline-verlag.de Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.muenchner-verlagsgruppe.de |
Inhalt
Vorwort
1 Als ich irre war
2 Der Tag der Rede
3 Leidenschaft ist Blödsinn
4 Einige meiner vielen Misserfolge
5 Mein absolut liebster spektakulärer Misserfolg
6 Ziele versus Systeme
7 Mein System
8 Das Ende meiner Unternehmenskarriere
9 Beschließen versus Wünschen
10 Die Egoismus-Illusion
11 Ihre Energie als Maßstab
12 Ihre Einstellung in den Griff kriegen
13 Es funktioniert bereits
14 Mein kleiner Finger spinnt
15 Meine Karriere als Redner
16 Mein Stimmproblem bekommt einen Namen
17 Eine Lösung, die keine war
18 Ihre Talente erkennen, und wann es besser ist, auszusteigen
19 Sind Sie ein Übungs-Typ?
20 Wie Sie Ihre Erfolgschancen verwalten
21 Die Mathematik des Erfolgs
22 Das Erkennen von Mustern
23 Humor
24 Affirmationen
25 Auch richtiges Timing ist Glückssache
26 Manchmal hat es mit den Affirmationen geklappt
27 Mein Stimmproblem, Fortsetzung
28 Experten
29 Reichtum durch Nachbarschaft
30 Zufriedenheit
31 Ernährung
32 Fitness
33 Mein Stimmproblem, Fortsetzung 2
34 Glück
35 Das CalendarTree-Startup
36 Mein Stimmproblem, Fortsetzung 3
37 Eine letzte Bemerkung zu Affirmationen
38 Zusammenfassung
Danksagung
Anmerkungen
Vorwort
Wenn Sie, persönlich wie beruflich, bereits so erfolgreich sind, wie Sie es gerne wären, dürfen Sie von diesem Buch nur die halbwegs unterhaltsame Geschichte über einen Typen erwarten, der auf seinem Weg zum Erfolg gescheitert ist. Aber womöglich entdecken Sie in dieser Geschichte auch ein bekanntes Muster und fühlen sich in Ihrer Ansicht (oder Ihrem Vorurteil) bestätigt, dass Sie Ihren Erfolg nicht bloß dem Schicksal zu verdanken haben. Familie und Freunde, die Sie für einen heillosen Chaoten oder eine heillose Chaotin halten, können Ihnen diese Bestätigung nicht geben.
Dies ist die Geschichte vom unglaublichen Erfolg eines Menschen auf dem Hintergrund Dutzender peinlicher Misserfolge. Stehen Sie gerade am Anfang Ihres Erfolgs – wie auch immer Sie diesen definieren – oder fragen sich, was Sie bis jetzt falsch gemacht haben, dann finden Sie in diesem Buch bestimmt neue Ideen. Die Kombination aus dem, was Sie wissen, und dem, was ich zu wissen glaube, bewahrt Sie vielleicht sogar vor dem Fleischwolf.
Verdanke ich meinen Erfolg nun hauptsächlich meinem Talent, dem Glück, harter Arbeit oder einer zufälligerweise ausgewogenen Kombination dieser drei Aspekte? Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass ich bewusst die Strategie verfolgt habe, mit allen Chancen so umzugehen, dass mich das Glück leichter finden würde. Hat meine Strategie den Ausschlag gegeben oder ist Glück einfach Glück und alles andere sind bloße Erklärungsversuche? Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Und darum vergleichen Sie meine Geschichte am besten mit den Geschichten anderer erfolgreicher Menschen und halten nach ähnlichen Mustern Ausschau. Das habe ich seit meiner Kindheit so gemacht und entweder hat es funktioniert oder ich hatte einfach Glück – wissen werde ich es nie. Ihnen wird es genauso gehen, wenn Sie diesem Buch ein paar Ideen entnehmen und dann großen Erfolg haben. Dennoch werden Sie glauben es zu wissen, und das hat womöglich viel damit zu tun, dass Sie so großartig sind. So funktioniert nun einmal das menschliche Gehirn. Aber wer weiß? Vielleicht ist es ja gerade bei Ihnen ganz anders. Ich für meinen Teil ziehe es vor, meine Unwissenheit zu akzeptieren und die Frage offen zu lassen.
Dieses Buch ist kein Ratgeber. Wenn Sie jemals Rat bei einem Karikaturisten gesucht haben, dann hat das wahrscheinlich kein gutes Ende genommen. Zum einen weiß man bei einem Karikaturisten nie, wann er es ernst meint und wann er gerade einen Scherz macht. An manchen Streichen habe ich jahrelang gearbeitet, auch wenn niemand außer mir den Witz verstanden hat. Manche dieser Streiche laufen noch immer. Ich habe mich als jemand anders ausgegeben, im virtuellen und im wirklichen Leben. Ich habe Meinungen geäußert, die ich gar nicht vertrete, nur um die Reaktionen der anderen zu testen. Einmal habe ich mich verkleidet in ein hohes Businessmeeting eingeschlichen, bloß um Material für Dilbert zu sammeln.
