Meine Welt versank im Chaos. Sämtliche Hexer im Rathaus wurden kopflos und panisch, folglich mischte die Magie auch noch kräftig mit. Damit meine ich herumfliegende Heftklammern, die wie Dartpfeile durch die Luft schossen und in der Wand stecken blieben. Blätterstapel, die sich zu einem kleinen Orkan formierten und durch die Gänge fegten. Textmarker, die wie Zinnsoldaten auf meinem Schreibtisch von rechts nach links stolzierten, und Büroklammern, die eine kleine Polonaise veranstalteten. Wie eh und je machte die Magie diesen ohnehin bereits konfusen Tag vollkommen irre.
Ich seufzte tief und versuchte, in all den herumfliegenden Blättern mein Druckerpapier zu finden. Zu guter Letzt rief der Bürgermeister alle im Rathaus zur Raison – oder besser gesagt: Er versuchte es. Was immer er durch den Lautsprecher sagte, wurde durch Lambadamusik übertönt. Meine Büroklammern und Textmarker gaben daraufhin alles.
Die Durchsage brachte wenigstens so viel, dass die Hexer erstarrten und tief durchatmeten. Augenblicklich hatte das auch Auswirkungen auf die Magie. Mein Schreibtisch wurde weiterhin als Tanzparkett missbraucht, aber immerhin beruhigten sich die Blätterstürme, sodass ich Nik im Türrahmen sehen konnte.
Hatte ich erwähnt, dass er noch immer zu Hause bei Mutti wohnte? Ein sorgsam gehütetes Geheimnis, das ich aber leider bei seinem Auftauchen nur allzu deutlich erkennen konnte. Ich hätte das lieber nicht gewusst, denn ob Nik ein Muttersöhnchen war oder nicht, tat nichts zur Sache. Er war ein unbequemer Vorgesetzter, den man nicht unterschätzen sollte.
»Prim«, bellte er mich wie gewohnt harsch an. »Bekomm deinen Schreibtisch unter Kontrolle und geh durch, was die FFF dir gleich schicken.«
Ich spürte Neid und Missgunst wie eine dunkle Wolke auf mich zufliegen. Nik hasste es, dass er keinen magiegebundenen Namen und keine Gabe in die Wiege gelegt bekommen hatte. Dadurch galt er nicht für alle als etwas Besonderes. Wenn es mir möglich gewesen wäre, hätte ich ihm meine »Gabe« liebend gerne geschenkt. Die war eher nervtötend als hilfreich.
Ich antwortete ihm gar nicht erst, weil die Mail der FFF eintrudelte. Nur mit Mühe unterdrückte ich einen leisen Pfiff. Was hier stand, war richtig spannendes und geheimes Zeugs.
Das Leben des geheimnisvollen Liam Amun auf dem Silbertablett. Als Erstes sah ich das falsche Geburtsdatum. Die Kröte hatten sie also geschluckt. Mein Glück. Sonst wäre ich sicherlich bereits abberufen worden. Normalerweise setzte meine Magiegabe bereits bei Geburtsdaten ein. Dass es hier nicht passierte, war ein klares Zeichen dafür, dass damit etwas nicht stimmte.
Liam. Seine magische Hexenzahl war die Acht. Meine die Sechs. Ich seufzte tief. Ausgerechnet. Mein Geburtsdatum: 08.06. Wenn ich noch einen Beweis gebraucht hatte, war es dieser hier. Aber wie passte das falsche Datum ins Bild? Und warum war Liam nicht bei meinem ersten Hexenfluch aufgeflogen? Es hätte funktionieren müssen. Hätte …
Nur mit Mühe konzentrierte ich mich auf meine Arbeit. Das Themenblatt war extra für mich geschrieben worden. Mit ganz vielen Fotos und wenigen Fakten, dafür mit jeder Menge Namen.
Name der Mutter: Leonore. Übersetzt hieß das so was wie Mitleiden. Ein eher trauriger Name. Dahinter das Geburtsdatum und der Geburtsort. Die Magie regte sich träge, spuckte aber nur ein trübes Bild aus. Grau. Müde. Ignoranz. Der Schluss lag nahe, dass Leonore ein waschechter Mensch war, der obendrein noch ein handfestes Problem mit Depressionen hatte. Ich notierte rasch die Information und wandte mich dem Vater zu.
