Oh je, Herr Carlowitz

Nachhaltigkeit in der Praxis

 

An alle, die vor nachhaltigen Entscheidungen stehen

 

 

Michael Wühle

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Impressum

1. Auflage Juni 2016
2. überarbeitete Auflage Dezember 2017
ISBN 9783000471100
© Copyright der Erstausgabe 2013 und der überarbeiteten 2. Auflage 2017 by Michael Wühle

Sustainability. Now.® ist ein geschütztes Warenzeichen von PlusB Consulting – Michael Wühle

 

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zur überarbeiteten 2. Auflage

Kapitel 1, Oh je, Herr Carlowitz

Kapitel 2, Bildersprache und Beispiele

Kapitel 3, Nachhaltigkeit im Zeitalter des globalen Klimawandels

Kapitel 4, Konsumverhalten und Nachhaltigkeitskriterien

Kapitel 5, Strategischer Ansatz für neue Geschäftsmodelle

Kapitel 5.1, Transformation durch Effizienz und Suffizienz

Kapitel 5.2, Ressourceneffizienz

Kapitel 5.3, Alleinstellungsmerkmal Nachhaltigkeit

Kapitel 6, Nachhaltigkeitsmanagement

Kapitel 6.1, Nachhaltige Führungs- und Unternehmenskultur

Kapitel 6.2, Strategische Leitsätze und Ziele

Kapitel 6.3, Konzept für Ökonomisches Verhalten

Kapitel 6.4, Konzept für Soziales Verhalten

Kapitel 6.5, Konzept für Ökologisches Verhalten

Kapitel 6.6, Supply Chain Management – Nachhaltigkeit in der Lieferkette

Kapitel 6.7, Besonderheiten bei Kommunen

Kapitel 6.8, Besonderheiten bei Unternehmen

Kapitel 6.9, Besonderheiten in der (Luft-) Verkehrsbranche

Kapitel 6.10, Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Organisationen

Kapitel 7, Genossenschaften – eine nachhaltige Unternehmensform

Kapitel 8, Ökobilanz und CO2-Fußabdruck

Kapitel 8.1, Ökobilanz

Kapitel 8.2, CO2-Fußabdruck

Kapitel 9, Der Nachhaltigkeitsbericht

Kapitel 9.1, Vorgehensweise und Aufbau

Kapitel 9.2, Grundsätzliches zu Inhalt und Qualität

Kapitel 9.3, Zusammenstellung der Standardangaben nach GRI

Kapitel 9.4, GRI-Standards

Kapitel 9.5, Nichtfinanzielle Berichterstattung – CSR-Richtlinie

Kapitel 10, Der Nachhaltigkeitsmanager

Kapitel 10.1, Die Macht der Glaubensbekenntnisse

Kapitel 10.2, Das Rollenverständnis des Nachhaltigkeitsmanagers

Kapitel 10.3, Vorgehensweise wenn es „menschelt“

Kapitel 10.4, NLP und die Macht der Fragen

Kapitel 10.5, Networking

Kapitel 10.6, Innovationen

Kapitel 10.7, Projektmanagement

Kapitel 10.8, Outfit und Kommunikationsstil

Kapitel 10.9, Selbstverwirklichung

Kapitel 10.10, Geld verdienen

Kapitel 11, Der Schlüssel zum Erfolg

Kapitel 12, Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Die Zukunft wartet

Anhänge

Anhang 1: SWOT-Analyse

Anhang 2: Der Tempel der Nachhaltigkeit

Anhang 3: Nachhaltigkeitskriterien für den Einkauf

Anhang 4: Handlungsfelder kommunalen Nachhaltigkeitsmanagements

Anhang 5: Nutzen eines Nachhaltigkeitsberichts

Anhang 6: Strategische Eckpunkte für eine nachhaltige Entwicklung in Kommunen

Anhang 7: Sustainable Balanced Scorecard

Anhang 8: Checkliste – Abschwächung des Klimawandels

Anhang 9: GRI-Standards

Anhang 10: Transformation von GRI –G4 zu GRI-Standards

Anhang 11: Links zu hilfreichen Tools

Anhang 12: Der Rucksack des Nachhaltigkeitsmanagers

 

 

Vorwort zur überarbeiteten 2. Auflage

Die Entstehung dieses Buchs hat eine Vorgeschichte, die im Jahr 2013 begann und mit der Erstveröffentlichung von „Oh je, Herr Carlowitz“ im Juni 2016 einen vorläufigen, aber nicht endgültigen Abschluss fand. Das Buch ist das Ergebnis meiner Findungsphase als Selbstständiger und in ihm werden genau die Themen, Erlebnisse, Erkenntnisse, Tools und Tricks beschrieben, mit denen ich nun beruflich erfolgreich unterwegs bin.

