Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Detaillierte Informationen sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

1. Auflage 2021

© 2021 by Marion Glück Verlag, Ruhlsdorfer Straße 120, 14513 Teltow

ISBN Hardcover-Print 978-3-949536-02-1

ISBN Softcover-Print 978-3-949536-07-6

ISBN E-Pub 978-3-949536-06-9

Lektorat: Gisela Niemeyer

Korrektorat: Bianca Weirauch

Autorenfotos und Abbildungen: Benita Justus

Illustrationen: Angela Ziller

Umschlaggestaltung: Grit Gebauer

Umschlagabbildung: Benita Justus

Satz und Layout: Marion Glück und Grit Gebauer

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung.

Herstellung: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Der Marion Glück Verlag produziert perfekte nichtperfekte Bücher. Wenn Sie einen FEHLER entdecken, ärgern Sie sich bitte nicht. Werden Sie zum HELFER und senden Sie uns Ihre Anregungen.

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter:

www.marionglueckverlag.de

Dieses Buch widme ich von Herzen allen Menschen, die sich bisher unverstanden und nicht gesehen gefühlt haben.

Inhalt

  1. Wer bin ich?
  2. Vorurteile
  3. Zur Geschichte des Gesichtslesens
  4. Übung für den Leser
  5. Bauchgefühlgeschichte
  6. Areale
  7. Vernetzung = Matrix
  8. Die Profilerin bei der Arbeit – ein Podcastinterview

Danksagung

Ich danke ganz besonders meiner Familie und all den Menschen, die mich in den letzten Jahren zu den unterschiedlichsten Schritten ermutigt, mich begleitet und unterstützt haben.

Vorwort

Sie kann den Charakter und die Stärken einer Persönlichkeit mit einem Blick erkennen – völlig vorurteilsfrei, dafür präzise, wie nur eine Mutter ihr Kind kennt, aber als Mutter würde sie außerhalb der Familie ihr Kind nie so ehrlich beschreiben. Benita Justus gelingt es, Charaktereigenschaften treffsicher zu analysieren und die Person hinter dem Gesicht zu erkennen. Beeindruckend schnell. Bemerkenswert genau. So genau, dass es weh tun kann.

Dabei richtet sie ihren Fokus stets auf den Menschen und verzichtet auf Plattitüden und Verallgemeinerungen. Sie bekennt klar Stellung und beantwortet Fragen ohne langes Ausschweifen oder gar Relativieren.

Mit diesem Buch gibt sie ihr Wissen nun weiter. Kein „langweiliges“ Lehrbuch, sondern vielmehr die Hilfestellung, schnell in das System des Gesichtslesens einzutauchen und praktische Handlungsempfehlungen daraus abzuleiten. Besonders das sechste Kapitel liefert mit seinen vielen Praxisbeispielen und Selbsteinschätzungen jedem Leser einen unvergleichlichen Mehrwert und liefert eine Erklärung, was unser Bauchgefühl doch alles erkennen kann.

Ich wünsche Ihnen genauso viel Freude und Selbst-Erkenntnisse vor dem Spiegel wie in der Warteschlange an der Supermarktkasse, denn eins ist sicher, „weggucken“ geht nach der Lektüre nicht mehr.

Christopher Simmersbach
Headhunter und Dozent für HR-Management

Einleitung

Dieses Buch soll jeden Lesenden in jenen Bann ziehen, den auch ich erlebt habe. Dieses Thema ist unglaublich: Gesichtslesen! Jede Reaktion, die du jetzt hast, wenn du diese Worte liest, sind vollkommen verständlich. Ich habe alle Phasen selbst erlebt. Bei mir hörte sich das ungefähr so an: „Was ist das für ein Unsinn! Das kann nicht funktionieren! Es ist nicht wissenschaftlich! Schon wieder so etwas Esoterisches.“ Und so weiter und so fort. Ich wollte dieses Buch vor allem für die Menschen schreiben, die dieses Thema sehr kritisch beäugen. Es ist angereichert mit vielen Fakten, Eigentests, Erklärungen und Selbsterfahrungsberichten und – vielen kleinen Übungen, die du in deinem Umfeld sofort anwenden kannst.

