Novellen

 

Hedwig Dohm

 

 

 

 

 

Inhalt:

Hedwig Dohm – Biografie und Bibliografie

 

Wie Frauen werden

Werde, die Du bist!

 

 

 

 

Novellen, H. Dohm

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

 

ISBN: 9783849655105

 

www.jazzybee-verlag.de

admin@jazzybee-verlag.de


Dieses Werk bzw. Inhalt und Zusammenstellung steht unter einer Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz. Die Details der Lizenz und zu der Weiterverwertung dieses Werks finden Sie unter http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de/. Der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon wurden der TextGrid-Datenbank entnommen, wo der Inhalt und die Zusammenstellung oder Teile davon ebenfalls unter voriger Lizenz verfügbar sind. Eine bereits bestehende Allgemeinfreiheit der Texte bleibt von der Lizensierung unberührt.

 

 

 

Hedwig Dohm – Biografie und Bibliografie


Schriftstellerin und Frauenrechtlerin, eigentlich Marianne Adelaide Hedwig Dohm, geboren am 20.September 1831 in Berlin, gestorben am 1.Juni 1919 ebenda. Drittes von insgesamt 18 Kindern des Tabakherstellers Gustav Schlesinger und dessen Frau Wilhelmine Jülich. Nach abgebrochener Schulausbildung mit 15 heiratet sie mit 22 Jahren Ernst Dohm, Chefredakteur der Satire-Zeitschrift "Kladderadatsch". Die Eheleute bekommen fünf Kinder. Unter den Kindeskindern findet sich auch Katia Mann, später Ehefrau des Schriftstellers Thomas Mann. Ab 1870 schreibt Dohm einige feministische Schriften, nach dem Tod ihres Manns 1883 dann Novellen und Romane.

 

Wichtige Werke:

 

 

 

 

 

 

Wie Frauen werden

 

 

Katharina Böhmer, die junge Gattin des vielbewunderten Malers Michael Böhmer, ging unstät in ihrem Zimmer auf und ab. Sie war in einfachster Promenadentoilette, ein braunes Kapothütchen auf dem Kopf. Sie wartete auf ihren Mann. Er hatte versprochen, sie Punkt elf Uhr zur Ausstellung des Künstlervereins abzuholen, wo sein neuestes Bild »Die Geburt der Venus«, das sie noch nicht kannte, ausgestellt war. Sie wartete schon seit einer halben Stunde. Ob sie in das Atelier, das einige Stockwerke höher lag, hinaufstieg? Sie wagte es nicht. Sie wußte, er wollte nicht, daß sie in das Atelier kam, wohl der Modelle wegen. Seit Monaten war sie nicht oben gewesen. In der ersten Zeit ihrer Ehe hatte sie häufig mit ihm Ausstellungen besucht, nicht besonders gern. Er pflegte sie nicht auf die guten, sondern auf die schlechten Bilder aufmerksam zu machen, jeden Mangel derselben scharf hervorhebend, um so schärfer, wenn es Künstler betraf, die seine Richtung vertraten.

 

Wenn er sie heute vergebens warten ließ, es wäre zu lieblos. Am Abend schon trat er eine, vermuthlich Monate umfassende Reise nach dem Rheinlande an, wo er ein Fürstenschloß auszumalen hatte.

 

Mißmuthig und erregt trat sie an's Fenster. Die Wohnung lag am Schöneberger-Ufer. Sie blickte hinab auf den Canal. Es war Ende October. Ein feiner Regen rieselte nieder. Die Blätter hingen schlaff und schmutzig an den Bäumen. Die abgefallenen bildeten eine bräunliche muffige Masse am Boden. Die Straße war menschenleer. Zwei Kähne mit Kohlen wurden von Ruderknechten geschleppt. Langsam, keuchend, maschinenartig bewegten sie sich vorwärts in der fröstelnden Nässe. Eine solche Lebensunlust war in Allem.

 

Käthe trat in's Zimmer zurück, warf sich in einen Lehnsessel und nahm eine Zeitung in die Hand. Sie konnte nicht lesen. Ihre Blicke folgten dem Zeiger der Uhr. Allmählich wirkte das Starren auf die Uhr hypnotisirend auf sie, und sie versank in halbwaches Sinnen und Grübeln, das so oft schon ihre leeren Stunden ausgefüllt hatte.

 

Und wieder, wie auch sonst, war es ihr vergangenes und ihr gegenwärtiges Leben und der trübe Ausblick in die Zukunft, die an der Seele der glücklosen jungen Frau vorüberzogen.

