Joscha Remus

Lesereise Berlin

Joscha Remus

Lesereise Berlin

Der Lichtertanz am Mauerpark

Picus Verlag Wien

Copyright © 2013 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien
Alle Rechte vorbehalten
Grafische Gestaltung: Dorothea Löcker, Wien
Umschlagabbildung: © Michael Krause
Datenkonvertierung E-Book: Nakadake, Wien
ISBN 978-3-7117-5178-2
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt

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www.picus.at

Inhalt

Wahre Größe - Irritationen und Glücksgefühle in der Hauptstadt

Wo das wilde Herz Berlins schlägt – Von Kuppelhunden und anderen Flirtbeschleunigern

Der Lichtertanz am Mauerpark – Berliner Freiflächen und einleuchtende Transformationen

Floßfahrt mit Gemüseschlacht – Besinnung und Kampf in der Wasserstadt Berlin

Menschen und ihre süßen Hintergründe – Über Schubladen, Stereotype und Klischees

Stullenträume, Edeldöner und Goldwürste – Kulinarische Streifzüge

Der Prinzessinnengarten – Wo Berlins wilde Träume wuchern

Die Ganze Wahrheit – Meschugge-Partys unterm Davidstern

Hejo in Kreuzkölln – Brasilianische Träume und der Karneval der Kulturen

Wien, Berlin und Schwabylon – Neulich am Helmholtz- und am Kollwitzplatz

Bei Wilhelm Busch im Bunkerkeller – Im Bauch des Tempelhofer Feldes

Ein russischer Bergführer in Berlin – Erkenntnisreiche Exkursionen in Charlottengrad

Lang lebe die Berliner Mauer – Freiheitsträume, Fluchtgedanken und die längste Open-Air-Galerie der Welt

Der Pornostar am Bratwurststand – Berliner Biotope und Laboratorien der Lust

Die wunderbare Welt der Frau Findevogel – Vom Madenautomaten und Klingeltönen imitierenden Singvögeln

Schlemmen wie im Paläolithikum – Von wegen Höhlenkost und Steinzeitküche

Die Gedankenleser – Das Geheimnis des freien Willens und der verborgenen Stecknadel

Wahre Größe

Irritationen und Glücksgefühle in der Hauptstadt

»In einem kosmischen Maßstab ist Berlin vielleicht nicht groß und niemals wird es so groß sein, wie die Berliner es finden. Auf jeden Fall aber ist Berlin weiträumig.«

JAKOB HEIN,

Gebrauchsanweisung für Berlin

»Berlin ist heute keine sehr große Stadt. Es ist gemessen an seiner Einwohnerzahl eine enorm ausgedehnte Stadt.«

HANNS ZISCHLER,

Berlin ist zu groß für Berlin

»Berlin ist sehr weitläufig.«

TRIPADVISOR.DE

Erstens.

Hinweis: Der nachfolgende Text wurde an einem Tag geschrieben, an dem ich frühmorgens im Frühling in Berlin-Neukölln sämtliche Autoscheiben freikratzen musste. Gemütsverfassung: kritisch, aufgewühlt, außer mir.

Berlin soll also sehr weitläufig sein, sagt der Tripadvisor. Meinetwegen, denn wer Berlin erlaufen möchte, sollte wirklich eine ausgezeichnete Kondition besitzen.

Berlin ist nicht groß, aber weiträumig? Lieber Jakob Hein, so etwas sagt man allenfalls von Wohnungen. Aber selbst da klingt es meist nach verstecktem Spott: »Also groß ist dein Wohnzimmer ja wahrlich nicht, aber weiträumig könnte man sagen.«

Und enorm ausgedehnt? Wenn einer der größten Kenner Berlins, der Schauspieler, Regisseur, Fotograf und Publizist Hanns Zischler, in seinem Buch »Berlin ist zu groß für Berlin« gleich in der Einleitung betont, die Stadt sei zwar keine sehr große, aber »gemessen an seiner Einwohnerzahl eine enorm ausgedehnte Stadt«, dann kann ich dem absolut nicht zustimmen. Allerdings ist dies die einzige Einschätzung, der ich in Zischlers sehr lesenswertem Buch widersprechen möchte.

