cover

Christine N. Brekenfeld

Begegne dem Tod und gewinne das Leben

Die spirituelle Kraft von Nahtoderlebnissen

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1. Auflage
Originalausgabe
© 2017 Arkana, München
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Lektorat: Felicitas Holdau
Umschlaggestaltung: ki 36 Editorial Design, München
Umschlagmotiv: Wolke: Polarpx/fotolia
Illustration Stern: © Christine N. Brekenfeld
Satz: Fotosatz Amann, Memmingen
ISBN 978-3-641-20629-1
V001

www.arkana-verlag.de

Für Frederik
(* † 12. Juli 2004)

»Doch als du gingst, da brach in diese Bühne
ein Streifen Wirklichkeit durch jenen Spalt,
durch den du hingingst: Grün wirklicher Grüne,
wirklicher Sonnenschein, wirklicher Wald.«

Rainer Maria Rilke (1875–1926) aus: »Todes-Erfahrung«1

Hinweise

In diesem Buch berichte ich neben anderem auch von ­meiner Arbeit mit meinen Klienten. Alle, von denen ich erzähle oder die in diesem Buch zu Wort kommen, haben mir ihre Erlaubnis dazu gegeben. Trotzdem wollten die meisten anonym bleiben.

Die Erlebnisse, die ich in meinem Erfahrungsbericht erzähle, sind tatsächlich so geschehen. Einige Einzelheiten habe ich jedoch verändert, damit keine Rückschlüsse auf Personen und deren Lebensgeschichte möglich sind.

Die Begriffe Nahtoderfahrung und Nahtoderlebnis benut­ze ich gleichwertig nebeneinander. Dabei orientiere ich mich bei der Verwendung der Begrifflichkeiten am Netzwerk Nahtoder­fahrung e.V.

Für mich ist es selbstverständlich, dass mit der ­männlichen Form ebenso die weibliche gemeint ist und auch umgekehrt. Trotzdem möchte ich es nicht unerwähnt lassen.

Informationen zur verwendeten Literatur stehen im Anhang

Inhalt

Vorwort

Im Leben dem Tod begegnen – eine Reise in dein Herz

Einführung

Die Nahtoderfahrung integrieren

Die Übungen sind der Kern des Buchs

Was dieses Buch für dich bereithält

Fragen und Antworten

»Was hat mich zu diesem Buch geführt?«

Eine kurze Einführung in den Übungsteil

Deine Ressourcen und deine Kraft entdecken und stärken

Einstimmung vor jeder Übung

1 Ich sterbe jetzt

Das Geschenk einer Nahtoderfahrung

Ich dachte, ich hätte das Leben in der Hand

Angst vor dem Leben, Angst vor dem Tod

Dem Leben in die Hände fallen

Licht, Liebe und Wahrhaftigkeit

Dem Leben begegnen

Den Rhythmus des Lebens spüren: Es kommt und es geht

Das ganze Leben nehmen

Wo das Leben herkommt

Das Herz neu entdecken

Gewahrseinsübung: »Was fühle und erfahre ich?«

2 Grenzerfahrungen

Wissenschaftliche und therapeutische Einblicke

Was macht eine Nahtoderfahrung aus?

Wann können Nahtoderlebnisse auftreten?

Die spirituelle Dimension: Über Erkenntnisse der Bewusstseinsforschung

Was verändert sich durch ein Nahtoderlebnis?

Oft unbeachtet: Die traumatische Belastung

Was ist für eine gute Integration in das Leben wichtig?

3 Die Reise in mein Herz

Der Schleier lüftet sich

Zwischen Glückseligkeit und tiefer Trauer

Alles fühlt sich lebendiger an

Odyssee durch Therapien und Seelenlandschaften

Erste Begegnungen mit Spiritualität

Die Kraft der unerfüllten Wünsche

Die Suche ist zu Ende

Ein Weg der inneren Erfahrung

Innere Freiheit sein

Das Leben begegnet dem Tod

Der Raum zwischen Leben und Tod

»Was halte ich noch von mir fern?«

»Wie möchte ich leben und wie möchte ich sterben?«

Hingabe an das Leben, Hingabe an den Tod

4 Aufwachen zu innerer Freiheit und wahrer Lebendigkeit

Über persönliches und spirituelles Wachstum

Die Sehnsucht nach Freiheit

Was macht das spirituelle Erwachen aus?