Gerade am Anfang kann es leicht passieren, dass der angehende Unternehmer viel zu viele Tätigkeitsfelder abdecken will und sich einen unüberschaubaren Bauchladen anschafft, der alles andere als effektiv ist. Genauso ist es damals auch mir ergangen und als ich mir dessen bewusst wurde, habe ich vieles aussortiert und über Bord geworfen. Die Teile, die ich weiter beruflich verwenden wollte musste ich irgendwie sinnvoll zusammenfassen. Das Ergebnis haben Sie gerade in der Hand oder auf Ihrem Bildschirm.

Seit der Veröffentlichung ist nun ein gutes Jahr vergangen.

Das Feedback meiner Leser und meiner Seminarteilnehmer, sowie die Selbstreflexion nach einem beruflich sehr erfolgreichen Jahr hat mich dazu gebracht, mich wieder an das Manuskript zu setzen und eine Überarbeitung des Buchs vorzunehmen. Manches aus der Erstauflage wie z.B. das Thema Genossenschaften, das inzwischen an Bedeutung verloren hat, musste rausfliegen oder zumindest stark gekürzt werden.

Dafür habe ich neue Inhalte wie Ressourceneffizienz, Energieeffizienz, Ökobilanz, Carbon Footprint und etliche mehr aufgenommen, Themen die in meinem beruflichen Alltag als Nachhaltigkeitsmanager eine größere Rolle einnehmen als noch vor ein, zwei Jahren.

Den Themenkomplex Nachhaltigkeitsberichterstattung und die EU-weite „nichtfinanzielle Berichterstattung“ habe ich ausgebaut bzw. neu aufgenommen. Die bisherige Unverbindlichkeit für Unternehmen und Organisationen hat inzwischen angefangen zu verschwinden und darauf wollte ich reagieren, ist dies doch ein deutliches Zeichen für die steuernde Hand der Politik in Richtung Nachhaltigkeit.

Ich habe jedoch auch darauf geachtet, soviel Inhalt wie möglich unverändert zur Erstausgabe zu lassen, denn ich möchte unbedingt den „Geist“ erhalten, der mich damals beim Schreiben erfüllt hat. Mehr als zwei Jahre lang habe ich an dem Manuskript gearbeitet, bis ich im Juni 2016 das Buch veröffentlichen konnte.

In diesen zwei Jahren habe ich mich in einer für mich einzigartigen Konzentration mit den Aspekten der Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Diese Konzentration und die damit verbundene Begeisterung für das Thema Nachhaltigkeit spüre ich auch bei dieser Überarbeitung und versuche sie so weit wie möglich zu konservieren, indem ich so wenig ändere wie möglich.

Ich wünsche Ihnen nun viel Spaß beim Lesen und beim Ausprobieren meiner diversen Übungen bzw. Tipps und freue mich bereits jetzt auf Ihr Feedback.

Hohenlinden, 28. Dezember 2017, Michael Wühle

Kapitel 1, Oh je, Herr Carlowitz

Im Jahr 1987 veröffentlichte die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen, die sogenannte „Brundtland-Kommission“, eine moderne Definition des Begriffs Nachhaltigkeit. Der Name leitete sich von der Vorsitzenden der Kommission, der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland ab.

„Sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“

Nachhaltig ist eine Entwicklung, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“

Ungefähr 300 Jahre vorher hat Hans Carl von Carlowitz den Begriff in einem neuen forstwirtschaftlichen System verwendet und damit quasi vorgeprägt. Dazu später mehr.