Ich bin völlig irritiert, wie viele Autoren immer wieder in ihren Büchern über die Hauptstadt betonen, Berlin sei zwar nicht sehr groß, aber eben sehr weitläufig, weiträumig und ausgedehnt. In vielen Synonymwörterbüchern macht die Verwendung dieser Begriffe keinen großen Unterschied und man fragt sich unweigerlich: Was bringt die werten Kollegen, ausnahmslos Männer, zu dieser seltsamen Einschätzung?

Wer wie ich die letzten Winter in Neuseeland und Australien verbracht hat und wer sehen möchte, wie eine wirklich ausgedehnte Stadt aussieht, sollte mit dem Auto einmal durch Sydney fahren. Obwohl die Stadt Sydney nur etwa eine Million Einwohner mehr als Berlin zählt, besitzt die australische Metropole mit über tausendsechshundertsechzig Quadratkilometern eine beinahe doppelt so große Fläche wie die deutsche Hauptstadt. Wobei man bedenken sollte, dass der angrenzende Pazifik im Osten die Stadt Sydney noch einmal einer großen potenziellen Ausdehnungsfläche beraubt. Und selbst Wellington, die Hauptstadt Neuseelands, hat zwar nur ein Zehntel der Einwohnerzahl Berlins, aber mit einer Fläche von vierhundertvierundvierzig Quadratkilometern immerhin fast die Hälfte seiner Ausdehnung.

Berlin, die flächenmäßig größte deutsche Stadt, ist also, gemessen an anderen Metropolen, nicht etwa so übermäßig groß, dass man dies mit »enorm ausgedehnt« zum Ausdruck bringen müsste. Aber Berlin hat stellenweise immer noch einen sehr ländlichen Charakter, besteht zu einem Drittel aus Wäldern und aus zahlreichen Flüssen, Seen und Kanälen. Das ist für mich die größte Überraschung, die Berlin nichts ahnenden Besuchern heute zu bieten hat. Aber wer von ihnen durchstreift schon den riesigen Grunewald, und welcher der Gäste segelt gar auf dem Wannsee oder begibt sich auf ein Floß am Müggelsee, um Berlins enorme Wasserwelten zu bestaunen?

Berlin macht auf viele Besucher den Eindruck des »ewig Provisorischen«, wie der Schriftsteller und Lyriker Rudolf Borchardt es ausdrückte. Eine Stadt des immerwährenden Wandels, deren Wunden man noch bis in die neunziger Jahre an den Einschusslöchern in den Häuserfassaden ablesen konnte. Eine stark zerstörte Stadt, deren Vergangenheit sich heute noch an den zahlreichen Freiflächen ablesen lässt und vor allem an den Trümmerbergen ablesen ließe, wenn man diese denn im Stadtbild so ohne Weiteres erkennen könnte.

Ich möchte erneut Hanns Zischler zitieren, der völlig zu Recht behauptet, Groß-Berlin sei »immer auch eine Illusion« gewesen und »eine Fata Morgana über märkischem Sand und Sumpf«. Erst durch die Trockenlegung zahlreicher Sümpfe, die industrielle Befestigung, erst durch die Kanalisierung, die Landnahme durch Dämme und Brücken ließ sich das frühere, das wilde Berlin halbwegs bändigen und zähmen. Heute staunen die Besucher Berlins über eine der grünsten und wasserreichsten Städte Europas.

Wer von Berlin aber als einer enorm ausgedehnten Stadt sprechen möchte, sollte nie vergessen, dass hier zahlreiche Dörfer zu einem Ballungsraum zwangsvereinigt wurden, was insbesondere einige Spandauer den Restberlinern heute noch übel nehmen. Eine erste Orientierung, aus wie vielen Dörfer Berlin einst entstanden ist, könnte die Zahl der etwa fünfzig Dorfkirchen geben, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. Wilmersdorf, Reinickendorf, Schmargendorf, Zehlendorf, Hellersdorf, Mariendorf: Die Namen einiger Bezirke und Ortsteile verleugnen den dörflichen Ursprung der Metropole nicht.