Außerdem werde ich für das Schreiben dieses Buchs bezahlt – und wie wir alle wissen, dehnt Geld die Wahrheit wie ein Nilpferd einen Tanga. Und noch etwas: Den meisten von Ihnen bin ich fremd, und Fremden vertraut man nicht.
Objektiv betrachtet gehöre ich sowieso zu den am wenigsten vertrauenswürdigen Personen des Planeten. Wenn ich die Wahl zwischen der Wahrheit und einer gute Pointe hätte, würde ich mich immer für den höheren Unterhaltungswert entscheiden. Ebenso wenig bin ich ein Experte für irgendetwas, auch nicht für meinen Beruf. Ich zeichne wie ein betrunkener Brüllaffe und mein Schreibstil liegt irgendwo zwischen unergründlich und großspurig. Es ist mir ein Rätsel, weshalb ich überhaupt noch bezahlt werde …
Was die Sache noch schlimmer macht, ist die grundsätzlich problematische Vorstellung, man könne einem anderen Menschen Ratschläge in Buchform geben. Die Einheitsgröße passt nicht allen und ich wäre daher überrascht, wenn sich in diesem Buch etwas fände, was allen Lesern jederzeit einleuchtet.
An diesem Punkt lohnt es sich vorwärtszuspringen und eine Vorschau auf die kommenden Erfolglos-zum-Erfolg-Themen zu geben. Ich tue dies, weil ich Ihre Neugier erahne. Aus dieser Stichwortliste werden Sie nicht viel lernen, aber wenn sie Ihr Interesse weckt, ist das vielleicht Grund genug, das Buch zu Ende zu lesen.
Teaser
1. Ziele sind etwas für Verlierer.
2. Ihr Verstand ist kein Wunder, sondern ein Bio-Computer, den Sie programmieren können.
3. Worauf Sie am meisten achten müssen, ist Ihre persönliche Energie.
4. Jede erworbene Fähigkeit verdoppelt Ihre Erfolgschancen.
5. Zufriedenheit = Gesundheit + Freiheit.
6. Glück kann verwaltet werden, mehr oder weniger.
7. Überwinden Sie Ihre Schüchternheit, indem Sie – im positiven Sinne – ein ausgekochter Hochstapler werden.
8. Fitness bringt die Dinge ins Rollen.
9. Naivität verwandelt Banales in Bewundernswertes.
Mache ich meine Arbeit gut, so werde ich keine Probleme mit meiner Glaubwürdigkeit haben. Wenn ich mich auf Studien beziehe, werde ich die Quellen offenlegen. Wie ein Rennfahrer werde ich den Windschatten derer nutzen, die sich die Glaubwürdigkeit verdient haben. (Gute Arbeit, ihr Glaubwürdigen!) Hauptsächlich werde ich jedoch meine persönlichen Erfahrungen schildern, und ich verspreche, die sind echt. Zwar liebe ich es, einen guten Scherz zu machen, aber versprochen ist versprochen: Alles, was Sie in diesem Buch über mein Leben lesen, entspricht – zumindest so weit ich weiß – der Wahrheit.
Als ich in meinen Zwanzigern war, kannte ich niemanden, der mir hätte sagen können, wie man Karikaturist wird, wie man ein Buch schreibt, oder wie man letztlich erfolgreich sein könnte. Für meinen Erfolg war das ein großes Hindernis. Ich hatte den Eindruck, dass andere Leute großen Nutzen aus den klugen Ratschlägen ihrer Freunde und Angehörigen zogen. Genau diese Art Ungleichheit ist es, die mich stinkwütend macht und die mich gleichzeitig antreibt. Deshalb habe ich jahrzehntelang nach der Erkenntnis gestrebt, was in puncto Erfolg funktioniert und was nicht. Wenn Sie erfolgreich sein wollen, egal worin, dann nehmen Sie mich zum Vorbild. In diesem Buch werde ich eine Erfolgsschablone entwerfen, die Ihr Sprungbrett sein kann. Nicht immer werde ich das passende Rezept für Ihre spezielle Situation haben, aber ich kann Ihnen bei Ihren Entscheidungen helfen.
Bevor Sie darüber urteilen, ob dieses Buch für Sie nützlich ist, benötigen Sie ein System, um Wahrheit von Blödsinn zu unterscheiden. Die meisten Leute glauben, sie wären im Besitz eines ausgezeichneten Schwachsinn-Detektors. Doch wenn dies zuträfe, dann wären Geschworene bei Prozessen immer einer Meinung und wir hätten alle dieselben religiösen Überzeugungen. Realistisch betrachtet haben die meisten Leute ziemlich schwache Filter, um Wahrheit von Blödsinn zu trennen – und Sie können objektiv nicht herauskriegen, ob Sie selbst besonders gut darin sind oder nicht. Schauen Sie sich die Leute an, die generell anderer Meinung sind als Sie. Haben Sie vor Augen, wie überzeugend diese Leute wirken, selbst wenn sie vollkommen falschliegen? Das ist bei Ihnen nicht anders.
