James Fenimore Cooper

Lederstrumpf

Alle fünf Bände

James Fenimore Cooper

Lederstrumpf

Alle fünf Bände

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
Übersetzung: Richard Zoozmann, Carl Friedrich Meurer, Dr. Leonhard Tafel, Carl Kolb, Gustav Pfizer
1. Auflage, ISBN 978-3-962813-44-4

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Inhaltsverzeichnis

Der Wildtö­ter

Der letz­te Mo­hi­ka­ner

Der Pfad­fin­der

Die An­sied­ler

Die Step­pe

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Der Wildtöter

Vorrede.

Die­ses Buch wur­de nicht ohne man­che Be­sorg­nis­se we­gen sei­ner mut­maß­li­chen Auf­nah­me ge­schrie­ben. Ei­nen und den­sel­ben Cha­rak­ter durch fünf ver­schie­de­ne Wer­ke hin­durch­füh­ren, konn­te als all­zu­ke­cke Zu­mu­tung an die Gut­mü­tig­keit des Pub­li­kums er­schei­nen, und Man­che möch­ten mit Grund dies als ein Un­ter­fan­gen an­se­hen, das an sich schon zur Miss­bil­li­gung her­aus­for­de­re. Auf die­sen sehr na­tür­li­chen Vor­wurf kann der Ver­fas­ser nur er­wi­dern, dass, wenn er in die­sem Fal­le einen schwe­ren Feh­ler be­gan­gen, sei­ne Le­ser selbst ei­ni­ger­ma­ßen die Verant­wor­tung da­für auf sich ha­ben. Die güns­ti­ge Auf­nah­me, wel­che den spä­te­ren Schick­sa­len und dem Tode Le­der­strumpfs zu Teil wur­de, hat der See­le des Ver­fas­sers we­nigs­tens es zu ei­ner Art von Not­wen­dig­keit ge­macht, auch von sei­nen jün­ge­ren Jah­ren Nach­richt zu ge­ben. Kurz, die Ge­mäl­de sei­nes Le­bens, wie sie nun ein­mal sind, wa­ren schon so voll­stän­dig, dass sie wohl ei­ni­ges Ver­lan­gen er­we­cken konn­ten, die Ge­samt­zeich­nung zu se­hen, nach wel­cher sie alle ge­malt wur­den.

Die »Le­der­strump­fer­zäh­lun­gen« bil­den jetzt eine Art von fün­fak­ti­gem Dra­ma, voll­stän­dig, was den In­halt und den Plan be­trifft, wenn auch ver­mut­lich sehr man­gel­haft in der Aus­füh­rung. So wie sie sind, hat sie die Le­se­welt vor sich. Der Ver­fas­ser hofft, sie wer­de, ent­schie­de sie auch da­hin, dass der hier vor­lie­gen­de Akt, der letz­te in der Aus­füh­rung, ob­wohl der ers­te in der na­tür­li­chen Ord­nung der Lek­tü­re, nicht der bes­te der gan­zen Rei­he­fol­ge sei, doch das Ur­teil fäl­len, dass er auch nicht eben der schlech­tes­te sei. Mehr als ein­mal hat er sich ver­sucht ge­fühlt, sein Ma­nu­skript zu ver­bren­nen und sich zu ei­nem an­de­ren Ge­gen­stand zu wen­den, ob­wohl er im Ver­lau­fe sei­ner Ar­beit eine Auf­mun­te­rung von so ei­gen­tüm­li­cher Art er­hielt, dass es sich ver­lohnt, sie zu er­wäh­nen. Ein an­ony­mer Brief aus Eng­land, von der Hand ei­ner Dame, wie ihn däucht, kam ihm zu, worin er drin­gend auf­ge­for­dert wur­de, un­ge­fähr eben das zu tun, was er schon mehr als halb aus­ge­führt hat­te, – ein Wunsch, den er sehr ger­ne als ein Zei­chen deu­tet, dass sein Ver­such teil­wei­se wer­de ver­zie­hen, wo nicht ent­schie­den ge­bil­ligt wer­den.

We­nig braucht er über die Cha­rak­tere und die Sze­ne­rie die­ser Er­zäh­lung zu sa­gen. Jene sind na­tür­lich Werk der Dich­tung; die­se aber ist der Na­tur so treu, als nur im­mer die ver­trau­te Be­kannt­schaft mit dem jet­zi­gen Aus­se­hen der ge­schil­der­ten Ge­gend, und Ver­mu­tun­gen über ih­ren frü­he­ren Cha­rak­ter, so wahr­schein­lich als die Ein­bil­dungs­kraft sie an die Hand gab, den Ver­fas­ser in Stand setz­ten, sie zu schil­dern. See, Ber­ge, Tal und Wald sind ins­ge­samt, wie er glaubt, ge­nau ge­nug dar­ge­stellt, wäh­rend Fluss, Fels und Küs­te treue Ab­zeich­nun­gen der Na­tur sind. Selbst die ein­zel­nen vor­sprin­gen­den Punk­te exis­tie­ren, et­was ver­än­dert durch die Zi­vi­li­sa­ti­on, aber doch so ent­spre­chend den Schil­de­run­gen, dass je­der, der mit der Sze­ne­rie der frag­li­chen Ge­gend ver­traut ist, sie leicht er­kennt.

Was die his­to­ri­sche Treue bei den Er­eig­nis­sen die­ser Er­zäh­lung im Gan­zen und im Ein­zel­nen be­trifft, so ist der Ver­fas­ser ge­son­nen, hier auf sei­nem Recht zu be­ste­hen, und dar­über nicht mehr zu sa­gen, als was er für not­wen­dig er­ach­tet. Bei dem großen Streit um Wahr­heit, der zwi­schen Ge­schich­te und Fik­ti­on wal­tet, ist der Vor­teil so oft auf der Sei­te der letz­te­ren, dass er sehr ge­neigt ist, den Le­ser auf sei­ne ei­ge­nen For­schun­gen zu ver­wei­sen, um über die­sen Punkt ins Rei­ne zu kom­men. Soll­te es sich bei ge­nau­er Un­ter­su­chung zei­gen, dass ein an­er­kann­ter His­to­ri­ker, dass öf­fent­li­che Ur­kun­den oder auch Lo­kal­tra­di­tio­nen den An­ga­ben die­ses Buchs wi­der­spre­chen, so ist der Ver­fas­ser be­reit, zu­zu­ge­ste­hen, dass der Um­stand sei­ner Auf­merk­sam­keit gänz­lich ent­ging, und sei­ne Un­wis­sen­heit zu be­ken­nen. An­de­rer­seits, soll­te sich’s fin­den, dass die An­na­len Ame­ri­ka’s nicht eine Sil­be ent­hal­ten, die dem, was hier der Welt vor­ge­legt wird, wi­der­sprä­che, – wie er denn fest glaubt, dass die For­schung dies aus­wei­sen wer­de – so wird er für sei­ne Er­zäh­lung ge­nau so viel Glaub­wür­dig­keit in An­spruch neh­men, als sie ver­dient.

Es gibt eine an­sehn­li­che Klas­se von Ro­man­le­sern – an­sehn­lich eben­so we­gen ih­rer Zahl als in je­dem an­de­ren Be­tracht, – die man oft mit dem Mann ver­gli­chen hat, der »singt, wenn er liest, und liest, wenn er singt«. Die­se Leu­te sind über die Ma­ßen fan­ta­sie­reich in al­lem Tat­säch­li­chen, und so buch­stäb­lich pe­dan­tisch, wie die Über­set­zung ei­nes Schul­kna­ben, in al­lem, was zur Poe­sie ge­hört. Zum Nutz und From­men al­ler sol­cher Leu­te wird hie­mit aus­drück­lich er­klärt, dass Ju­dith Hut­ter eben Ju­dith Hut­ter ist, und kei­ne an­de­re Ju­dith; und über­haupt, dass, wenn ir­gend­wo bei ei­nem Tauf­na­men oder bei der Far­be des Haa­res eine Ähn­lich­keit, ein Zu­sam­men­tref­fen sich fin­det, nichts wei­ter ge­meint ist, als was für den Un­be­fan­ge­nen in der Gleich­heit des Tauf­na­mens oder der Haar­far­be liegt. Lan­ge Er­fah­rung hat den Ver­fas­ser be­lehrt, dass die­ser Teil sei­ner Le­ser der bei wei­tem am schwers­ten zu be­frie­di­gen­de ist, und er möch­te ih­nen, zum Bes­ten bei­der Par­tei­en, den ehr­er­bie­ti­gen Rat ge­ben, den Ver­such zu ma­chen und Wer­ke der Ein­bil­dungs­kraft so zu le­sen, als wä­ren es Er­zäh­lun­gen po­si­ti­ver Tat­sa­chen. Ein sol­ches Ver­fah­ren könn­te sie viel­leicht in Stand set­zen, an die Mög­lich­keit der Dich­tung zu glau­ben.

Erstes Kapitel.


O wel­che Lust im Wald, pfad­los, ver­schlun­gen!
O welch Ent­zücken am ent­leg’­nen Strand!
Dort ist Ge­sell­schaft, die nicht auf­ge­drun­gen,
Am Meer, in des­sen Sturm Mu­sik ich fand!
Den Men­schen lie­b’ ich, doch noch mehr ver­stand
Ich die Na­tur; mit ihr, will ich nicht fra­gen
Was ich wohl könn­te sein, einst war! Ver­wandt
Durch sie dem All, fühl’ ich, was aus­zu­sa­gen
Ich nicht ver­mag, noch ganz mit Schwei­gen kann er­tra­gen.

Chil­de Ha­rold.