Oha. Seine strenge Visage in Verbindung mit den kalt blickenden Augen und seinem Namen ließen mir die Haare zu Berge stehen. Ted. Der Gott. Oder auch: der Besitz. Auch er war ein Mensch, daher konnte ich nicht allzu viel erkennen, aber das Bild war eisig. Ein Mann, der wusste, was er wollte. Mit einem Hang zur Grausamkeit. Kälte. Sowohl Gefühlskälte als auch … Ja, der Typ hatte was Gruseliges und Verschlagenes an sich.
Ich notierte auch das in ausschmückender Form. Die Weisheit »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm« hatte wirklich einen wahren Kern. Egal, wie sehr man sich bemühte: Man war zumindest ansatzweise ein Produkt seiner Eltern. Wer in so einem kalten Haushalt aufgewachsen war, der konnte nicht richtig ticken. Liam hatte noch nicht einmal Geschwister, sodass er die volle Aufmerksamkeit seiner Eltern »genießen« konnte. Ich hatte eine vage Vorstellung davon, wie das gewesen sein musste. Gruselig.
Ich atmete tief durch, bevor ich mir das nächste Blatt ansah. Aus dem Augenwinkel hatte ich bemerkt, dass die darauf abgebildeten Fotos meinen Hexenjäger in vielen verschiedenen Posen zeigten. Selbstverständlich war ich neugierig auf ihn. Ich platzte quasi vor Spannung. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass ein Blick darauf mein Leben auf den Kopf stellen würde.
Bisher war ich die magiegebundene Hexe ohne Zwilling gewesen. Die Skurrilität. Wobei es in schöner Regelmäßigkeit vorkam, dass jemand wie ich seinen Zwilling partout nicht finden konnte. Nun war es aber so weit, das fehlende Puzzlestück an den Platz zu rücken. Vielleicht kam ich mir danach nicht mehr ganz so wie ein leckgeschlagenes Ruderboot auf dem sturmgepeitschten Meer vor.
Ein Bleistift tanzte auf dem Papier und zog wilde Kringel hinter sich her. Um seine Mitte hatte er das Gummiband eines Schnellhefters geschlungen und spielte damit Hula-Hoop.
Ich schnipste ihn genervt zur Seite. Zeit, mich meiner Zukunft zu stellen. Also sah ich nach unten.
Liam hatte ein ziemlich kantiges Gesicht. Wäre er mir auf der Straße begegnet, hätte ich vermutlich die Seite gewechselt. Irgendwie hatte er eine unheimliche Aura. Fast unfreundlich, aber auch geheimnisvoll, dominierend.
Meine Gabe sprang an, aber nur ein klein wenig. Zielstrebig war er. Pessimist. Kein Familienmensch. Das war nicht weiter überraschend, jedenfalls nicht bei seiner Familie. Auch dass ich nicht viel sah, beunruhigte mich nicht. Menschen oder Hexer, die mir sehr nahestanden, blieben weitestgehend von meiner Magie verschont. Dabei handelte es sich meiner Meinung nach um einen Schutzmechanismus, weil ich sonst gar nicht normal hätte leben können. In gewissen Bereichen zeigte die Magie ein wenig Toleranz. Manchmal.
Ich notierte die wenigen Sätze und erfand noch Kleinigkeiten dazu. Die FFF wussten ziemlich genau, wie meine Gabe funktionierte. Fand ich zu wenig heraus, würden sie noch misstrauisch werden. Nicht auszudenken.
Die nächsten Bilder. Sie zeigten Liam mal in Großaufnahme, mal aus der Ferne. Schnappschüsse. Eindeutig hatten die FFF schnell reagiert und so viel Informationen wie möglich aus dem Internet gezogen. Er war auf jeden Fall ziemlich groß. Ein Meter neunzig oder so. Dem Anschein nach war er eine Zeit lang beim Militär gewesen, denn einige Fotos zeigten ihn in Uniform. Diesmal pfiff ich laut. Er sah heiß aus. Heiß und unheimlich. Ein Schrank von einem Mann. Muskelbepackt und finster. Das lag auch daran, dass er auf keinem einzigen Foto lächelte oder sonst eine Gefühlsregung zeigte. Na, super.