Sobald es unüberschaubar oder kompliziert wird, ist Bescheidenheit die einzig vernünftige Haltung. Und doch müssen wir Sterbliche uns durch unsere Welt bewegen, als ob wir sie verstünden. Die Alternative, nämlich völlig willkürlich zu handeln, wäre absurd. Um das Gefühl von Absurdität in Ihrem Leben zu verringern, empfehle ich die Anwendung eines bestimmten Systems zur Unterscheidung von Wahrheit und Blödsinn, was beim Lesen dieses Buchs von Nutzen sein wird und womöglich von noch größerer Bedeutung für Ihr Leben. Laut diesem System gibt es mindestens sechs gängige Methoden zur Unterscheidung von Wahrheit und Blödsinn, und interessanterweise führen sie alle unabwendbar ins Desaster.
Die sechs Wahrheitsfilter
1. Erfahrungswerte (Die menschliche Wahrnehmung ist zickig.)
2. Erfahrungen von Leuten, die Sie kennen (Noch unzuverlässiger.)
3. Experten (Die arbeiten für Geld, nicht für die Wahrheit.)
4. Wissenschaftliche Studien (Zusammenhang ist keine Ursächlichkeit.)
5. Gesunder Menschenverstand (Bewährt, um sich aus tiefster Überzeugung zu irren.)
6. Erkennen von Mustern (Muster, Zufälle und persönliche Vorurteile sehen sich zum Verwechseln ähnlich.)
In unserem chaotischen und alles andere als perfekten Leben nähern wir uns der Wahrheit am ehesten noch über Widerspruchsfreiheit. Sie ist das feste Fundament wissenschaftlicher Methodik. Über die Durchführung kontrollierter Experimente und den Versuch, übereinstimmende Ergebnisse zu erzielen, tasten sich die Wissenschaftler an die Wahrheit heran. In Ihrem alltäglichen, nicht wissenschaftlichen Leben tun Sie dasselbe, jedoch weniger beeindruckend und weniger zuverlässig. Wenn Sie zum Beispiel immer eine Stunde, nachdem Sie Popcorn gegessen haben, so stark furzen, dass es Ihnen die Socken auszieht, so können Sie mit gutem Grund annehmen, dass Popcorn bei Ihnen Blähungen verursacht. Das ist dann keine wissenschaftliche Erkenntnis, aber doch eine nützliche Einsicht in einen Zusammenhang. Widerspruchsfreiheit ist der beste Hinweis auf Wahrheit, über den wir verfügen, so unzulänglich er auch sein mag.
Wenn Sie nach Wahrheit streben, so fahren Sie am besten, wenn Sie Bestätigung in mindestens zwei der von mir aufgelisteten Bereiche suchen. Wenn zum Beispiel in einer Studie behauptet wird, dass man, um Gewicht zu verlieren, am besten nur noch Sahnetorte essen sollte, ihr Freund jedoch mit dieser Diätregel immer dicker wird, so finden Sie in zwei Bereichen keine Übereinstimmung. (Drei, wenn Sie den gesunden Menschenverstand hinzunehmen.) Folglich haben wir es hier mit einem Mangel an Widerspruchsfreiheit zu tun.
Ist Ihr Schwachsinn-Detektor einmal betriebsbereit, dann denken Sie daran, wie Sie ein neues und kompliziertes Problem bisher angegangen sind. Eines werden Sie, sofern möglich, immer als Erstes tun: Sie fragen einen schlauen Freund oder eine schlaue Freundin, wie er oder sie das gleiche Problem angegangen ist. Ein schlauer Freund oder eine schlaue Freundin kann Ihnen eine Menge Zeit und Mühe ersparen. Viele haben bereits ein oder zwei davon und sind daher zweifellos vom Glück begünstigt. Ich stelle jedoch fest, dass ein alarmierend hoher Prozentsatz der Erwachsenen im wahrsten Sinn des Wortes keine schlauen Freunde hat, die ihnen beim Streben nach Erfolg und Zufriedenheit helfen könnten.
Hiermit ernenne ich mich selbst zu Ihrem (halbwegs) schlauen Freund. Wenn Sie bereits einige schlaue Freunde haben, wunderbar! Je mehr, desto besser. Ich aber bin darüber hinaus bereit, viele Dinge in Sachen Erfolg anzusprechen, die Ihren Freunden ziemlich peinlich wären.
Ich bin kein Experte auf irgendeinem Gebiet, auf das ich mich hier vorwagen werde. Doch ich bin ein professioneller Vereinfacher. Hauptberuflich habe ich in den letzten Jahrzehnten Dilbert-Comics gezeichnet. Das Zeichnen und Schreiben eines Comicstrips erfordern das Herausfiltern von allem unnützen Drumherum aus einer Situation, bis nur noch der absurde, aber wahre Kern übrig bleibt. Dieses Kunststück muss ein Karikaturist mit nur vier kurzen Sätzen schaffen. Rund 9.000 Mal habe ich es probiert, manchmal erfolgreich.
Das beste Beispiel für die Macht der Einfachheit ist der Kapitalismus. Der entscheidende Geniestreich des Kapitalismus ist, dass er all die komplexen Vorgänge, all die Unterschiede zwischen den Unternehmen, all die Herausforderungen, Entscheidungen, Erfolge und Misserfolge auf einen einzigen Nenner bringt: Profit.
