Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 28: Brychan, der Bogenschütze

Tomos Forrest

Published by Cassiopeiapress/Alfredbooks, 2018.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter Band 28: Brychan, der Bogenschütze

Klappentext:

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Also By Tomos Forrest

About the Publisher

Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter  Band 28: Brychan, der Bogenschütze

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TOMOS FORREST

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ZYKLUS: DIE REBELLEN von Cornwall, Band 15

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IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author

© Titelbild: Nach einem Motiv von N.C. Wyeth mit Steve Mayer, 2018

Lektorat: Kerstin Peschel

Ceated by Thomas Ostwald, Alfred Bekker und Jörg Martin Munsonius

© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Klappentext:

Der junge Brychan versteht es auf ganz besondere Weise, mit allen Tieren gut umzugehen. Dabei hat er nur einen Traum: Er möchte ein Ritter werden. Dies ist jedoch für einen Hütejungen und Fuhrknecht wie ihm, ein geradezu unerfüllbarer Wunsch. Bis sein Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt wird, als er Abt Dhorie in einer geheimen Mission nach Dartmoor bringen soll. – Hierbei begegnet er den Rebellen und erlebt seinen ersten Kampf auf Leben und Tod ...

***

1.

Abt Dhorie war sehr dankbar für den Halt. Die bisherige Reise war zwar ohne besondere Zwischenfälle verlaufen, aber doch sehr anstrengend für den alten Mann geworden.

Nun half ihm der Fuhrknecht, von dem einfachen Ochsenkarren herabzuklettern, und kaum berührten seine Füße festen Boden, als er sich auch schon mehrfach streckte und dehnte. Dass ihm dabei ein deutlich zu vernehmender Wind entfuhr, überhörte der Fuhrknecht geflissentlich.

Er mochte den alten Geistlichen, der ihm unterwegs so prächtige Geschichten aus der Vergangenheit Cornwalls erzählt hatte. Warum sollte nicht ein so freundlicher, alter Mann auch einmal kräftig furzen dürfen?

Schließlich war es eine alte Weisheit seiner eigenen Großmutter, die im hohen Alter von ihrem Sohn getadelt wurde, weil sie nach dem Essen immer eine ganze Reihe von tief brummenden Tönen abließ.

Sie hatte ihrem Sohn mitgeteilt, dass sie ihr hohes Alter vor allem der Tatsache verdanke, stets auf den Gleichklang ihrer Körpersäfte geachtet zu haben. Und es wäre grundverkehrt, solche Winde aufzuhalten. Und was sich nicht den Weg durch den Hals und den Mund suchte, musste eben einen anderen Körperausgang finden.

Das hatte dem Jungen imponiert, und dankbar erinnerte er sich an die alte Frau, die ihm so manches anvertraut hatte, von dem seine Eltern nichts wissen wollten. Aber Brychan, wie der Junge nach einem Heiligen getauft wurde, hatte in seiner Großmutter immer eine Seelenverwandte zur Seite.

Seine Träume hatten sich nicht erfüllt, aber auch darauf hatte ihn seine Großmutter stets hingewiesen.

Der Junge hatte einmal, während er die Ziegen seines kleinen Dorfes auf einer weit abgelegenen Wiese hütete, einen Ritter mit seinem Knappen gesehen. Seit dieser Zeit hatte er nur noch einen Wunsch: Einmal eine solche Rüstung zu tragen, einmal auf einem stolzen Pferd in die Schlacht zu reiten!

Viele Jahre später vertraute er sich dem Schmied des Nachbardorfes an, einem gutmütigen, kräftigen Mann, der einen alten, zerbeulten Helm mit Nasenspange auf einem Haufen mit altem Eisen liegen hatte.

Brychan hatte die Ziegen auf der kleinen Straße durch das Dorf getrieben, um zu einer anderen Weide zu gelangen. Der Sommer war sehr heiß gewesen und hatte so manche ausgedörrte Wiese hinterlassen. Aber in diesem sehr hügeligen Teil Cornwalls, der zudem mit zahlreichen Wäldern durchzogen war, fand er noch grüne Wiesen, um die Tiere ausgiebig weiden zu lassen.

Dazu war es aber erforderlich, mehrere Tage in dem Gebiet zu verbleiben, und bei den Tieren zu schlafen. Das war für den Hütejungen eine harte Zeit, denn er hatte als Verpflegung nur einen harten Laib Brot und etwas eingetrockneten Käse für sich. Wasser und vielleicht ein paar Beeren musste er sich selbst suchen. Doch die Ziegen benötigten ebenfalls Wasser, und so ergab eins das andere.