 

Katharina war die Tochter des reichen Fabrikbesitzers Brand in Thüringen. Ihre Mutter, eine tüchtige und correcte Hausfrau, ging in der Haushaltung, in der Fürsorge für die Kinder, so lange sie klein waren, und in der Pflichterfüllung ihrem Gatten gegenüber völlig auf. Den kleinen Kindern gehörte die Liebe und das Interesse der Eltern; die heranwachsenden und noch mehr die ganz Erwachsenen rückten ihnen ferner, ohne daß sie sich dessen nur einmal bewußt gewesen wären. Katharina, die älteste von fünf Geschwistern, stand ihren Eltern, als sie erwachsen war, fast fremd gegenüber. Sie und ihre Geschwister hatten eine Erzieherin gehabt. Sie war gut und sorgfältig ernährt und gekleidet worden. Weder bedeutende Menschen noch interessante Bücher, die hätten wecken können, was etwa in ihr schlief, waren, als sie heranwuchs, in ihren Gesichtskreis getreten. Sie war zufrieden gewesen mit der conventionellen Regelmäßigkeit ihrer Existenz. Sie hatte sehr viel hübsche und feine Handarbeiten angefertigt und hatte, noch kaum erwachsen, Bewerber gehabt, junge Beamte des Städtchens, deren Werbung hauptsächlich dem Reichthum des Vaters galt. Katharina hatte den Ruf, stolz und zurückhaltend zu sein, das zog die jungen Leute des Oertchens, die es sich gern bequem machten, ebenso wenig an, als der eigenartige Reiz ihrer Erscheinung. Katharina war weder stolz noch zurückhaltend; sie gehörte nur zu den exclusiven Naturen, die still für sich sind, weil nichts in ihrer Umgebung sie anregt, nichts ihrem inneren Wesen und Träumen entspricht. Das Aufregendste in ihrer Existenz war gewesen, daß ihre einzige Freundin eines Tages durchgebrannt war, wie es hieß, um Schauspielerin zu werden, und daß diese Busenfreundin seitdem lieblos verstummt war. Den Mangel individueller Liebe von Seiten der Eltern hatte Käthe nie empfunden. Sie hatte ja den Onkel Carl, der von den fünf Geschwistern sie einzig und allein liebte. Onkel Carl hatte von jeher zu ihrem Leben gehört wie Vater, Mutter und Geschwister, ja noch mehr. Es hatte mit diesem Onkel, der eigentlich gar nicht ihr Onkel war, eine eigenthümliche Be wandtniß.

 

Als achtzehnjähriger Jüngling war Carl Nort als Volontair in die Fabrik ihres Vaters eingetreten, der sich damals eben mit der Tochter des Schuldirectors verheirathet hatte. In seinem Hause lebte eine junge Schwester seiner Frau. Carl verliebte sich leidenschaftlich in das schöne Mädchen, das mit dem verliebten Knaben ein kokettes Spiel trieb und sich ein Jahr später mit einem Gutsbesitzer der Nachbarschaft verheirathete.

 

Die Eltern Katharinens hatten alle Mühe, den heißblütigen jungen Mann von einem Selbstmord zurückzuhalten. In Folge dieser complicirten Beziehungen entwickelte sich zwischen ihnen und Carl ein wahres und herzliches Freundschaftsverhältniß. Letzterer siedelte sich in ihrer Nähe an. Er blieb unverheirathet und wurde von Brands als ein Familienmitglied betrachtet, ein Verhältniß, das sich lockerte, als politische und sociale Meinungsverschiedenheiten immer schärfer hervortraten, die Denkart Carls immer radicaler, die Brands zu immer engerer Stabilität sich entwickelte. 

 

Carl war Mitglied des Reichstages geworden und saß dort auf der äußersten Linken. Als Katharina an der Schwelle des Jungfrauenalters stand, war die völlige Lostrennung Carls von ihrer Familie nur noch eine Frage der Zeit. Oft war ihm die Versuchung nahe getreten, das geliebte Kind mit seinen Ideen vertraut zu machen. Er hatte ihre Gemüths- und Geistesart geprüft und ein herzig gutes, begabtes, aber willensschwaches Geschöpf gefunden, ihre Intelligenz ein unbeschriebenes Blatt. Sollte er darauf schreiben, was er für das Beste, das Wahrste hielt? Seine Gewissenhaftigkeit ließ es nicht zu, das Mädchen der Welt, in der es leben mußte, zu entfremden.

 

Indessen, mit der Zeit wurde die Versuchung für ihn in dem Maße stärker, als die Neigung für das reizvolle Kind sich vertiefte. Noch war er mit sich nicht einig, was er thun oder lassen sollte, als die Eröffnung des Reichstages ihn nach Berlin rief. Von den Eltern hatte er einen kühlen Abschied genommen. Er wußte, daß er in einer bestimmten Nachmittagsstunde sein Käthchen im Garten treffen würde. Dort suchte er sie auf und fand sie auf einer Bank unter einer Linde, mit einem Buch in der Hand, in dem sie nicht las. Sie hatte den Kopf gegen den Rücken der Bank gelehnt; traumverloren blickte sie in's Leere. Sie schrak zusammen, als er sie anredete, und auf seine Frage, wovon sie träume, hatte sie geantwortet: »Von einem Prinzen.«

 

Er sagte ihr, daß er Abschied nehmen wolle. Sie schlang ihren Arm um seinen Hals und sah recht von Herzen betrübt aus.