Diese Vereinfachung ermöglicht das Funktionieren des Kapitalismus. Die zugrunde liegende Komplexität bleibt natürlich bestehen, doch es ist die Schaffung einer klaren und simplen Maßeinheit für Fortschritt, die den Kapitalismus maßgeblich prägt. Kein schlauer Investor würde Anteile eines Unternehmens kaufen, ohne die vergangenen und die prognostizierten Gewinne zu bewerten. Gewinne zeigen dem Management, wann es richtig handelt und wann es gegensteuern muss. Diese Vereinfachung – die Idee des Profits – steuert die Maschine des Kapitalismus, mitunter jedoch auch in die falsche Richtung.
Es lässt sich darüber streiten, ob es moralisch vertretbar ist, Profite als oberste Priorität des Geschäftslebens zu betrachten, doch es funktioniert unbestreitbar. Man kann allenfalls behaupten, manche Firmen würden es übertreiben. Doch dieses Risiko birgt jedes Werkzeug. Ein Hammer ist nur sinnvoll, wenn man zu schlagen aufhört, sobald der Nagel vollständig versenkt ist. Schlagen Sie weiter, bricht das Holz.
In diesem Buch beschreibe ich eine Form der Vereinfachung, die zur Basis all Ihrer Schritte zum persönlichen Erfolg werden kann. Ich spreche von der menschlichen Entsprechung zum Profit. Sie ist der eine einfache, messbare Faktor, der Klarheit in alle komplizierten Entscheidungen in Ihrem Leben bringt. Aber dazu später mehr.
Ich wünschte, ich hätte ein todsicheres Rezept für den Erfolg, doch so läuft das im Leben nicht. Ich kann nur ein Modell beschreiben, das Sie mit Ihrer eigenen Art und Weise, Dinge zu tun, vergleichen können. Die richtige Antwort für Sie könnte eine Mischung sein aus dem, was Sie ohnehin bereits tun, und dem, was Sie hier lesen. Sie selbst können am besten beurteilen, was richtig für Sie ist, doch halten Sie sich an das Erkennen von Mustern sowie an Erprobungen und Beobachtungen.
Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Sie meine Ausführungen, zu was auch immer, für kompletten Unsinn halten und mit diesem Urteil mit hoher Wahrscheinlichkeit richtigliegen. Doch ich will nicht einfach recht haben. Ich zeige Ihnen neue Wege auf, um über die Suche nach Glück und Erfolg nachzudenken. Vergleichen Sie diese Wege mit dem, was Sie kennen, was Sie tun und was andere raten. Jeder findet sein eigenes Erfolgsrezept.
1. Als ich irre war
Im Frühjahr 2005 stellte mein Arzt bei mir eine Art Geisteskrankheit fest. Er gebrauchte einen anderen Ausdruck, doch er überwies mich an eine Psychologin – ein Wink mit dem Zaunpfahl. Die Psychologin hörte sich meine Geschichte aufmerksam an und kam zum selben Schluss: irre. Aber genau wie mein Arzt benutzte sie dieses Wort nicht. Sie schlug zur Behandlung Valium vor und äußerte den durchaus begründeten Verdacht, dass der Abbau von Stress mich wieder in eine Art Normalzustand bringen könnte.
Ich wollte kein Valium, da ich mich gar nicht irre fühlte. Ich fühlte mich noch nicht einmal richtig gestresst – zumindest nicht bis zu dem Zeitpunkt, als der Arzt und die Psychologin übereinstimmend zu dem Schluss kamen, dass ich allem Anschein nach kurz vorm Durchdrehen war. Ich verstand durchaus, weshalb die beiden Spezialisten zu dieser Diagnose gekommen waren, denn mein Verhalten zu jenem Zeitpunkt wirkte, objektiv betrachtet, ziemlich verrückt. Das war mir klar.
Ein Symptom war, dass ich urplötzlich nicht mehr mit anderen Menschen sprechen konnte, obwohl ich in der Lage war, ganz normal zu sprechen, wenn ich allein war oder mit meiner Katze redete. Mein Hausarzt und die Spezialisten waren systematisch alle möglichen Ursachen für mein Sprachproblem durchgegangen. Allergien? Keine. Allgemeine Atemprobleme? Nein. Säurerückfluss? Fehlanzeige. Geschwüre oder Polypen im Rachen? Auch nicht. Schlaganfall? Nein. Neurologische Ursachen? Nichts. Offensichtlich war ich kerngesund, außer dass ich unverhofft die Fähigkeit verloren hatte, mit anderen Menschen zu sprechen. Ich konnte normal mit meiner Katze sprechen, ich konnte normal sprechen, wenn ich allein war, ich konnte ein Gedicht aufsagen, aber am Telefon brachte ich kaum einen verständlichen Satz heraus. Ich litt an einer abgefahrenen Form von »sozialer Kehlkopfentzündung«. Subtext: irre.