Brychan fühlte sich in diesem Leben sehr wohl, wenn auch der Traum, ein Ritter zu werden, in unerreichbare Ferne gerückt war.

Dann kam dieser Tag, als er beim Schmied Myghal vorbeizog und gerade sah, wie sich der Schmied aus einem großen Tonkrug etwas Wasser über den Kopf kippte, das ihm über das Gesicht lief und Spuren im dort festsitzenden Staub hinterließ, die ihn zum Lachen brachten.

Der Schmied bemerkte ihn, rief ihn zu sich heran und gab ihm ebenfalls etwas von dem erfrischenden Nass. Dabei fiel der Blick des halbnackten Hütejungen auf den Berg aus unbrauchbar gewordenem Eisen, das der Schmied zu neuem Leben erwecken wollte. Ein zerbrochener Pflug, ein Schaufelblatt, der zerbeulte Helm – und Brychan konnte den Blick kaum abwenden, hörte gar nicht, was der Schmied ihn fragte und schaute wie gebannt auf das Teil, das zu seinem Traum gehörte.

Myghal bemerkte wohl die Blicke des Jungen und musste schmunzeln. Da stand dieser hoch aufgeschossene Bengel vor ihm, hatte nur eine schmutzige Bruche um die Hüften, sonst nichts. Sein Oberkörper war von der Sonne bereits tief braun gebrannt, an den schmalen Schultern, aus denen die Schulterblätter herausstachen, wie kleine Flügelenden, pellte sich die Haut etwas. Ein Blick in das schmutzige Gesicht des Hütejungen, dessen strahlend blaue Augen auf diesen Helm gerichtet waren, und Myghal erinnerte sich selbst an längst vergangene Tage, in denen auch für ihn der Anblick eines Ritters in seinem glänzenden Hemd aus zahlreichen, ineinander geflochtenen Ringen, dem Helm und einem prächtigen Schwert an der Seite stets etwas Besonderes darstellte.

„Du hast da ein paar besonders hübsche Tiere in deiner Herde. Wenn du in Erfahrung bringen kannst, ob mir der Besitzer die beiden schwarz-weiß-gefleckten Ziegen verkaufen will – ja, die dort drüben meine ich – dann könnte ich für deine Bemühungen eine Belohnung aussetzen.“

„Eine Belohnung?“, rief der Ziegenjunge begeistert, ohne auf die Kaufabsichten des Schmieds überhaupt einzugehen.

Myghal lachte gutmütig und hieb auf sein Eisenstück, dass die Funken flogen und der Junge erstaunt einen Schritt zurücktrat, um aus ungefährlicher Entfernung den kräftigen Mann besser beobachten zu können.

„Jeder gute Handel hat seinen Preis, den ich auch bezahlen werde. Und wenn ein tüchtiger Vermittler diesen Handel vermittelt, so bekommt er dafür etwas, das ich mal Belohnung nennen will. Du kennst doch den Besitzer der beiden Ziegen, oder? Meine Frau möchte gern eine kleine Herde anlegen, bislang besitzen wir aber nur einen prächtigen Bock, den ich im letzten Jahr für eine Schmiedearbeit erhalten habe. Da kämen die beiden Ziegen gerade recht, was meinst du?“

Der Hütejunge starrte den Schmied aus seinen großen, blauen Augen unverwandt an, schluckte mehrmals und antwortete schließlich mit heiserer Stimme:

„Und was ... was wäre das für eine Belohnung, Schmied?“

Lachend deutete Myghal auf den alten Helm.

„Was meinst du zu dem alten Helm? Er ist schon so verbeult und das Innenleder verfault, dass ich ihn wohl nicht mehr herrichten kann. Schau mal hier herein!“ Damit zog der Schmied den Helm aus dem Haufen, der scheppernd auseinanderfiel, und präsentierte ihn dem Jungen. „Hier hat der ehemalige Besitzer einen furchtbaren Schlag auf den Kopf bekommen, den er bestimmt nicht überlebt hat. Die Beule hat sich so sehr nach innen gewölbt, dass er damit wohl ein Loch in den Kopf bekommen hat, denke ich.“

Brychan legte vorsichtig, fast schon andächtig, seine Hand auf den zerbeulten Helm, als der Schmied ihn herüberreichte. Ein seltsames Gefühl durchfuhr den Jungen, so, als hätte er plötzlich ein Stück seines Traumes leibhaftig in den Händen.

