Der Autor
Dr. med. Thomas Girsberger ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Er arbeitet seit über 30 Jahren in eigener Praxis in der Nähe von Basel, widmet sich mittlerweile ausschließlich Abklärungen und Beratungen bei Autismus-Spektrum-Störungen (Kinder und Jugendliche). Sein erfolgreiches Buch »Die vielen Farben des Autismus« erschien bereits in 6. Auflage.
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1. Auflage 2022
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Die Illustrationen (Strichzeichnungen) stammen von Pauline Calame.
Print:
ISBN 978-3-17-039198-7
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-039199-4
epub: ISBN 978-3-17-039200-7
Das hier vorliegende Buch kann als Fortsetzung und Ergänzung meiner ersten Publikation im Kohlhammer Verlag betrachtet werden. »Die vielen Farben des Autismus« erschien erstmals im Jahre 2014 und erlebt nun bereits die 6. Auflage. Es ist eine breit gefächerte Grundlagen-Schrift, in der den praktischen Hilfen im Alltag im Kapitel »Therapie und Beratung« zwar ein gewisser Raum gewidmet ist, aber doch ein recht bescheidener. Wenn es um alltagspraktische Hilfen geht, dann stehen in diesem ersten Buch im entsprechenden Kapitel die Aspekte der Visualisierung und Strukturierung ganz im Vordergrund.
Thomas Girsberger (2022) Die vielen Farben des Autismus Spektrum, Ursachen, Diagnose, Therapie und Beratung ISBN 978-3-17-041397-9
Das ist zwar nach wie vor ein wichtiger Pfeiler einer Autismus-spezifischen Pädagogik. Auch meine Ratgeber-Broschüre «So-macht-me-das» legt den Schwerpunkt auf diesen Aspekt. Deshalb, und weil es eine Fülle von Literatur (vgl. vor allem das Konzept TEACCH) dazu gibt, soll im vorliegenden Buch ein anderer Schwerpunkt gesetzt werden. Es geht darum, Eltern und Pädagogen verständlich zu machen, dass Autismus-spezifische Pädagogik vor allem auch ein anderes – nämlich »unpersönliches« – Vorgehen erfordert und auf die eigene – »unaufgeregte« - Grundhaltung großen Wert gelegt werden muss.
Wenn also im vorliegenden Band zwar einiges, aber nicht sehr viel, über Tages- und Wochenpläne, visualisierte Handlungsabläufe und sonstige Kommunikationshilfen zu finden ist, dann nicht deshalb, weil ich diese Elemente nicht wichtig finde. Der Grund ist, wie gesagt, dass diese hilfreichen Strategien in vielen anderen Publikationen und Methoden zu finden sind.
»Mit Autismus den Alltag meistern« geht von einem Ansatz aus, den ich im Titel eines anderen Buches, welches im Kohlhammer Verlag erschienen ist, sehr treffend gefunden habe: »Eltern als Therapeuten von Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen« (vergriffen, ausschließlich in elektronischer Form lieferbar). Die Zielgruppe jenes Ratgebers sind allerdings eher Eltern von Kindern mit Frühkindlichem Autismus. Mein Buch hingegen richtet sich sozusagen an den anderen Teil des autistischen Spektrums. Dort habe ich überwiegend meine eigenen Erfahrungen gesammelt. Zudem ist es rein zahlenmäßig der größere Teil des Spektrums.
Wenn Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Diagnose eine Therapie im engeren Sinn (gemeint ist Psychotherapie) benötigen, dann ist das wegen einer zusätzlichen sogenannten komorbiden Störung (z. B. Angststörung, Depression) und nicht wegen des zugrunde liegenden Autismus. Dieser kann nur im Alltag, über die Eltern und Pädagogen1, therapeutisch begleitet und unterstützt werden. Und wie ich schon andernorts betont habe, ist dabei das Wort »Heilpädagogik« wohl zutreffender als der Begriff »Therapie«.
Den Link, unter dem das Zusatzmaterial verfügbar ist, finden Sie auf S. 164.
Dort finden Sie die »Rezepte«, »Gesetze« und »Gebrauchsanweisungen« dieses Buches, die in der Regel einer Personalisierung bedürfen, in digitaler Form. So können Sie auf einfache Weise diese Vorlagen bearbeiten und eigene personalisierte Exemplare herstellen.
1 Zugunsten einer lesefreundlichen Darstellung wird in der Regel die neutrale bzw. männliche Form verwendet. Diese gilt für alle Geschlechtsformen (weiblich, männlich, divers). Bei Berufen, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden, wie z. B. psychotherapeutische Tätigkeiten, wird jedoch die weibliche Form verwendet.