Ich stelle einmal die provokante Behauptung auf: Mein System funktioniert. Was wäre dann? Wie vielen Menschen kann man mit diesem System helfen? Wie viele unbefriedigte Wege und damit Lebenszeit kann man Menschen ersparen, weil diese Wege Sackgassen sind, sie nicht zum Ziel führen und nicht glücklich machen? Wenn mein System funktioniert, wie spannend wäre das denn? Na, ist es jetzt einen Versuch wert, dass du das Buch weiterliest, die Übungen machst und es einmal ausprobierst? Vorausgesetzt natürlich, dass du dich dafür öffnen willst, etwas Neues zu versuchen. Wenn du neugierig bist, aber infrage stellst, dass mein System funktioniert, dann solltest du jetzt weiterlesen.

Dieses Buch habe ich für dich so aufgebaut, dass du dir aussuchen kannst, mit welchem Kapitel du beginnst. Stelle dich vor einen Spiegel und wende die Methode bei dir selbst an. Schaue dir die Areale an, lasse dein Bauchgefühl entscheiden. Oder beginne mit den historischen Fakten und wissenschaftlichen Nachweisen, um basierte Informationen zu erhalten. Du kannst dir auch einen Podcast anhören oder das Skript lesen und mich bei einer Analyse erleben. Vielleicht ist es interessant für dich, wie die Herren auf mich reagiert haben. Du kannst das Buch auch linear durchgehend von vorn bis hinten lesen.

Wenn ich dein Gesicht sehen würde, könnte ich sagen, wie du dieses Buch lesen wirst. Wie wäre es, wenn du das auch könntest? Was würde sich in deinem Leben und deinen Beziehungen verändern?

Ich gehe immer, auch hier im Buch, davon aus, dass jeder Mensch unterschiedlich ist und anders lernt. Aus diesem Grund war es mir ein Herzensanliegen, dir mit meinem Buch viele verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, um deine bevorzugte Art des Lernens und Aufnehmens anzusprechen. Vielleicht bist du nach der Lektüre begeistert, offener, toleranter und noch neugieriger. Das wünsche ich mir für dich und dein Leben. Und dann freue ich mich, wenn du mich herausforderst und wir uns vielleicht bei einem persönlichen Gespräch kennenlernen. Über dein Feedback zu meinem Buch freue ich mich schon jetzt.

Ich bin auch für kritische Auseinandersetzungen offen, da ich ein Ziel habe: Ich möchte, dass möglichst viele Menschen mit meiner Methode arbeiten und durch mein Wissen lernen, toleranter miteinander umzugehen. Und nun lass uns hier nicht lange plaudern, sondern direkt beginnen. Suche dir deine Kapitel aus. Aktiviere dein Bauchgefühl und mache dir mit seiner Hilfe deine Menschenkenntnis bewusster.

Ich wünsche dir viel Freude beim Erkunden dieses Themas: Profiling!

1 Wer bin ich?

Wer bin ich? Diese und weitere Fragen sollte sich jeder Mensch im Laufe seines Lebens stellen. Ich gebe dir an dieser Stelle gerne einen Einblick in mein Leben. Lass uns nach der Schule beginnen, denn nach der Schulzeit wird es aus meiner Sicht erst richtig spannend. Ich ging nach Amerika, um dort meinen Bachelor an einer Liberal-Arts-Universität zu absolvieren. Aufgrund der zahlreichen Kurse an Sommerschulen, die ich zusätzlich besuchte, und des Internationalen Baccalauréat, wie das Abitur auf der Internationalen Schule genannt wird, konnte ich meinen Abschluss bereits nach zweieinhalb Jahren erreichen.

Anschließend lebte ich in London, um dort bei Sotheby’s, einem traditionsreichen und weltweit agierenden Auktionshaus, zu arbeiten. Nebenbei belegte ich einige Kurse in Kunstgeschichte.

Nach einer Weile stellte ich fest, dass London und ich einfach nicht zusammenpassen wollten. Ich hatte das dringende Bedürfnis nach Veränderung und suchte eine neue Herausforderung. Also bewarb ich mich in Brüssel bei „Van der Kelen Logelain“, um dort eine Meisterlehre in der illusionistischen Malerei namens „Trompe-l'oeil“ zu absolvieren. Die hohe Kunst besteht für den Maler darin, mithilfe von akribisch akkurater perspektivischer Darstellung dem Auge des Betrachters eine Dreidimensionalität in dem gemalten Kunstwerk vorzutäuschen.