Verschiedene Stufen des Aufwachens

Wege zum spirituellen Erwachen

Alles fühlen und nichts tun

Lass los – und du erfährst ganz den Augenblick

»Wessen bin ich mir jetzt gerade bewusst?«

Persönliches und spirituelles Wachstum

Dem Tod im Leben begegnen: Stirb, bevor du stirbst

5 Lebendige Stille

Die spirituelle Vertiefung

Nichts tun – und dennoch bleibt nichts ungetan

Von Stille und Liebe getragen

Loslassen und geschehen lassen

»Was vermeide ich?«

»Was hindert mich am wirklichen Loslassen?«

Nichts tun und mit allem einverstanden sein

Wieder richtig fühlen lernen

Eine kleine Übung im Abschiednehmen

6 Was andere erzählen

Berichte aus der Praxis und Forschung

Erfahrungsberichte von Begegnungen mit dem Tod und dem Leben

Eine kleine Forschungsreise

7 In der Stille zu Hause sein

Wachstum und Integration ins Leben

Die Lücken des Lebens schließen sich

Neue Wege

Mit den anderen sein

Wenn der Körper erwacht

Dem Tod begegnen

Sterben – der Abschied vom Leben

Das Wesentliche entdecken

Mein Grabstein

»Wer bin ich ohne Vergangenheit und ohne Zukunft?«

Ausblick

Immerdar

Die Bewusstheitsübung

Danke

Anhang

Zur Vertiefung

Websites, die weiterhelfen

Zum Weiterlesen und Weiterhören

Wissenschaftliche Studie

Literaturnachweise

Verwendete und zitierte Literatur

Anmerkungen




Einige der Übungen im Buch sind als Audios abrufbar unter folgendem Link: www.arkana-verlag.de/brekenfeld

Vorwort

von Christian Meyer

Jeder Mensch hat ein tiefes Bestreben, glücklich zu w­erden, und immer mehr Menschen wissen, dass die entscheidenden Veränderungen zum Glücklichwerden nicht im Außen, sondern im Inneren geschehen. Nahtoderlebnisse öffnen ein Tor zum Glücklichsein. Menschen mit Nahtoderfahrungen berichten von überwältigender Freude, einem tiefen, nicht gekannten Frieden, einem Gefühl des Ganzseins und Zu-Hause-angekommen-Seins. Durch den medi­zinischen Fortschritt werden Nahtoderfahrungen immer häufiger. Aber: Diese wundervollen Erfahrungen verblassen meist schnell und hinterlassen eine tiefe Sehnsucht.

Es gibt noch eine andere tiefgreifende Veränderung hin zum Glücklichsein. Sie wird Erleuchtung genannt, ­Satori oder Aufwachen. Auch dies geschieht Menschen seit den 1990er-Jahren (wieder) häufiger – in meinen Seminaren und Retreats seit fast 20 Jahren sogar außer­ordentlich häufig. Über diesen innereren Prozess der Transformation wissen wir inzwischen sehr viel, nicht zuletzt, weil wir ihn seit Jahren interdisziplinär wissenschaftlich erforschen.

Als ich Christine Brekenfeld nach ihrem Nahtoderlebnis 2005 kennenlernte, hatte ich bereits öfter über die Ähnlichkeiten des Aufwachens und der Nahtoderfahrung nachgedacht. Allein durch die Nahtoderfahrung geschieht meist schon Veränderung. Der wichtigste Unterschied ist jedoch, dass das Aufwachen eine dauerhafte innere Veränderung bedeutet. Innerer Frieden, tiefe Gelassenheit, eine Grundstimmung von Freude und Erfülltsein sind dann die neue dauerhafte Art zu sein.

In diesem Buch erzählt Christine Brekenfeld eindrucksvoll von ihrer eigenen Nahtoderfahrung und der grund­legenden Transformation, die sie in der Arbeit mit mir ­erfuhr. Inzwischen ist sie selbst eine kompetente Seminarleiterin, erfahrene spirituelle Begleiterin und eine wichtige und geschätzte Freundin.

Durch ihr eigenes Erlebnis und ihre therapeutische ­Arbeit weiß sie, dass Menschen mit Nahtoderfahrungen weniger an Jenseitsspekulationen interessiert sind, sondern vielmehr an den Fragen: »Wie kann ich zu dieser überwältigend glücklichen Erfahrung zurückfinden? Wie kann ich in diesem tiefen Frieden dauerhaft leben, anstatt nur meiner verblassenden Erinnerung nachzutrauern?«

Die Antwort in diesem Buch wird die Diskussion und Theorie über Nahtoderfahrungen verändern. Christine Brekenfeld hat durch ihre Arbeit und unsere gemeinsame Forschung belegt: Menschen mit Nahtoderfahrungen können leicht und dauerhaft in diesen Zustand des Glücklichseins finden, leichter als andere Menschen, weil sie bereits mit dem Tod in Kontakt waren und die Angst vor dem Tod durchlebt und im Wesentlichen überwunden haben. Dutzende von Menschen, mit denen Christine Brekenfeld gearbeitet hat, sind der lebende Beweis dafür.

