Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe

© 2017 arsEdition GmbH, Friedrichstraße 9, 80801 München

Erstmals erschienen 2013 im Bloomsbury Verlag GmbH, Berlin, unter dem Titel »Achtung, Milchpiraten. Rache für Rosa!«

Alle Rechte vorbehalten

Text: Kai Lüftner

Titelbild und Innenillustrationen: Nina Dulleck

Umsetzung eBook: Zeilenwert GmbH

ISBN ebook 978-3-8458-2185-6

ISBN Printausgabe 978-3-8458-1287-8

www.arsedition.de

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Noch unglaublichere und viel haarsträubendere Abenteuergeschichten für Schreihälse, Nasebohrer, Dreckspatzen, Nicht-Stillsitzenkönner, Essen-Manscher, Wand-Beschmierer, Popel-Schnipser, Stühle-Kippler und Zahnlücken-Pfeifer – und alle anderen. Auch für Mädchen.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Noch unglaublichere und viel haarsträubendere Abenteuergeschichten für...

So was wie ein Vorwort

Aus dem Freibeuter-Handbuch von Obermilchpirat Matz

Aus den Zähneknirscher-Aufzeichnungen von Matz

Aus der Kaper-Kladde von Matz

Aus dem Logbuch von Matz dem Erpressbaren

Aus der brodelnden Blutbroschüre von Matz

Aus der großen Schiffbruch-Fibel von Matz

Aus der Fetzen-Kartei von Matz

Aus dem Tagebuch von Matz Peters

Über den Autor

Über die Illustratorin

Weitere Titel

Leseprobe zu "Drachenalarm auf meinem Teller"

Mitten in der Ostsee liegt die Insel Ping-Pong. Sie sieht aus wie ein großes Schweineohr. Also, wie das Gebäck, nicht wie ein echtes Schweineohr. Das wär ja noch schöner!

Dann kam der große Sturm. Ihr habt bestimmt von ihm gehört. Wenn nicht, dann wart ihr da einfach noch nicht auf der Welt. Aber eure Omis und Opis haben sicher vom großen Sturm gehört. Fragt sie mal.

Er war so heftig, dass die Fische der Ostsee sich unter Steinen versteckten, dass die Sonne sich drei Tage lang nicht hervortraute, dass die Wellen vor Angst schäumten und sich überschlugen und nach allem traten, was nicht Wasser war – und zwar so intensiv, dass die Insel Ping-Pong auseinanderbrach. Kracks! Genau in der Mitte. An der dünnen Stelle zwischen den Schweineohr-Rundungen. Kracks. Einfach so.

Also muss die Geschichte anders beginnen:

Mitten in der Ostsee liegen die zwei Inseln Ping und Pong. Sie sehen aus wie zwei Hälften eines großen Schweineohrs. Also, wie das Gebäck, nicht wie ein echtes Schweineohr. Das wär ja noch schöner!

In der Mitte, wo die Inseln mal zusammen waren, ist jeweils ein Sandstrand. Das Wasser zwischen beiden Inseln ist gerade so tief, dass man noch stehen kann. Auf jeden Fall dann, wenn man größer ist als eine durchschnittliche Orgelpfeife. Weit auseinander sind die beiden Ufer auch nicht. Man kann locker einen Stein von Ping nach Pong werfen. Oder eben von Pong nach Ping. Kommt darauf an, wo man steht. Aber egal wo man steht, Steine sollte man überhaupt nur werfen, wenn auf der anderen Seite keiner ist.

Nun aber genug von der Insel, Pardon, den Inseln. Kommen wir zu denen, die darauf leben. Da sind zum einen die Milchpiraten auf Pong, von denen wir im letzten Teil bereits so einiges erfahren haben. Und da ist zum anderen die MEDEL-Bande von Ping, von der wir diesmal endlich auch berichten wollen. So wie beim letzten Mal versprochen.

Außerdem geht es noch um solche Dinge wie Mut und Freundschaft und Vertrauen. Und ja, so peinlich das ist – auch um Liebe irgendwie …

»Parole?« Bruno trat vor das Gartentor und sein lang geübter böser Blick bröckelte ihm vom Gesicht wie alter Putz von einer Hauswand. Er wollte etwas sagen, aber da kam kein Wort. Nur was, das wie ein Straßenbahn-Quietschen klang. Zu allem Überfluss stolperte er nun auch noch ziemlich peinlich bei dem Versuch, sich cool und unbeeindruckt gegen den Eingangspfosten zu lehnen, und landete auf dem Hintern. Plumps! Autsch! Noch mal peinlich.

Er hatte Matz erwartet, aber vor ihm stand Swanni, Lewins kleine Schwester, und hielt ein Foto in die Höhe. Ein Foto, das sie auf der Milchpiraten-Party letzte Woche geknipst hatte. Ein Foto, das er nie im Leben hatte sehen wollen. Ein Foto, das es einfach nicht geben durfte. Aber es war da. In der Hand dieses schrecklichen kleinen Mädchens.

Er sah sich selbst darauf. Fast heulend vor dem brennenden Liegestuhl seines Papas. Mit einem Horn auf der Stirn. Im Hintergrund erkannte man Matz und Tetje, wie sie panisch in die Kamera glotzten.

Noch bevor Bruno sich von dem Anblick erholen konnte, entdeckte er fast die komplette MEDEL-Bande von Ping hinter Swanni: Maja, die Anführerin mit den blauschwarzen Haaren. Emma, das schönste Mädchen der ganzen Schule. Und Dana, die Sportskanone, die schneller rennen konnte als die meisten Jungs. Und alle grinsten ein echtes Horrorfilm-Grinsen.