Dieses Buch richtet sich an Menschen, die vor nachhaltigen Entscheidungen stehen. Sei es ehrenamtlich, zum Beispiel im Engagement für die eigene Gemeinde, oder sei es im beruflichen Bereich. Ich möchte dem geneigten Leser die Bedeutung, die Missdeutung und die Tiefe des Begriffs Nachhaltigkeit nahebringen. Dabei liegt mir viel daran zu verdeutlichen, dass Nachhaltigkeit kein abstrakter und theoretischer Begriff ist, sondern vielmehr ein mächtiges Werkzeug sein kann, um unser Handeln in der Praxis zu vereinfachen und zu optimieren.

Wann begann ich mich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen? Ich glaube es war Anfang 2009 und ich hatte gerade eine neue berufliche Herausforderung als Leiter der Umweltabteilung eines größeren Unternehmens begonnen. Eine meiner Aufgaben war es, eine Nachhaltigkeitsstrategie für das Unternehmen zu entwickeln und einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Mir kam es damals so vor, als wäre auf einmal alles um mich herum nachhaltig. Die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens, die Nachhaltigkeitsstrategie, nachhaltige Treibstoffe, nachhaltiger Umweltschutz, nachhaltige Reduzierung von Luftverschmutzung und Fluglärm, nachhaltige Ernährung, nachhaltiges Mobbing, alles war nachhaltig und hip. Nachhaltigkeit war in Mode gekommen.

Inzwischen ist Nachhaltigkeit ein misshandelter und verbrauchter Begriff geworden, der für Alles und Nichts steht. Unsere nachhaltige Politik am Hindukusch, das nachhaltige Streben nach Frieden in Nahost, nachhaltige Ernährung, die große Nachhaltigkeit im kulturellen Gedächtnis, die nachhaltige Entwicklung im ländlichen Raum und und und. Wenn man so will, dann ist auch ein Kampfpanzer deutscher Fertigung nachhaltig. Sie glauben mir nicht?

Lassen Sie uns das spaßeshalber durchgehen. Ein Kampfpanzer funktioniert Jahrzehnte mit größter Präzision und vernichtet in dieser Zeit alle Ziele (und damit natürlich auch Menschen) die er bekämpfen soll mit hoher Effizienz. Die ökonomische Dimension der Nachhaltigkeit ist damit schon erfüllt. Zudem gehören diese Gerätschaften zum High-End-Portfolio der Rüstungsindustrie, sie werden auch bei uns in Deutschland produziert, sie erhalten und schaffen Tausende von bestbezahlten Arbeitsplätzen. Daher könnte man hier von sozialer Nachhaltigkeit sprechen. Worüber reden wir also eigentlich? Und ökologisch gesehen? Bestens! Im Vergleich mit amerikanischen und russischen Panzern haben Panzer „Made in Germany“ bestimmt den geringsten Treibstoffverbrauch und die kleinsten CO2-Emissionen bei Herstellung und Betrieb (z.B. ein Kampfpanzer Leopard 2 mit 1.5 kg CO2/Kilometer1 in der gleichen Effizienzklasse wie ein VW Golf). Also, ein wahrlich nachhaltiges Produkt. Oder? Es bringt nachhaltig Menschen um, darum ist der Kampfpanzer nachhaltig. Richtig?

Natürlich nicht, aber mit diesem etwas zugespitzten Beispiel möchte ich zeigen, welche Kapriolen, Verdrehungen und Perversionen der Begriff Nachhaltigkeit schon erfahren hat.

Oh je, Herr Carlowitz!

Ich ging jedenfalls damals ähnlich sorglos mit dem Begriff der Nachhaltigkeit um, denn mir war der Aufbau meiner Abteilung mit all ihren Herausforderungen wichtiger, als die Ausdeutung eines Wortes, das meiner Meinung nach nur eine Erscheinung des Zeitgeistes war. Selten habe ich mich so in der Wichtigkeit und Bedeutung eines für mich damals neuen Begriffs getäuscht!