»Was ist mit dir geschehen?«, murmelte ich vor mich hin und musterte die Fotos. Zwischen seiner Militärzeit und heute war einige Zeit vergangen. Er sah heute schmaler aus. Ich musste zugeben, dass er mir so viel besser gefiel. Auf diese Weise wirkte er nicht mehr wie der hirnlose Muskelprotz aus dem Fitnessstudio. Ernster und reifer. Gefährlicher. Auf vielen Fotos trug er einen schicken Anzug – mit Krawatte, teilweise sogar mit Einstecktuch. Trotzdem glaubte ich keine Sekunde, dass er zum Schreibtischhengst mutiert war. Dieser Mann war jemand, der sich direkt in die Schusslinie begab.
Ein Jäger.
Bei der Erkenntnis raufte ich mir meine kurzen Haare. Das konnte doch echt nicht wahr sein! Hexenzwillinge waren sich vom Charakter her immer ähnlich. Immer! Ein miesepetriger Hexer bekam einen miesepetrigen Menschenzwilling. Das war ein verdammtes magisches Gesetz! Lustig zu lustig, fies zu fies, gruselig zu gruselig. Fertig. Das ging auch gar nicht anders, denn die Magie streifte beide im Moment ihrer Geburt, verband sie miteinander, gab ihnen gleiche oder mindestens ähnliche Gaben, Talente und Gefühle mit auf den Weg.
Dieser Typ hier war aber so ziemlich das absolute Gegenteil von mir. Okay. Ich war auch mehr Schein als Sein, aber das musste hier ja niemand wissen. Auf den ersten Blick wirkte ich flippig, niedlich und total … nett. Wer mich näher kannte, wusste, dass das nicht unbedingt der Fall sein musste, aber von miesepetrig, düster und fies war ich meilenweit entfernt. Äonen!
Ich starrte eine Weile seinen Namen an. Liam. Ich mochte den Klang. Namen mit »L« am Anfang fand ich generell hübsch. Das »M« machte ihn etwas sperriger. Ungewöhnlich. Ja, der Name war magiegegeben, denn er passte so gar nicht zum Charakter seiner Eltern. Ich ging davon aus, dass sie sich bis heute fragen, was am Tag seiner Geburt geschehen sein mochte oder warum sie auf die verrückte Idee gekommen waren, ihren Sohn so zu nennen. Oder war er doch adoptiert?
Ich notierte das als Möglichkeit am Rand, sah danach aber von Vater zu Sohn. Hmmm. Vom Aussehen könnten sie verwandt sein. Die Aura passte nur bedingt, doch das war schwierig einzuschätzen. Liam blieb weiterhin verborgen.
Doch nein! Ein flimmerndes Bild erschien wie im Nebel. Ein hässliches, riesiges Haus. Da war er aufgewachsen. Die Adresse sah ich praktischerweise ebenfalls und schrieb sie auf. Ein Blick aufs Papier zeigte mir, dass die FFF das längst wussten. Daraufhin veränderte sich das Bild, verschwamm, wurde zu etwas anderem. Ich sah ein Café. Sehr gemütlich. Drei Papageien turnten gut gelaunt in einem Käfig in der Ecke herum, bunte Kuchen warteten in einer Vitrine auf hungrige Mäuler und auf den kleinen Tischchen mit den schneeweißen Häkeldeckchen standen in bunten Vasen lilafarbene Gerbera. Er saß in der Ecke. Liam.
Ich wusste instinktiv, wo das Café war, doch diesmal notierte ich die Adresse nicht.
Ein Knall schreckte mich auf. Nik stand an der offenen Tür. »Bist du fertig?«, fragte er. »Die FFF drängeln und der Kanzler nervt, vom Bürgermeister ganz zu schweigen. Und nur zu deiner Information: Überall auf der Welt analysieren Hexer mit deinen Fähigkeiten genau die gleichen Bilder. Also mach das ordentlich, sonst wird es peinlich für uns!«
Nik. Stets ein echter Motivator.