Allen Menschen mit Nahtoderfahrungen ist zu wünschen, dass sie dieses Buch irgendwie in die Hände bekommen. Denn sie finden darin nicht nur hilfreiches Wissen, sondern vor allem auch praktische Übungen, durch die sie ihre Erfahrung selbstständig vertiefen können. Es geht dabei ums Fühlen und um die Begegnung mit dem inneren Tod, denn der ist zentraler, unabding­barer Teil wirklicher Veränderung. Und weil dies für alle gilt, die auf einem ­spirituellen Weg sind, werden auch Menschen ohne Nahtoderfahrungen von diesem Buch profitieren.

Goethe hat es auf den Punkt gebracht: »Und solang du das nicht hast, dieses: Stirb und werde!, bist du nur ein ­trüber Gast auf der dunklen Erde.« Wer wollte das ernsthaft bleiben, nur ein trüber Gast, statt ganz zu werden, tiefen Frieden und tiefes Erfülltsein zu erfahren?

Mögen möglichst viele Menschen aus diesem Buch ­einen Nutzen ziehen – nicht durch neue Fantasien und bloße Theorie, sondern durch eigene erfüllende und stabile Veränderungen; durch wirkliches Glücklichwerden.

Im Leben dem Tod begegnen – eine Reise in dein Herz

Einführung

Seit meiner Nahtoderfahrung waren fast genau zwölf Jahre vergangen, als ich im Sommer 2016 mit dem Schreiben begann. Zwölf Jahre, die für mich unglaublich reich, befreiend und lebendig waren, im Inneren wie im Äußeren. Ich hatte schon länger darüber nachgedacht und fand die Zeit langsam reif dafür, all das aufzuschreiben, was mich in diesen Jahren bewegt hat und meine heutige Arbeit prägt. Als spirituelle Begleiterin und Heilpraktikerin für Psychotherapie arbeite ich mit Menschen, die ebenfalls solche Grenz­erfahrungen gemacht haben, und mit Menschen, die auf der spirituellen Suche sind.

Es war also genau der richtige Moment, als das Angebot des Verlags kam, ein Buch darüber zu schreiben. Nun gibt es jedoch schon viele unterschiedliche Bücher zum Thema Nahtoderfahrungen, und man könnte fragen, warum ­gerade ich noch ein weiteres hinzufügen soll. Was gibt es Neues zu sagen, das noch nicht gesagt ist? Meine eigene Geschichte und meine Erkenntnisse aufgrund der Begleitung Nah­toderfahrener eröffnen durchaus neue Aspekte, die auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Nahtoderlebnissen bereichern kann. Vor allem aber geht es mir um einen praktischen Ansatz, mit dem die an die Nahtoderfahrung geknüpfte Transzendenzerfahrung – und damit meine ich ein plötzliches Überschreiten der bisher gewohnten, alltäglichen Wahrnehmungsgrenzen – zu persönlichem und spirituellem Wachstum führt und sich so in das tägliche Leben hinein entfalten kann. Und eigentlich wird es genau an dieser Stelle nicht nur für Menschen mit einer Nah­toderfahrung spannend, sondern für jeden, der einmal sterben wird.

Die Nahtoderfahrung integrieren

Nach meinem eigenen Nahtoderlebnis habe ich fast alles gelesen, was mir zu diesem Thema in die Hände gekommen ist. Vieles war fraglos beeindruckend und berührend. Dennoch war es für mich in dieser Situation nicht aus­reichend, mich mit den zahlreichen Erfahrungsberichten, den möglichen Deutungen und den erforschten Veränderungen im Leben anderer zu beschäftigen. Ich war auf der Suche nach einer wirklich praktischen Unterstützung, um mit allen Aspekten meiner Erfahrung, den Veränderungen in meiner Persönlichkeit, aber auch mit dem Schrecken und der Todesangst, die mir begegnet waren, mein Leben weiterleben zu können. Und ich fragte mich, wie sich die tiefe Sehnsucht in diesem Leben erfüllen könnte, wieder zu der Freiheit, Liebe und Stille zurückzufinden, die ich in der Begegnung mit dem Tod erlebt hatte. Der Dichter Rumi hat mir mit seinen Worten den Weg gewiesen: »Deine Aufgabe besteht nicht darin, nach der Liebe zu suchen, sondern darin, alle Hindernisse zu beseitigen, die der Liebe im Weg stehen.«2