 

Eine große Freude kam über ihn, und seine Lippen öffneten sich, um zu reden, wovon sein Herz voll war. Aber sie kam ihm zuvor und fragte, ob er nicht auf seiner Reise durch Weimar käme.

 

»Warum?« fragte er befremdet.

 

»Da wohnt er ja.«

 

»Wer?«

 

»Mein Prinz.« Natürlich sei es ja gar kein Prinz, sondern ein Maler, und schon ein ziemlich berühmter, wie der Papa ihr gesagt. Sie hätten ihn im vorigen Sommer in Friedrichsroda getroffen.

 

Er holte tief Athem. Seine Lippen schlossen sich herb und fest. Er wandte sich ab. Nach einer Weile fragte er, ob sie den Maler liebe?

 

Sie wisse es nicht. Und dabei lächelte sie mit einem süßen und verrätherischen Ausdruck.

 

Ob er ein guter Mensch sei?

 

Sie wisse es nicht.

 

Er lehnte sich an einen Baum, umschlang rückwärts mit seinen Armen den Stamm, als müßte er die Brust erweitern, und blickte empor mit einer seltsamen Starrheit des Blickes.

 

In dem instinctiven Gefühl, Onkel Carl verletzt zu haben, lehnte sie schmeichelnd ihr Köpfchen an seinen Arm.

 

Er hatte mit seinen Lippen ihre Stirn berührt. Dann war er gegangen.

 

Er war zu spät gekommen. Sein Käthchen, mit vulgären Liebesgedanken erfüllt, fand er schon auf der Bahn, die zu dem beschränkten Glück der Mutter führte.

 

Er hatte eine Minute geschwankt, ob er sprechen solle. Nein, es wäre unredlich gewesen, die erregte Phantasie eines verliebten Mädchens überraschen zu wollen. Im Frühjahr, wenn er zurückkäme und die wildjungen Triebe seines Käthchens abgedorrt wären, ja – dann – vielleicht – –

 

Drei Monate später theilte ihm Käthe in einem überglücklichen Schreiben ihre Verlobung mit Michael Böhmer mit.

 

Der junge Mann war unter dem Vorwand, Malstudien zu machen, in Käthes Heimat und in das Haus ihrer Eltern gekommen, und nach kurzem Liebeswerben hatte er um die Hand des jungen Mädchens angehalten.

 

Eine elegische, tieftraurige Stimmung kam über den reifen Mann, der ein stilles, heißes Hoffen begraben mußte. Er sollte noch Schwereres erdulden.

 

Carl Nort war für die rechte Seite des Hauses einer der gefährlichsten Gegner wegen seiner unverbrüchlichen Wahrheitsliebe. Man scheute kein Mittel, ihn unschädlich zu machen. Ja, man wagte es, seinen moralischen Charakter anzutasten, und ziemlich unverblümt auf sein Verhältniß zu den Brands hinzudeuten, wo er als Dritter im Bunde – das Standesamt umginge.

 

Er ertrug diese Lästerungen mit schweigender Verachtung. Etwas Anderes aber traf ihn in's Herz: daß er nicht mehr an die Idealität derjenigen Partei glauben konnte, der er mit Leib und Seele angehörte. Er erkannte allmählich, daß sie mit denselben Waffen kämpfte wie andere Parteien auch. Auch sie hatte pfiffige und diabolische Taktiken, auch sie schmähte und verlästerte gegen besseres Wissen. Und was das Aergste war, sie schmeichelte dem Volk. Anstatt es zu belehren und zu läutern, bestärkte sie es in Haß und Urtheilslosigkeit und zog Hochmuth und Ueberhebung in ihm groß.

 

Carl Nort hatte etwas vom Pathos eines Volkstribunen, von der strengen Wahrhaftigkeit eines Cato und zugleich von der Friedfertigkeit des Weisen.

 

Er schrieb voll edlen Zorns an die betreffenden Zeitungsredactionen. In ihren Antworten las er den alten jesuitischen Spruch, daß der Zweck die Mittel heilige, zwischen den Zeilen, er las darin, daß zuerst und zuletzt, und über Allem der Sieg der Partei stehe. Alles Andere würde sich finden – später.

 

Carl Nort zweifelte an diesem »später«, nach einem Siege, wo der Sieger nicht besser war als der Besiegte. Vor seinem inneren Auge entrollten sich Jahrzehnte voll wüster und blutiger Kämpfe. Er sah eine Sündfluth heraufkommen, die gleicherweise die Guten und die Bösen vertilgte. Und wenn die Wasser sich verlaufen haben werden, sind sie Alle wieder da – die Guten und die Bösen.