Er­eig­nis­se ha­ben für die mensch­li­che Vor­stel­lung die Wir­kun­gen der Zeit. So kann sich, wer weit ge­reist ist und Viel ge­se­hen hat, leicht ein­bil­den, lan­ge ge­lebt zu ha­ben, und die­je­ni­ge Ge­schich­te, wel­che am reichs­ten ist an wich­ti­gen Be­ge­ben­hei­ten, nimmt am frü­he­s­ten den Cha­rak­ter und Schein ei­nes weit zu­rück­rei­chen­den Al­ters an. Auf kei­ne an­de­re Wei­se ver­mö­gen wir uns das Ge­prä­ge von Ehr­wür­dig­keit zu er­klä­ren, das schon den An­na­len Ame­ri­kas an­haf­tet. Wenn der Geist zu­rück­schaut in die frü­he­s­ten Tage der Ge­schich­te der Ko­lo­ni­en, so scheint jene Pe­ri­ode fern und dun­kel, da die tau­send Wech­sel­fäl­le, wel­che an die Ket­ten­glie­der der Erin­ne­rung sich he­randrän­gen, den Ur­sprung der Na­ti­on in eine Fer­ne rück­wärts schie­ben, die schein­bar im Ne­bel un­vor­denk­li­cher Zeit liegt, und doch wür­den vier Men­schen­al­ter von ge­wöhn­li­cher Le­bens­dau­er hin­rei­chen, um von Mund zu Mund, in der Ge­stalt der Tra­di­ti­on, al­les zu über­lie­fern, was zi­vi­li­sier­te Men­schen im Be­reich der Re­pu­blik ge­leis­tet ha­ben. Ob­gleich Neu-York al­lein eine Be­völ­ke­rung be­sitzt, grö­ßer in Wahr­heit, als die der vier kleins­ten Kö­nig­rei­che Eu­ro­pa’s, oder auch als die der ge­sam­ten Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nos­sen­schaft, ist es doch erst We­nig mehr, als zwei Jahr­hun­der­te her, seit die Hol­län­der ihre Nie­der­las­sun­gen be­gan­nen und das Land aus dem wil­den Zu­stand em­por­ho­ben. So wird, was durch die Häu­fung von wech­seln­den Er­eig­nis­sen den ehr­wür­di­gen Schein des Al­ters an­nimmt, zu ver­trau­te­rer Ge­wöhn­lich­keit zu­rück­ge­führt, wenn wir es ernst und nüch­tern nur in sei­nem Zeit­ver­hält­nis ins Auge fas­sen.

Die­ser Blick auf die Per­spec­ti­ve der Ver­gan­gen­heit wird den Le­ser vor­be­rei­ten, dass er die Ge­mäl­de, die wir zu ent­wer­fen im Be­grif­fe ste­hen, mit we­ni­ger Über­ra­schung be­trach­tet, als er viel­leicht sonst emp­fun­den hät­te, und ei­ni­ge wei­te­re Er­läu­te­run­gen füh­ren viel­leicht sei­ne Ein­bil­dungs­kraft zu­rück zur ge­nau­ern und deut­li­chern An­schau­ung des­je­ni­gen Ge­sell­schafts­zu­stan­des, den wir zu schil­dern wün­schen. Es ist eine ge­schicht­li­che Tat­sa­che, dass die Nie­der­las­sun­gen an den öst­li­chen Ufern des Hud­son, wie Cla­ve­rack, Kin­der­hook und selbst Pough­keep­sie vor hun­dert Jah­ren als nicht si­cher vor Ein­fäl­len der In­dia­ner gal­ten, und noch steht an den Ufer­hö­hen des ge­nann­ten Flus­ses, nur einen Mus­ke­ten­schuss weit von den Ca­jen von Al­ba­ny, ein Schloss ei­nes jün­gern Zwei­ges der Van Rens­se­laers mit Schieß­schar­ten zur Ver­tei­di­gung ge­gen eben je­nen schlau­en Feind, ob­gleich es aus ei­ner kaum so fer­nen Zeit stammt. An­de­re ähn­li­che Erin­ne­run­gen und Ur­kun­den von der großen Ju­gend des Lan­des fin­det man hin und wie­der selbst in den Ge­gen­den, die als der ei­gent­li­che Mit­tel­punkt ame­ri­ka­ni­scher Zi­vi­li­sa­ti­on be­trach­tet wer­den, – zum klars­ten Be­wei­se, dass alle un­se­re Si­cher­heit vor Ein­fäl­len und feind­li­cher Ge­walt­tat die Frucht ei­ner nicht viel län­gern Zeit ist, als wel­che nicht sel­ten Ein Men­schen­le­ben um­fasst.

Die Be­ge­ben­hei­ten die­ser Er­zäh­lung fal­len zwi­schen die Jah­re 1740 und 1745, wo die mit Nie­der­las­sun­gen be­setz­ten Stri­che der Ko­lo­nie Neu-York sich auf die vier At­lan­ti­schen Be­zir­ke, einen schma­len Land­gür­tel auf je­der Sei­te des Hud­sons, von des­sen Mün­dung bis zu den Fäl­len in der Nähe sei­nes Ur­sprungs, und auf ei­ni­ge we­ni­ge vor­ge­schob­ne »Nach­bar­schaf­ten« am Mo­hawk und Scho­ha­rie be­schränk­ten. Brei­te Gür­tel der Ur­wild­nis reich­ten nicht nur bis an die Ufer des ers­ten Stro­mes, son­dern kreuz­ten ihn so­gar, in­dem sie nach Neu-Eng­land hin sich fort­setz­ten und mit ih­ren Wäl­dern Schutz und Ver­steck bo­ten dem ge­räusch­lo­sen Moc­ca­sin des ein­ge­bor­nen Krie­gers, wenn er auf dem ver­bor­gnen und blu­ti­gen Kriegs­pfad da­her­schlich. Ein Blick aus der Vo­gel­per­spek­ti­ve auf die gan­ze Ge­gend öst­lich vom Mis­sis­sip­pi muss­te da­mals eine un­er­mess­li­che Aus­deh­nung von Wäl­dern zei­gen, ab­wech­selnd mit ei­nem ver­glei­chungs­wei­se schma­len Saum an­ge­bau­ten Lan­des der See ent­lang, punk­tiert gleich­sam durch die schim­mern­den Spie­gel der Seen, und durch­schnit­ten von den be­weg­ten Li­ni­en der Strö­me. In ei­nem so un­ge­heu­ern Bil­de fei­er­lich erns­ter Ein­sam­keit ver­liert sich der Land­strich, des­sen Schil­de­rung wir be­ab­sich­ti­gen, fast in Un­be­deu­ten­heit, doch füh­len wir uns er­mu­tigt, zur Aus­füh­rung zu schrei­ten, durch die Über­zeu­gung, dass, leich­te und un­we­sent­li­che Un­ter­schie­de ab­ge­rech­net, der­je­ni­ge, dem eine ge­naue An­schau­ung ei­nes Teils die­ser wil­den Ge­gend zu ver­schaf­fen ge­lingt, not­wen­dig auch einen ziem­lich rich­ti­gen Be­griff vom Gan­zen dem Le­ser ge­ben muss.

Wel­che Ver­än­de­run­gen und Ver­wand­lun­gen auch durch die Men­schen­hand mö­gen be­wirkt wor­den sein, der ewi­ge Kreis der Jah­res­zei­ten ist nicht zer­ris­sen wor­den. Som­mer und Win­ter, Saat- und Ern­te-Zeit keh­ren mit er­ha­be­ner Ge­nau­ig­keit im­mer wie­der in der ih­nen ge­setz­ten Ord­nung, und bie­ten dem Men­schen eine der al­le­re­dels­ten und ge­nuss­reichs­ten Ge­le­gen­hei­ten, die hohe Macht sei­nes weit­rei­chen­den Geis­tes zu be­stä­ti­gen, in­dem er die Ge­set­ze er­fasst, wel­che ihre stren­ge Gleich­för­mig­keit be­herr­schen, und ihre nie en­den­den Um­krei­sun­gen be­rech­net. Hun­der­te von Som­mer­son­nen hat­ten die Wip­fel der ed­len Ei­chen und Fich­ten er­wärmt, und ihre Glut selbst bis in die zä­hen Wur­zeln hin­ab­ge­sen­det, als man Stim­men ein­an­der ru­fen hör­te in den Tie­fen ei­nes Wal­des, des­sen laubrei­che Höhe in dem glän­zen­den Licht ei­nes wol­ken­lo­sen Ju­ni­us­ta­ges schwamm, wäh­rend die Stäm­me der Bäu­me in dem Schat­ten un­ten in düst­rer Grö­ße sich er­ho­ben. Die An­ru­fun­gen wa­ren von ver­schie­de­nem Ton, und rühr­ten un­ver­kenn­bar von zwei Män­nern her, die den Weg ver­lo­ren hat­ten, und jetzt in ver­schie­de­nen Rich­tun­gen den rech­ten Pfad wie­der such­ten. End­lich zeug­te ein jauch­zen­der Schrei von glück­li­chem Er­folg und im Au­gen­blick dar­auf brach ein Mann her­vor aus dem ver­wor­re­nen La­by­rinth ei­nes klei­nen Sump­fes und trat in eine Lich­tung, wel­che teils durch die Ver­hee­run­gen des Win­des, teils durch die des Feu­ers ent­stan­den zu sein schi­en. Die­ser klei­ne, of­fe­ne Platz, der eine freie An­sicht des Him­mels ge­stat­te­te, ob­gleich er ziem­lich an­ge­füllt war mit ge­fall­nen Bäu­men, lag ne­ben ei­nem der ho­hen Hü­gel oder nie­dern Ber­ge, aus wel­chen bei­na­he die gan­ze Ober­flä­che der be­nach­bar­ten Ge­gend be­stand.