Inzwischen ist jedoch einige Zeit vergangen und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass das Prinzip der Nachhaltigkeit der Schlüssel zu den drängendsten Problemen der Menschheit ist. Egal ob wir dabei die globale Erwärmung und dessen Folgen für das Klima unserer Erde und aller Lebensräume im Auge haben, oder ob wir an Erneuerbare Energien denken. Egal auch, ob wir von einer intakten Umwelt, der Bewahrung der Schöpfung reden, oder ob wir uns mit der Notwendigkeit von gesunder Nahrung für alle Menschen auf dieser Welt beschäftigen. Egal auch, ob wir von unserer Verpflichtung für die folgenden Generationen, ob wir von Enkeltauglichkeit reden, oder ob wir die Ächtung von Kinderarbeit anmahnen und die Ausbeutung von Arbeitskräften in Entwicklungs- und Schwellenländern kritisieren, wir meinen damit eigentlich immer das Prinzip der Nachhaltigkeit. Auch dann, wenn wir es nicht so nennen.

Limitierender Faktor in unserer Nachhaltigkeitsbetrachtung ist vor allem die Umwelt, denn Nachhaltigkeit bedeutet auch mit den endlichen Ressourcen unserer Erde hauszuhalten. Wir dürfen weder jetzt noch zukünftig auf Kosten der nachfolgenden Generationen leben. Insofern haben jeder Mensch und jede Organisation die Verpflichtung an einer gesellschaftlichen Entwicklung zu arbeiten, die ökologisch verträglich und sozial ausgeglichen ist und die ökonomischen Bedürfnisse nach gesunder wirtschaftlicher Entwicklung bedient, die für sichere Arbeitsplätze notwendig ist.

Wenn jedoch Nachhaltigkeit tatsächlich den Schlüssel zu den drängendsten Problemen unserer Zeit darstellt, dann ist er inzwischen ein ziemlich gebrauchter, verrosteter und abgenutzter Schlüssel geworden, der nicht sehr attraktiv aussieht. Es ist inzwischen auch ziemlich schwer geworden, ihn in das passende Schlüsselloch zu fummeln. Warum das so ist, wie der Schlüssel einmal ausgesehen hat und wie er wieder ein glänzendes und leicht zu handhabendes Werkzeug werden kann, das uns die Türen aufsperrt hinter deren die Lösungen unserer Probleme warten, darum geht es in diesem Buch.

Ich möchte meine persönlichen Erfahrungen, die ich rund um das Thema Nachhaltigkeit gemacht habe weitergeben und die Diskussion um die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entwicklung neu entfachen. Dabei werde ich mir alle Mühe geben, nicht mit erhobenem Zeigefinger zu argumentieren, oder belehrend zu wirken. Ich möchte einen kleinen Beitrag dazu leisten, damit Nachhaltigkeit wieder zu einem lebenden Prinzip in möglichst vielen Aspekten unseres Alltags wird.

Beginnen möchte und muss ich mit dem vielleicht schwierigsten Teil, der Begriffsdefinition. Doch wie fange ich an über den Begriff Nachhaltigkeit zu schreiben, ohne schullehrerhaft zu wirken? Denn wie viele komplexe Begriffe bietet auch der Begriff der Nachhaltigkeit, je nach Standort und Standpunkt, breiten Interpretationsraum.

Soll ich damit beginnen, indem ich aufzähle, was Nachhaltigkeit nicht ist? Soll ich beispielsweise sagen, dass CO2-Reduzierungsmaßnahmen nicht identisch sind mit dem Begriff der Nachhaltigkeit? Oh je, Herr Carlowitz!

Würde es uns also den Start erleichtern, wenn ich versuche darzulegen, warum solch eine Missdeutung des Begriffs Nachhaltigkeit uns in eine völlig falsche Richtung, ja sogar in eine Sackgasse führen würde? Ich könnte locker etliche Seiten darüber schreiben, was Nachhaltigkeit nicht ist, denn auch da schöpfe ich auch aus einem reichen Erfahrungsschatz.

Ich versuche es jedoch lieber mit den historischen Wurzeln des Begriffs „Nachhaltigkeit“. Dabei stoßen wir unweigerlich auf Hans Carl von Carlowitz, einem Vordenker der Nachhaltigkeit im barocken Sachsen.