 

Dazu empfand er die wüthende Ohnmacht eines Künstlers, der ein ideales Bild im Herzen trägt, und dem das Material fehlt, es zu gestalten. Und er empfand zugleich die tiefe Seelennoth des Apostels, der die Lehren, die ihm heilig sind, zu einem Parteimanöver entwürdigt sieht.

 

Er erkrankte. In der Genesung las er Herzkas »Freiland«. Wie? war das vielleicht der rechte Weg, um für eine neue, reine Weltordnung neue, reinere Menschen zu gewinnen? Eine kleine Gemeinde, die sich allmählich ausbreitet, größer wird, immer größer, bis sie schließlich den Erdkreis umspannt?

 

Er faßte einen Entschluß, rasch, freudig. Mit dem Wagemuth eines Jünglings hatte der fertige Mann den Staub Europas von seinen Füßen geschüttelt und war nach Südamerika ausgewandert, um am Saume der Prärieen und der Cultur frei zu werden von der Niedertracht der Menschen – Halbmenschen, wie er sie nannte, – und zu versuchen, ein Ganzmensch zu werden.

 

Käthe hatte geweint, als sie seinen feierlich rührenden Abschiedsbrief las.

 

Daß sie Onkel Carl nicht noch schmerzlicher vermißte, kam auf Rechnung ihrer Brautschaft.

 

Ihre ganze Brautseligkeit und später das erste Glück ihrer jungen Ehe hatte sie treulich dem alten Freunde berichtet. Aus seinen Briefen hatte sie erfahren, daß er sich in Paraguay angesiedelt und mit den mühseligsten und beladensten aller Menschen, den grausam ausgetriebenen russischen Juden, seine Colonie bevölkert hatte.

 

Um die Ansiedlung zu bewerkstelligen und den Aermsten die Ueberfahrt zu ermöglichen, hatte er einen großen Theil seines Vermögens geopfert. Seine Colonie nannte er »Tolstoi«.

 

Diese Thatsachen hatten Käthe in Verwunderung gesetzt, ohne ihr tieferes Interesse zu erregen.

 

Allmählich waren ihre Briefe seltener und seltener geworden und hatten endlich ganz aufgehört. Als sie ihm zwei bis drei Mal nicht geantwortet, verstummte auch er. Es widerstand ihr, ihm zu schreiben, wie nach und nach ihr Glück entschwand, ganz, völlig entschwand.

 

Ja, sie war unglücklich. Sie liebte ihren Mann, und er hatte aufgehört sie zu lieben. Sie war überflüssig für ihn geworden, wenn er auch anerkennen mußte, daß sie eine gute Hausfrau und Mutter, eine treue, vorsorgliche Gattin war. Hatte er sie überhaupt jemals geliebt?

 

In der Langweile des kleinen Badeorts war sein unbeschäftigtes Gemüth durch einen Zufall auf Katharina Brand verfallen, eine oberflächliche Verliebtheit, die ohne Consequenzen geblieben wäre, wenn nicht die sehr bedeutende Mitgift des jungen Mädchens ihn schließlich zu der praktischen Werbung um ihre Hand veranlaßt hätte, nicht aus Geldgier, aus Sucht nach Wohlleben, sondern aus leidenschaftlicher Liebe zu seiner Kunst. Er war zu arm, um sich den Luxus erlauben zu dürfen, seinem Genius zu folgen, oder zu genußsüchtig, um ihm unter Entbehrungen treu zu bleiben. Das Bild einer häßlichen Parvenüfamilie, das zu malen die Armuth ihn gezwungen, und das ihn zur Verzweiflung trieb, gab den Ausschlag bei der Werbung um Katharina.

 

Nach der Verheirathung, der Existenznoth enthoben, entfaltete sich seine geniale Begabung mit überraschender Schnelligkeit und Kühnheit. Seine Bilder versetzten das Publicum in Entzücken und trugen ihm Geldsummen ein, neben denen Käthes Mitgift bald nicht mehr in Betracht kam. Er bereute seine vorschnelle Ehe und trug Katharina nach, was sie nicht verschuldet hatte. Der Anfang seiner Verstimmung gegen sie war die Verständnißlosigkeit, die sie seinen Bildern gegenüber zeigte. Sie stand stumm, erröthend davor, er las in ihren Mienen, daß sie ihr mißfielen. Er war Impressionist, ein sinnlicher Mensch, der in Farben schwelgte. Ihre Temperamente stimmten nicht zusammen. Er hielt es für seine künstlerische Pflicht, Alles von sich fern zu halten, was seinen fröhlichen Schaffensdrang beirren konnte, und die Ansprüche seiner einfachen correcten Gattin an sein Gemüthsleben, an seine Zeit beirrten ihn. Und die arme Katharina gab sich eine so schmerzliche Mühe, ihn nie und nirgend zu belästigen. Bald hatte sie herausgefühlt, daß er lieber ohne sie als mit ihr in Gesellschaft ging. Er betonte so oft und so eindringlich, daß er ihr das Opfer, in Gesellschaft zu gehen, in denen sie sich augenscheinlich langweile, nicht zumuthen wolle; er leider dürfe aus künstlerischen und finanziellen Rücksichten die Gesellschaft nicht perhorresciren. Sie habe ja auch das Kind. Er sagte nie »mein Kind« oder »unser Kind«, immer nur »das Kind«.

