Prof. Dr. Stefanie Kuhlenkamp, Dipl.-Päd., lehrt an der FH Dortmund Soziale Teilhabe und Inklusion; langjährige praktische Tätigkeit in der psychomotorischen Entwicklungsförderung von Kindern und Jugendlichen.

Beate U. M. Strobel, Dipl.-Psychologin, Zusatzausbildung in Klientzentrierter Gesprächspsychotherapie, war viele Jahre Dozentin an einer der Fachakademien für Sozialpädagogik in München.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-03039-2 (Print)

ISBN 978-3-497-61460-8 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61461-5 (EPUB)

5., aktualisierte Auflage

© 2021 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

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Inhalt

Vorwort zur 5. Auflage

Einleitung: Der Beruf der Erzieherin – Herausforderung oder Überforderung?

1 Heilpädagogische Grundannahmen

1.1 Wozu dient Erzieherinnen heilpädagogisches Grundwissen?

1.2 Was verstehen wir unter Heilpädagogik?

1.3 Wann sprechen wir von Behinderung?

1.4 Inklusion

2 Zielgruppen heilpädagogischen Arbeitens

2.1 Kinder und Jugendliche mit Verhaltensauffälligkeiten

2.1.1 Externalisierende Verhaltensauffälligkeiten: Aggression, Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung

2.1.2 Internalisierende Verhaltensauffälligkeiten: Angst, Trauer, Depression, Essstörungen, Enuresis und Enkopresis

2.1.3 Sozial unreife Verhaltensauffälligkeiten: Konzentrationsstörungen

2.1.4 Sozialisiert-delinquente Verhaltensauffälligkeiten: Lügen, Stehlen, Weglaufen

2.1.5 Es muss nicht immer gleich Therapie sein! – Heilpädagogisches Handeln bei Verhaltensauffälligkeiten

2.2 Kinder- und Jugendliche mit sexuellen Missbrauchserfahrungen

2.3 Kinder und Jugendliche mit motorischen und körperlichen Beeinträchtigungen

2.3.1 Körperbehinderungen

2.3.2 Chronische Erkrankungen

2.4 Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf im Bereich Lernen

2.5 Kinder und Jugendliche mit kognitiven / geistigen Beeinträchtigungen

2.6 Kinder und Jugendliche mit Wahrnehmungsstörungen

2.7 Kinder mit einer Hochbegabung

2.8 Kinder und Jugendliche mit autistischen Störungen

2.9 Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf im Bereich Sprache, Sprechen und Kommunikation

2.10 Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen der Sinne

2.10.1 Kinder und Jugendliche mit einer Beeinträchtigung des Hörens

2.10.2 Kinder und Jugendliche mit einer Beeinträchtigung des Sehens

3 Hilfen für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen sowie deren Familien

3.1 Interdisziplinäre Frühförderung

3.2 Erzieherische Hilfen

3.3 Elternarbeit und Gesprächsführung

Auf ein letztes Wort: Der Ruf nach der idealen Erzieherin

Literatur

Sachregister

Vorwort zur 5. Auflage

Das große Interesse an heilpädagogischen Fragestellungen bei Erzieherinnen zeigt sich unter anderem daran, dass Sie gerade die fünfte, aktualisierte Auflage dieses Buches in den Händen halten. Wie auch die ersten vier Auflagen verfolgt das Buch zwei Ziele: Es möchte einerseits Erzieherinnen Einblick in heilpädagogisches Grundwissen gewähren und andererseits die Bedeutung dieses Wissens für die erzieherische Praxis verdeutlichen.

Auch diesmal haben wir uns also bezüglich der inhaltlichen Informationen von alltäglichen Fragen der Erzieherinnen leiten lassen.

Das Buch möchte angehende und bereits praktisch tätige Erzieherinnen bei der Erweiterung ihres Wissens und ihrer Handlungskompetenzen unterstützen. Dies ist bedeutsam, da Sie als Erzieherin eine qualifizierte Beobachterin sind. Sie erleben die Kinder über viele Stunden in sehr unterschiedlichen Situationen. Auf der Basis von Fachwissen können Sie den Entwicklungsstand eines Kindes einschätzen und beschreiben. Sie beraten Angehörige entsprechend. Sie übernehmen die Funktion einer Lotsin. So empfehlen Sie Institutionen, die eine Diagnose stellen und weitere Fördermöglichkeiten aufzeigen können. Gleichzeitig sind Sie diejenige, die mit ihrem pädagogischen Handeln, der Gestaltung des pädagogischen Alltags und Angeboten (z. B. Bewegungs- und Sprachförderung) die Kinder begleitet, entlastet und alltagsintegriert fördert.