»Hier ist ein Platz zum Atem­schöp­fen!« rief der be­frei­te Wald­mann, so­bald er sich un­ter blau­em Him­mel be­fand, und schüt­tel­te sei­nen ge­wal­ti­gen Kör­per, wie ein Spür­hund, der eben ei­ner Schnee­we­he ent­ron­nen ist: »Hur­rah! Wildtö­ter; hier ist we­nigs­tens Ta­ges­licht und dort der See!«

Die­se Wor­te wa­ren kaum ge­spro­chen, als der zwei­te Wald­mann bei dem Buschwer­ke des Sump­fes her­vortauch­te und auf dem frei­en Plat­ze er­schi­en. Nach­dem er in der Eile sei­ne Waf­fen und sei­ne in Un­ord­nung ge­kom­me­ne Klei­dung wie­der zu­recht ge­macht, kam er zu sei­nem Ge­nos­sen her­an, der schon An­stal­ten zu ei­nem Auf­ent­halt mach­te.

»Kennt Ihr die­se Stel­le?« frag­te der als ›Wildtö­ter‹ An­ge­ru­fe­ne, »oder habt ihr so ge­jauchzt bei dem An­blick der Son­ne?«

»Bei­des, Jun­ge, bei­des; ich ken­ne die Stel­le und es tut mir nicht leid, einen so nütz­li­chen Freund zu er­bli­cken, als die Son­ne ist. Jetzt ha­ben wir doch wie­der die Rich­tun­gen des Com­pas­ses im Kopf, und es ist jetzt un­ser eig­ner Feh­ler, wenn wir sie uns wie­der durch ir­gend Et­was kun­ter­bunt durch­ein­an­der wer­fen las­sen, wie uns vor­hin ge­sch­ah. Mein Name ist nicht Hur­ry Har­ry, wenn dies nicht der Platz ist, wo die Land-Jä­ger im letz­ten Som­mer la­ger­ten und eine Wo­che zu­brach­ten. Seht, dort sind die ab­ge­stor­be­nen Bü­sche von ih­rem Zelt, und hier ist die Quel­le. So sehr ich die Son­ne lie­be, Jun­ge, so brau­che ich mir doch jetzt nicht von ihr sa­gen zu las­sen, dass es Mit­tag ist; die­ser mein Ma­gen ist ein so gu­ter Zeit­mes­ser, als es nur im­mer in der Ko­lo­nie gibt, und er weist schon auf halb ein Uhr. So öff­net denn den Qu­er­sack, da­mit wir uns wie­der auf­zie­hen, um wei­te­re sechs Stun­den zu ge­hen.«

Auf die­sen Vor­schlag mach­ten sich bei­de dar­an, die nö­ti­gen Vor­be­rei­tun­gen zu ih­rem ge­wöhn­li­chen fru­ga­len, aber herz­haf­ten Mah­le zu ma­chen. Wir wol­len die­se Un­ter­bre­chung des Ge­sprächs be­nüt­zen, dem Le­ser einen Be­griff von der äu­ßern Er­schei­nung der Män­ner zu ge­ben, wel­che bei­de be­stimmt sind, eine nicht un­be­deu­ten­de Rol­le in un­se­rer Er­zäh­lung zu spie­len. Es wäre nicht leicht ge­we­sen, ein ed­le­res Bild kraft­vol­ler Männ­lich­keit zu fin­den, als wel­ches in der Per­son des­je­ni­gen sich dar­bot, der sich selbst Hur­ry Har­ry nann­te. Sein wah­rer Name war Hen­ry March; aber die Grenz­män­ner ha­ben von den In­dia­nern die Sit­te an­ge­nom­men, so­bri­quets (Spitz­na­men) zu ge­ben, und so wur­de die Be­zeich­nung: »Hur­ry« weit öf­ter ge­braucht, als sein ei­gent­li­cher Name und nicht sel­ten wur­de er Hur­ry Skur­ry1 ge­nannt, ein Spitz­na­me, den er we­gen sei­nes fah­ri­gen, rück­sichts­lo­sen, kurz­an­ge­bun­de­nen We­sens be­kom­men hat­te, und we­gen ei­ner phy­si­schen Rast­lo­sig­keit, die ihn in so be­stän­di­ger Be­we­gung er­hielt, dass er auf der gan­zen Li­nie der zwi­schen der Pro­vinz und den Ca­na­da’s zer­streu­ten Woh­nun­gen be­kannt war. Die Sta­tur Hur­ry Har­ry’s be­trug über sechs Fuß einen Zoll, und da er un­ge­mein wohl ge­baut war, ent­sprach sei­ne Stär­ke voll­kom­men den Be­grif­fen, die sein rie­sen­haf­ter Kör­per er­weck­te. Das Ge­sicht pass­te gar nicht übel zu dem üb­ri­gen Man­ne, denn es war gut­mü­tig und hübsch. Sein We­sen war frei und of­fen, und ob­gleich sein Be­neh­men und sei­ne Art not­wen­dig von der Roh­heit des Grenz­ler­le­bens Et­was an­neh­men muss­ten, ver­hü­te­te doch die ei­ner so ed­len Na­tur an­ge­bor­ne Groß­ar­tig­keit, dass er nie ganz ge­mein wer­den konn­te.

Wildtö­ter, wie Hur­ry sei­nen Beglei­ter nann­te, war sei­nem Äu­ßern wie sei­nem Cha­rak­ter nach, ein ganz and­rer Mensch. Was den Wuchs be­trifft, so maß er wohl ge­gen sechs Fuß in sei­nen Moc­cas­ins, aber sein Kör­per war ver­glei­chungs­wei­se leicht und schlank, zeig­te je­doch Mus­keln, die, wo nicht un­ge­wöhn­li­che Stär­ke, doch un­ge­wöhn­li­che Ge­wandt­heit ver­rie­ten. Sein Ant­litz hät­te we­nig Emp­feh­len­des ge­habt, au­ßer der Ju­gend­lich­keit, wäre nicht dar­in ein Aus­druck ge­we­sen, der sel­ten sei­nes ge­win­nen­den Ein­drucks bei Al­len ver­fehl­te, die Ge­le­gen­heit hat­ten, es ge­nau­er zu prü­fen, und dem Ge­füh­le des Ver­trau­ens, das es ein­flö­ßte, sich zu über­las­sen. Die­ser Aus­druck war ein­fach der: arg­lo­ser Wahr­haf­tig­keit, ge­paart mit ei­nem Ernst des Wil­lens und ei­ner Lau­ter­keit des Ge­fühls, die man sonst nicht leicht sah. Zu Zei­ten er­schi­en dies Ge­prä­ge von auf­rich­ti­ger Red­lich­keit in sol­cher Ein­falt, dass es auf den Ver­dacht brin­gen konn­te, es feh­le ihm an der Fä­hig­keit, zwi­schen Trug und Wahr­heit zu un­ter­schei­den; aber We­ni­ge ka­men in nä­he­re, in­ni­ge­re Berüh­rung mit dem Man­ne, ohne dies Miss­trau­en ge­gen sei­ne Ein­sich­ten und Be­weg­grün­de zu ver­lie­ren.

Bei­de Grenz­män­ner wa­ren noch jung, denn Hur­ry Har­ry hat­te erst das sechs- oder acht­und­zwan­zigs­te Jahr er­reicht, und Wildtö­ter zähl­te noch ei­ni­ge Jah­re we­ni­ger. Ihr An­zug be­darf kei­ner ge­nau­en Be­schrei­bung, nur so viel mag er­wähnt wer­den, dass er zu ei­nem nicht klei­nen Tei­le aus zu­ge­rich­te­ten Hirsch­häu­ten be­stand, und die ge­wöhn­li­chen Spu­ren an sich trug, wel­che ver­rie­ten, dass er Män­nern ge­hör­te, die ihr Le­ben auf der Gren­ze zwi­schen der zi­vi­li­sier­ten Ge­sell­schaft und den end­lo­sen Wäl­dern zu­brach­ten. Den­noch be­merk­te man ei­ni­ge Auf­merk­sam­keit und ein Be­stre­ben, sich pro­per und ma­le­risch zu zei­gen in Wildtö­ters An­zug, und ganz be­son­ders im Punkt sei­ner Waf­fen und sei­nes Jagd­zeu­ges. Sei­ne Büch­se war im voll­kom­mens­ten Stand, der Hand­griff sei­nes Waid­mes­sers war zier­lich ge­schnitzt, sein Pul­ver­horn mit pas­sen­den Sinn­bil­dern, leicht ein­ge­schnit­ten in den Stoff, wor­aus es be­stand, ver­ziert, und sei­ne Jagd­ta­sche mit Wam­pum ge­schmückt. Da­ge­gen trug Hur­ry Har­ry, sei es nun aus na­tür­li­cher Gleich­gül­tig­keit, oder im ge­hei­men Be­wusst­sein, wie we­nig sei­ne äu­ße­re Er­schei­nung ei­ner künst­li­chen Nach­hil­fe be­durf­te, al­les in nach­läs­si­ger, lie­der­li­cher­wei­se an sich, als füh­le er eine edle Ver­ach­tung ge­gen die ärm­li­chen Ne­ben­din­ge, wie Klei­dung und Schmuck. Vi­el­leicht wur­de der ei­gen­tüm­li­che Ein­druck, den sein ho­her Wuchs und sei­ne schö­ne Ge­stalt mach­ten, durch die­se un­stu­dier­te, hoch­mü­ti­ge Gleich­gül­tig­keit in sei­ner äu­ße­ren Er­schei­nung, eher ver­stärkt als ver­min­dert.