 

Und Käthe blieb zu Hause mit Groll und Gram im Herzen. Er hatte ja Recht. Sie fühlte sich deplacirt, gedemüthigt in diesen Kreisen, wo Niemand sie beachtete und sie froh sein mußte, einige Frauen zu finden, mit denen sie in Gesprächen über Kinder und Wirthschaft ein paar Stunden hinfristete.

 

Katharina liebte ihren Gatten, wie reine Frauen zu lieben pflegen, weil sie einmal angefangen hatte, ihn zu lieben, weil sie doch sein Weib geworden, und weil zu lieben für das zärtliche Geschöpf eine zwingende Nothwendigkeit war, und andere als legale Beziehungen für ihren keuschen Sinn nicht existirten. Trotzdem fühlte sie eine Erkältung bis in's Mark, wenn Michael, ohne ein freundliches oder herzliches Wort an sie zu richten, in's Zimmer trat, und ihre sonst so weiche Stimme klang, wenn sie gleichgiltige Worte mit ihm wechselte, spitz und gereizt. Er bemerkte wohl, daß sie zürnte. Zuweilen, wenn sie einen allzu herben Accent nicht unterdrücken konnte, meinte er, halb scherzhaft, »in ihr käme der großväterliche Schuldirector zum Durchbruch«.

 

Als das Kind da war, brachte sie es ihm in der ersten Zeit ab und zu. Er beehrte es dann mit dem Prädicat »nettes Würmchen«, gab es ihr bald zurück und meinte, kleine Kinder seien nur für die Mütter da.

 

Ihr Kind war erst ein Jahr alt. Sie hatte es nicht selbst nähren können. Die Amme war als Wärterin geblieben, und naturgemäß hing das Kind vorläufig mehr an der Amme als an der Mutter. Sie liebte das Kleine von Herzen. Sie tändelte und spielte mit ihm, aber sie begriff nicht, wie ein so kleines Geschöpf in seiner rein vegetativen Existenz ein Menschenherz ausfüllen könne. Und doch behauptete man, daß es so sein müsse. War sie vielleicht keine gute Mutter? Wenn diese Vorstellung sie peinigte, preßte sie das Kleine an sich und saugte sich an seinem Anblick fest, bis ihr Herz ganz von Zärtlichkeit überfloß und sie sich nun gefeit glaubte gegen jede Unbill des Schicksals.

 

Eine Stunde später waren all' ihre Gedanken wieder bei Michael. Die schmerzende Liebe zu dem Gatten drängte die Mutterliebe in den Hintergrund.

 

Es vergingen zuweilen Tage, ohne daß sich die Gatten sahen. Michael war oft zu Tisch ausgebeten und pflegte dann selten vor Mitternacht nach Hause zu kommen, und er hätte seine Gattin vielleicht halb vergessen, wenn nicht das Bewußtsein, ein grollendes Wesen im Hause zu haben, ihm verdrießlich gewesen wäre, ein Wesen, vor dem er dies und das geheim halten mußte, ein Zwang, der seiner souveränen, offenen und rücksichtslosen Natur widerstand.

 

 

Während Käthe sich in trübes Träumen verlor, stand der, auf den sie wartete, ruhig vor seiner Staffelei, behaglich mit seinem Collegen und Freunde, Lorenz von Hellbach, plaudernd. Hellbachs Atelier lag auf demselben Corridor, unmittelbar neben dem Atelier Michaels.

 

Beide waren positive, genußsüchtige Naturen. Was etwa unsterblich in ihnen war, entzündete sich an dem Feuer ihrer Kunstbegeisterung. Diese Begeisterung war echt. Sie hielten das Künstlerthum für die Achse, um die die Welt sich dreht. Gleichartiges in ihren Lebensschicksalen und in ihren künstlerischen Bestrebungen hatte sie zu einander geführt. Beide hatten, um die Arbeit mühsamen Emporklimmens zu sparen, reiche Frauen geheirathet. Beide stimmten darin überein, es müsse in der Malerei etwas Neues, noch nie Dagewesenes gemacht werden. Hellbach hatte es anfangs mit dem Ultra-Naturalismus versucht und mit Vorliebe alte Weiber und zerlumpte Bettler gemalt. Modelle dazu fanden nur in seinem Atelier Einlaß, wenn sie der Verpflichtung, sich acht Tage nicht zu waschen, nachgekommen waren. Er behauptete, es so weit in seinem Hypernaturalimus gebracht zu haben, daß man an einem Brotkrümchen im Bart seines Bettlers oder an einem Fleck auf seinem Rock unterscheiden könne, ob das Krümchen von Schwarz- oder Weißbrot, oder ob der Fleck von Obst oder Fett herrühre.