Auf einer langen Suche zwischen Psychotherapie und verschiedenen Meditationsarten bin ich auf eine Form der spirituellen Arbeit gestoßen, die sich »Weg der inneren Erfahrung« nennt und psychotherapeutische mit spirituellen Methoden verbindet. Damit ist es gelungen, das Erlebte gut zu verarbeiten, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Einerseits konnten sich die Veränderungen, die ein Nahtoderlebnis mit sich bringt, auf der Persönlichkeitsebene und auf der körperlichen Ebene in mein Leben integrieren. Das nenne ich die Vertiefung im Leben. Andererseits hat sich die Sehnsucht, wieder ganz zu dieser Erfahrung zurückzufinden, erfüllt. Das nenne ich die Vertiefung in der Transzendenz.

Keine Angst mehr vor dem Leben

Meine eigene Begegnung mit dem Tod und dem Sterben war nicht das Ende, sondern der Anfang für eine ganz einzigartige Reise mitten ins Leben und in die Lebendigkeit hinein. Sie hat mich auf eine neue Lebensspur gebracht. Wie viele andere Nahtoderfahrene habe auch ich die Angst vor dem Tod verloren. Was aber noch sehr viel schöner ist: Ich habe keine Angst mehr vor dem Leben.

Mein erster Reisebegleiter war mein kleiner Sohn Frederik. Ihm widme ich dieses Buch. Er konnte nicht so lange bei mir sein, wie ich es mir zu diesem Zeitpunkt gewünscht hätte. Aber er hat es auf wunderbare Weise geschafft, mir den Weg zu weisen.

Ihm folgten viele andere Menschen, die mich auf dieser Reise begleitet haben und die ich begleiten durfte. Bei ­ihnen allen möchte ich mich von Herzen bedanken. Allen voran bei meinem Lehrer und Freund Christian Meyer, durch den sich mir dieser unendliche Raum von Stille und Liebe zur Verfügung gestellt hat, in den ich kurz nach der Nahtoderfahrung noch viel tiefer hineinfallen durfte. Dieser Raum eröffnet sich seither in meinen Begleitungen anderen Menschen.

Die Übungen sind der Kern des Buchs

Ich stelle in diesem Buch parallel zu meiner Geschichte Übungen vor, die sich in der Einzelbegleitung mit meinen Klienten und bei meinen Seminaren bewährt haben. Sie eignen sich für alle. Egal, ob du nun selbst ein Nahtod­erlebnis hattest oder eine ähnliche Erfahrung in einem ­anderen Zusammenhang gemacht hast. Vielleicht fühlst du dich auch einfach von dem Thema angezogen oder hast mit ihm in einem anderen Kontext zu tun. Vielleicht begleitest du selbst Menschen und bist solchen Erfahrungen bei deiner Arbeit schon begegnet. Die Übungen sind der ­eigentliche Kern des Buchs. Diese Übungen lassen sich ­allein machen, auch ohne Begleitung. Damit sind schon sehr tiefe Erfahrungen möglich. Wenn dabei der Wunsch auftaucht, noch weiterzugehen, gibt es im Anhang des Buchs Hinweise, wo Unterstützung und Begleitung zu finden sind.

Meine Geschichte und die Fachinformation zu lesen mag ein nützlicher Wissensgewinn sein. Die spirituelle Kraft, die in Nahtoderlebnissen oder in der inneren Begegnung mit dem Tod steckt, wird aber nur durch das eigene Erfahren zugänglich. Genau dafür ist der Übungsteil gedacht, und dazu möchte ich dich ganz herzlich einladen.

Die spirituelle Kraft aus Nahtoderfahrungen ist für jeden erfahrbar

Bei meinen Seminaren und Vorträgen begegnen mir viele Menschen, die sich von dem Thema Nahtoderfahrungen magisch angezogen fühlen. Der Grund scheint zu sein, dass Menschen Angst vor dem Tod haben, sich aber gleichzeitig nach den tiefen Gefühlen von innerer Freiheit, Frieden und Liebe sehnen, die in den Berichten geschildert werden und dadurch greifbar werden. Mein Konzept, das ich zunächst nur für Nahtoderfahrene entwickelt hatte, hat sich durch diese Suchenden verändert. Es ist alltagsbezogener geworden und wendet sich auch an jene Menschen, die sich durch die Beschäftigung mit dem Tod und ihrer Sehnsucht eine spirituelle Vertiefung ihres Lebens erhoffen.