Ich hätte ihm um ein Haar die Zunge herausgestreckt, allerdings kam er bereits in mein Zimmer, riss mir meine Notizen aus der Hand und verschwand. Ich sah ihm reglos hinterher. Das Café. Liam ging dort regelmäßig hin. Sein Rückzugsort. Jeden Morgen, wenn ich nicht irrte. So bunt und alt und schräg, wie es aussah, passte es so gar nicht zu seiner Persönlichkeit. Aber vielleicht mochte er es deswegen so gerne?
Ich schrieb die Adresse auf einen winzig kleinen Zettel und versteckte ihn tief in meiner Jackentasche. Keine Sekunde zu früh, denn Nik kam erneut reingestürmt.
»Es gab die ersten Verhaftungen«, rief er hysterisch. »Die haben den Kanzler mitgenommen!«
Mir klappte die Kinnlade nach unten. Den Kanzler? Nicht, dass ich ihn persönlich kannte, aber woher zum Teufel wussten die denn, wer der Kanzler war? Woher wussten sie generell von der Hexenwelt? All die Jahre hatte die Magie uns gut versteckt. Egal, was schiefgegangen war, sie hatte geholfen, alles zu vertuschen. Inzwischen waren wir wohl in Ungnade gefallen.
Nik hatte bereits den Fernseher laut gestellt und starrte mit aschfahlem Gesicht auf das flimmernde Bild. Es lief eine Wiederholung einer weiteren Pressekonferenz, die ich wegen meiner Analyse verpasst hatte. Ich hätte viel darum gegeben, in meiner heilen Welt zu bleiben.
»Wir gehen davon aus, dass die meisten Hexer friedlich sind«, sagte Liam ruhig. »Dennoch werden wir jeden überprüfen. Es gibt für die normale Bevölkerung keinen Grund zur Beunruhigung. Die Hexenjägergilde hat alles im Griff. Wir werden die Verantwortlichen für die Missernten und Tornados finden und zur Rechenschaft ziehen, das verspreche ich.«
Ein Zwischenruf aus den Reihen der Pressevertreter. »Wie kommen Sie denn darauf, dass es Hexen unbestreitbar gibt?«
»Wir haben Magie wissenschaftlich nachweisen können. Sie existiert zweifellos. Seit Tausenden von Jahren. Sie atmen sie in diesen Sekunden ein, können sie aber nicht verwenden. Dazu sind nur Hexen oder Hexer in der Lage – oder Zauberer. Da gibt es in unseren Augen keinen Unterschied. Laut unseren Recherchen ist es auch deutlich schwieriger, mit der Magie umzugehen, als es Fernsehserien darstellen. Die Magie ist eher wie ein störrisches Kind, das man in eine Richtung schubsen kann, aber was es am Ende macht, sobald es sich frei fühlt, ist eine andere Sache. Nichtsdestotrotz: Wir müssen alle Hexer überprüfen.«
»Und wie finden Sie die?« Ich hätte den Pressemenschen für diese Frage knuddeln können, denn das interessierte mich brennend.
Liam lehnte sich kurz zurück, dachte über seine Antwort nach. Seine Aura verdunkelte sich kurz. Er wirkte verärgert über die Frage, hatte sie aber eindeutig auch erwartet.
»Wir können aus ermittlungstaktischen Gründen nichts Genaues dazu sagen. Es gibt verschiedene Methoden, die zuverlässig sind. Wir arbeiten seit zwanzig Jahren daran. Zunächst war es ein rein militärisches Projekt, mittlerweile wird es vom Staat gefördert und auch überwacht. Sie können sich sicher sein: Diejenigen, die wir festnehmen, sind auch wahrhaftig Hexer. Da gibt es keine Zweifel.«
»Aber wenn Hexer doch so gefährlich sind, wieso lassen sie sich einfach festnehmen? Das hab ich mich bereits bei der Hexenjagd im Mittelalter gefragt.«
»Wie zuvor erwähnt: Die Hexer können Magie nicht so konkret einsetzen, wie Sie es aus Filmen kennen. Das heißt aber nicht, dass wir sie einfach weiter unkontrolliert machen lassen, was sie wollen. Sie müssen staatlich überprüft werden. Es kann nicht sein, dass eine Bevölkerungsgruppe über solch eine Macht verfügt, ohne dass man ihnen auf die Finger schaut. Zum derzeitigen Zeitpunkt stufen wir sämtliche Hexer als Terroristen ein – so lange, bis das Gegenteil bewiesen wurde.«
Ein Raunen ging durch die Menge. Nik, der bislang einfach mitten im Raum gestanden hatte, ließ sich auf einem Stapel Zeitungen nieder. Die Nachricht hatte ihn eindeutig umgehauen. Auch ich musste schwer schlucken.