 

Er hatte einige Erfolge zu verzeichnen gehabt, aber er wollte elektrisiren. Die Concurrenz auf diesem Gebiet war zu groß, und Größere als er errangen die Palme. »Ein mittelmäßiger Schuster ist erlaubt,« äußerte er einmal, »ein mittelmäßiger Künstler aber ist lächerlich.«

 

Und er creirte ein neues Genre, er malte die Nacht, fast immer mit einer witzigen Pointe. »Nacht muß es sein, wo Hellbachs Sterne strahlen,« sagten seine Collegen von ihm. Seine Berühmtheit verdankte er einem Bilde, auf dem ein in tiefen Dämmer gehülltes Zimmer zu sehen, oder vielmehr kaum zu sehen war. Ob es die Dämmerung unmittelbar vor der Nacht oder das erste kaum wahrnehmbare Morgengrauen war, blieb dahingestellt. An der Wand etwas weißlich Schimmerndes, das ein Bild sein konnte, darunter die verschwommenen Umrisse eines Sophas und auf diesen Umrissen die schattenhaften Contoure eines Menschen, der etwas in der Hand hielt, das eine Cigarre zu sein schien. Und das war die Pointe des Bildes: der feurige Punkt der brennenden Cigarre, der, mitten aus dieser virtuos-gemalten Finsterniß herausblitzend, das Dunkel erhellte.

 

Auf anderen seiner Bilder wurde die Nacht durch einsame Laternen, durch Irrlichter, Fisch- oder Katzenaugen, zarte Mondsicheln oder ähnliche lichtbringende Gegenstände gemildert.

 

Michael war Impressionist bis an oder über die Grenze der Möglichkeit. Die ganze Wollust seiner sinnlichen, etwas brutalen Natur tobte er in Farbenfluthen aus. Die Farbe war für ihn die Ausgießung des heiligen Geistes. Aber nicht eine Taube, eher ein Colibri oder ein Pfau vermittelte die Lichteruption.

 

Beide Maler klügelten und grübelten mit feiner Berechnung über ihre Compositionen. In der Ausführung aber überkam sie wirkliche Begeisterung, und so trugen ihre Bilder einen zugleich ergrübelten und genialen Charakter.

 

In Temperament und Geistesart gingen die Freunde weit auseinander. Hellbach war Skeptiker, ein Denker mit philosophischen Allüren, der zielbewußt handelte. Michael fielen die Lebensfreuden von selbst in den Schoß. Alle Weiber waren in den kraftvoll schönen Menschen vernarrt. Er hatte blondes, kurzgeschorenes Haar, das wie eine Sammetbürste an der Stirn emporstand, graublaue Augen und einen röthlichen Bart. Die Nase war stark und kräftig, der Mund schön geschnitten, mit vollen Lippen, der Teint von blühender Zartheit wie der eines Mädchens.

 

Michael malte, während er mit seinem Freunde plauderte. Plötzlich fiel ihm ein, daß Käthe auf ihn warte.

 

Dann müsse er gehen, sagte Hellbach.

 

»Ich muß? Und wenn ich keine Lust habe? Ueberdies ist's auch schon zu spät,« setzte er mit einem Blick auf die Uhr hinzu.

 

»Wie ich sie kenne, wartet sie noch auf Dich.«

 

»Mag sie.«

 

Hellbach machte ihm über die Rücksichtslosigkeit seiner Frau gegenüber Vorwürfe.

 

Michael zuckte die Achseln. Daß man die Dummheit einer unüberlegten Heirath nicht zurücknehmen könne, sei ein Fehler in der Weltordnung.

 

Er habe seiner Frau nichts vorzuwerfen, meinte Hellbach.

 

»Nein, nur daß sie eine trockene und langweilige Madame ist, in der Liebe kalt, und Kunstverständniß hat sie nun schon gar nicht.«

 

»Hättest Du ihr nicht das Verständniß dafür erschließen können?«

 

»Hieße leeres Stroh dreschen. Eine Frau, die mit einer braunen Kutte und einem Umschlagetuch im Hause umhergeht und sich vor einem decolletirten Kleide fürchtet –«

 

»Und eine femme modèle ist,« setzte Hellbach hinzu.