Ich höre immer wieder die Frage: »Was kann ich tun?« Natürlich hat sich mir diese Frage auch gestellt, und ich musste für mich erkennen, dass die Antwort tatsächlich jenseits vom Tun liegt: im Annehmen, Sich-Ergeben, Loslassen. Ganz so wie in meiner Nahtoderfahrung: Sie war für mich deshalb so tiefgreifend und berührend, weil ich mich dem Erleben an einem bestimmten Punkt vollkommen hingegeben habe. Denn wer vollständig loslässt, erfährt ganz den Augenblick.

Die Übungen in diesem Buch unterstützen dabei, sich mitten im alltäglichen Leben auf eine innere Reise zu begeben. Es geht um das Loslassen und die Hingabe im Leben und darum, einen neuen Umgang mit Gefühlen kennenzulernen.

Auf der einen Seite kann sich so die spirituelle Kraft aus einer Nahtoderfahrung immer weiter vertiefen und verwan­deln. Auf der anderen Seite ist es möglich, die kraftvolle Tiefe der Begegnung mit dem Tod auch ohne Nahtoderfahrung mitten im Leben zu erfahren – und zwar dauerhaft. Es ist dann nicht mehr nötig, sich zurückzusehnen oder gar sehnsüchtig auf den Moment des Sterbens zu warten. Der Weg mitten im Leben führt ins eigene Herz, in deinen Wesenskern, zu dem, was du wirklich bist. Das ist das Abenteuer.

Bist du bereit zu sterben?

Eine meiner Seminarteilnehmerinnen hat vor kurzem in der Abschlussrunde eine kleine Geschichte erzählt. Beim Nachspüren war mein erster Gedanke: Was für eine schöne Geschichte für den Einstieg in dieses Buch! Sie lautete in etwa so:

Ein Mann, der lange meditiert hatte, begab sich zu ­einem spirituellen Lehrer, der erst vor kurzem an diesen Ort gekommen war. Er fragte, ob er bei ihm studieren dürfe. Der Lehrer antwortete: »Bist du darauf vorbereitet zu sterben?« Der Mann schüttelte den Kopf und sagte: »Ich bin nicht gekommen, um zu sterben. Ich bin hergekommen, um bei dir zu lernen.« Der Lehrer erwiderte: »Wenn du nicht willens bist zu sterben, dann bist du nicht bereit, dich ins Leben fallenzulassen. Komm wieder, wenn du bereit bist, ohne ­Zögern einzutreten und nichts auszuschließen.«

Was dieses Buch für dich bereithält

Dieses Buch handelt von der Begegnung mit dem Sterben und dem Tod im Leben. Diese Begegnungen können in verschiedensten Situationen und in unterschiedlicher Intensität auftreten. In der Literatur und Forschung werden sie einerseits unter dem Begriff »Nahtoderfahrungen« und »Nahtoderlebnisse« (NTE) oder »Todesnäheerfahrungen« zusammengefasst. Andererseits gibt es inzwischen auch eine fließende begriffliche Grenze zu spirituell-mystischen Erfahrungen.

Fragen und Antworten

Mit dieser Art von Erfahrungen sind vielfältige Fragen ­verbunden, die immer wieder an mich gestellt werden: »Ist eine Nahtoderfahrung nur ein einmaliges, abgetrenntes Erlebnis, oder kann sie ein Tor zu einer lebensverändernden Wende sein? Wie gelingt es, ein Nahtoderlebnis ins Leben zu integrieren, um die Kraft und das Potenzial dieser Erfahrung dafür zu nutzen, lebendiger zu werden und sich dem Leben wirklich zuzuwenden? Haben Nahtod­erlebnisse etwas mit spirituell-mystischen Erfahrungen zu tun, die auch Aufwachen, Erwachen und Erleuchtung genannt werden? Ist es nur in einer lebensbedrohlichen Si­tuation möglich, die Essenz und Kraft einer solchen Erfahrung zu spüren, oder auch mitten im Leben? Und wenn es auch mitten im Leben möglich ist, was hindert mich dann daran, in dieser Tiefe zu leben? Und: Wie kann ich Selbsterlebtes auch für die Begleitung anderer fruchtbar werden lassen?«

Wahrscheinlich lässt sich diese Auflistung auch noch mit deinen eigenen Fragen ergänzen. Um Antworten, vor allem aus meiner Erfahrung, zu finden, nähert sich das Buch dem Thema aus drei Richtungen.

Zum einen ist es ein Lesebuch. Die Kapitel 1, 3, 5 und 7 erzählen in einem Wechsel von inneren Dialogen und Ereignisberichten meine eigene Geschichte. Sie erzählen von meinem Nahtoderlebnis, vom Leben davor, von meiner ­Suche und schließlich von meinem spirituellen Weg, diese Erfahrung zu verarbeiten, zu transformieren und in mein Leben zu integrieren.