Wenn es um Schriftsteller und Künstler geht, ist Verrücktheit meist eine plausible Diagnose. Manchmal ist der einzige Unterschied zwischen Verrückten und Künstlern, dass Künstler aufschreiben, was sie zu sehen glauben. In den letzten Jahrzehnten gab es kaum eine Woche, in der kein Leser meines Blogs an meiner geistigen Gesundheit zweifelte. Ich kann das nachvollziehen, denn ich habe selbst gelesen, was ich geschrieben habe. Wenn genügend Leute vermuten, ich sei verrückt, sagt mir mein Verstand, dass auch ich diese Möglichkeit in Betracht ziehen sollte.
Ich trage einen gewissen Grad an Verrücktheit auch in meinen Genen. Mein Großvater mütterlicherseits war eine Zeit lang in der Klapsmühle (oder wie auch immer das damals genannt wurde). Wenn ich mich recht erinnere, wurde er mit Elektroschocks therapiert. Offensichtlich ohne Erfolg, denn eines Tages jagte er meiner Mutter und meiner Großmutter mit einem stumpfen Gegenstand in der Hand hinterher und trachtete ihnen vermutlich nach dem Leben. Sie verließen ihn auf der Stelle und für immer, mit nichts als den Kleidern, die sie am Leib trugen. Ich konnte nicht ausschließen, dass ich Opas Gene und die Neigung zum Überschnappen womöglich geerbt hatte.
Das Leben als mutmaßlicher Irrer war hart. Wenn ich mit anderen Personen sprechen wollte, verkrampften sich bei bestimmten Konsonanten unwillkürlich meine Stimmbänder, und es hörte sich an wie eine schlechte Handyverbindung, bei der jede dritte Silbe wegfällt. Wenn ich im Restaurant eine Cola bestellte, hörte man nur: »…ne ola, itte.« Meist erntete ich ein mitfühlendes Lächeln und bekam eine Cola Light. Oder aber, noch schlimmer, der Kellner antwortete: »Gut, danke der Nachfrage.« Und ich bekam gar nichts zu trinken.
Es war verwirrend und nervig. Ich konnte ohne Probleme singen, auch wenn es grässlich klang, aber daran war ich gewöhnt. Und ich sagte ohne größere Schwierigkeiten auswendig Gelerntes auf. Doch in einem Gespräch konnte ich keinen normalen und verständlichen Satz bilden. Wie ein Stotterer lernte ich Silben zu vermeiden, über die ich gestolpert wäre. Wollte ich einen Kaugummi, wusste ich, ich würde nur »…aummi« herausbringen. Also versuchte ich es mit der Umschreibung: »Ich möchte das, was man kaut.« Meist scheiterte diese Taktik, denn die Leute sind auf Rätsel in ihrem Alltag nicht gefasst. Und egal wie viele Hinweise ich auch gab, ich erntete nur ein verständnisloses »Hä?«.
Der Verlust der Fähigkeit zu sprechen ist natürlich ein Albtraum. Es ist so absurd, dass man sich wie ein Gespenst in einem überfüllten Raum vorkommt. Und ich meine das durchaus wörtlich: Es fühlt sich gespenstisch an oder zumindest so, wie man sich Gespenstisches vorstellt. Die Einsamkeit zehrte an meinen Kräften. Studien zufolge schadet Einsamkeit dem Körper fast genauso wie das Altern.1, 2 Und so fühlte es sich an: Jeder Tag erschien mir als verlorener Kampf.
Ich lernte, dass es dem Einsamen nicht hilft, den Gesprächen anderer zu lauschen. Einsamkeit lässt sich nur lindern, indem man selbst spricht, und vor allem, wenn einem jemand zuhört. Im Laufe der folgenden dreieinhalb Jahre erfuhr ich die totale Abkopplung vom normalen Leben und ich durchlitt große Einsamkeit, trotz der Liebe und Unterstützung meiner Angehörigen und Freunde. Meine Lebensqualität sank so tief, dass mir mein Leben wertlos schien.
In den ersten Monaten meines Stimmproblems hatte ich jedoch ein drängenderes Problem als meine Einsamkeit. Neben meiner Tätigkeit als Dilbert-Karikaturist für mehrere Zeitungen war ich nämlich ein hoch bezahlter Redner. Und laut meinem Terminkalender blieben mir nur wenige Wochen bis zu einem Vortrag, dem ersten seit dem Verlust meiner Sprachfähigkeit. Ich wusste nicht, ob meine Stimme sich bei einer bereits vorformulierten Rede verhalten würde wie beim Gesang oder dem Rezitieren eines Gedichts. Würden mir meine Stimmbänder auf der Bühne den Dienst versagen? Würde ich vor Tausenden von Leuten stehen und unverständliches Zeug krächzen?