 

»Hilft ihr gar nichts. Ich will ein Weib, ein königliches, in Purpur, und wenn ich das nicht haben kann, eine Melusine, Elfe, Nixe, Bajadere, meinetwegen eine Lemure, nur nicht so'n nettes, kleines Frauchen. Ich will heiße, saugende Augen, wie die auf dem Bild unseres berühmten Collegen, der die Sünde malen wollte. Sünde! Sünde ist keine Farbe haben, kein Blut. Kein Temperament hat sie. Fahler Teint, der allenfalls zu rothem Haar möglich wäre, und sie hat eine schwarze Mähne. Weiß und schwarz – recht preußisch zwar, aber – unmalerisch. Höchstens bringt sie es einmal, wenn sie in Gala ist, zu einem matten Hauch von bleu mourante oder verhallendem Seegrün; keine Spur von gebrannter Terracotta, ultramarin, roth oder Kupfer. Das ist, was ich brauche. Wenn man da mit dem Pinsel hineinarbeiten könnte! Ihr Profil hat feine Linien. Das ist das Einzige.«

 

Hellbach führte ihm zu Gemüth, daß er seiner Frau Dankbarkeit schulde, ohne ihre Mitgift hätte er seine künstlerische Eigenart nicht entfalten können.

 

»Ach was! Ich hätte mich auch ohne ihr Geld durchgerungen. Uebrigens, Du hast gut reden. Deine Pauline, ja, die hat keine niobidenhafte Posen, keine Märtyrerblicke und stumme Gardinenpredigten, die sich Einem auf die Nerven legen. Und wie brav sie für Dich kocht.«

 

»Ich brauche sie auch wie das liebe Brot.«

 

»Unter welchem lieben Brot Du Schnepfen, Trüffeln und dergleichen verstehst.«

 

Lorenz lachte. – »Du weißt ja, daß ich nicht wie Du die Wahl hatte zwischen einer reichen Frau und vorübergehender Armuth. Meine Alternative war: Pauline oder der Revolver.«

 

Michael wußte es.

 

Lorenz Hellbach war Offizier gewesen. Einer Lappalie wegen hatte ihn ein Kamerad, der beste Schütze des Regiments, gefordert. Hellbach zweifelte nicht einen Augenblick daran, daß sein Gegner ihn tödten würde. Er calculirte, daß das Leben mit zweifelhafter Ehre einem unzweifelhaften Tode vorzuziehen sei, und lehnte das Duell ab, worauf er selbstverständlich den Abschied nehmen mußte. Er leistete sich den Schwur, daß er eines Tages seine Ehre wieder einlösen würde und zwar – durch Künstlerruhm.

 

Schon als Offizier hatte er sich durch seine künstlerische Begabung ausgezeichnet. Eine geistreiche Caricatur, die er von jenem Kameraden angefertigt, war eben die Veranlassung zu der Herausforderung gewesen. Er war ganz mittellos. Es bedurfte einiger Jahre ernster, mühevoller Studien, wenn er sein Ziel erreichen wollte.

 

Er kannte damals schon Pauline, die Tochter eines durch Terrainverkäufe in der Umgegend Berlins reichgewordenen Halbbauern. Das Mädchen hatte sich bei Gelegenheit eines Manövers, das den schmucken Offizier in ihr elterliches Haus führte, in ihn verliebt und hatte ihn seitdem nicht aus den Augen verloren. Er schlug jetzt aus seiner Verabschiedung Capital, indem er dem Mädchen einredete, daß er um ihretwillen den Abschied genommen.

 

Nachdem er Pauline, die nur über einfache Volksschulbildung verfügte, geheirathet, wußte er durch raffinirt schlaue Taktik die naive und leichtgläubige Frau in eine Lebensweise hinein zu schmeicheln und zu lügen, die schließlich zur Zufriedenheit aller Betheiligten ausschlug. Er ließ ihr völlige Freiheit im Verkehr mit den Ihrigen und nahm für sich dieselbe Freiheit in Anspruch.

 

»Warum,« setzte er das Gespräch mit seinem Freunde fort, »entwaffnest Du Deine Frau nicht durch Liebenswürdigkeit, durch Herzlichkeit, wie ich es thue.«

 

»Weil Du ein Strick bist und ich nicht. Uebrigens ist unsere Lage auch eine ganz verschiedene.«

 

»Gewiß. Ich brauche meine Frau, und Du brauchst die Deinige nicht mehr. Die verrückten Engländer bezahlen Dir ja Nabobspreise. Schade, daß wir nicht mit unseren Frauen tauschen können!«

 

»Käthe gefällt Dir?«

 

»Ja.«

 

»Immerzu. Du bist ja mein Freund.«

 

»In Betreff Deiner Frau zähle nicht auf meine Loyalität. Auf diesem Gebiet nehme ich, was ich kriegen kann.«

 

Michael lachte etwas gezwungen. Es thäte nichts, da er seiner tugendhaften Ehehälfte nur zu sicher wäre.

 

»Eifersüchtig?«

 

»Auf meine Ehre höchstens.«

 

Hellbach schnitt eine Grimasse.

 

Als Michael jetzt den Pinsel fortlegte, forderte ihn Hellbach auf, mit hinüber zu kommen, um ein Urtheil über den Fortschritt an seiner neuesten »Nacht« abzugeben.