Im 'Lexikon der Nachhaltigkeit'2 und bei anderen Quellen lesen wir, dass Carlowitz um das Jahr 1700 als sächsischer Oberberghauptmann für die Holzversorgung des sächsischen Berg- und Hüttenwesens verantwortlich war. Die Schmelzöfen des Erzgebirges verschlangen Unmengen an Holz, Bevölkerungswachstum und Städtewachstum führten zu einem großen Holzmangel. Wie in früheren Epochen auch dachten die Menschen nicht weiter nach und holzten ab, was nur möglich war. Holz wurde Mangelware und damit entstand eine große Energiekrise, mit der Carlowitz konfrontiert war und für die er eine Lösung suchte und fand. Ihm wurde klar, dass der vorhandene und steigende Holzbedarf nur durch eine neue Art der Forstwirtschaft gesichert werden kann. Nur mit dieser neuen Methode konnte sichergestellt werden „… daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weiln es eine unentberliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse nicht bleiben mag …“. Diese Zeilen stammen aus seinem berühmten Werk „Sylvicultura Oeconomica“ 3, das als erstes eigenständiges Werk über die Forstwirtschaft gilt. Wer mehr dazu wissen will, dem empfehle ich die bibliophile Ausgabe des Werks zu lesen.

Die Methode von Carlowitz lässt sich vereinfacht so darstellen: Einen Baum fällen, drei neue Bäume dafür pflanzen. Das war für diese Zeit ein revolutionärer Ansatz, der nicht kurzfristig, sondern langfristig ausgerichtet war. Mit dieser Methode, mit diesem Prinzip erreichte Carlowitz zunächst einmal sein primäres Ziel, die Sicherstellung der wertvollen und „… unentbehrlichen Sache …“ Holz.

Darüber hinaus erreichte er jedoch auch zwei weitere sehr wichtige Dinge. Der mit der Umsetzung seines Prinzips einhergehende geregelte Waldbau schuf beständige Arbeitsplätze und damit auch relativen Wohlstand bei der betroffenen Bevölkerung. Der geregelte Waldbau wiederrum erhielt die natürlichen Lebensräume und verhinderte Verkarstung und Bodenerosion, was wiederum Voraussetzung für Neuanpflanzungen war.

Wahrscheinlich standen die beiden letztgenannten Punkte nicht im Vordergrund der Überlegungen von Carlowitz. Oder dachte er doch daran? Ob nun gewollt oder ungewollt, der soziale und der ökologische Aspekt waren automatische Folge des neuen ökonomischen Schlüssels zur Überwindung der Energiekrise.

Auf Grundlage des sogenannten Brundtland-Berichts entstand dann Ende des letzten Jahrhunderts eine moderne Definition4, die auf drei Dimensionen aufbaut:

 

So, nun habe ich eigentlich alle wesentlichen Dinge aufgeführt, die zur Bestimmung des Begriffs Nachhaltigkeit notwendig sind.

Zufrieden?

Nicht wirklich. Ich auch nicht. Nachhaltigkeit ist ein so komplexer Begriff, dass reines Faktenwissen nicht ausreicht. Dummerweise ist der Begriff Nachhaltigkeit nicht, oder nur teilweise selbsterklärend. Mein langjähriger Englischlehrer hat mir gesagt, dass der englische Begriff „Sustainability“ in einem viel höheren Maße für Menschen mit englischer Muttersprache selbsterklärend ist, als für Deutschsprachige dieses etwas hölzerne und schwerfällige Wort Nachhaltigkeit.

Ich möchte ihnen daher eine kleine Geschichte erzählen, die einen einfachen und besseren Zugang zum eigentlichen Wesen der Nachhaltigkeit ermöglichen soll, als tausend weitere Daten und Fakten.

Diese Geschichte ist frei erfunden, könnte jedoch so stattgefunden haben. Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit gemacht habe kommen darin genauso vor, wie die damaligen Verhältnisse, die Carlowitz im 18. Jahrhundert wahrscheinlich vorgefunden hat. Ich nehme dabei die Rolle eines Schreibers namens Felix ein (den es meines Wissens im Leben von Carlowitz nicht gegeben hat), der als Studiosus dem ehrwürdigen Hans Carl von Carlowitz bei der Verfassung seiner Sylvicultura oeconomica zur Hand geht und dabei die Gelegenheit hat, alle möglichen gescheiten und dummen Verständnisfragen zu stellen.