Ich schrieb meinem Kunden eine erklärende E-Mail und bot ihm an, den Auftritt abzusagen. Doch er wollte am Programm festhalten und das Risiko eingehen. Auch ich war damit einverstanden, es darauf ankommen zu lassen. Meine Stärke ist, dass ich kein Schamgefühl wie normale Leute habe. Die Aussicht auf eine Blamage vor Tausenden von Fremden, von denen viele das Desaster wahrscheinlich mit der Kamera festhalten würden, war für mich kein so großes Hindernis, wie Sie vielleicht meinen. Für mich war es das Risiko wert, denn ich wollte herausfinden, was in so einer Situation mit meiner Stimme passieren würde. Es galt das Muster zu erkennen. Würde meine Stimme funktionieren, wenn ich ein überwiegend auswendig gelerntes Programm vor Tausenden von Leuten abspulen würde? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
2. Der Tag der Rede
Ich hatte schon Hunderte solcher Reden gehalten. Eigentlich war es immer dasselbe: den Vertrag unterschreiben, einen Flug buchen, auftauchen, Smalltalk mit den Veranstaltern machen, die Bühne rocken, Leute zum Lachen bringen, Autogramme geben, für Fotos posieren, zu einem wartenden Wagen eilen, zum Flughafen fahren, nach Hause fliegen.
Mit dem Smalltalk klappte es diesmal nicht. Wenige Minuten bevor ich in einen brechend vollen Festsaal geführt werden sollte, wollten die Veranstalter hinter der Bühne ein Gespräch mit mir beginnen. Ich gab mein Bestes, doch sie verstanden kaum etwas von meinem Gestammel. Flüsternd, gestikulierend und indem ich meine Umschreibungen benutzte, wollte ich sie überzeugen, dass es auf der Bühne besser gehen würde. Aber, um ehrlich zu sein, ich hatte keine Ahnung, ob es so sein würde. Und ich konnte die Panik in ihren Augen sehen. Die Gefahr war enorm, dass ich auf die Bühne hinausgehen und meine Kehle sich bei jeder dritten Silbe verschließen würde.
Experten meinen, dass öffentliches Reden zu den schrecklichsten Aufgaben überhaupt zählt. Auf mich traf das eigentlich nicht zu. Ich war geübt, erfahren, ein geborener Clown, und meine Zuhörerschaft bestand meist aus freundlichen Dilbert-Fans. Doch nie zuvor hatte ich hinter einer Bühne auf meinen Auftritt gewartet, im Unklaren darüber, ob ich in der Lage wäre zu sprechen. Das war neu.
Als der Moderator mich ankündigte, stieg ich die Metallstufen an der Seite der Bühne empor. Die Tontechniker fummelten am Mischpult herum und bereiteten sich darauf vor, beim Regulieren meines Mikrofons ihr Bestes zu geben. Die Veranstalter zogen sich ins Dunkel hinter der Bühne zurück. Das Publikum lauschte erwartungsvoll. Meine Ankündigung schien eine Ewigkeit zu dauern.
Ich spähte nach draußen, um das Publikum zu sehen und ein Gefühl für den Raum zu bekommen. Im Saal saß meine gewohnte Zielgruppe: Fachleute und Büromenschen. Ich holte ein paar Mal tief Luft. Der Moderator machte einen Witz, den ich ihm für meine Ankündigung angeboten hatte, und das Publikum lachte. Es war bereit.
Ich zupfte an meinem Hemd herum, damit es korrekt in der Hose steckte. Ich überprüfte das Mikrofonkabel, damit es sauber unter meinem Gürtel versteckt lag. Der Moderator hob stimmungsmachend seine Stimme und brüllte: »Bitte heißen Sie den Schöpfer von Dilbert, Scott Adams, willkommen!« Das Herz schlug mir bis zum Hals. Ich ging hinaus ins blendende Scheinwerferlicht. Das Publikum jubelte. Sie liebten Dilbert und waren glücklich, mich zu sehen. Ich überquerte die Bühne und schüttelte dem Gastgeber die Hand. Wir nahmen Blickkontakt auf und nickten uns zu. Alles bewegte sich wie in Zeitlupe. Ich ging nach vorn zum Projektor, der meine Comics auf große Leinwände projizieren sollte. Ich legte mir mein Material auf dem Tisch zurecht und trat zwei Schritte zur Seite. Ich nahm die Hände nach vorn und legte die Fingerspitzen aneinander, wie Redner es machen, während ich den Applaus hörte und in positive Energie verwandelte. Die Energie gab mir ein gutes Gefühl. Ich war mit dem Publikum verbunden – auf Gedeih und Verderb.
Mit einem Mal, und genau zur rechten Zeit, wurde mein Herzschlag normal, so wie es bereits unzählige Male vor anderen Menschenmengen geschehen war. Mein Training zeigte Wirkung und ich fasste neues Selbstvertrauen. Im Geiste gehörte das Publikum mir, und nichts anderes wollte es von mir. Sie waren gekommen, um sich mir sozusagen zu ergeben. Ich musste ihnen nur zeigen, dass ich es wusste. Und um das zu erreichen, musste ich sprechen.
Ich holte zwei Mal tief Luft und blickte mich um. Ich lächelte ins Publikum. Ich war glücklich, hier zu sein – aufrichtig glücklich. Ich bin dafür geboren. Die Bühne ist für mich immer wie ein Zuhause.