Gestatten Sie uns, im Folgenden durchgehend von „Erzieherinnen“ zu schreiben, da es doch zu einem sehr hohen Prozentsatz Frauen sind, die diesen Beruf ausüben. Männliche Erzieher sind natürlich ebenso angesprochen!

Dortmund und Nord-Holland, im Januar 2021

Stefanie Kuhlenkamp und Beate U. M. Strobel

Einleitung: Der Beruf der Erzieherin – Herausforderung oder Überforderung?

Inklusion, U-3-Betreuung, Qualitätsmanagement, Sprachstandserhebung, Dokumentation, Zertifizierungen … Diese Aufzählung könnte sicherlich noch um zahlreiche weitere Themen ergänzt werden, die in den vergangenen Jahren Einzug in das pädagogische Arbeitsfeld gehalten haben. Die Ansprüche, die gesellschaftlich, politisch und fachlich an die Betreuung und Bildung von Kindern gestellt werden, scheinen jährlich zu wachsen. Für Erzieherinnen bedeutet dies, sich permanent fachlich auf den aktuellen Stand bringen zu müssen, sich auf eine neue Klientel einzustellen und mit Aufgaben konfrontiert zu werden, die keine direkte Arbeit am Kind bedeuten. Fragen, die sich daher jede Erzieherin sicherlich schon einmal gestellt hat, sind: „Was sollen wir noch alles leisten?“ „Wie kann ich diesen Beruf ein Arbeitsleben lang stemmen?“ „Wie kann ich bei diesen ganzen Belastungen gesund bleiben?“ und „Wie kann ich den mir anvertrauten Kindern gerecht werden?“

Wir hoffen, dass wir Ihnen diesem Buch einige Antworten, vor allem auf die letztgenannte Frage, geben können.

Herausforderungen im Arbeitsfeld

Angehenden Erzieherinnen wird oft erst zum Zeitpunkt der Suche nach einer Praktikumsstelle bewusst, wie groß und vielfältig das Arbeitsfeld für Erzieherinnen inzwischen geworden ist. Viele Praktikantinnen zieht es zunächst in den Arbeitsbereich Kindergarten oder Kindertagesstätte – auch die Kinderkrippe und der Hort werden als attraktive Arbeitsbereiche angesehen. Jugendfreizeitbereiche, die stationäre Kinder- und Jugendhilfe sowie die stationäre und ambulante Behindertenhilfe werden in der Regel zunächst nur von wenigen Erzieherinnen als zukünftiges Arbeitsfeld wahrgenommen.

Auch diejenigen, die ihre Ausbildung nicht im heilpädagogischen Bereich oder in integrativen Einrichtungen absolvieren, realisieren schnell, dass auch in den sogenannten Regeleinrichtungen Kinder betreut werden, die vermehrte Unterstützung und Aufmerksamkeit durch die Fachkräfte erfahren. Neben Kindern mit diagnostizierten Behinderungen und chronischen Erkrankungen sind dies Kinder, die uns in ihrer Entwicklung und ihrem Verhalten auffallen, obwohl sie organisch gesund zu sein scheinen. So berichten Erzieherinnen von Kindern in ihren Gruppen, bei denen sie z. B. Folgendes beobachten:

Kinder, die unruhig wirken.

Kinder, die Dinge zerstören und andere hauen.

Kinder, die sich sozial zurückziehen.

Kinder, die noch nicht in der Lage sind, altersgemäß zu sprechen.

Kinder, die in der motorischen Entwicklung eingeschränkt wirken.

Kinder, die noch nicht altersgemäß ihre Handlungen planen können.

Kinder, die vieles nicht essen oder anfassen dürfen, weil sie sonst allergisch reagieren.