Zum anderen – und das ist der Kern des Buches – ist es ein Selbsterfahrungs- und Übungsbuch. An jedes der erzählenden Kapitel schließt sich eine kleine Übungsreihe an. So kannst du anhand dieser Übungen eigene Erfahrungen in der Begegnung mit dem Leben und dem Tod ­machen. Eine ausführliche Einführung in den Übungsteil gibt es auf den folgenden Seiten. Ich empfehle, diese Einführung vorbereitend zuerst zu lesen.

Und zu guter Letzt gibt es in Kapitel 2 und 4 Fachin­formationen rund um das Thema, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben, sondern vor allem zum Weiterlesen in der zur Verfügung stehenden Literatur anregen sollen. Ergänzend dazu kommen in Kapitel 6 einige meiner Klienten zu Wort. Zum Abschluss stelle ich einen Ausschnitt aus der sehr umfangreichen Studie »Phänomenologie und therapeutische Nachsorge von Nahtoderfahrungen (NTE) und spirituell-mystischen Erfahrungen« vor, die derzeit am Berliner Institut für tiefenpsychologische und existenzielle Psychothe­rapie – Karen Horney Institut e.V. (BITEP) in Kooperation mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführt wird und die ich mitinitiiert und -geleitet habe (weitere Infor­mationen).

Zu Beginn möchte ich dich jetzt gleich zu einer Einstimmungsübung einladen, für die es keiner weiteren Vorbereitung bedarf.

image001.jpg»Was hat mich zu diesem Buch geführt?«

Zeitrahmen: etwa 15 bis 30 Minuten

»Was hat mich zu diesem Buch geführt?«,

und auf das andere oben links die Frage:

»Was möchte ich, was wünsche ich mir in Bezug auf dieses Buch und darüber hinaus?«

Eine kurze Einführung in den Übungsteil

Mit den Übungen, die sich wie ein roter Faden durch dieses Buch ziehen, möchte ich dich einladen, selbst die Ge­legenheit zu nutzen, dem Tod in deinem Leben auf eine ganz neue Art und Weise zu begegnen. Die Übungen sind in jedem Fall für dich geeignet, egal ob du nun ein Nahtod­erlebnis hattest oder dich von diesem Thema aus einem ­anderen Grund angesprochen fühlst. Mach dich auf eine Reise in dein Herz und in deine Lebendigkeit. Es ist mit ­Sicherheit ein Abenteuer. Die Übungen sind so ausgearbeitet, dass sie leicht in den Alltag integriert werden können.

Fast alle Übungen basieren auf dem von Christian Meyer entwickelten Ansatz »Der Weg der inneren Erfahrung – ein Kurs in wahrem Loslassen« (siehe Buchempfehlung). Von ihm habe ich diese Arbeit gelernt. Das Besondere die-ses Ansatzes ist die Verbindung von Methoden der Psycho­therapie mit spiritueller Arbeit. Ergänzt und ­weiterentwickelt habe ich dies durch Elemente aus der Traumaheil­arbeit »Somatic Experiencing®« nach ­Peter A. Levine (siehe Buchempfehlung), die mir ­einen ganz neuen Zugang zu meinem Körper und den Körperempfindungen gezeigt hat. Beeinflusst haben mich ebenfalls die Arbeit »Liebe und Vergebung« des Gestalttherapeuten Leonard Shaw (siehe Buchempfehlung), die Aufstellungsarbeit von Angelika Winklhofer (siehe Empfehlungen) und meine langjährige Erfahrung als Sterbe- und Trauerbegleiterin.

Bevor du mit den Übungen beginnen kannst, ist es wichtig, dass du etwas Grundlegendes verstehst: Der »Weg der inneren Erfahrung« unterscheidet sich von anderen spirituellen Wegen insbesondere dadurch, dass du dich nicht nur beobachtend dem zuwendest, was im gegenwärtigen Augenblick auftaucht, sondern fühlend und erfahrend. Die Gefühle sind dabei der innere Wegweiser. Es geht darum, dich in die eigene innere Tiefe, in dein Herz hineinsinken zu lassen. Im Folgenden findest du einige Hinweise dazu. In Kapitel 4 wird dieses Grundprinzip ausführlich erläutert.