Verfluchte Axt!, dachte Bruno und fühlte sich wie der Muskeltyp aus »Bäng, Bäng, Bummeräng«, als der von einem Hausdach in einen winzigen Pool springen musste, um den schwarz maskierten Gangstern zu entkommen.

Brunos extrem gefährliche Karate-Schläge bremsten sich selbst, noch bevor er sie ausführen konnte. Alles an ihm bremste. Vor allem sein Gehirn. Er sah dadurch etwa wie auf dem Foto aus, das Swanni immer noch hochhielt und nun schwenkte wie einen Hauptgewinn. – Und es war ein Hauptgewinn. Es war der verdammte Joker!

Bruno konnte, auf dem Hosenboden sitzend, sehen, wie Dana schnippisch den Mund verzog, wie Maja ihn durch ihren blauschwarzen Pony angrinste, als ob sie ihn zum Nachtisch fressen wollte, und wie sich die wunderschöne Emma eine strohblonde Locke um den Finger wickelte und sie wieder abrollen ließ, sodass es beinahe zischte. Jede einzelne Sommersprosse in ihrem Gesicht konnte er erkennen.

Und er konnte Swanni sehen, ihre vor Aufregung knallroten Wangen schienen beinahe zu glühen. Ein kleiner, menschlicher Backofen. Sie war sich ihres Triumphes mindestens so bewusst wie Bruno.

Das Foto landete vor seinen Füßen. Mit der Bildseite nach oben. Bevor Bruno danach greifen konnte, sagte Swanni: »Wir lesen dir jetzt unseren Forderungskatalog vor.«

»For-de-rungs-ka-ta-log?« Brunos erstes Wort nach minutenlangem Schweigen klang eher wie der missglückte Liedanfang auf einem verstimmten Xylofon. Er räusperte sich, dann sagte er das Wort noch mal, deutlich weniger klirrend: »Forderungskatalog?«

»Richtig.« Swannis Stimme klang – ganz anders als Brunos – amtlich, als würde sie vor Gericht stehen. Dann rollte sie umständlich ein Blatt Papier aus. Bruno konnte erkennen, dass sogar der Rand des Papiers angekokelt worden war, und hatte für den Bruchteil einer Sekunde uneingeschränkten Respekt vor der Professionalität der MEDEL-Bande. Aber wirklich nur ganz kurz. Dann brauchte er all seine Energie, um möglichst gelangweilt zu gucken. Er blieb ein miserabler Schauspieler.

Bevor Swanni anfangen konnte zu lesen, riss ihr die gelockte Emma den Zettel aus der Hand. »Du ja wohl nich, Püppi!«

Püppi? Statt böse zu gucken, strahlte Swanni weiter aus ihren fiebrigen Augen. Kein Widerwort, kein fieser Blick für Erwachsene. Bruno blinzelte. Was passierte hier bloß?

Emma trat einen Schritt vor und wieder wurde Bruno von seltsamen Empfindungen überrollt. Neuen diesmal. Er hatte keine Ahnung, wie er das weiter aushalten sollte. Jedenfalls war er derart luftleer und gleichzeitig angespannt, als dieses Mädchen auf ihn herunterschaute und eine ihrer Locken vom Finger schnipsen ließ, dass er kurz überlegte, ob er jetzt nicht einfach ohnmächtig werden sollte. Nur um die bevorstehenden Peinlichkeiten nicht erleben zu müssen. Aber nichts geschah. Er starrte sie einfach an und konnte nichts dagegen tun, dass sein Mund langsam immer weiter aufging. Er war ihr zum ersten Mal so nah, dem schönsten Mädchen der Schule, ach Quatsch, der Welt! Und dann fing sie an zu lesen und zerstörte alles, alles, was er sich jemals über sie zusammengeträumt hatte: »Erstens: Es gibt noch elf weitere Fotos in mehr oder weniger peinlichen Situationen.«

Emma zeigte auf Swannis Fotoapparat, ließ eine Kaugummiblase platzen, schaute, ob die Nachricht angekommen war, und las weiter. »Zweitens: Deine Eltern werden sie kriegen, wenn wir nicht …« Wieder schaute sie, ob die Nachricht angekommen war, diesmal ohne Kaugummiblase, aber mit dem Schnipsenlassen einer Locke. Dann fuhr sie fort: »Drittens: … bis Sonntag die Bude als Hauptquartier kriegen!«

Bamm! Die komplette Botschaft sickerte zu Bruno durch. Emma ließ ihm Zeit und sagte nichts. Sie schaute nur. Swanni kicherte im Hintergrund.

»Die Bude?«, fragte Bruno. Aber er fragte eher so, als wenn gerade einer einen Düsenjet vor seine Haustür gezaubert hätte. »Was hat die Bude damit zu tun?« Vielleicht war das gar keine so dämliche Frage, aber es war definitiv keine, die irgendeiner der Anwesenden beantworten konnte oder wollte.

Emma drehte stattdessen den Forderungskatalog um und hielt ihn mit der beschriebenen Seite direkt vor Brunos Nase. Der las die Unterschrift. Da stand: Die MEDELS-Bande.

Die MEDELS-Bande? – Bruno war zu langsam, er schnallte es einfach nicht.

»Ab heute nicht mehr MEDEL-Bande!«, sagte Maja hinter Emma. »Sondern MEDELS-Bande. Wir haben ein S dazubekommen.«

MEDELS-Bande