»Kommt, Wildtö­ter, haut ein, und be­weist, dass Ihr einen De­la­wa­ren-Ma­gen habt, wie Ihr nach Eu­rer Be­haup­tung eine De­la­wa­ren-Er­zie­hung ge­habt!« rief Hur­ry, der mit gu­tem Bei­spiel vor­an­ging, und den Mund auf­riss, um ein Stück kal­ten Wild­prets auf­zu­neh­men, das für einen eu­ro­päi­schen Bau­ern eine gan­ze Mahl­zeit ge­we­sen wäre, »haut ein, Bur­sche, und zeigt Eure Mann­haf­tig­keit an die­sem ar­men Teu­fel von Dam­tier mit Eu­ern Zäh­nen, wie Ihr es schon ge­tan mit Eu­rer Büch­se.«

»Nein, nein, Hur­ry, dar­an ist nicht viel Mann­haf­tig­keit, ein ar­mes Tier zu tö­ten, und dazu noch au­ßer der rech­ten Zeit, wohl aber mag es eine sein, eine Unze oder einen Pan­ther zu fäl­len«, ver­setz­te der an­de­re, sich an­schi­ckend, der Auf­for­de­rung zu fol­gen. »Die De­la­wa­ren ha­ben mir mei­nen Na­men ge­ge­ben nicht so wohl in Be­tracht ei­nes küh­nen Her­zens, als viel­mehr ei­nes schar­fen Au­ges und ei­nes flin­ken Fu­ßes. Es mag nichts Fei­ges dar­an sein, ein Tier zu fäl­len, aber ge­wiss ist es kei­ne große Tap­fer­keit.«

»Die De­la­wa­ren selbst sind kei­ne Hel­den«, mur­mel­te Hur­ry zwi­schen den Zäh­nen, da er den Mund zu voll hat­te, um ihn ganz auf­tun zu kön­nen, »sonst hät­ten sie sich nim­mer­mehr von den lum­pi­gen Va­ga­bun­den, den Min­go’s, zu Wei­bern ma­chen las­sen.«

»Die Sa­che ist nicht recht be­kannt – ist nie recht er­klärt wor­den«, ver­setz­te Wildtö­ter ernst, denn er war ein eben so eif­ri­ger Freund, wie sein Beglei­ter als Feind ge­fähr­lich war, »die Min­go’s fül­len die Wäl­der mit ih­ren Lü­gen, und miss­deu­ten Wor­te und Ver­trä­ge. Ich lebe jetzt zehn Jah­re un­ter den De­la­wa­ren, und ken­ne sie als so mann­haft wie jede and­re Na­ti­on, wenn die rech­te Zeit zum Schla­gen kommt.«

»Hört, Meis­ter Wildtö­ter, weil wir ein­mal bei dem Ge­gen­stand sind, kön­nen wir wohl un­ser Herz ge­gen­ein­an­der öff­nen, wie es sich un­ter Män­nern ziemt; ant­wor­tet mir auf eine Fra­ge: Ihr habt so viel Glück ge­habt mit dem Wild, dass Ihr da­von einen Ehren­ti­tel führt, wie es scheint, aber habt Ihr je eine mensch­li­che oder ver­nünf­ti­ge Crea­tur ge­trof­fen? – habt Ihr je ab­ge­drückt auf einen Feind, der im­stan­de war, auch auf Euch ab­zu­drücken?«

Die­se Fra­ge er­zeug­te in der Brust des Jüng­lings eine ei­gen­tüm­li­che Col­li­si­on zwi­schen Krän­kung und rich­ti­gem Ge­fühl, die sich leicht im Mie­nen­spiel sei­nes red­li­chen Ge­sichts le­sen ließ. Der Kampf war je­doch kurz; die Auf­rich­tig­keit des Her­zens ge­wann bald die Ober­hand über falschen Stolz und die Prahl­sucht des Grenz­manns.

»Die Wahr­heit zu ge­ste­hen, nie­mals«, ant­wor­te­te Wildtö­ter, »aus dem Grun­de, weil sich nie eine ge­eig­ne­te Ge­le­gen­heit zeig­te. Die De­la­wa­ren sind fried­lich ge­we­sen die gan­ze Zeit mei­nes Auf­ent­hal­tes un­ter ih­nen, und ich hal­te es für un­recht, ei­nem Men­schen das Le­ben zu neh­men an­ders als in of­fe­nem, ehr­li­chem Krie­ge.«

»Was! habt Ihr nie einen Kerl be­trof­fen, der die­bisch un­ter Eu­ren Fal­len und Häu­ten her­um­schlich, und habt an ihm mit eig­ner Hand das Ge­setz exe­quirt, um den Be­hör­den die Mühe zu er­spa­ren in den An­sied­lun­gen, und dem Bur­schen selbst die Kos­ten des Pro­zes­ses?«

»Ich bin kein Fal­len­jä­ger, Hur­ry«, er­wi­der­te der jun­ge Mann stolz: »ich lebe von der Büch­se, ei­ner Waf­fe, in de­ren Hand­ha­bung ich kei­nem Man­ne von mei­nen Jah­ren nach­ste­hen will zwi­schen dem Hud­son und dem St. La­wrence. Ich bie­te nie eine Haut zum Ver­kauf, die nicht ein Loch am Kopf hat ne­ben de­nen, wel­che die Na­tur dort ge­macht hat zum Se­hen und zum At­men.«

»Ja, ja, das ist al­les recht gut mit den Tie­ren, aber es macht doch eine arm­se­li­ge Fi­gur ne­ben Skal­pen und Hin­ter­hal­ten. Ei­nen In­dia­ner aus ei­nem Hin­ter­halt nie­der­schie­ßen, heißt nur nach sei­nen eig­nen Grund­sät­zen han­deln, und jetzt, da wir einen recht­mä­ßi­gen Krieg ha­ben, wie Ihr es nennt, wird, je eher Ihr die­se Schmach von Eu­rem Ge­wis­sen wischt, umso ge­sün­der Euer Schlaf sein, wenn auch nur da­durch, dass Ihr wisst, es schleicht und heult Ein Feind we­ni­ger in den Wäl­dern. Ich wer­de nicht lan­ge Eure Ge­sell­schaft su­chen und he­gen, Freund Nat­ty, wenn Ihr den Sinn nicht hö­her tragt, als Eure Büch­se ge­gen vier­fü­ßi­ge Crea­tu­ren zu ge­brau­chen.«

»Uns­re Rei­se ist bei­na­he zu Ende, wie Ihr sagt, Meis­ter March, und wir kön­nen heu­te Nacht uns tren­nen, wenn es Euch ge­le­gen scheint. Ich habe einen Freund, der auf mich war­tet, und der es für kei­ne Schan­de hal­ten wird, mit ei­nem Mit­menschen um­zu­ge­hen, der noch kei­nen sei­ner Gat­tung er­schla­gen hat.«

»Ich möch­te wohl wis­sen, was den schlei­chen­den De­la­wa­ren in die­se Ge­gend des Lan­des ge­führt hat, so früh in der Jah­res­zeit«, mur­mel­te Hur­ry vor sich hin in ei­ner Wei­se, die eben­so sehr Miss­trau­en zeig­te, als auch Gleich­gül­tig­keit da­ge­gen, ob er es ver­ra­te. »Wo sagt Ihr, dass der jun­ge Häupt­ling Euch zu tref­fen ver­ab­re­det habe?«

»Auf ei­nem klei­nen, run­den Fel­sen, un­ten am See, wo, wie man mir sagt, die Stäm­me ihre Ver­trä­ge zu ma­chen und ihre Strei­täx­te zu be­gra­ben pfle­gen. Die­sen Fel­sen habe ich oft von den De­la­wa­ren nen­nen hö­ren, ob­gleich See und Fels mir gleich un­be­kannt sind. Der Land­strich wird von den Min­go’s und von den Mo­hi­ka­nern in An­spruch ge­nom­men, und ist in Frie­dens­zeit eine Art von ge­mein­sa­mem Grund und Bo­den zum Fi­schen und Ja­gen; was es aber in Kriegs­zei­ten wer­den mag, weiß der Him­mel al­lein!«

»Ge­mein­sa­mer Grund und Bo­den!« rief Hur­ry, laut la­chend. »Ich möch­te wohl wis­sen, was Floa­ting Tom Hut­ter dazu sa­gen wür­de. Er spricht den See als sein Ei­gen­tum an, in Kraft fünf­zehn­jäh­ri­gen Be­sit­zes, und wird ihn schwer­lich we­der den Min­go’s noch den De­la­wa­ren ab­tre­ten, ohne dar­um zu kämp­fen.«

»Und was wird die Ko­lo­nie sa­gen zu ei­nem sol­chen Streit? die­se gan­ze Ge­gend muss einen Ei­gen­tü­mer ha­ben, da die Her­ren­leu­te ihre Be­gehr­lich­keit selbst bis in die Wild­nis aus­deh­nen, auch da wo sie nicht das Herz ha­ben, in eig­ner Per­son sich dar­in um­zu­se­hen.«

»Das mag in an­de­ren Tei­len der Ko­lo­nie an­ge­hen, Wildtö­ter, aber hier nicht. Kein mensch­li­ches We­sen, den Herrn aus­ge­nom­men, hat einen Fuß­breit Bo­den in die­ser Ge­gend des Lan­des als sein an­zu­spre­chen. Nie ward eine Fe­der ein­ge­taucht, Et­was zu Pa­pier zu brin­gen in Be­treff des Hü­gels oder des Ta­les hier her­um, wie ich den al­ten Tom oft und viel habe sa­gen hö­ren, und so hat er den bes­ten An­spruch dar­auf un­ter al­len Men­schen die at­men; und was Tom an­spricht, das wird er wohl auch be­haup­ten.«