Also, nun geht die Geschichte los. Wir befinden uns in sächsischen Freiberg, anno Domini 1714, im Studierzimmer von Carlowitz, dem zentralen Raum eines ehemaligen Burgturms, den ihm der sächsische Kurfürst geschenkt hat.

Felix sitzt an einem kleinen Holztisch in dem geräumigen Turmzimmer und klappt gerade das große Buch zu, an dem er auch heute wie an jedem Tag geschrieben hat. Heute sind sie nun endlich nach vielen Wochen und Monaten fertig geworden und Felix ist froh, denn seine Finger haben in letzter Zeit vom vielen Schreiben doch sehr geschmerzt. Er drückt die Schultern zurück und dehnt sich ausgiebig.

Felix dreht das große Buch um und sieht sich den Titel auf dem Einband an:

SYLVICULTURA OECONOMICA

oder

Hausßwirthliche Nachricht und Naturmäße

Anweisung

zur

Wilden Baum-Zucht

 

Felix erinnert sich, dass er allein für diese erste Seite viele Tage arbeiten und oft wieder von vorne anfangen musste. Er musste die Buchstaben mehr malen als schreiben und das war sehr mühsam. Aber jetzt, zumindest für heute ist Schluss, Feierabend.

Irgendwas stört Felix jedoch. Etwas fehlt ihm noch. Er blickt auf und schaut auf die abendliche Landschaft, die in diesem Frühsommer vom Grün der Bäume nur so strotzt. Es ist ein Grün, das beinahe schon in den Augen weh tut. Die großen Fenster sind zum Teil geöffnet und warme Luft streicht durch den Raum. Der Raum ist angefüllt mit Zeichnungen und Skizzen, die an die Wand genagelt sind, auf Staffeleien stehen, oder einfach unordentlich am Boden liegen. Sie zeigen Bergwerksstollen, Werkzeuge und Maschinen zur Metallgewinnung und viele, viele Zeichnungen von Bäumen. Baumschösslinge wie sie gepflanzt und vor Wildverbiss geschützt werden. Bäume, wie sie gefällt, zersägt und gelagert werden. Darunter auch Traktate über das Aussehen und den Geschmack verschiedener Erden und Listen über die Anzahl gefällter und gepflanzter Bäume. Es ist ein Raum, in dem ganz offensichtlich fleißig gearbeitet wird.

Vor dem Treppenabgang wölbt sich der gute alte Kachelofen, der in so manchen Wintertagen das Schreiben mit verkrampften und schmerzenden Fingern gerade noch erträglich gemacht hat.

Neben dem Ofen steht der mit rotem Samt gepolsterte Lehnstuhl seines Meisters Hans Carl von Carlowitz. Wie dieser so dasitzt, in der einen Hand die Pfeife, aus der Tabakqualm zur Decke steigt, in der anderen Hand ein zerfleddertes Buch haltend, wirkt er auf Felix sehr entspannt und wohl gelaunt. Sein Meister ist ein alter Mann mit 68 Lenzen. Die offizielle Perücke hat er über eine Stuhllehne geworfen. Mit seinem runden und gerötetem Gesicht, dem kurzen grauen Haar und der edlen aber abgenutzten Kleidung wirkt er eher wie ein Universitätsprofessor als wie ein mächtiger Beamter Sachsens.

Felix denkt daran, dass sein Meister, der hoch geachtete Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz, zuweilen recht jähzornig sein kann und es vielleicht besser wäre nichts zu sagen. Doch er weiß nun, was ihn die ganze Zeit so stört und seine Gedanken nicht zur Ruhe kommen lässt und so fasst er sich ein Herz und spricht seinen Meister an. „Meister, darf ich Euch etwas fragen?“ Carlowitz reagiert nicht und Felix wiederholt seine Frage deutlich lauter. „Kannst Du mich denn nicht einen Augenblick ungestört lesen lassen?“ antwortet diesmal der Gefragte.

(Carlowitz hatte mit dem Alter immer stärker zu nuscheln begonnen und so musste sich Felix immer sehr beim Zuhören anstrengen und oft auch raten, was sein Meister denn gerade gesagt hat. Diesmal war die Antwort jedoch laut und verständlich, wenn auch nicht besonders ermutigend. Felix machte trotzdem weiter.)