Nachdem mein erstes Buch (»Die vielen Farben des Autismus«) nun bereits in der 6. Auflage erschienen ist, bat mich der Verlag, eine Fortsetzung zu schreiben, mit dem Schwerpunkt »Therapie«. Allerdings ist Autismus keine Krankheit und muss/kann daher auch nicht im klassischen Sinne therapiert werden! Wenn es also um Autismus und seine Variationen (Farben) geht, dann möchte ich das Wort »Therapie« lieber durch »Heil- oder Sonderpädagogik« ersetzen.
Die wirksamste »Therapie« ist meines Erachtens, dass Eltern (und andere wichtige Bezugspersonen) dazu angeleitet werden, Sonderpädagogen zu werden. Dies deshalb, weil die Erziehung eines Kindes mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) sich ganz wesentlich von der »normalen« Erziehung unterscheidet, welche nicht gelernt werden muss, sondern einfach dem gesunden Menschenverstand folgt. Wenn die Eltern sich in diesem Sinne zu Sonderpädagogen weiterbilden, dann können sie ihr Kind optimal unterstützen und viele unnötige Konflikte vermeiden.
Mit dem älter werden des betroffenen Kindes wird Sonderpädagogik aber schrittweise auch zu Selbsthilfe bzw. zu einem Lernprozess, wo Jugendliche und Erwachsene mit Autismus-Spektrum-Störungen lernen, mit ihren Besonderheiten umzugehen und sich hilfreiche Strategien anzueignen.
Autismus ist wie gesagt keine Krankheit, aber die dauernden Belastungen des Alltags und der damit verbundene Stress sind mit dem Risiko verbunden, Krankheiten zu entwickeln, sogenannte Komorbiditäten. Diese können psychischer, psychosomatischer oder rein körperlicher Natur sein. In solchen Fällen wird es tatsächlich notwendig, gezielt Fachpersonen einzubeziehen, welche eine solche Folgekrankheit behandeln können. Es wird sich dabei nicht um Autismus-Spezialisten handeln können, aber es ist von Vorteil, wenn man für die jeweilige Behandlung Psychotherapeutinnen bzw. Ärzte findet, welche über Vorerfahrung mit Autismus verfügen oder zumindest bereit sind, sich damit zu befassen.
Häufige Folgekrankheiten psychischer Natur sind: Angststörungen, Depressionen, Zwangsstörungen usw. Eine solche psychische Komorbidität liegt vor, wenn die entsprechende Symptomatik nicht nur vorübergehender Natur ist. Es kommt nämlich immer wieder vor, dass der Alltagsstress vorübergehend zu Symptomen, wie oben erwähnt, führt, dass sie aber während einer Phase von Entlastung und Erholung wieder abklingen.
Werden Angst, depressive Symptome oder Zwänge zu einem längerdauernden Problem mit einer entsprechenden Eigendynamik (Vermeidungsverhalten, Rückzug), dann ist tatsächlich psychotherapeutische Hilfe notwendig. Es ist nach wie vor schwierig, therapeutische Angebote zu finden, welche auf Autismus spezialisiert sind. Es sollte aber sichergestellt werden, dass der/die Betreffenden wenigstens die Bereitschaft zeigen, sich über Autismus zu informieren, um die damit verbundenen Besonderheiten besser zu verstehen.
Unter diese Kategorie fallen
1. chronische Magen-Darm-Beschwerden mit Bauchweh, Übelkeit, Durchfall oder Verstopfung,
2. chronische Kopfschmerzen,
3. Essstörungen bis zu Magersucht,
4. chronische Schlafstörungen.
Selbstverständlich müssen bei solchen psychosomatischen Beschwerden andere körperliche Ursachen abgeklärt und ausgeschlossen werden.
In diese Kategorie gehören so unterschiedliche Krankheiten wie: Epilepsie, Neurodermitis, Asthma, div. Allergien u. a.
Alle aufgezählten Komorbiditäten bedürfen in der Regel einer fachgerechten Behandlung/Therapie und machen den Einbezug entsprechender Fachkräfte notwendig. Es ist wie schon erwähnt wünschenswert, dass diese beigezogenen Fachpersonen Erfahrung im Umgang mit Autismus-Spektrum-Störungen haben.
Abgesehen von den oben erwähnten sogenannten Komorbiditäten sind aber, wie schon erwähnt, die Eltern des betroffenen Kindes die wichtigsten Akteure, an die sich dieses Buch in erster Linie richtet.