»Nach dem, was ich von Euch ge­hört habe, Hur­ry, muss die­ser Floa­ting Tom ein au­ßer­ge­wöhn­li­cher Sterb­li­cher sein; we­der Min­go, noch De­la­wa­re, noch Bleich­ge­sicht. Auch sein Be­sitz wäre, nach Eu­rem Sa­gen, schon alt, und weit äl­ter als die Grenzan­sied­lun­gen. Was ist des Man­nes Ge­schich­te und We­sen?«

»Ha, was des al­ten Tom’s mensch­li­che Na­tur an­langt, so gleicht die we­nig an­de­rer Leu­te mensch­li­cher Na­tur, son­dern mehr der mensch­li­chen Na­tur ei­ner Bi­sam­rat­ze, an­ge­se­hen dass er mehr die Art die­ses Tie­res, als die Art an­de­rer Mit­ge­schöp­fe hat. Ei­ni­ge glau­ben, er sei in sei­ner Ju­gend Frei­beu­ter auf dem Salz­was­ser ge­we­sen, und der Ge­nos­se ei­nes ge­wis­sen Kidd, der we­gen See­räu­be­rei ge­hängt wur­de, lang ehe Ihr und ich ge­bo­ren oder be­kannt wur­den, und er sei in die­se Ge­gend ge­kom­men in der Hoff­nung, des Kö­nigs Kreu­zer wür­den nie über die Ber­ge her­über kom­men, und er kön­ne sich in den Wäl­dern im Frie­den des Rau­bes er­freu­en.«

»Dann war er im Irr­tum, Hur­ry, sehr im Irr­tum. Des Rau­bes kann sich ein Mensch nir­gends im Frie­den er­freu­en.«

»Das ist, je nach­dem er eine Ge­müts­art hat. Ich habe Sol­che ge­kannt, die sich des­sen gar nicht an­ders er­freu­en konn­ten, als in wil­der Lust­bar­keit, und wie­der And­re, die ihn am bes­ten ge­nos­sen in ei­nem ein­sa­men Win­kel. Man­che Men­schen ha­ben kei­nen Frie­den und Ruhe, wenn sie kei­nen Raub fin­den, und And­re nicht, wenn es ih­nen ge­lingt. Die mensch­li­che Na­tur ist ku­ri­os in die­sen Din­gen. Der alte Tom scheint zu kei­ner von bei­den Ar­ten zu ge­hö­ren, denn er ge­nießt sei­nen Raub, wenn er das Sei­ni­ge wirk­lich so er­wor­ben, sehr ru­hig und be­hag­lich mit sei­nen Töch­tern, und wünscht nicht mehr.«

»Ja, er hat auch zwei Töch­ter; ich habe die De­la­wa­ren, die in der Ge­gend her­um jag­ten, ihre Ge­schich­ten von die­sen jun­gen Wei­bern er­zäh­len hö­ren. Ist kei­ne Mut­ter da, Hur­ry?«

»Es war eine da, wie na­tür­lich, aber sie ist jetzt gute zwei Jah­re tot und ver­senkt.«

»Ha, wie!« sag­te Wildtö­ter, sei­nen Beglei­ter mit ei­ni­gem Er­stau­nen an­schau­end.

»Totund ver­senkt, sag’ ich, und ich den­ke, das ist gut und klar ge­sagt. Der alte Kerl ver­senk­te sein Weib in den See, als er von ihr schei­den muss­te, wie ich als Au­gen­zeu­ge der Ce­re­mo­nie ver­si­chern kann; aber ob Tom dies ge­tan, um sich das Gra­ben zu er­spa­ren, was kein Spaß ist un­ter Wur­zeln, oder in der Ein­bil­dung, dass Was­ser die Sün­de eher ab­wa­sche als Erde, ist mehr als ich sa­gen kann.«

»War das arme Weib eine un­ge­wöhn­li­che Sün­de­rin, dass sich ihr Gat­te so viel Mühe mit ih­rem Leich­nam gab?«

»Kei­ne au­ßer­or­dent­li­che, ob­gleich sie wohl ihre Feh­ler hat­te. Ich den­ke, dass Ju­dith Hut­ter ein so christ­li­ches und ei­nes gu­ten En­des so wür­di­ges Weib war, als nur ir­gend eine, die so lang au­ßer dem Be­reich des Läu­tens von Kir­chen­glo­cken leb­te; und ich mei­ne, der alte Tom ver­senk­te sie wohl fast eher, um sich Mühe zu er­spa­ren, als dass er sich wel­che ge­macht hät­te. Es war frei­lich ein we­nig Stahl in ih­rem Tem­pe­ra­ment, und da der alte Hut­ter ein ziem­li­cher Flin­ten­stein ist, so gab es wohl hin und wie­der Fun­ken zwi­schen ih­nen, aber im Gan­zen konn­te man sa­gen, dass sie sich freund­schaft­lich ver­tru­gen. Wenn sie Feu­er fin­gen, so wur­den den Zu­hö­rern sol­che Bli­cke in ihr frü­he­res Le­ben zu Teil, wie man sie etwa in den dunk­le­ren Tei­len der Wäl­der be­kommt, wenn ein ver­irr­ter Son­nen­strahl, bis her­ab zu den Wur­zeln der Bäu­me dringt. Aber ich wer­de Ju­dith im­mer wert schät­zen, da es im­mer Lob und Emp­feh­lung ge­nug für ein Weib ist, die Mut­ter ei­nes sol­chen Ge­schöpfs, wie ihre Toch­ter, Ju­dith Hut­ter, zu sein.«

»Ja, Ju­dith war der Name, den die De­la­wa­ren nann­ten, ob­gleich sie ihn auf ihre Wei­se aus­spra­chen. Nach ih­ren Ge­sprä­chen soll­te ich nicht mei­nen, dass das Mäd­chen sehr nach mei­nem Ge­schmack wäre.«

»Nach dei­nem Ge­schmack!« rief March, eben­so über der Gleich­gül­tig­keit als über der An­ma­ßung sei­nes Ge­nos­sen Feu­er fan­gend, »was Teu­fels habt Ihr da von Eu­rem Ge­schmack zu schwat­zen, und dazu noch, wenn es ein Weib, wie Ju­dith, be­trifft? Ihr seid nur erst ein Kna­be – ein Schöß­ling, der kaum Wur­zeln ge­schla­gen. Ju­dith hat Män­ner un­ter ih­ren An­be­tern ge­zählt, seit sie ihr fünf­zehn­tes Jahr zu­rück­ge­legt hat, was jetzt bei­na­he fünf Jah­re her ist, und wird nicht Lust ha­ben, auch nur einen Blick auf ein halb­ge­wach­se­nes Bür­sch­chen zu wer­fen, wie Ihr seid.«

»Es ist Ju­ni­us, und kein Wölk­chen zwi­schen uns und der Son­ne, Hur­ry, und so­mit braucht es all die­se Hit­ze nicht«, ver­setz­te der an­de­re, im min­des­ten nicht aus der Fas­sung ge­bracht, »und je­der darf sei­nen Ge­schmack ha­ben, und ein Eich­hörn­chen hat das Recht, sich sein Ur­teil über einen Pan­ther zu bil­den.«

»Ja, aber es möch­te nicht im­mer klug sein, es den Pan­ther wis­sen zu las­sen«, brumm­te March. »Aber Ihr seid jung und ge­dan­ken­los, und ich will Eure Un­wis­sen­heit über­se­hen. Kommt, Wildtö­ter«, fuhr er mit gut­mü­ti­gem La­chen fort, nach­dem er eine Wei­le nach­denk­lich ge­schwie­gen, »kommt, Wildtö­ter, wir sind ge­schwo­re­ne Freun­de, und wol­len nicht ha­dern um ein leicht­sin­ni­ges, ge­fall­süch­ti­ges Weibs­bild, weil es zu­fäl­lig schön ist, – zu­mal da Ihr sie noch gar nie ge­se­hen. Ju­dith ist nur für einen Mann, der voll­kom­men ab­ge­zahnt hat, und es ist tö­richt, einen Kna­ben zu fürch­ten. Was ha­ben denn die De­la­wa­ren von der Hexe ge­sagt? denn ein In­dia­ner hat am Ende doch auch sei­ne Be­grif­fe vom Weibs­volk, so gut als ein wei­ßer Mann.«

»Sie sag­ten, sie sei schön an­zu­se­hen, und ge­fäl­lig im Ge­spräch; aber zu sehr Be­wun­de­rern sich hin­ge­bend und leicht­sin­nig.«

»Das sind ein­ge­fleisch­te Teu­fel! Wel­cher Schul­meis­ter und Ge­lehr­te ist am Ende ei­nem In­dia­ner ge­wach­sen, was den Blick in die Na­tur be­trifft? Man­che Leu­te mei­nen, sie sei­en nur gut auf der Fähr­te des Wil­des oder auf dem Kriegs­pfad, aber ich sage: es sind Phi­lo­so­phen, und sie ver­ste­hen sich auf einen Mann so gut wie auf einen Bi­ber, und auf ein Weib so gut wie auf bei­de. Nun, das ist wirk­lich Ju­dith’s Cha­rak­ter auf ein Tüp­fel­chen! Euch die Wahr­heit zu ge­ste­hen, Wildtö­ter, ich hät­te das Mäd­chen schon vor zwei Jah­ren ge­hei­ra­tet, wä­ren nicht zwei ganz be­son­de­re Um­stän­de, – und der eine ist eben ihr Leicht­sinn.«

»Und was mag der an­de­re sein?« frag­te der Jä­ger, der fort aß, wie ei­ner, der sich eben nicht sehr für den Ge­gen­stand in­ter­es­sier­te.