Wann du nicht allein üben solltest

Die Informationen und Übungen sind als Selbsthilfe gedacht und ersetzen keine Psychotherapie oder Traumaheilbehandlung. Wenn du den Eindruck hast, dass du durch die Übungen in eine länger andauernde innere Unruhe gerätst oder dass dein Herz unangenehm stark zu klopfen beginnt, Stirn oder Hände schweißig werden oder dass du in Gedankenschleifen oder Gefühle gerätst, aus denen du nur schwer wieder herausfindest, dann bitte ich dich, entsprechend qualifizierte Therapeuten aufzusuchen. Wenn möglich, sei dabei gleichzeitig froh, dass dir die Übungen gezeigt haben, dass du durch die Arbeit an diesen wichtigen Themen noch sehr viel wachsen, gelassener werden und vieles lösen kannst. Es ist gut, dass es dafür qualifizierte Begleitung und Unterstützung gibt. Hinweise dazu findest du im Anhang.

Wesentliches fürs Üben

Jedem Erfahrungsbericht von mir folgt wie gesagt ein Übungsteil. Du kannst dir jeweils die Übungen herausgreifen, die dich in diesem Moment besonders ansprechen, oder den gesamten Zyklus, zum Beispiel »Dem Leben begegnen«, einmal durcharbeiten. Beides ist möglich. Lass dich von deiner Intuition leiten. Das darf seine eigene Zeit bekommen und dauern. Du kannst dir Zeit lassen, immer wieder nur ein Kapitel lesen und dich anschließend dem Übungsteil widmen.

Der Aufbau der Übungen

Alle Übungen sind schrittweise aufgebaut. Bei ­komplexeren Übungen kannst du dir die Übung dadurch auch nach und nach erarbeiten und zunächst nur mit einem oder zwei Schritten beginnen. Jede Übung beginnt mit der Einstimmung, die weiter unten beschrieben ist, und schließt damit ab, dass du deine Entdeckungen und Erfahrungen und die Gefühle, die dabei aufgetaucht sind, in deinem Arbeitsbuch (siehe hier) notierst.

Immer wieder Neues entdecken

Alle Übungen können häufiger durchgeführt werden. Dabei ist es wichtig, dass du jedes Mal so an die Übung herangehst, als würdest du sie zum allerersten Mal machen und als ob du nicht im Geringsten wüsstest, welches Ergebnis zu erwarten ist. Nur so kannst du dich Neuem, das sich zeigen will, öffnen. Neues wird häufig sehr leicht von Bekanntem in den Hintergrund gedrängt. Richte deine Aufmerksamkeit ganz bewusst auf das Neue, das oft in den Nuancen zu entdecken ist und vom Bekannten gar nicht so weit entfernt liegt.

Das persönliche Arbeitsbuch

Um diese Entwicklungsschritte zu verfolgen, empfehle ich dir, ein Arbeitsbuch oder ein schönes Heft anzulegen, in dem du deine Erfahrungen und Erkenntnisse notieren kannst. Dadurch können sie dir deutlicher bewusst werden.

Ein guter Ort

Suche dir zum Üben einen ruhigen Ort, an dem du dich wohlfühlst. Du kannst dir einen solchen Ort zu Hause einrichten, es kann aber auch ein Ort draußen in der Natur sein. Das Wichtigste ist, dass du dich dort wohl und sicher fühlst.

Wenn nicht anders angegeben, ist es günstig, die Übungen im Sitzen durchzuführen. Achte darauf, dass dein Hosenbund locker ist und dass du gut in den Bauch atmen kannst.

Zeit und Material

Stell dir am besten einen Wecker bereit, mit dem du ge­gebenenfalls die Zeit stoppen kannst. Leg dir das in der Übung beschriebene Material (zum Beispiel Farben und Papier) zurecht.

Die Rolle des inneren oder des realen Begleiters

Du kannst alle Übungen allein durchführen. Wenn du ­allein übst, dann achte darauf, dass du damit beginnst, einen inneren Begleiter zu etablieren. Stell ihn dir vor wie einen Freund oder eine Freundin, die dich liebevoll, wertfrei und achtsam bei der Übung unterstützt.

Einige Übungen kannst du aber auch zu zweit mit einem Freund oder einer Freundin durchführen. Einer ist der Begleiter und liest den vorgeschlagenen Text vor, der andere lässt sich begleiten. Danach wird gewechselt. Auch der ­reale Begleiter ist freundlich und wohlwollend, ohne Bewertung, ohne Urteil, achtsam mit sich selbst und dem anderen – ein wahrer Freund oder eine wahre Freundin.

