1. Auflage 2018
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Umschlaggestaltung: bauer-design, Mannheim
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Satz: Lumina Datamatics
Print ISBN: 978-3-527-50933-1
ePub ISBN: 978-3-527-81763-4
mobi ISBN: 978-3-527-81764-1
»Das eigentliche Mysterium der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare.«
Am 06. Januar 2017 meldete das Handelsblatt unter der Überschrift »Starke Selbstkritik von Andrew Haldane, Chefvolkswirt der Bank of England«: »Der Top-Ökonom hat eingeräumt, dass seine Spezies in Verruf sei, weil sie nicht vor dem Crash 2008 gewarnt und auch die Wachstumseinbußen durch den Brexit überbetont habe. Die Modelle der Wirtschaftswissenschaftler würden nun mal irrationales Verhalten nicht berücksichtigen. Haldane: Die Wetterprognosen seien inzwischen verbessert, die Vorhersagen der Ökonomen aber nicht.«
Es ist ein tiefes Misstrauen gegenüber den Wirtschaftswissenschaften entstanden. Gegenüber der Art und Weise, wie wir mit dem Geld umgehen. Das hat wie immer viele Ursachen. Aber es liegt wohl auch an den Strukturen unseres Denkens. An den grundlegenden Ideen, die wir mit Geld verbinden. Manchmal sehen wir ja das Offensichtliche nicht, weil wir von Glaubenssätzen ausgehen, die wie Filter wirken. Das kennt wohl jeder, der schon einmal verliebt war und sich später wieder »entliebte«. Mit einem Mal sieht er am Partner Eigenschaften, die er vorher durch seine »rosarote Brille« nicht bemerkte. Die er ausgeblendet hatte.
Beim Geld ist es nicht anders. Es gilt als ein objektives Maß für den Wert einer Sache. Als ein Tauschmittel von Dingen. Von Objekten. Deshalb erscheinen Geldbeziehungen auch als objektiv. Sie unterliegen sogenannten Sachzwängen. Und die lassen sich mithilfe der Mathematik tiefer ergründen. Auf diesen und ähnlichen Denkstrukturen beruhen die »Liebesbeziehungen« der meisten heutigen Ökonomen zum Geld.
Es ist eine leidvolle Liebesbeziehung. Denn sie stürzt uns immer wieder in Krisen. Wir ahnen inzwischen, dass es so nicht weitergehen kann. Aber wie soll es dann weitergehen?
Vielleicht versuchen wir es einmal damit, uns zu »entlieben«. Indem wir die rosarote Brille alter Glaubenssätze ablegen. Vielleicht gelingt es uns dann zu erkennen, dass es für die Denkstrukturen der Ökonomen keinen einzigen Beweis gibt. Alle historischen Befunde zeigen uns anderes. Zum Beispiel, dass Geld schon vor mehr als zehntausend Jahren nicht als Tauschmittel, sondern als ein autorisiertes Dokument zum Besiegeln von Kaufverträgen entstanden ist. Dass Geld nicht Dinge den Besitzer wechseln lässt, sondern in erster Linie dazu dient, die Zusammenarbeit von Menschen auf vertraglicher Grundlage zu gestalten. Sowohl bei der Erzeugung von Gütern, als auch beim Kaufen und Verkaufen. Denn immer müssen wenigstens zwei Menschen aufeinander zugehen, wenn Geld im Spiel ist. Sie müssen sich auf einen Vertrag verständigen. Der Preis eröffnet dabei die Verhandlung, und das Geld besiegelt die Einigung. Das kann mündlich erfolgen wie beim Kauf eines Brotes. Oder schriftlich wie beim Verkauf eines Teils unserer Lebenszeit als Arbeitszeit. Aber die Kooperation geht dem Vertrag immer voraus. Und jedem Vertrag folgt erneute Kooperation, wenn Geld im Spiel bleibt.