»Der and­re Um­stand war die Un­ge­wiss­heit, ob sie mich näh­me. Das Mä­del ist schön, und das weiß sie. Kna­be, kein Baum, der auf die­sen Hü­geln wächst, ist ge­ra­der, oder schwankt mit leich­te­rer Beu­gung im Win­de, und nie habt Ihr das hüp­fen­de Reh in na­tür­li­che­rer Be­weg­lich­keit ge­se­hen. Wenn das al­les wäre, wür­de jede Zun­ge ihr Lob ver­kün­di­gen; aber sie hat sol­che Män­gel, dass ich es schwie­rig fin­de, sie zu über­se­hen, und manch­mal schwö­re ich, nie wie­der den See zu be­su­chen.«

»Und was ist der Grund, dass Ihr im­mer wie­der kommt? Nichts wur­de je da­durch si­che­rer, dass man dar­über schwur.«

»Ach, Wildtö­ter, Ihr seid in die­sen An­ge­le­gen­hei­ten ein Neu­ling; Ihr klebt so an Eu­rer frü­hern Er­zie­hung, als hät­tet Ihr nie die An­sied­lun­gen ver­las­sen. Bei mir ist es ein and­rer Fall, und nie emp­fin­de ich das Be­dürf­nis, eine Idee fest­zu­hal­ten, dass ich nicht auch Lust füh­le, dar­über zu schwö­ren. Wenn Ihr in Be­treff Ju­dith’s al­les wüss­tet, was ich weiß, wür­det Ihr ein we­nig Ver­flu­chen wohl ge­recht­fer­tigt fin­den. Nun, die Of­fi­zie­re strei­fen manch­mal hin­über an den See, von den Forts am Mo­hawk, um zu fi­schen und zu ja­gen, und dann scheint die Krea­tur ganz au­ßer sich! Ihr könnt das se­hen an der Art, wie sie ihre Schmuck­sa­chen trägt, und dem vor­neh­men We­sen, das sie bei den ga­lan­ten Herrn an­nimmt.«

»Das ist un­pas­send bei ei­nes ar­men Manns Toch­ter«, ver­setz­te Wildtö­ter ernst, »die Of­fi­zie­re sind alle vor­neh­me Leu­te, und kön­nen ein Mäd­chen wie Ju­dith nur mit bö­sen Ab­sich­ten an­se­hen.«

»Das ist die Un­ge­wiss­heit und der Dämp­fer! Ich habe mei­ne Be­sorg­nis­se we­gen ei­nes ge­wis­sen Ka­pi­tains, und Ju­dith hat nur ihre eig­ne Tor­heit an­zu­kla­gen, wenn ich Un­recht habe. Über­haupt wünsch­te ich, sie als sitt­sam und an­stän­dig an­se­hen zu dür­fen, und doch sind die Wol­ken, die an die­sen Ber­gen her­um­trei­ben, nicht un­sich­rer und un­zu­ver­läs­si­ger. Nicht ein Dut­zend Wei­ße ha­ben seit ih­rer Kind­heit sie mit Au­gen an­ge­se­hen, und doch das Be­neh­men, das sie ge­gen zwei oder drei die­ser Of­fi­zie­re zeigt, löscht mei­ne Flam­men!«

»Ich wür­de nicht mehr an ein sol­ches Weib den­ken, son­dern mei­nen Sinn ganz dem Wal­de zu­wen­den; der wird Euch nie täu­schen, be­herrscht und be­meis­tert von ei­ner Hand, die nie bebt.«

»Wenn Ihr Ju­dith kenn­tet, wür­det Ihr se­hen, wie viel leich­ter dies zu sa­gen als zu tun ist. Könn­te ich mein Ge­müt be­ru­hi­gen we­gen der Of­fi­zie­re, so wür­de ich das Mäd­chen mit Ge­walt an den Mo­hawk ent­füh­ren, sie zwin­gen mich zu hei­ra­ten, trotz ih­rem flat­ter­haf­ten Geis­te, und den al­ten Tom der Sor­ge Het­ty­’s, sei­ner an­de­ren Toch­ter, über­las­sen, die, wenn nicht so schön, noch von so schnel­lem Witz wie ihre Schwes­ter, doch bei wei­tem die pflicht­ge­treue­re ist.«

»Ist denn noch ein Vo­gel in dem­sel­ben Nest?« frag­te Wildtö­ter, sein Auge mit ei­ner Art halb­er­wach­ter Neu­gier em­por­he­bend, – »die De­la­wa­ren spra­chen mir nur von ei­ner!«

»Das ist ganz na­tür­lich, wenn es sich von Ju­dith Hut­ter und Het­ty Hut­ter han­delt. Het­ty ist nur hübsch, wäh­rend ihre Schwes­ter, das sag’ ich dir, Kna­be, ein Ge­schöpf ist, wie man es nicht mehr fin­det zwi­schen hier und der See; Ju­dith ist so voll Witz, Be­red­sam­keit und Schlau­heit, wie ein al­ter in­dia­ni­scher Red­ner, wäh­rend die arme Het­ty im bes­ten Fall nur einen gu­ten Wil­len, aber einen schwa­chen Ver­stand hat;2 sie steht, möch­te ich sa­gen, auf der Grenz­schei­de der Un­wis­sen­heit und manch­mal tau­melt sie auf die eine, manch­mal auf die and­re Sei­te hin­über.«

»Das sind Ge­schöp­fe, die Gott in sei­ne be­son­de­re Ob­hut, nimmt«, sag­te Wildtö­ter fei­er­lich, »denn er sieht mit Sorg­falt auf alle her­ab, die um ihr be­schei­den Teil Ver­nunft zu kurz kom­men. Die Rot­häu­te eh­ren und ach­ten die so be­schränkt Be­gab­ten, weil sie wis­sen, dass der schlim­me Geist es mehr liebt, in ei­nem schlau­en We­sen zu woh­nen, als in ei­nem, das kei­nen tie­fen Ver­stand hat, auf den er wir­ken kann.«

»Dann will ich da­für bür­gen, dass er nicht lan­ge hau­sen wird bei der ar­men Het­ty, denn das Kind ist, wie ge­sagt, gar ein­fäl­ti­gen Geis­tes. Der alte Tom hat ein Ge­fühl für das Mäd­chen, und so auch Ju­dith, so präch­tig und ra­schen Wit­zes sie auch selbst ist; sonst möch­te ich nicht da­für ste­hen, dass sie ganz si­cher wäre un­ter der Art von Män­nern, wie manch­mal an das Ufer des See’s kom­men.«

»Ich dach­te, das Was­ser sei ein un­be­kann­ter und we­nig be­such­ter Platz«, be­merk­te der Wildtö­ter, dem es sicht­lich un­be­hag­lich ward beim Ge­dan­ken, der Welt zu nahe zu sein.

»So ist es auch ganz, mein Jun­ge; nicht die Au­gen von zwan­zig wei­ßen Män­nern ha­ben ihn er­blickt; aber doch kön­nen zwan­zig Grenz­män­ner von ech­tem Schrot und Korn, – Jä­ger und Fal­len­stel­ler und Kund­schaf­ter und der­glei­chen – ge­nug Un­heil an­rich­ten, wenn sie den Ver­such ma­chen. Es wäre mir et­was Ent­setz­li­ches, Wildtö­ter, wenn ich nach ei­ner Ab­we­sen­heit von sechs Mo­na­ten Ju­dith ver­hei­ra­tet fän­de!«

»Habt Ihr des Mäd­chens Wort und Zu­sa­ge, die Euch zu bes­se­rer Hoff­nung be­rech­ti­gen?«

»Ganz und gar nicht. Ich weiß nicht, was es ist. Ich sehe gut ge­nug aus, Jun­ge! so viel kann ich in je­der Quel­le se­hen, wor­auf die Son­ne scheint, – und doch konn­te ich die klei­ne Hexe nie zu ei­ner Zu­sa­ge oder auch nur zu ei­nem herz­lich­ge­mein­ten Lä­cheln brin­gen, ob­gleich sie oft Stun­den lang lacht. Wenn sie ge­wagt hat, in mei­ner Ab­we­sen­heit zu hei­ra­ten, wird sie wohl die Sü­ßig­keit des Witt­wen­stan­des zu kos­ten be­kom­men, noch ehe sie zwan­zig Jah­re alt ist!«

»Ihr wür­det doch dem Mann, den sie ge­wählt, Nichts zu Leid tun, Hur­ry, bloß dar­um, weil sie ihn mehr nach ih­rem Ge­schmack ge­fun­den, als Euch?«

»Wa­rum nicht? Wenn ein Feind mei­nen Weg durch­kreuzt, soll­te ich ihn nicht hin­aus­schla­gen? Seht mich an – bin ich ein Mann, dem es gleich sieht, dass er von ir­gend ei­nem krie­chen­den, schlei­chen­den Haut­krä­mer sich den Rang ab­lau­fen lie­ße in ei­ner Sa­che, die mich so nahe an­geht als die Zärt­lich­keit der Ju­dith Hut­ter? Zu­dem, wenn wir au­ßer dem Be­reich des Ge­set­zes le­ben, müs­sen wir uns selbst Rich­ter und Voll­stre­cker sein. Und wenn auch ein Mann in den Wäl­dern tot ge­fun­den wür­de: Wer soll­te auf­tre­ten und sa­gen, Wer ihn er­schla­gen, selbst den Fall ge­setzt, dass die Ko­lo­nie die Sa­che auf­näh­me und Lärm dar­über schlü­ge?«