„Du ... du willst mir den wirklich geben, wenn ich dir den Verkauf der Ziegen ... vermittele? Wirklich wahr, als Belohnung?“

„Ja, natürlich. Hier ist meine Hand darauf, schlag ein! Wie heißt du überhaupt, Junge?“

„Brychan!“

„Wie der Heilige? Na, dann ist ja alles gut und besiegelt zwischen uns. Ich bin Myghal, der Schmied, und wenn du von der Weide mit deinen Ziegen hier wieder durchziehst, komm so bald wie möglich mit den beiden ausgesuchten Tieren zurück und wir werden uns handelseinig!“

„Das will ich wohl tun, Schmied!“

Noch ein sehnsüchtiger Blick auf den Helm, dann wandte sich der Junge gewaltsam ab, lief hinüber zu den Ziegen, die inzwischen an allen möglichen Pflanzen und Blumen an der Dorfstraße kauten, und trieb sie weiter. Dazu hatte er vor vielen Jahren schon gelernt, wie man mit einem zugeschnittenen Stecken die Ziegen anstuppst, wenn sie wieder einmal irgendwo stehen bleiben wollen. Aber Brychan hatte bald eine ganz eigene Art im Umgang mit Tieren entwickelt. Er konnte mit ihnen gut umgehen, egal, ob es Ziegen, Schafe oder sogar die Schweine des Bauern waren. Wohin er ging, kamen die Tiere zu ihm gelaufen, und die Dorfbewohner vertrauten ihm gern ihre Herden an.

Jetzt genügte ein kleiner Knuff in die Seite des Leithammels, und die Herde verließ das Dorf, um endlich die saftigen Weiden in der Nachbarschaft zu erreichen. Brychan war von nun an in bester Laune, sang und trällerte ständig eine Melodie vor sich hin, die er aus der Kirche des Nachbarweihers kannte, und sehnte sich den Moment herbei, an dem er endlich mit der Herde zurückkehren konnte.

„Na, Brychan, schläfst du mit offenen Augen?“, vernahm er eine freundliche, wohlklingende Stimme an seiner Seite und fuhr erschrocken herum.

Da stand der alte Abt lächelnd vor ihm und deutete auf den einfachen Tonbecher in seiner Hand.

„Wenn du so gut bist, mein Junge, und mir wohl etwas von dem Quellwasser schöpfen könntest? Ich habe von der Fahrt ein so steifes Kreuz, dass ich befürchten muss, nicht wieder aufstehen zu können, wenn ich mich an das Ufer setze.“

„Verzeiht mir, Herr!“, rief Brychan fröhlich aus, ergriff den Becher und war gleich darauf wieder bei seinem Fahrgast.

Dankbar trank der alte Mann das klare, kalte Wasser in einem Zug aus und hielt erneut den Becher seinem Fuhrknecht entgegen.

Der sprang hurtig erneut zum sprudelnden Quellwasser, das hier aus einem Felsen in ein kleines, natürliches Becken lief, das von dem Wasser über die Jahrhunderte ausgewaschen wurde und nun für Mensch und Tier wie ein großer Behälter das köstliche Nass bereithielt.

Dann aber setzte sich der Abt doch direkt auf den Boden, aber im Schatten des Ochsenkarrens. Brychan hatte das brave Zugtier ausgespannt und ebenfalls zum Saufen an das Felsenbecken geführt, nachdem er selbst getrunken und eine große Tonkanne mit frischem Wasser gefüllt hatte.

Der Abt nickte ihm freundlich zu und wies auf das kleine Paket, das er vor sich im Gras ausgebreitet hatte. Der Fuhrknecht erkannte frisches Brot, das der Kirchenmann im letzten Dorf von einer Bäuerin erhalten hatte, sowie ein prächtiges Stück Schinken, mehrere gebratene Hühnerkeulen und ein Stück Schweinefleisch, dunkelbraun gebraten und mit einem verlockenden weißen Fettstreifen daran.

„Greif zu und stärke dich, ein Fuhrknecht muss doch einiges leisten, um seinen Fahrgast sicher an das Ziel zu bringen. Und das zu diesen unruhigen Zeiten, in denen sich die Unzufriedenen unter der Fahne des Löwenritters versammeln und das Land unsicher machen.“

Dabei warf der Abt ihm einen seltsamen Blick zu, und Brychan fragte sich in diesem Moment, ob der alte Mann ihn prüfen wollte. Er wusste, dass er auf den Burgen im Land verkehrte, vertraut mit Prinz Johann war und schließlich dem Sheriff von Cornwall in der vergangenen Woche wieder einmal gründlich die Leviten gelesen hatte. Natürlich war er nicht im Großen Saal der Burg anwesend, aber diese Begegnung war tagelanges Gespräch unter allen Mägden und Knechten und gelangte schließlich über die Stallburschen auch an das Ohr des Fuhrknechtes, den man auf die Burg bestellt hatte.