Es könnte aber auch sein, dass das Erscheinungsbild Berlins als einer enorm ausgedehnten Stadt an den unzähligen Baustellen und den damit verbundenen Wartezeiten liegt. Denn nicht nur Straßenbenutzer, sondern auch Fahrgäste der Berliner U-Bahn und, Stichwort »Hauptstadtflughafen«, Freunde der Luftwege wissen, dass man aufgrund einer baulichen Maßnahme an irgendeiner Straßenkreuzung oder in irgendeinem U-Bahn-Schacht in Berlin auch immer etwas Reservezeit mit im Gepäck haben sollte. In diesem Zusammenhang könnte man von Berlin durchaus als einer ausgedehnten Stadt sprechen. Von einer Stadt, in der es jederzeit zu einer ausgedehnten Zwangspause kommen kann. Eines der schönsten Dinge, die man in solchen langen Berliner Zwangspausen dabeihaben kann, ist übrigens ein gutes Buch.

Zweitens.

Sie dürfen raten, in welcher Verfassung ich den nachfolgenden Text geschrieben habe.

Nach einer einstündigen Massage und einem Aufenthalt in einem sogenannten Schwebebad fahre ich mit Genuss im Taxi durch Berlin zu einem Interviewpartner. Ich fahre Taxi, weil mein Auto vor einer Woche seinen Geist aufgegeben hat und ich so nun endlich einmal die Aussicht auf die City Berlins entspannt genießen kann. Die Frühlingssonne scheint mir ins Gesicht, heute Nachmittag bin ich bei Freunden auf eine Grillparty eingeladen. Im Radio läuft »Walk on the Wild Side« von Lou Reed und der Taxifahrer plaudert über das schöne Wetter und seine Kinder. Mit einem Schmunzeln sehe ich den frisch verliebten Frühlingspaaren zu, die im Rausch des Boogie Woogie ihrer Hormone noch nicht einmal die fluchenden Autofahrer bemerken, denen die sich küssenden und eng umschlungenen Paare viel zu langsam über die Straße gehen. Völlig verblüfft stelle ich einige Stunden später am Schreibtisch bei der Arbeit fest, dass ich während der gesamten langen Taxifahrt keine einzige der auf dem langen Weg liegenden Baustellen Berlins bemerkt hatte. Keine einzige! Und auf der Strecke, das ergab die Recherche, lagen so einige Baustellen. Ergo: Mit einem frischen Frühlingskopf voll Sonnenschein und einem ausgewogenen Mix der Hormone sieht man in Berlin keine Baustellen mehr. Und noch etwas: Plötzlich störte mich auch rein gar nichts mehr an dem Gedanken, Berlin sei eine sehr ausgedehnte Stadt. An Tagen wie diesem erscheint mir Berlin eine der ausgedehntesten Städte überhaupt zu sein. Wunderschön ausgedehnt. Ganz bezaubernd ausgedehnt. Verzeihung also, lieber Jakob Hein, natürlich ist Berlin weiträumig, an guten Tagen sogar ausgesprochen weiträumig, und Verzeihung auch, lieber Hanns Zischler. Meine vorherige Bewertung ist allein dem winzigen Moment morgendlichen Missmuts zu verdanken, der entstehen kann, wenn man zur allerschönsten Frühlingszeit in Berlin einen Termin am Ende der Stadt hat und vorher noch Autoscheiben freikratzen muss. Es braucht andererseits nicht viel, um Berlin in eine der weltweit schönsten Städte zu verwandeln.

Etwas Sonne, einen blauen Himmel, der sich in der Spree spiegeln kann, einen angenehmen Hormonspiegel eben, einen guten Wein, einen netten Taxifahrer, eine schöne Musik im Ohr oder einfach ein Lächeln – und schon ist die Stadt herrlich entspannt und groß und ausgedehnt. Sehr, sehr ausgedehnt.