»Wenn der Mann der Ju­dith Hut­ter Gat­te sein soll­te, so könn­te ich, nach dem was vor­ge­gan­gen, we­nigs­tens ge­nug sa­gen, um die Ko­lo­nie auf die Spur zu lei­ten.«

»Ihr! – ein halb­ge­wach­se­ner Wild­bret­schütz und jun­ger Laf­fe! Ihr wagt es, dar­an zu den­ken, als An­klä­ger auf­zu­tre­ten ge­gen Hur­ry Har­ry, und wenn es auch nur eine Wald­tau­be be­trä­fe oder einen Il­tiß?«

»Ich wür­de wa­gen die Wahr­heit zu re­den, Hur­ry, be­trä­fe es Euch oder ir­gend einen Sterb­li­chen.«

March starr­te einen Au­gen­blick sei­nen Beglei­ter in stum­mem Stau­nen an; dann fass­te er ihn mit bei­den Hän­den an der Keh­le und schüt­tel­te den ver­glei­chungs­wei­se Zart­ge­bau­ten mit ei­ner Hef­tig­keit, die ei­ni­ge Kno­chen zu ver­ren­ken droh­te. Auch ge­sch­ah dies nicht im Scherz, denn Zorn flamm­te aus den Au­gen des Rie­sen, und ge­wis­se Zei­chen schie­nen weit mehr Ernst an­zu­kün­di­gen, als der vor­lie­gen­de Fall dem An­schein nach er­heisch­te oder recht­fer­tig­te. Was im­mer Mar­ch’s ei­gent­li­che Ab­sicht sein moch­te – und wahr­schein­lich hat­te er selbst kei­ne be­stimm­te und klar­be­wuss­te – ge­wiss ist, dass er un­ge­wöhn­lich auf­ge­bracht war; und wohl die Meis­ten, die sich von ei­nem sol­chen Gi­gan­ten, in sol­cher Ge­müts­auf­re­gung und in ei­ner so tie­fen, hilflo­sen Ein­sam­keit so ge­würgt ge­se­hen hät­ten, wür­den ein­ge­schüch­tert und ver­sucht wor­den sein, selbst in ge­rech­ter Sa­che nach­zu­ge­ben. Nicht so Wildtö­ter. Sein Ge­sicht blieb un­be­wegt; sei­ne Hand zit­ter­te nicht, und er gab sei­ne Ant­wort in ei­nem Tone, der nicht ein­mal zu dem künst­li­chen Mit­tel ei­ner er­höh­ten, lau­tern Stim­me griff, um we­nigs­tens die Ent­schlos­sen­heit der See­le kund zu ge­ben.

»Ihr könnt mich schüt­teln, Hur­ry, bis Ihr den Berg ein­fal­len macht«, sag­te er ru­hig, »aber Nichts als die Wahr­heit wer­det Ihr aus mir her­aus schüt­teln. Wahr­schein­lich hat Ju­dith Hut­ter kei­nen Gat­ten zum Er­schla­gen, und Ihr kei­nen An­lass, ei­nem auf­zu­pas­sen, sonst wür­de ich ihm von Eu­rer Dro­hung sa­gen in der ers­ten Un­ter­re­dung, die ich mit dem Mäd­chen habe.«

March ließ sei­ne Hän­de los, und saß da, den an­de­ren mit schwei­gen­dem Stau­nen be­trach­tend.

»Ich dach­te, wir sei­en Freun­de«, sag­te er end­lich, »aber Ihr habt das letz­te Ge­heim­nis von mir ge­hört, das in Euer Ohr kom­men soll.«

»Ich ver­lan­ge auch kei­ne mehr, wenn sie die­sem glei­chen soll­ten. Ich weiß, wir le­ben in den Wäl­dern, Hur­ry, und man nimmt an, dass wir au­ßer dem Be­reich mensch­li­cher Ge­set­ze sei­en – und viel­leicht sind wir es wirk­lich der Tat nach, wenn es auch dem Rech­te nach an­ders sich ver­hält – aber es gibt ein Ge­setz und einen Ge­setz­ge­ber, die über den gan­zen Con­ti­nent wal­ten und herr­schen. Wer je­nes oder die­sen ins An­ge­sicht schlägt, darf mich nicht sei­nen Freund nen­nen.«

»Ich will ver­dammt sein, Wildtö­ter, wenn ich nicht glau­be, dass Ihr im Her­zen ein Mäh­ri­scher Bru­der seid, und kein wohl­ge­sinn­ter, treu­her­zi­ger Jä­ger, wie Ihr zu sein vor­ge­ge­ben.«

»Wohl­ge­sinnt oder nicht, Hur­ry, Ihr wer­det mich so treu­her­zig und ge­ra­de in Wer­ken fin­den, wie in Wor­ten. Aber dies Auf­lo­dern in plötz­li­chem Zor­ne ist tö­richt, und zeigt, wie we­nig Ihr mit den ro­ten Män­nern ge­lebt. Ju­dith Hut­ter ist ohne Zwei­fel noch le­dig, und Ihr schwatz­tet nur wie die Zun­ge lief, nicht wie das Herz emp­fand. Hier ist mei­ne Hand, und wir wol­len nicht mehr da­von spre­chen noch dar­an den­ken.«

Hur­ry schi­en noch ver­blüff­ter als je zu­vor; dann brach er in ein lau­tes, gut­mü­ti­ges La­chen aus, das ihm die Trä­nen in die Au­gen trieb. Da­rauf er­griff er die dar­ge­bo­te­ne Hand und die Freun­de ver­söhn­ten sich.

»Es wäre när­risch ge­we­sen, um eine blo­ße Idee zu ha­dern«, rief March, in­dem er wie­der zu es­sen an­fing, »und ziem­te eher den Rechts­män­nern in den Städ­ten, als ver­nünf­ti­gen Men­schen in den Wäl­dern. Man sagt mir, Wildtö­ter, viel bö­ses Blut kom­me von Vor­stel­lun­gen und Ide­en un­ter den Leu­ten in den un­tern Be­zir­ken, und sie er­hit­zen sich dar­über manch­mal bis zum Äu­ßers­ten.«

»Das tun sie – das tun sie; und über an­de­re Din­ge, die man bes­ser sich selbst über­lie­ße. Ich habe von den Mäh­ri­schen Brü­dern sa­gen hö­ren, es gebe Län­der, wo die Men­schen so­gar über ihre Re­li­gi­on ha­dern; und wenn sie sich über einen sol­chen Ge­gen­stand er­hit­zen kön­nen, Hur­ry, so habe der Herr Er­bar­men mit ih­nen! Wir je­doch ha­ben kei­nen An­lass, ih­rem Bei­spiel zu fol­gen, zu­mal nicht über einen Gat­ten, den die­se Ju­dith Hut­ter viel­leicht nie sieht oder zu se­hen wünscht. Ich mei­nes Teils füh­le mehr Neu­gier­de hin­sicht­lich der schwach­sin­ni­gen Schwes­ter, als Eu­rer ge­prie­se­nen Schön­heit. Es ist Et­was, das die Ge­füh­le ei­nes Man­nes an­spricht und rührt, wenn er ei­nem Mit­ge­schöpf be­geg­net, das ganz das äu­ße­re We­sen ei­nes zu­rech­nungs­fä­hi­gen Sterb­li­chen hat, und das doch nicht ist, was es scheint, nur we­gen ei­nes Man­gels an Ver­nunft. Das ist schlimm ge­nug bei ei­nem Man­ne, aber wenn es ei­nem Wei­be ge­schieht, und es ist ein jun­ges und viel­leicht ein­neh­men­des Ge­schöpf, so regt es alle Ge­füh­le von Barm­her­zig­keit und Mit­leid auf, die in sei­ner Na­tur lie­gen. Gott weiß, Hur­ry, sol­che arme We­sen sind schutz­los ge­nug mit samt all ih­rem Witz; aber ein grau­sa­mes Ge­schick ist es, wenn die­ser große Be­schüt­zer und Füh­rer ih­nen fehlt.«

»Hört, Wildtö­ter – Ihr wisst, was die Jä­ger und Fal­len­stel­ler und Pelz­wer­kleu­te über­haupt für Men­schen sind; und ihre bes­ten Freun­de wer­den nicht leug­nen, dass es hit­zi­ge und ei­gen­wil­li­ge Men­schen sind, die nicht viel nach And­rer Rech­ten und Ge­füh­len fra­gen – und doch, glaub’ ich, fän­de sich in die­ser gan­zen Ge­gend kein Mann, der Het­ty Hut­ter ein Leid täte, wenn er auch könn­te; nein, nicht ein­mal eine Rot­haut!«

»Hie­rin, Freund Hur­ry, lasst Ihr den De­la­wa­ren we­nigs­tens und all den ih­nen ver­bün­de­ten Stäm­men nur Ge­rech­tig­keit wi­der­fah­ren, denn eine Rot­haut sieht ein so von Got­tes Macht heim­ge­such­tes We­sen als Ge­gen­stand sei­ner be­son­dern Ob­hut an. Ich freue mich in­des­sen zu hö­ren, was Ihr sagt, ich freue mich, es zu hö­ren, aber da die Son­ne jetzt ge­gen den Nach­mit­tags­him­mel hin sich wen­det, tä­ten wir nicht bes­ser, die Fähr­te wie­der zu ver­fol­gen und wei­ter zu zie­hen, da­mit wir Ge­le­gen­heit be­kom­men, die­se wun­der­ba­ren Schwes­tern zu se­hen?«

Hur­ry March gab freu­dig sei­ne Zu­stim­mung; die Über­bleib­sel der Mahl­zeit wa­ren bald ge­sam­melt; dann schul­ter­ten die Wan­de­rer ihre Ta­schen, nah­men ihre Waf­fen auf, ver­lie­ßen die klei­ne Lich­tung, und be­gru­ben sich wie­der in den tie­fen Schat­ten des Wal­des.