Aber Brychan ließ mit keiner Silbe oder gar einem zustimmenden Nicken erkennen, was er von der Lage im Land hielt, griff nach einer Aufforderung gern zum Schinken und schnitt sich mit seinem dünnen, aber sehr scharfen Messer eine Scheibe davon ab.

„Du scheinst mir ein heller Bursche zu sein, Brychan“, begann der Abt nach einer Weile des genüsslichen Schweigens erneut. Der Fuhrknecht warf dem Geistlichen einen raschen Blick zu und erkannte, dass der ihn aufmerksam musterte. „Doch, du kannst dich ruhig verstellen, mich täuscht du nicht. Ich schätze, du weißt einiges mehr als es für einen gewöhnlichen Ochsenknecht sonst der Fall sein mag. Du beobachtest aufmerksam die Natur und die Umgebung und hast uns gestern rechtzeitig vor dem großen Unwetter in eine Scheune gebracht. Das alles zeigt mir, dass du keiner von den dumpf vor sich hinbrütenden Burschen bist, die sonst auf einem Ochsenkarren durch das Land ziehen.“

Ein rascher Blick zum Sprecher, dann biss der Fuhrknecht erneut in sein Stück Brot und schob sich gleich darauf ein Stück vom Schinken hinterher. So hatte er wenigstens das Gefühl, dem Abt nicht antworten zu müssen, denn seine kräftig mahlenden Kiefer standen nicht keinen Moment still.

Aber dann war das Essen beendet, der Abt packte seine Sachen wieder zusammen und verstaute sie auf dem Ochsenkarren, der außer ein paar Tonkrügen mit Bier nichts weiter enthielt. Zur Sicherung der Ladung hatte man viel Stroh um die zerbrechliche Ware gestopft, sodass der Geistliche schon mehrfach die Gelegenheit genutzt hatte, um auf dem Stroh ein kleines Nickerchen einzulegen, während das Fuhrwerk im gemütlichen Zuckeltrab über die holprige Landstraße rumpelte.

Brychan spannte den Ochsen wieder ein, half dem Abt, auf den Bock zu klettern und von dort weiter auf die kleine Strohfläche. Kaum zuckelte das Gespann weiter, lag Abt Dhorie auch schon ausgestreckt auf dem Stroh und ließ sich von dem schaukelnden, knarrenden Gefährt in den Schlaf wiegen.

Erstaunt richtete sich der Geistliche wieder auf, als der Karren zum Halten kam. Verschlafen sah er den Fuhrknecht an, der sich zu ihm herübergebeugt hatte und ihm gerade etwas zugeraunt hatte.

„Wie bitte?“

Der Abt befand sich noch in den Erinnerungen an einen wunderbaren Traum, in dem er in einer prächtigen Halle stand und vom Erzbischof empfangen wurde. Gerade hatte die Eminenz huldvoll die Hand auf sein Haupt gelegt, als die Bilder um ihn zerflossen und er jetzt deutlich die Stimme des jungen Mannes hörte.

„Wir müssen uns am Waldrand verbergen, verehrter Abt. Es scheint gefährlich zu werden, wenn wir der Landstraße weiter folgen!“

Erstaunt sah sich der alte Mann um und erkannte, dass sein Fuhrwerk dicht an den Rand eines dunklen Waldes herangefahren war und dort von dem jungen Knecht nun rückwärts zwischen ein paar Büsche dirigiert wurde. Der gutmütige Ochse gehorchte seinem Herrn, der beruhigend, mit leiser Stimme auf ihn einsprach, ihm die Hand auf die weiche Schnauze gelegt hatte und ihm dabei mit dem einfachen Stecken leicht gegen das eine Vorderbein klopfte.

„So ist es brav, sehr fein, noch ein Stück, hoooo, steh!“

Der Ochse schnaubte laut, dann stand er still, senkte den Kopf und versuchte, trotz des Jochs in seinem Nacken, an ein paar grüne Halme zu gelangen, die wohl zu verführerisch direkt vor seiner Nase aus dem Waldboden wuchsen.