Mit der Aufmerksamkeit pendeln: Den inneren Rhythmus zwischen zwei Polen finden

In einigen Übungen findest du den Hinweis, deine Aufmerksamkeit langsam zwischen zwei Polen pendeln zu lassen. Diese Übung wird in der Traumaheilarbeit verwendet und ermöglicht eine schrittweise und langsame Annäherung an noch angespannte oder sich unangenehm anfühlende Körperstellen oder Gefühle. Dabei ist es wichtig, von etwas Angenehmem an die Grenze dessen zu pendeln, was gerade als unangenehm empfunden wird. Das System kann so seinen eigenen Rhythmus der Annäherung finden. Wichtig ist auch, vorsichtig und langsam zu arbeiten. Du kannst …

Das Gefühl wahrnehmen und fühlen, das auftaucht

(siehe dazu auch hier in Kapitel 4)

Alle Übungen enthalten den Vorschlag, die Stimmung oder das Gefühl, das dabei auftaucht, achtsam wahrzunehmen und diesem Gefühl mehr inneren Raum zu geben. Wenn du damit beginnst, kannst du nach und nach entdecken, dass es möglich ist, jedes Gefühl wirklich durchzufühlen. Es ist dann nicht mehr nötig, sich aus Angst davor, ein Gefühl nicht aushalten zu können, von ihm abzuschneiden. Nach und nach kann es sich dahin entwickeln, dass das Fühlen auf diese Art und Weise selbstverständlich für dich wird. Das macht dein Leben lebendiger und reicher.

Es kann vorkommen, dass ein Gefühl sich sehr heftig zeigt und du den Eindruck bekommst, als würde es dich wie in einen Strudel hineinziehen, aus dem du nicht mehr herauszukommen drohst. In diesem Fall ist es ratsam, inner­lich ein Stück zurückzugehen und langsamer zu werden. Beobachte das Gefühl zunächst einfach und stelle dir dann vor, dass du nur ein Tröpfchen dieses heftigen Gefühls wahrnimmst und dann ein zweites Tröpfchen und so weiter. So kannst du dich langsam aus der beobachtenden Position hinaustrauen und dich dann Schritt für Schritt an das Gefühl herantasten.

Wenn du den Eindruck hast, dass auch das nur schwer möglich ist, ohne dass es dich in das Gefühl hineinzieht, dann öffne die Augen und unterbrich die Übung. Schau dich im Raum um und besinne dich auf deine Ressourcen und deine Kraft, die du etabliert hast (siehe folgende Anleitung). Das kannst du immer tun, wenn in einer der Übungen etwas auftaucht, das dir zu viel wird. Die jeweilige Übung kannst du dann zu jedem Zeitpunkt wieder neu beginnen.

image001.jpgDeine Ressourcen und deine Kraft entdecken und stärken

Ich empfehle dir, diese Übung einmal vor allen anderen Übungen als Basis zu machen, damit du gegebenenfalls darauf zurückgreifen kannst.

Du kannst dir die Übung auch im Internet anhören und dich so von mir anleiten lassen (Link siehe Anhang).

Zeitrahmen: etwa 30 Minuten

Such dir einen ruhigen Ort und setze dich bequem hin. Schließe die Augen und nimm dir einen Moment Zeit, um zur Ruhe zu kommen. Richte deine Aufmerksamkeit nach innen.

Zum Beispiel: Der Körper entspannt sich ganz langsam, ich spüre im Bauch eine Kraft, und an dieser Stelle beginnt der Körper sich zu weiten. Ich merke, wie auch die Beine weicher werden …

image001.jpgEinstimmung vor jeder Übung

Meistens sind wir mit unserer Aufmerksamkeit nach außen orientiert und erklären uns die Welt auf der gedanklichen Ebene. Bei den Übungen geht es um die innere Wahrnehmung, um das Spüren, Fühlen und Erfahren. Das braucht in der Regel mehr Zeit als das sehr viel schnellere Denken. Nimm dir deshalb vor jeder Übung kurz Zeit, um dich da­rauf einzustimmen und deine Aufmerksamkeit nach innen zu richten. Vor den Übungen wirst du ­jeweils daran erinnert. Nach einiger Zeit hast du die Einstimmung wahrscheinlich so verinnerlicht, dass es wie von allein geschieht.

Zeitrahmen: 10 Minuten

1. Tief ausatmen

Auch wenn das am Anfang vielleicht ungewohnt ist, ist es hilfreich, es immer mal wieder auszuprobieren. Dadurch kann innere Anspannung – aufgrund dessen, was dir am Tag begegnet ist oder was dir durch den Kopf geht – schon vor der Übung ein wenig abfallen.

2. Bei dir ankommen

»Wie bin ich jetzt gerade da?«

für ein paar Minuten durch deinen Körper.

3. Die Augen schließen

4. Den Atem spüren

5. Sich auf Ressourcen und Kraft besinnen