  1. etwa das pro­vin­zi­el­le: Rau­sche Bau­sche.  <<<

  2. Hur­ry macht hier einen, we­gen des Wort­spiels mit ›­kom­pass meant us‹ und ›­kom­pos men­tis‹ un­über­setz­ba­ren Witz.  <<<

Zweites Kapitel.


Weg musst vom See, dem grü­nen, du ziehn,
Und weg von des Jä­gers Herd;
Den Som­mer hin­durch, wo die Blu­men glühn.
Ist zu blei­ben dir, Toch­ter, ver­wehrt.

Erin­ne­run­gen des Wei­bes.

Uns­re zwei Aben­teu­rer hat­ten nicht weit zu ge­hen. Hur­ry wuss­te die Rich­tung, so­bald er den of­fe­nen Platz und die Quel­le ge­fun­den hat­te, und er ging jetzt vor­an mit dem zu­ver­sicht­li­chen Schritt ei­nes Man­nes, der sei­ner Sa­che ge­wiss ist. Der Wald war, wie na­tür­lich, dun­kel, aber nicht mehr durch Busch­werk un­weg­sam, und der Bo­den war fest und tro­cken. Nach­dem sie etwa eine Mei­le zu­rück­ge­legt, blieb March ste­hen, und be­gann for­schen­de Bli­cke um sich zu wer­fen; in­dem er die ver­schied­nen Ge­gen­stän­de sorg­fäl­tig prüf­te, und ge­le­gent­lich sein Auge auf die Stäm­me der ge­fall­nen Bäu­me rich­te­te, mit wel­chen der Bo­den ziem­lich be­sä­et war, wie dies ge­wöhn­lich der Fall ist in ei­nem ame­ri­ka­ni­schen Wald, zu­mal in den Ge­gen­den des Lan­des, wo das Bau­holz noch kei­nen Wert hat.

»Das muss der Platz sein, Wildtö­ter«, be­merk­te end­lich March, »hier ist eine Bu­che ne­ben ei­ner Schier­ling­s­tan­ne und drei Fich­ten in der Nähe, und dort ist eine wei­ße Bir­ke mit ge­bro­che­nem Wip­fel; und doch sehe ich kei­nen Fel­sen und kei­ne her­ab­ge­bo­gnen Zwei­ge, wie ich Euch ge­sagt, dass wir fin­den wür­den.«

»Ge­bro­che­ne Zwei­ge sind un­ge­schick­te Merk­zei­chen, da der Uner­fah­rens­te weiß, dass Zwei­ge nicht oft von selbst bre­chen«, ver­setz­te der an­de­re, »und sie füh­ren auch leicht zu Arg­wohn und Ent­de­ckung. Die De­la­wa­ren ver­las­sen sich nie auf ge­knick­te Zwei­ge, au­ßer in Frie­dens­zei­ten und auf of­fe­ner Fähr­te. Was die Bu­chen und Fich­ten und Schier­ling­s­tan­nen be­trifft, ha, die sind auf al­len Sei­ten um uns her zu se­hen, nicht bloß zu zwei­en oder drei­en, son­dern zu vier­zi­gen, fünf­zi­gen und hun­der­ten.«

»Sehr wahr, Wildtö­ter, aber Ihr er­wägt nicht die Stel­lung. Hier ist eine Bu­che und eine Schier­ling­s­tan­ne –«

»Ja, und dort ist wie­der eine Bu­che und eine Schier­ling­s­tan­ne, so lie­be­voll wie zwei Brü­der, oder, was das be­trifft, lie­be­vol­ler als man­che Brü­der, und dort sind wie­der wel­che, denn bei­de Bäu­me sind in die­sen Wäl­dern kei­ne Sel­ten­heit, Ich fürch­te, Hur­ry, Ihr ver­steht Euch bes­ser dar­auf, Bi­ber zu fan­gen und Bä­ren zu schie­ßen, als eine schwie­ri­ge Fähr­te auf­zu­spü­ren. Ha! dort ist aber nun doch, was Ihr zu fin­den wünscht!«

»Ei, Wildtö­ter, das ist eine von Eu­ern de­la­wa­ri­schen An­ma­ßun­gen, denn ich will mich hän­gen las­sen, wenn ich et­was Andres sehe, als die­se Bäu­me, wel­che in der un­er­klär­lichs­ten und ver­wir­rends­ten Wei­se um uns her em­por­ra­gen.«

»Schaut dort­hin, Hur­ry – so, in ei­ner Li­nie mit der schwar­zen Ei­che – seht Ihr nicht das ge­krümm­te Bäum­chen, das her­auf­ge­zo­gen ist zu den Zwei­gen der Lin­de da­ne­ben? Nun, dies Bäum­chen war ein­mal von Schnee be­deckt, und wur­de von des­sen Wucht nie­der­ge­drückt; aber es hat sich nicht selbst wie­der auf­ge­rich­tet, und so wie Ihr es jetzt seht, an die Lin­den­zwei­ge an­ge­lehnt. Die Hand ei­nes Men­schen hat ihm die­sen Lie­bes­dienst ge­leis­tet.«

»Das war mei­ne Hand!« rief Hur­ry: »ich fand das schwa­che, jun­ge Ding auf die Erde ge­drückt, wie ein un­glück­li­ches Ge­schöpf vom Miss­ge­schick nie­der­ge­beugt, und rich­te­te es so auf, wie Ihr seht. Am Ende, Wildtö­ter, muss ich doch ge­ste­hen, dass Ihr nach­ge­ra­de ein un­ge­mein gu­tes Auge für die Wäl­der be­kommt.«

»Es bes­sert sich, Hur­ry – es bes­sert sich, muss ich ge­ste­hen; aber es ist erst das Auge ei­nes Kin­des, ver­gli­chen mit dem von an­de­ren, die ich ken­ne. Da ist jetzt Ta­menund, ob­wohl ein Mann so alt, dass We­ni­ge sich sei­ner kräf­ti­gen Jah­re er­in­nern. Ta­menund lässt Nichts sei­ner Beo­b­ach­tung ent­ge­hen, die mehr der Wit­te­rung ei­nes Hun­des als dem Blick ei­nes Au­ges gleicht. Dann Un­kas, der Va­ter von Ching­ach­gook, und der recht­mä­ßi­ge Häupt­ling der Mo­hi­ka­ner, ist auch ei­ner, des­sen Blick bei­na­he un­mög­lich et­was ent­ge­hen kann. Ich kom­me wei­ter, ich will es ge­ste­hen, ich kom­me wei­ter, aber bin bis jetzt noch weit von der Voll­kom­men­heit ent­fernt.«

»Und wer ist denn die­ser Ching­ach­gook, von dem Ihr so Viel schwatzt, Wildtö­ter?« frag­te Hur­ry, in­dem er in der Rich­tung auf das auf­ge­rich­te­te Bäum­chen zu wei­ter schritt, »eine schlei­chen­de Rot­haut, im bes­ten Fall, nach der ich Nichts fra­ge.«

»Nicht so, Hur­ry, son­dern der Bes­te un­ter den schlei­chen­den Rot­häu­ten, wie Ihr sie nennt. Wenn er sei­ne Rech­te hät­te, so wäre er ein großer Häupt­ling; aber so ist er nur ein mu­ti­ger und red­li­cher De­la­wa­re; ge­ach­tet zwar, und dem man auch in man­chen Din­gen ge­horcht, aber von ei­nem ge­fal­le­nen Ge­schlecht, und ei­nem ge­fal­le­nen Vol­ke an­ge­hö­rend. Ach, Hur­ry March, es wür­de Euch das Herz im Lei­be warm ma­chen, in ih­ren Hüt­ten zu sit­zen in ei­ner Win­ter­nacht, und den Er­zäh­lun­gen und Über­lie­fe­run­gen von der al­ten Grö­ße und Macht der Mo­hi­ka­ner zu­zu­hö­ren.«

»Hört, Freund Na­tha­niel«, sag­te Hur­ry, in­dem er ste­hen blieb und sei­nem Beglei­ter ins Ge­sicht schau­te, um sei­nen Wor­ten de­sto mehr Nach­druck zu ge­ben, »wenn ein Mann al­les glaub­te, was an­de­ren Leu­ten zu ih­ren Guns­ten zu sa­gen be­liebt, so wür­de er wohl eine zu große Mei­nung von ih­nen, und eine zu klei­ne Mei­nung von sich selbst be­kom­men. Die­se Rot­häu­te sind merk­wür­di­ge Prah­ler, und ich be­haup­te, mehr als die Hälf­te ih­rer Über­lie­fe­run­gen sind rei­ne Er­dich­tun­gen.«

»Es ist et­was Wah­res in dem, was Ihr sagt, Hur­ry, ich will es nicht leug­nen, denn ich habe es ge­se­hen und glau­be es. Ja, sie prah­len, aber das ist eben eine Gabe der Na­tur, und es ist sünd­haft, na­tür­li­che Ga­ben zu un­ter­drücken. Seht, das ist der Platz, den Ihr ge­sucht.«

Die­se Be­mer­kung schnitt das Ge­spräch ab, und bei­de Män­ner rich­te­ten jetzt ihre gan­ze Auf­merk­sam­keit auf das un­mit­tel­bar vor ih­nen Lie­gen­de. Wildtö­ter deu­te­te sei­nem Beglei­ter auf den Stamm ei­ner un­ge­heu­ern Lin­de, wel­che ihre Zeit er­füllt hat­te, und un­ter ih­rer eig­nen Wucht nie­der­ge­stürzt war. Die­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­