Ich wartete, bis der Applaus verebbte. Dann wartete ich noch ein wenig länger, wie ich es gelernt hatte. Wenn man vor einem Publikum steht, verändert sich das eigene Zeitgefühl. Deswegen sprechen unerfahrene Redner viel zu schnell. Ich stellte meine innere Uhr mental auf das Zeitgefühl des Publikums ein. Auch wollte ich es für ein, zwei Augenblicke in Stille warten lassen, um die Neugier zu wecken. Aus Erfahrung wusste ich, dass sich die Leute im Publikum oft fragen, wie der Schöpfer von Dilbert wohl klingt. An jenem Tag fragte ich mich das auch.
An diesem Punkt meiner Geschichte werden Sie sich vielleicht fragen: Welcher Idiot tritt vor tausend Leute, um sich zu blamieren? Eine berechtigte Frage. Um sie richtig zu beantworten, braucht es Zeit – und dieses ganze Buch. Eine verkürzte Antwort ist, dass ich über die Jahre eine einzigartige Beziehung zum Scheitern aufgebaut habe. Ich lade es ein. Ich überlebe es. Ich schätze es. Und dann poliere ich ihm die Fresse.
Scheitern hat immer auch sein Gutes. Und ich lasse es erst ziehen, wenn ich mir dieses Gute angeeignet habe. Die Geschichte meines aus dem Scheitern gezogenen Gewinns ist lang. Meine Karriere als Karikaturist ist zum Beispiel eine direkte Folge meines Scheiterns im Geschäftsleben.
Bei meiner Rede an jenem Abend war ich auf der Suche nach einem Muster. Ich wollte wissen, warum ich in manchen Situationen normal sprechen konnte und in anderen nicht. Warum waren die Umstände wichtig? Hatte es etwas mit meinem Adrenalinpegel zu tun? Oder mit dem Ton meiner Stimme? Oder mit der Gehirnregion, die ich fürs Auswendiglernen benutzte? Ich dachte, wenn ich das Muster finden würde, dann könnte ich auf die Lösung für mein Stimmproblem stoßen. Würde meine Stimme vor Publikum besser oder schlechter als sonst klingen? Ich war kurz davor, es zu erfahren. Ich öffnete meinen Mund und begann zu sprechen. Meine Stimme klang nicht gut, doch ganz passabel, vielleicht ein wenig rau. Die meisten dachten wahrscheinlich, ich sei erkältet. Ich sprach 45 Minuten lang, zeigte Comics, die mich in Verlegenheit brachten, und erzählte lustige Anekdoten. Das Publikum sog alles regelrecht auf.
Als ich die Bühne wieder verließ, verlor ich augenblicklich meine Sprachfähigkeit. Als ich vom auswendig Gelernten zu normaler Unterhaltung übergehen sollte, verschloss sich meine Kehle. Verdammt! Das Problem war offensichtlich mein Verstand.
In den nächsten drei Jahren suchte ich nach Mustern, die mir die Lösung für mein Stimmproblem bieten und mich von meinem geisterhaften sozialen Dasein befreien würden. In diesem Buch werde ich Ihnen berichten, wie sich diese Suche gestaltete, denn mit dieser Geschichte ist fast mein ganzes Wissen darüber verbunden, wie man das Scheitern beim Kragen packt und es schüttelt, bis es ein haariges Knäuel Erfolg ausspuckt.
3. Leidenschaft ist Blödsinn
Erfolgreiche Leute geben einem oft den Rat, man solle »seiner Leidenschaft folgen«. Das klingt im ersten Moment ganz vernünftig. Leidenschaft wird Ihnen vermutlich viel Energie geben, Sie entschlossener machen und gegen Ablehnung wappnen. Leidenschaftliche Menschen wirken auch überzeugender. Alles gute Dinge, nicht wahr?
Und nun das Gegenargument: Zu meiner Zeit als Berater für Konsumentenkredite in einer großen Bank in San Francisco riet mir mein Chef, dass ich niemals jemandem einen Kredit geben solle, der seiner Leidenschaft folgt. Zum Beispiel sollte man einem Sportbegeisterten, der einen Sportladen aufmacht, um seiner Leidenschaft für Sport zu frönen, keinen Kredit geben. Auf so einen Typen sollte man nicht setzen, Leidenschaft hin oder her. Seine Motivation ist nicht die richtige fürs Geschäft.
Mein Chef damals war über dreißig Jahre lang als Kreditberater tätig gewesen und meinte, der beste Kreditnehmer sei ein komplett leidenschaftsloser, der einfach nur hart für etwas arbeiten wolle, das sich unterm Strich für ihn bezahlt mache. Womöglich denkt der Klient daran, eine chemische Reinigung zu eröffnen oder in eine Fastfood-Kette zu investieren – ganz langweilige Dinge. Auf solche Leute kann man setzen. Man will einen Menschen, der schuftet, und nicht einen, der seinen Job liebt.
Und wer hat nun recht? Ist Leidenschaft hilfreich für den Erfolg oder macht sie einen einfach nur unvernünftig?