Wo das wilde Herz Berlins schlägt

Von Kuppelhunden und anderen Flirtbeschleunigern

Es gibt Säugetierpopulationen, die, zumindest zeitweise, eng auf dichtestem Raum zusammenleben können. Wie Sabine, ihr Hund Gromit und ich beispielsweise. Am Tag, als ich Sabine auf jener Gartenbank in der konspirativen Berliner Kleingartensiedlung von Tanja und Thomas zum allerersten Mal recht nahe kam, lag ihr Terrier Gromit bereits eine halbe Stunde tiefenentspannt auf meinem Schoß und wurde von mir mit den kunstvollsten Massagetechniken verwöhnt, die eine in Shiatsu ausgebildete Therapeutenhand einem flauschigen Hunderücken nur zukommen lassen kann, als die rechts dicht an mich gedrängte Sabine fragte:

»Was hat mein Hund eigentlich, was ich nicht habe?«

Aus flirttechnischen Gründen sei nun eindringlich davor gewarnt, bei einer solchen Frage die offensichtliche biologische Wahrheit der bei einem Hund, selbst bei einem Rüden, bäuchlings ausgeprägten Säugetiermilchleisten und die Vielzahl ihrer drüsenartigen Auswüchse ins Spiel zu bringen.

Vielmehr sollte eine frei verfügbare Hand dem weiblichen Nacken nun mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit und Sorgfalt angedeihen lassen, wie es zuvor beim Hunderücken der Fall war, wobei sich natürlich bald herausstellen mag, dass es eklatante Unterschiede zwischen einem völlig myogelose- und hartspannfreien Hunderücken und dem verspannten Nackenbereich eines hart arbeitenden menschlichen Weibchens geben kann.

Wie auch immer. Dank der reizenden Fähigkeit des kleinen Glatthaarterriers Gromit, dem ich fortan gerne den Ehrentitel Kuppelhund verliehen habe, und den erstaunlichen Gedächtnisleistungen meiner rechten Hand, kulminierte diese erste Massagesession in einem zarten ersten Kuss. Der aufmerksamen Hundebesitzerin Sabine R. war allerdings nicht entgangen, mit welcher Inbrunst ich vorab das Fell ihres Hundes Gromit bearbeitet hatte, was später zu der durchaus berechtigten Frage führte: »Könnte es sein, dass du eigentlich nur meinen Hund kennenlernen wolltest?«

Tja. Berliner lieben Tiere. Und Tiere lieben Berlin. Der gewöhnliche Kuppelhund kommt in Berlin vor allem im Frühjahr zum Einsatz. Der Frühling ist eine Zeit, in der sich nicht nur die Leinen von professionellen Dogsittern am Grunewaldsee auf mysteriöse Art mit denen attraktiver Kolleginnen verheddern. Auch Hundeausführ-Amateuren gelingt es im Frühling in den Fußgängerzonen der Stadt und auf Berlins Bürgersteigen auf besonders elegante Weise, miteinander ins Gespräch zu kommen oder, wie es Sabine so schön formulierte, anzudoggen. Es soll sogar bereits Workshops geben, in denen man die hohe Kunst des geschickten Anbandelns mittels Hundeleinen und Hunden erlernen kann, und auch einen Berliner Laden, der gut ausgebildete Kuppelhunde stundenweise verleiht. Die dafür trainierten Vierbeiner müssen als Charaktereigenschaften vor allem Fröhlichkeit und Kontaktfreudigkeit mitbringen, die es dann in den antrainierten Varianten dezent bis aufdringlich gibt. Wie mir ein Berliner Kuppelhundeverleiher bestätigte, gibt es durch die Vermittlung von guten Kuppelhunden in Berlin durchaus überraschende Paarbildungen, wie einige Hochzeitsfotos in seinem Büro bezeugen sollen.

Kein Wunder, dass Berlin dank solcher Ideen als Europas verrückteste und durchgeknallteste Flirthauptstadt gilt, wurden doch hier Deutschlands erste Pheromon-Partys veranstaltet, zu denen die Teilnehmer ihre verschwitzten T-Shirts mitbringen oder mit verbundenen Augen und tief in der verschwitzten Achselhöhle vergrabener Nase den »Kann-ich-dich-riechen-Test« machen.