Meine größte Motivation für diesen Schritt lag darin, etwas erlernen zu wollen, was mich vollkommen unabhängig machen würde. Ich liebte das Malen, jedoch möchte ich dir und mir eingestehen, dass es nicht meine größte Stärke ist. In der Trompe-l'oeil-Malerei sah ich dennoch für mich den Weg, mir den Rücken für die Zukunft freizuhalten. Mit dieser Ausbildung würde ich auf der ganzen Welt leben und Geld verdienen können. Ich würde unabhängig von anderen Menschen und Firmen sein. Ich war von meiner Idee begeistert und stürzte mich voller Freude in mein neues Abenteuer. Nach meinem Abschluss erhielt ich viele internationale Aufträge und verdiente so viel Geld, dass ich gut davon leben konnte.

Ich war der Malerei gegenüber sehr positiv eingestellt, doch merkte ich sehr schnell, dass dieser Weg dennoch nicht der richtige für mich war. Tage-, manchmal monatelang stand ich in fremden Ländern allein vor einer Leinwand, die bemalt werden wollte. Manchmal sprach ich mehrere Tage hintereinander nicht mit anderen Menschen, denn da waren keine. Das belastete meine Seele. Gleichzeitig lernte ich andere Größen meiner Klasse kennen und sie malten wie die Götter. Mit dem Wissen von heute hätte ich mit dem Auge der Profilerin meine missliche Lage viel eher erkennen können.

An mich selbst stelle ich sehr hohe Ansprüche. Woran du diese Tatsache erkennst, lernst du in diesem Buch. Ich möchte niemals etwas tun, in dem ich nur mittelmäßig gut bin. Es gab bessere Maler und meine Arbeit als Malerin stufte ich maximal als „geht so“ ein. Ich würde niemals so gut, geschweige denn richtig zufrieden mit meinen Bildern sein können. Außerdem bin ich ein Mensch, der sehr gern unter anderen Menschen ist. Doch leider saß ich allein vor einer Leinwand. Oh je. Es war zwar schön, dass ich mithilfe dieser Ausbildung meinen Freiheitsdrang befriedigen konnte, einen Freiheitsdrang, den man in meinem Gesicht an den stark ausgeprägten Jochbeinen und dem „Querkopf“ im Stirnareal erkennen kann. Die anderen Aspekte meines Seins hatte ich allerdings bis dahin unterschätzt.

So konnte es auf keinen Fall weitergehen. Ich sprach mit vielen Freunden über mein Dilemma. Sie brachten mich schließlich auf die Idee, mein Masterstudium in den USA anzugehen. Von der Universität hatte ich schon jahrelang gesprochen. Für mich kam, wenn überhaupt, nur diese eine in Frage – Parsons School of Design. Sie war für mich DIE Designuniversität in New York City und mein unerreichbar erscheinender Traum seit so vielen Jahren.

Zunächst musste ich über die Idee meiner Freunde abwehrend schmunzeln: Ich war mir sicher, dass ich nie im Leben an dieser Uni angenommen würde. „Ich, Benita? Ich bin doch dafür gar nicht gut genug.“ Ich mag es nicht, wenn diese innere Stimme laut wird. Wieso ich mich nicht getraut habe, mich zu bewerben? Es stand mir ins Gesicht geschrieben: Noch heute habe ich ein sehr stark nach vorn gehendes Kinn mit einer kräftig ausgeprägten „Benimmfalte“. Ich tue sehr viel, reiße vieles an, doch dann kommt mein eingeschränktes Selbstbewusstsein zum Tragen und in der Realität traue ich mich nicht, weil ich fürchte, dass ich den Ansprüchen an mich selbst nicht gerecht werden könnte. Ich freue mich deshalb heute umso mehr, dass ich mich getraut habe, dieses Buch zu veröffentlichen. Doch das ist eine andere, lange Geschichte.