Vielleicht können wir mit dieser anderen Sicht eine Reihe verhängnisvoller Illusionen ablegen. Vielleicht erschließen sich uns dann auch konkrete Ideen für Maßnahmen, um die gegenwärtige Fragilität und Gefährlichkeit zu beseitigen oder wenigstens einzudämmen.
Indem wir die Mystifizierung des Geldes als »Objekt« überwinden und die Kooperation von Menschen an die Stelle des Tausches von Dingen setzen. Indem wir die sachliche Sicht auf das Geld ersetzen durch die menschliche. Eine menschliche Sicht aber schließt Moral und Verantwortung ein.
Darum dieses Buch. Um den Einstieg zu erleichtern, sollen kurz einige mir wichtige Begriffe erläutert werden:
Durch die Kombination von Arbeitsteilung und abgrenzendem Eigentum entsteht ein Problem. Wir stellen nicht mehr alle Güter unseres Bedarfes selbst her. Sie befinden sich dann in den Händen anderer. Wenn wir sie benötigen, um unseren Bedarf zu decken, müssen wir in den Besitz jener Güter gelangen. Das kann durch Raub geschehen. Oder durch familiäre bzw. herrschaftliche Umverteilung. Oder auf der Basis vertraglicher Vereinbarungen.
Die heute herrschende Geldtheorie trennt die Wirtschaft gedanklich in einen realen und einen monetären Sektor. Sie unterstellt, dass das Geld im Prinzip als neutraler und objektiver Vermittler beim Tausch der Objekte wirkt. Und daher die Gleichgewichtsbedingungen der realen Wirtschaft zumindest langfristig nicht beeinflusst.
Kapitalvermögen und Wettvermögen:
Ich unterscheide in diesem Buch zwischen Einkommen erzeugendem Kapitalvermögen und Einkommen umverteilendem Wettvermögen.
Das Kapitalvermögen erzeugt die Grundlagen für das Leben der allermeisten Menschen dieser Welt. Es basiert auf der Kooperation von Menschen. Die einen Teil ihrer Lebenszeit als Arbeitszeit einsetzen. Die einen Teil ihres Geldvermögens in produktive Aktivitäten investieren. Die Produkte und immaterielle Leistungen zur Verfügung stellen. Die Möglichkeiten der sozialen Infrastruktur und der natürlichen Umwelt nutzen.
Demgegenüber dient das Wettvermögen ausschließlich der Spekulation. Dem Wetteinsatz zum eigenen Vorteil zulasten anderer.
Kredite und Darlehen:
Kredite und Darlehen werden im allgemeinen Verständnis oft synonym gebraucht. Sie sind jedoch nicht dasselbe.
Mit Krediten wird sogenanntes Buchgeld geschaffen. Das Geld wird auf ein Konto gebucht, ohne es einer anderen Einlage zu entnehmen. Ein Kredit erweitert die Summe der Einlagen. Er erzeugt neues Geld. Um Kredite vergeben zu dürfen, bedarf es daher einer Banklizenz. Darlehen hingegen verleihen vorhandenes Geldvermögen. Zum Beispiel, indem Vermögensverwalter oder Fonds Geld einsammeln und anschließend als Darlehen weiterreichen.
Gewinn und Profit:
Auch Gewinn und Profit werden zumeist synonym verstanden.
Es ist aber hilfreich, zwischen beiden zu unterscheiden. Dabei geht es um den Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben eines Unternehmens, sofern es wirtschaftlich erfolgreich arbeitet.
Dieser Überschuss kann im Unternehmen verbleiben. Dann ist das ein Gewinn für das Unternehmen. Den es beispielsweise für Innovationen einsetzen kann. Um auch zukünftig erfolgreich zu wirtschaften. Dieser Überschuss kann aber auch ausgeschüttet werden. Dann verlässt er das Unternehmen und wird zum Profit für die Eigentümer.