Meine These ist, dass leidenschaftliche Menschen eher dazu tendieren, nach kaum erreichbaren Zielen zu streben und dabei große Risiken einzugehen. Folglich würde man bei den Leidenschaftlichen eine höhere Misserfolgsrate und ein höheres Vorkommen großer Erfolge vermuten. Gescheiterte leidenschaftliche Menschen dürfen anderen keine Ratschläge erteilen. Doch erfolgreiche leidenschaftliche Menschen schreiben Bücher und beantworten in Interviews tagtäglich Fragen nach ihren Erfolgsgeheimnissen. Natürlich wollen diese erfolgreichen Menschen Sie davon überzeugen, dass der Erfolg ihrer Großartigkeit zu verdanken sei. Aber sie wollen sich auch ein wenig Bescheidenheit bewahren, und Bescheidenheit verträgt sich nicht mit der Behauptung: »Ich bin erfolgreich, weil ich schlauer bin als der Durchschnitt.«
Man kann jedoch ohne Weiteres die Leidenschaft als Schlüssel zum Erfolg nennen, denn jeder kann für irgendetwas oder irgendjemanden eine Leidenschaft entwickeln. Leidenschaft erscheint verfügbar. Wenn man dumm ist, kann man wenig dagegen tun. Aber von der Leidenschaft glauben wir, dass sie jeder aufbringen könne, wenn die Umstände stimmen. Leidenschaft wirkt demokratisch. Sie ist das Volkstalent, verfügbar für jeden. Aber sie ist größtenteils auch purer Blödsinn.
Denn es ist keine große Kunst, Leidenschaft für Ideen zu entwickeln, die funktionieren. Und das verzerrt dann unsere Wahrnehmung von der Bedeutung der Leidenschaft. Im Laufe meines Lebens habe ich unzählige Geschäftsideen aufgegriffen, und jede weckte zu Beginn eine Begeisterung in mir, die man auch Leidenschaft nennen könnte. Für die, aus denen nichts wurde – sprich: die meisten – verringerte sich meine Leidenschaft im Zuge ihres Scheiterns. Die wenigen, aus denen etwas wurde, erschienen in dem Maße aufregender, in dem sie Erfolg hatten.
Als ich zum Beispiel mit einem Partner aus der Firma in ein Restaurant investierte, waren meine Erwartungen übergroß. Und als am ersten Tag die Leute den ganzen Block hinunter Schlange standen, packte mich die Leidenschaft erst recht. Jahre später, als die Geschäfte schlecht liefen, verwandelte sich die Leidenschaft in Frust und Verärgerung. Weg war sie.
Wie so vieles, was ich ausprobiert habe, begannen hingegen auch die Dilbert-Comics als bloße Strategie, um reich zu werden. Als sich abzeichnete, dass ich mit Comics Erfolg haben könnte, wuchs auch meine Leidenschaft dafür, erschien es mir doch, als hätte ich das große Los gezogen. Rückblickend scheinen die Projekte, die ich am leidenschaftlichsten verfolgt habe, auch jene gewesen zu sein, die von Erfolg gekrönt waren. Aber objektiv betrachtet veränderte sich der Grad meiner Leidenschaft in Abhängigkeit vom Erfolg. Leidenschaft war also eher eine Folge des Erfolgs als umgekehrt.
Leidenschaft kann auch ein einfaches Anzeichen für Talent sein. Denn der Mensch neigt dazu, Dinge, die er gut kann, auch gerne zu tun, während er an Dingen, in denen er eine Niete ist, keine Freude hat. Man kann auch ziemlich gut absehen, wofür man Talent haben könnte, noch ehe man es versucht hat. Seit ich zum ersten Mal einen Tennisschläger in die Hand genommen habe, schwärme ich fürs Tennisspielen, und dabei ist es mein Leben lang geblieben. Aber ich wusste auch vom ersten Moment an, dass mir Tennis liegen könnte, im Gegensatz zu Basketball oder Football. Leidenschaft ist manchmal einfach ein Nebenprodukt des Wissens um das, worin wir gut sein werden.
Ich hasse es, zu verkaufen, aber ich weiß, dass ich es hasse, weil ich es nicht gut kann. Wäre ich ein fantastischer Verkäufer oder hätte ich das Potenzial dazu, dann würde ich fürs Verkaufen wohl mehr Leidenschaft entwickeln. Und die Leute, die meinen Erfolg sähen, würden wahrscheinlich denken, dass meine Leidenschaft die Ursache meines Erfolgs sei und kein bloßes Anzeichen für Talent.
Wenn Sie einen Milliardär nach seinem Erfolgsgeheimnis fragen, antwortet er womöglich, dass es die Leidenschaft sei, denn das klingt sexy und zugleich bescheiden. Ein paar Drinks später jedoch, denke ich, wird er zugeben, dass er seinen Erfolg einer Mischung aus Zielstrebigkeit, Glück, harter Arbeit, Entschlossenheit, Intelligenz und Risikobereitschaft zu verdanken hat.
Lassen Sie also die Leidenschaft aus dem Spiel, wenn Sie Erfolg haben wollen. In den folgenden Kapiteln werde ich ein paar Methoden zur Steigerung der persönlichen Energie beschreiben, die bei mir funktioniert haben. Ihnen dürfte klar sein, dass Sie besser in allem sind, einschließlich Schule, Arbeit, Sport und sogar in Ihrem Privatleben, wenn Ihre Energie stimmt.
Energie ist gut, Leidenschaft ist Blödsinn.