Förderbedarfe bei Kindern erkennen und angemessen darauf reagieren

Die angehende Erzieherin wird in ihrer Ausbildung theoretisch und praktisch darauf vorbereitet, mit den vielfältigsten Herausforderungen des Kindes- und Jugendalters angemessen umgehen zu können. Sie soll in die Lage versetzt werden, Entwicklungsbeeinträchtigungen und Förderbedarfe rechtzeitig zu erkennen, einzuordnen und angemessen darauf reagieren zu können. Außerdem soll die angehende Erzieherin lernen, wie sie diesen Kindern, im Rahmen ihrer fachlichen Möglichkeiten, hilfreiche Unterstützung zukommen lassen kann. Des Weiteren soll sie Eltern beraten können oder sie ermutigen, zusätzliche, eventuell therapeutische und / oder medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. In Gesprächen mit anderen Fachpersonen soll sie als Fachfrau ihre Beobachtungen kompetent darlegen und somit Anstöße für weitere diagnostische oder therapeutische Schritte geben können.

Die Erzieherin als wichtige Bezugsperson der Eltern

Erzieherinnen sind oftmals die erste Ansprechperson, wenn sich Eltern Sorgen um ihr Kind machen. Eltern tauschen ihre Beobachtungen mit der Erzieherin aus und erwarten Beratung. Die Erzieherin ist dann oftmals vermittelndes Bindeglied zwischen einem Kleinkind mit besonderen Bedürfnissen, dessen Familie und z. B. einer Frühförderstelle.

Die Vielfältigkeit der Fragestellungen, die auf die Erzieherin zukommt, stellt somit eine echte Herausforderung dar – sowohl an ihre fachliche als auch ihre menschliche Kompetenz. Die Erzieherin muss einerseits erkennen, wo sie mit ihrer Fachlichkeit ansetzen kann. Andererseits muss sie um die Grenzen ihrer Handlungsmöglichkeiten und ihrer Rolle in der Einrichtung wissen. Sie weiß, wann sie die Familien an Hilfesysteme weiterleiten sollte: „Dabei bringen beide Kooperationspartner, Kindertageseinrichtungen einerseits und spezifische Hilfesysteme andererseits, ihre jeweils besonderen Leistungen und Möglichkeiten in die Zusammenarbeit ein“ (Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen 2007, 154).

Insofern ist ihr Beruf zugleich bereichernd und spannend. In der Zusammenarbeit mit Ärztinnen, Psychologinnen, Physiotherapeutinnen, Ergotherapeutinnen, Motopädinnen, Heilpädagoginnen, Logopädinnen und anderen, bietet sich die Chance, täglich Neues zu lernen. Menschliches wird neu erfahren, will verstanden und integriert sein. Damit bleibt die Erzieherin in einem lebendigen Entwicklungsprozess. Diesen Prozess möchten wir mit diesem Buch unterstützen. Es soll die Vielfalt kindlicher Verhaltensformen und -weisen überschaubarer machen und im Sinne eines „Handlaufs“ Orientierung bieten.

Zur Aufteilung dieses Buches

In Kapitel 1 wird zunächst der Frage nachgegangen, warum ein Einblick in heilpädagogisches Grundwissen für jede Erzieherin sinnvoll sein kann. Grundlegende heilpädagogische Ideen und Begriffe werden hier erläutert und in ihrer Bedeutung für pädagogisches Handeln dargestellt.

Das zweite Kapitel vermittelt anhand von Fallbeispielen und grundlegenden Informationen Wissen zu verschiedenen Zielgruppen heilpädagogischer Förderung. Ausgehend von Verhaltensweisen, die uns herausfordern, werden psychische Erkrankungen des Kinder- und Jugendalters, verschiedene Formen der Behinderung sowie Erkrankungen vorgestellt.

Den Abschluss des Buches bildet ein Einblick in ausgewählte Hilfen für benachteiligte Kinder und ihre Familien.

Jedes Kapitel wird von Literaturempfehlungen ergänzt, die wir persönlich für geeignet halten, um die zuvor dargestellte Thematik zu vertiefen. Zudem nennen wir Bilderbücher, Kinder- und Jugendbücher, die nach unserer Erfahrung hilfreich sind, mit einem Kind oder einer ganzen Gruppe kindgemäß eine Problematik anzusprechen und Lösungen aufzuzeigen. Da es sich teilweise um Klassiker handelt oder weil sie besonders lesenswert erscheinen, werden sie auch genannt, wenn sie im Buchhandel bereits vergriffen sind.