 

 

Einige Minuten später stieg Käthe die Stufen zum Atelier hinauf. In einer zornigen Aufwallung hatte sie sich ihrer Unterwürfigkeit geschämt. Wie konnte er der Gattin verbieten, sein Atelier zu betreten, das jedem Fremden offen stand. Vielleicht hatte er bei allzu eifrigem Malen sein Versprechen nur vergessen. Es konnte ihn nicht verletzen, wenn sie ihn daran erinnerte.

 

Sie öffnete langsam und zögernd die Thür des Ateliers. Ein herber, bitterer Zug zeigte sich auf ihrem Gesicht, als sie es leer fand. Wie hatte sie nur annehmen können, daß er sie heute nicht vergessen würde! vergaß er sie nicht immer?

 

Eine eigenthümliche, schwüle parfümirte Atmosphäre herrschte in dem Raum, die ihr den Athem beklemmte.

 

Ueber eine breite Ottomane, deren Lehne orientalische Kissen bildeten, war ein Pantherfell geworfen, dessen Krallen sich in den weichen Fußteppich verloren. Ein Sammetkissen am Kopfende der Ottomane war in der Mitte eingedrückt. Da hatte vermuthlich der Kopf eines Modells geruht. Sie wußte ja, er brauchte Modelle, dennoch wandte sie den Kopf mit Widerwillen von dem Ruhebett ab. Ihre Blicke irrten umher und hafteten schließlich an dem fertigen Bilde, das auf der Staffelei stand. Fast hätte sie gelacht. Was sollte das nun wieder vorstellen! Sie verstand es absolut nicht!

 

Ein nacktes Weib mit feuerfarbenem Haar steht auf einem wiesenartigen Terrain in einer blühenden, glühenden blauen Farbentollheit, ein blaues schleierhaftes Gewand hinter dem Rücken haltend. Bäume, Himmel und Luft rieseln als bläuliche Farben nieder, und aus diesem Wolkenbruch von Farbe schimmern die perlmutterschillernden Glieder des Weibes. Der Kopf ist flüchtig behandelt. Das Haar ist die Hauptsache, es lebt, leuchtet, wallt und löst sich wie ein Knotenschweif in das fluthende Blau auf. Der Uebermuth dieser Farbenwollust wirkte wie schmetternde Fanfarenmusik. Die Farbe hatte sich bei Michael Böhmer vom Stoff emancipirt, sie war Selbstzweck geworden. Der eine hochgehaltene Arm des Weibes verdeckt einen Theil des Kopfes. Ein schmales Profil sieht aus dem Bilde heraus.

 

Und dieses Profil! Käthes Augen, die immer größer werden, starren darauf. Sie drückt die geballten, kleinen Fäuste gegen die Schläfe, sie glaubt nicht recht gesehen zu haben. Mit aller Gewalt nimmt sie sich zusammen und prüft eingehend, sorgfältig. Kein Zweifel, es ist ihr Profil, Zug für Zug. Ihr Gesicht auf dem üppigen, strahlenden Leib des Weibes da. Wie hilfesuchend blickt sie im Zimmer umher, und dann – in nicht zu dämmendem Zorn ergreift sie einen Pinsel – – der Kopf soll fort!

 

Michael hat die Thür geöffnet. Sie hält den Pinsel noch hoch in der Hand. Erstaunt blickt er in ihr entstelltes Gesicht, auf den Pinsel in ihrer Hand.

 

»Was willst Du hier? und der Pinsel da – –«

 

»Ich wollte,« – stammelt sie abgebrochen – »das Gesicht da, – mein Gesicht – es soll fort! fort! abscheulich! abscheulich!«

 

Er reißt ihr den Pinsel aus der Hand und schleudert ihn zu Boden. Er hätte sie schlagen mögen. Mit aller Gewalt zwingt er einen aufsteigenden Jähzorn nieder.

 

»Ja, Dein Profil, es paßte mir gerade in den Farbenglanz da. Das farblose, ausdruckslose Profil ist ja völlig gleichgiltig in dem Bilde, kein Mensch wird es beachten.«

 

Die Geringschätzung, die in seinen Worten liegt, bringt sie außer sich. Sie bricht in krampfhaftes Schluchzen aus. – »Ich ertrage es nicht, nein – nein, ich ertrage es nicht mehr!«

 

»Wer zwingt Dich, es zu ertragen!« sagt er mit kalter Wuth, die an die Stelle des Jähzorns getreten ist. Daß sie aus alberner Prüderie fast sein Bild zerstört, verzeiht er ihr nie.

 

Sie hört auf zu schluchzen und sieht ihn verständnißlos an.

 

»Was – was meinst Du – damit?«

 

»Laß Dich scheiden.«

 

Ihr Athem stockt. – »Du willst – geschieden sein?«

 

»Ja. Ich kann nicht zusammenleben mit einer Frau, die das chronische Bedürfniß hat, sich unglücklich zu fühlen.«

 

»Und bin ich es nicht?« haucht sie kaum hörbar.