Viele Eltern eines autistischen Kindes machen wiederholt die Erfahrung, dass dessen herausforderndes Verhalten zu Hause deutlich stärker auftritt als andernorts. Dies führt nicht selten dazu, dass z. B. Lehrpersonen in der Schule es kaum glauben können, wenn die Eltern von den großen Schwierigkeiten zu Hause berichten. Denn oft steht dazu als Kontrast ein überangepasstes Verhalten in der Schule. Warum ist das so?
Es gibt zwar mehrere Faktoren, die hier eine Rolle spielen, aber der wichtigste ist der Faktor »Gefühle«. Die Beziehung zwischen Eltern und Kind ist in hohem Maße emotional geprägt und nirgendwo sonst gibt es eine solche Achterbahn von Freude, Liebe, Ärger, Frust, Wut usw., wie in der Familie. Das liegt in der menschlichen Natur und ist völlig in Ordnung.
Aber leider ist es so, dass Menschen mit einer autistischen Veranlagung mit eben diesen Gefühlen und deren Regulierung große Schwierigkeiten haben. Deshalb wird in diesem Buch großen Wert darauf gelegt, im erzieherischen Alltag starke Gefühle zu vermeiden, vor allem in Konfliktsituationen. Zudem werden auch nützliche Hilfsmittel vorgestellt, um bei Aufkommen von Stress und Wut Gegensteuer geben und sich selbst wie auch das Kind wieder beruhigen zu können. Nur in Ruhe haben erzieherische Bemühungen überhaupt eine Chance auf Erfolg.
Die in diesem Buch gesammelten »Gebrauchsanweisungen«, »Gesetze« und »Rezepte« stellen jene Instrumente dar, die es eben erlauben, nicht primär mit Emotionen zu erziehen, sondern mit einer »sachlichen« Vorgehensweise.
Um diese sachliche Vorgehensweise möglichst verständlich zu machen, ist mir der Vergleich zu unserem Rechtsstaat und dessen Bürgern eingefallen. Wenn wir Erwachsenen uns vorstellen, wie wir vom Staat und dessen Institutionen behandelt werden möchten, dann können wir als Analogie das autistische Kind nehmen, das so von den Eltern behandelt werden möchte: mit klaren Strukturen, klaren Gesetzen und Regeln – und selbstverständlich alles schriftlich-verbindlich, nachvollziehbar, und nicht willkürlich. Mehr dazu findet sich unter den Stichworten »Familien-Gesetzbuch«, »Familien-Rat« und »Familien-Geld« ( Grundsätzliches).
Dieses Buch soll so nahe wie möglich am Alltag der Betroffenen und ihren Familien ansetzen und Hilfen anbieten. Es hat deshalb eine ähnliche Struktur wie ein Kochbuch.
Es enthält »Rezepte«, »Gebrauchsanweisungen«, »Werkzeuge«, »Informationen«, »Gesetze« sowie »Übungen«. Alle diese unterschiedlichen Elemente kommen zu verschiedenen Themen zur Anwendung und sind inhaltlich nach Kapiteln gegliedert.
Es entspricht der Natur des »Kochbuches«, dass so weit wie möglich jedes Element auf einer einzigen Seite in sich geschlossen behandelt wird. Bei vielen Seiten kann es nämlich Sinn machen, diese herauszukopieren und im Alltag zu gebrauchen, wie Rezepte eben. Diese »Rezepte« und »Gebrauchsanweisungen« können aber auch über das Internet (Zusatzmaterial) heruntergeladen und durch die Betroffenen und deren Bezugspersonen verändert/individualisiert werden.
Es ist ein Buch, nicht zum Durchlesen von Anfang bis Ende, sondern für den Gebrauch im Alltag. Es kann an beliebiger Stelle aufgeschlagen und angewendet werden. Zur besseren Übersichtlichkeit werden die verschiedenen Elemente mit Piktogrammen an der Seite klar gekennzeichnet.
Es ist zudem möglich, »Rezepte« nicht in gedruckter Form zu gebrauchen, sondern mithilfe eines Tablets oder Smartphones. Die Benutzung dieser mobilen elektronischen Hilfsmittel ist allerdings nicht »obligat«, sondern es sind die Betroffenen und ihre Familien, welche darüber entscheiden, ob sie lieber mit Papier oder mit Bildschirm arbeiten. Aber es ist natürlich kein Geheimnis, dass gerade ASS-Betroffene durch den Einbezug elektronischer Hilfsmittel profitieren und zu besserer Mitarbeit gewonnen werden können.