Ökonomische Rente:
Dieser Begriff wurde im 18. Jahrhundert geprägt in der Auseinandersetzung um das »leistungslose Einkommen« aus den Privilegien des Adels. In der aktuellen Auseinandersetzung mit der Finanzindustrie wird der Begriff oft verwendet für jene Überschüsse wirtschaftlicher Tätigkeit, die dem Kapitalvermögen in Form von Zinsen und Profiten entzogen werden.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Dazu kommen ein Prolog sowie ein kurzer Epilog.
Der Prolog gibt einen knappen historischen Abriss, wie das Geld »moralfrei« und die den Preisen zugrundeliegenden Fakten »verantwortungslos« wurden. Und wie sich beides verschränkt hat. Außerdem versuche ich zu zeigen, dass Geld nicht aus dem Tausch, sondern als autorisiertes Dokument für die Besiegelung von Kaufverträgen entstanden ist. Und ich versuche anzudeuten, welche Rolle Kredit und Darlehen dabei gespielt haben.
Teil I befasst sich mit den Illusionen, die das klassische Geldbewusstsein hervorgerufen hat im Zusammenhang mit Geld, Wert und Besitz. Um anschließend zu zeigen, zu welchen problematischen Dimensionen diese Illusionen führen. In Bezug auf Vermögen, Schulden und Macht.
Teil II versucht, eine Strategie zu skizzieren, wie wir ein neues Geldbewusstsein entwickeln und praktisch umsetzen können. Durch eine neue Form der Marktwirtschaft. Eine demokratische Marktwirtschaft. Eine Strategie, die auf ein konkretes Aktionsprogramm hinausläuft, das in sieben Punkte gegliedert ist:
Teil III schaut auf den Alltag. Wie das Geld die Selbstverständlichkeiten unseres Lebens, unsere Kultur beeinflusst. Welche Verwerfungen wir beobachten können. Und welche Chancen entstehen, wenn wir uns auf ein neues Geldbewusstsein einlassen.
Der Epilog schließlich rundet die Reise ab. Um doch nur darauf zu verweisen, dass dieses Buch nicht mehr als ein Anfang sein kann. Der Diskussionen anregen soll. Wie wir die Zerbrechlichkeit unserer heutigen Geld- und Währungssysteme überwinden können.
Zur besseren Lesbarkeit habe ich auf Fußnoten verzichtet. Dafür erläutere ich im Anhang, auf welche Autoren sich meine Aussagen insbesondere stützen. Dabei ist mir bewusst, dass ich Ihnen nur eine subjektive Auswahl vorstellen kann, da die Einflüsse, die meine Positionen geprägt haben, sich aus weit mehr Quellen speisen: aus den vielen Begegnungen mit Unternehmern, Führungskräften, Controllern, Kommunikatoren, Technikern, Bankern, Wirtschaftsprüfern, Natur- und Geisteswissenschaftlern. Ich hatte in meinem Leben das Glück, mit diesen so interessanten Menschen mit so unterschiedlichen Sichtweisen diskutieren und oft auch streiten zu dürfen. Vielfalt ist ein großer Reichtum, wenn man sich respektiert. Drei Freunde möchte ich hervorheben: Herwig Friedag, Christopher Storck und Rainer Vieregge, die mir Impulse und Anregungen gegeben und mich vor manchen Irrwegen bewahrt haben. Ein großer Rückhalt waren und sind mir meine Familie, meine Frau Barbara und meine Kinder Anne und Gregor. Ohne ihre Geduld und Rücksichtnahme, ohne die vielen Diskussionen mit ihnen hätte ich dieses Buch nicht schreiben können. Und ich möchte meine Eltern erwähnen. Sie haben mich zu Neugier erzogen und mir eine Erkenntnis mit auf den Weg gegeben, die Sokrates zugeschrieben wird: Stehe zu deiner Wahrheit im Bewusstsein, dass es nicht die Wahrheit der anderen ist.
Zum Schluss hoffe ich, Ihnen bei der Lektüre auch ein wenig Vergnügen zu bereiten. Es ist ein Gedankenspiel. Und ich würde mich freuen, wenn es Sie reizt.