Jetzt hatten wir also eine waschechte Hexenjagd am Hals. Bislang hatte ich die Sache noch nicht ganz ernst genommen. Wie wollten die Hexenjäger uns denn erkennen? Von außen betrachtet wirkten wir wie ganz normale Menschen.
Nik drehte langsam den Kopf, sah mich an. »Wir haben ein echtes Problem«, sagte er düster.
Wie aufs Stichwort fing mein Hexenbändchen an zu leuchten. Nur schwach, aber es war zu sehen. Ich versuchte hastig, es unter meinen Ärmel zu schieben, doch Niks Adlerblick entging nichts.
»Musst du etwa hexen?«, fragte er scharf.
»Nö«, log ich ungeniert. Dass ich mich rausreden wollte, sah er mir an der Nasenspitze an. Die fing wie aufs Stichwort an zu jucken. Sobald ich hypernervös war oder dringend hexen musste, verriet sie mich.
Nik verengte die Augen zu Schlitzen und stand auf. Die Pressekonferenz war ohnehin zu Ende, Werbung flimmerte über den Bildschirm. Eine Frau warb für die buntesten Haarfarben. »Für mehr Farbe in Ihrem Leben – jeden Monat ein neuer Trend«, flötete sie. Pah. Haare färben hatte ich nicht nötig. Das erledigte die Magie für mich.
Das Bild verschwand. Nik hatte den Fernseher ausgeschaltet und die Hände in die Hüfte gestemmt. So sah er trotz seiner eins sechzig bedrohlich aus. »Hexen wie du bringen uns in genau solche Schwierigkeiten«, spie er empört. »Ihr habt mit eurer hohen Magiebegabung eine große Verantwortung. Ich verstehe einfach nicht, wie man sie mit Füßen treten kann. Insbesondere du, Primadonna, solltest das wissen.«
Autsch. Er hatte meinen vollen Magienamen ausgesprochen. Sofort raschelten die Zeitungsblätter vor Begeisterung. Die Bleistifte applaudierten ihm, indem sie wild gegeneinanderstießen.
Nik sah bezeichnend auf die tobende Fankurve auf meinem Schreibtisch. »Geh nach Hause und hex eine Runde«, sagte er streng. »Das ist ein Befehl. Wir schaffen den Rest auch ohne dich, denn so wichtig bist du nicht. Vor morgen Mittag will ich dich hier nicht mehr sehen. Und wehe, du kannst danach nicht mindestens fünf Zaubersprüche nachweisen! Die Magie spielt verrückt – und du bist eine der vielen, die daran schuld sind.«
Mit diesen Worten stapfte er wutschnaubend nach draußen. Ich sah ihm schweigend hinterher. Selig sind die, die mit dem Finger auf andere zeigen können. Nik hatte immerhin gut reden. Mit seiner mickrigen Magiebegabung musste er nur ein- oder zweimal im Jahr hexen, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Ich war mindestens einmal die Woche dran. Zumindest bekam ich dafür frei, denn im Rathaus zu hexen war zu gefährlich.
Leise vor mich hin fluchend packte ich meine Sachen zusammen, darunter meine Lieblingskaffeetasse, die ich niemals unbeaufsichtigt im Büro ließ. Nik war scharf auf sie. Vom Prinzip her war er auf alles von mir scharf.
Ich schloss meine Bürotür und hängte das verhasste Schildchen auf. »Bin hexen. Wünscht mir Glück«, stand darauf. Eine klare Warnung an alle, mich nur ja nicht zu stören, denn mit der Hexerei war überhaupt nicht zu spaßen.