Meine Freunde schubsten und unterstützten mich so kraftvoll, dass ich mich endlich bewarb. Einige Monate später las ich nachts meine EMails. Und da war sie, die Zusage von Parsons! Ich war so überrascht und mein Herz blieb fast stehen. Das konnte ja nur ein Fehler sein! Die Zeitverschiebung spielte mir direkt in die Karten, denn ich hatte nichts Besseres zu tun, als mein Telefon zu zücken und in New York bei Parsons anzurufen. Schließlich musste sie jemand darüber informieren, dass sie ein Problem in ihrem E-Mail-Programm hatten. Ich teilte der freundlichen Dame am anderen Ende der Welt und des Telefons mit, dass ich eine Zusage per Mail erhalten hatte, und das konnte ja nicht angehen. Sie sollten bitte ihre Technik kontrollieren. Die nette Dame fragte mich noch einmal nach meinem Namen und überprüfte mein Anliegen sofort. Ihr herzliches Lachen schallte mir nachts am Telefon entgegen und sie bestätigte die Zusage. Es lag kein Missverständnis und auch kein Technikfehler vor. Das war alles nur in meinem Kopf real. Nun stand ich wirklich unter Schock! Ich war angenommen worden und mein Traum sollte Wirklichkeit werden. An Schlafen war in dieser Nacht nicht mehr zu denken.

Die nächsten zwei Jahre lebte ich in New York. Es war eine anstrengende und erlebnisreiche Zeit. Nach meinem Abschluss zog es mich für eine kurze Zeit nach Shanghai und dann aber zurück in meinen sogenannten „Heimathafen“ Hamburg. Dort realisierte ich, dass ich ohne einen Doktortitel kaum eine Chance haben würde, einen Job zu finden, der mir Freude gebracht hätte. In der Kunstversicherung wie auch in Museen gab es keinen Platz für mich und so nahm ich erst einmal in einer Galerie für chinesische Porzellane einen interessanten Job an. Ich organisierte Ausstellungen in Museen, Messen und Verkaufsevents. Es war ein Job, der mir die große Freiheit und auch Zeit schenkte, um parallel zu meiner Arbeit meine Kinder zu bekommen und mich um sie zu kümmern. Es war jedoch nicht genug für mich. Ich wollte mehr mit Menschen arbeiten und wirklich etwas verändern. Doch wie sollte ich das anstellen als Angestellte?

Eines Tages besuchte ich ein Netzwerkevent der Hanse Lounge in Hamburg. Ein mir unbekannter Mann kam schnurstracks auf mich zu und sagte mir direkt ins Gesicht: „Ich weiß, worin du gut bist, und ich weiß, du bist auf der Suche nach etwas Neuem. Also wenn du Interesse hast, melde dich doch bei mir.“ Und er gab mir seine Karte. Ich war verunsichert und gleichzeitig neugierig, denn das war eine der skurrilsten Begegnungen seit langer Zeit. Er hatte ja recht, doch woher wusste er das? Nach diesem Aufeinandertreffen dachte ich mir: Wenn nur 50 Prozent von dem, was er gesagt hatte, stimmen würden, dann wäre das für mich mehr als genug, um die von mir herbeigesehnte Veränderung zu meistern. Ich rief ihn einige Tage später an und entschied mich nach einem weiteren Gespräch für die zweijährige Ausbildung als Psycho-Physiognom. Gegen Ende meiner Ausbildung musste ich einsehen, dass er mit sehr vielen Aussagen recht gehabt hatte. Ich bin glücklich, dass er mich auf diesen Weg gebracht hat. Mit so einem Basisfundament konnte ich mich und meine Headbased-Methode, das Lesen im Gesicht, weiterentwickeln. Bis heute bin ich ganz und gar fasziniert von dem, was man alles im Gesicht erkennen kann.

Im Jahr 2011 schloss ich meine Ausbildung zur Profilerin ab und stürzte mich sofort in die Arbeit. Unmittelbar nach meiner Ausbildung wurde ich zu einer Podiumsdiskussion nach München zum Thema „Entrepreneurship heute“ eingeladen. Bei der DLD-Women-Veranstaltung sollte ich vor 300 Menschen das Thema „Profiling“ erklären und die Vorteile dieses Systems für Unternehmerinnen darstellen. ‚Ach, wenn es weiter nichts ist!‘, dachte ich und sagte sofort begeistert zu.

Was diese Entscheidung bedeuten würde, wurde mir damals erst nach und nach klar. Mein Bedürfnis, nur perfekte Arbeit abzuliefern, ließen mich wochenlang alles akribisch vorbereiteten. Ab und an wurde ich von leichten Panikattacken heimgesucht. Immer wieder stellte ich mir die Frage: Bin ich überhaupt gut genug?