Beim in Berlin erfundenen Silent Dating hat es übrigens wiederum Vorteile, ein Haustier zu besitzen, da man diese Variante des Kennenlernens wunderbar, beispielsweise mit einem Hund, einüben kann. Beim Silent Dating wird, wie der Begriff schon erahnen lässt, nicht gesprochen. Man sitzt schweigend an einem Tisch, blickt seinem Gegenüber nur tief in die Augen oder den Ausschnitt und entscheidet sich dann, später, nur aufgrund der Mimik, für einen Partner.

Auch das Gen-Dating wurde meines Wissens, zumindest was Deutschland betrifft, zuerst in Berlin erprobt. Ein Verfahren, bei dem man seinen Traumpartner per Genanalyse findet. Und natürlich haben auch die Date-My-Dog-Partys gerade in der Hauptstadt einen riesigen Erfolg. Frauchen und Herrchen blicken sich in tierfreundlichen Locations bei einem Glas Wein noch tief in die Augen, während die mit klassischen Berliner Namen ausgestatteten Hunde Stulle und Bärchen sich unter dem Tisch längst beim animalischen Speed Dating wild hechelnd übereinander hergemacht haben. Auf der dazugehörigen Website www.date­mydog.de kann man sich das lästige Weintrinken gleich ganz ersparen, wie mir ein Berliner Hundefreund erzählte. Da sich viele Singles auf dieser Dating-Website nicht mit eigenem Bild präsentieren, sondern damit zufriedengeben, von einem Mopsgesicht repräsentiert zu werden, kann man sich den Spaß machen und versuchen, aufgrund dieses Mopsgesicht-Platzhalters auf die Physiognomie des Besitzers zu schließen, was durchaus zu manchen Überraschungen führen mag.

Was Hundebesitzern in Berlin übrigens mit sich verheddernden Hundeleinen mühelos gelingt, schaffte die aus Kiew stammende Berliner Schriftstellerin und Publizistin Katja Petrowskaja am Prenzlauer Berg mit einem Esel. Einem Drahtesel allerdings. Zu unserem Treffen im neuseeländischen Café The Dairy kam sie beschwingt auf dem Fahrrad ihrer Tochter angeradelt. Da sie als Kind im bergigen Kiew jedoch keine Gelegenheit hatte, das Fahrradfahren zu erlernen, trat sie als erwachsene Frau zu ihren allerersten Fahrübungen ausgerechnet auf dem Prenzlauer Berg an. Wie sie mir versicherte, lernt man auf diese Weise als ungeübte Fahrerin, so man denn tagsüber und auf den Bürgersteigen Berlins fährt, sehr viele hilfsbereite Männer kennen. Ich hatte bei ihren Ausführungen das Bild einer vermeintlich klassischen ukrainischen Frauenstrategie im Kopf und sah vor mir, wie sich eine radelnde Katja Petrowskaja auf den Bürgersteigen rund um den Helmholtzplatz immer wieder in starke, sie stützende Männerhände fallen lässt. Doch Katja versicherte mir, sie habe das unsichere Fahrradfahren niemals bewusst strategisch eingesetzt, zumal sie ja zu dem damaligen Zeitpunkt auch ihren Mann bereits kennengelernt hatte. Grundsätzlich, so Katja Petrowskaja, wäre die Ungeübte-Fahrerin-auf-einem-Drahtesel-Strategie allerdings auch in diesen modernen Zeiten, trotz Kuppelhunden, Gen-Dating, Silent Dating und Pheromon-Partys eine durchaus erfolgversprechende Möglichkeit, mit einem Berliner oder einer Berlinerin anzubandeln. Aber eben auch aus kosmopolitischer Sicht interessant, um einen Russen, einen Spanier, einen Engländer, einen Neuseeländer oder einen Türken kennenzulernen. Zudem halte Fahrradfahren schlank.

Der Lichtertanz am Mauerpark

Berliner Freiflächen und einleuchtende Transformationen