Für dich zur Erklärung: Mein Kinn geht zwar stark nach vorn, ist jedoch nicht sehr breit. Daraus ist zu schließen: Ich wage mich sehr gern weit nach vorn, jedoch fehlt mir dann die totale Stabilität, selbstbewusst dazustehen. Mein ausgeprägter Perfektionismus treibt mich dazu, eine Aufgabe zu 150 Prozent perfekt abliefern zu wollen. Dazu gesellt sich jedoch meine Benimmfalte. Ich nehme mich dann gerne zurück, aber dass dies vor allem aufgrund meines immer wieder aufkeimenden reduzierten Selbstbewusstseins geschieht, wird dann von anderen Menschen in meiner Umgebung meistens nicht wahrgenommen. So wie bei der Veranstaltung in München. Ich presche vor und ehe ich mich’s versehe, stehe ich plötzlich auf einer Bühne vor 300 Menschen und soll über „Profiling“ reden. Da stand ich nun und konnte es selbst nicht glauben. Wo hatte ich mich denn hier wieder reingeritten?

Glaube jetzt bitte nicht, dass ich diese zwei Stunden auf der Bühne nicht gemeistert habe. Ich war für meinen Auftritt auf der Bühne supergut vorbereitet und konnte überzeugen. Doch anschließend habe mich sofort aus dem Staub gemacht. Die Kraft, um mich danach noch mit anderen Menschen zu unterhalten oder mich zu vernetzen, hatte ich nicht mehr. Ich war wie ein D-Zug aus dem Gebäude und in ein Taxi gesprungen, um zurück nach Hamburg zu flüchten.

Da siehst du sie: Die Persönlichkeit mit ihren Stärken und Schwächen. Ob es für mich Wege gegeben hätte, um länger auf der Veranstaltung zu verweilen und interessante Gespräche zu führen? Oder vielleicht auch Aufträge zu bekommen? Oh ja, viele! Wenn ich mir der Herausforderungen bewusst bin, kann ich mit diesen viel besser umgehen und mit ihnen arbeiten. So weit, das zu sehen, war ich aber damals noch nicht.

Mir wurde auf der Rückfahrt sehr schnell klar, dass ich die Techniktheorie sehr gut gelernt hatte. Doch die Anwendung in der Praxis fehlte mir vollkommen, und das wollte ich so schnell wie möglich nachholen. Also bewarb ich mich in der Jugendbildung Hamburg, um die Teams mit meinen Expertisen zu unterstützen. Die Kollegen stellten mir Fragen wie etwa: Wie sollte ich mit dem Jugendlichen in dieser Situation sprechen? Wie kann ich mit ihm umgehen, um Vertrauen aufzubauen und ihm schneller helfen zu können? Welche Stärken kann ich bei dem Jugendlichen unterstreichen, um sein Selbstbewusstsein zu stabilisieren und ihn auf seinem Weg zu stärken? In welche Berufssparte sollte man die jeweiligen Jugendlichen schubsen? Ist für ihn oder sie eher eine handwerkliche oder theoretische Tätigkeit naheliegend? Sollte er oder sie lieber in einem Team arbeiten oder habe ich es eher mit einem Eigenbrötler zu tun?

Es war eine erfüllende Tätigkeit, denn es war genau das, was ich lange gesucht hatte. Ich wollte unterstützen, helfen, weiterbringen!

Ich sprang erneut ins kalte Wasser, und obwohl ich elf Jahre lang weltweit allein unterwegs war, studiert und gearbeitet hatte, war ich auf diese Arbeit seelisch noch nicht gut genug vorbereitet. So jedenfalls empfand ich es.

Meine positive Lebenseinstellung kann man an meinen Ohren (Langzeitverfassung) und meinen Mundwinkeln (Tagesverfassung) erkennen. Diese verbunden mit einem starken Denken für und an andere Menschen, ablesbar an meiner Oberstirn, kollidierte mit der Realität dieser Jugendlichen. Viele dieser jungen Menschen hatten in ihrem Leben nur gelernt, alle Vorteile und Angebote anzunehmen, ohne jegliches Gefühl der Dankbarkeit oder Anerkennung zu zeigen. Das nehme ich ihnen nicht übel, denn sie hatten es selbst nie erfahren. Gleichzeitig machte das Team auch ohne diese Form der Motivation ihre Arbeit einfach immer weiter. Es gab viele schöne Momente, doch auch Situationen, in denen sich manche in ihre Arbeit flüchteten. Ich war in diesem großen Bild ein kleines Puzzlestück und habe unterstützend mitgearbeitet.