„Meister, ich habe Euer Werk wie von Euch diktiert niedergeschrieben, aber mir ist vieles nicht klar und manches verstehe ich überhaupt nicht“. „Das wundert mich nicht“ grummelte Carlowitz „denn dass Du nicht der Gescheiteste bist, weiß ich schon lange. Aber sei´s drum, heute bin ich mal großzügig. Was willst Du wissen, aber fasse Dich kurz und rede laut und deutlich“.

Felix schob nervös das vor ihm liegende Buch auf der Tischplatte hin und her, schlug es dann auf und blätterte eine Weile ziellos darin herum. Schließlich hatte er sich so weit gefasst, dass er seine erste Frage stellen konnte. „Ihr schreibt in Eurem Werk, dass es eine große Holznot gäbe. Dass die Bergwerke kein Holz mehr für neue Stollen haben, dass die Schmelzöfen kein Holz mehr haben, um das Erz zu Eisen zu schmelzen, Ihr sagt, dass wir nachhaltig mit dem Sach umgehen müssen. Was meint Ihr damit? Wenn es bei uns kein Holz mehr gibt, dann können wir es doch bei den Baiern oder Tyrolern kaufen?“

Carlowitz schaute seinen jungen Schreiber mit einer Miene an, als müsste er einer Katze erklären, wozu Mausefallen da sind. Er rollte seine Augen und blickte zur steinernen Decke empor: „Lieber Herrgott, mit welchem Trottel hast Du mich armen Sünder da geschlagen!“ rief er aus. An Felix gewandt sagte er. „Hast Du denn die ganze Zeit nicht aufgepasst? Tagelang, wochenlang habe ich Dir alle Einzelheiten diktiert. Schreibst Du nur blöde ab, oder denkst Du auch mal mit?“ Dabei schlug er mit seiner Faust auf die Stuhllehne, dass es nur so krachte.

Sein Meister sprang mit einer raschen Bewegung, die Felix ihm nicht zugetraut hätte, von seinem Lehnstuhl auf. Er lief im Sturmschritt auf den Tisch zu, an dem Felix saß und sich vergeblich bemühte, in seinem Stuhl zu verkriechen. Vor dem Tisch blieb Carlowitz stehen, legte die Hände auf seine Hüften, wohl damit sie nicht etwas Drastisches anstellen können, funkelte Felix wütend an und begann dann auf ihn einzureden.

„Einmal, ein einziges Mal werde ich versuchen, Deinem dummen Schädel einzubläuen, was jedem anderen Menschen nach der Arbeit mit mir völlig klar gewesen wäre. Also höre gut zu, denn wenn Du mich noch einmal so etwas Blödes fragst, dann wirst Du mich wirklich wütend erleben!“ Felix war schon fast unter der Tischkante verschwunden und nicht in der Lage, seinem Meister zu sagen, dass er sehr aufmerksam zuhören werde.

Carlowitz funkelte ihn noch einige Momente an, wohl um zu überprüfen, ob da von Felix Seite noch irgendwelche Widerworte kämen. Als er sicher sein konnte, dass er die volle Aufmerksamkeit des verängstigten Jünglings hatte, begann er mit der Erklärung seiner Begriffe in einer Art und Weise, die Felix vermuten ließen, dass er diese Rede eigentlich für ein anderes Publikum vorbereitet und schon öfters vorgetragen hatte:

„Wie also ein jeder, außer Felix, in diesem Lande Sachsen weiß, herrscht seit etlichen Jahren eine große Not an Holz. Holz braucht ein jeder Mensch. Aus Holz machen wir Dächer, Werkzeuge, Kutschen, Gebrauchsgegenstände aller Art, wir stützen die Stollen unserer Bergwerke damit und vor allem brauchen wir es, um unsere Öfen zu heizen und unser Erz zu verhütten. Denn das ist der nie versiegende Reichtum unseres Landes. Wir haben Gott sei Dank genügend Gold, Silber, Eisen, Buntmetalle und Mineralien im Fels unserer Berge. Deswegen haben wir immer mehr Holz geschlagen, um zu diesen Schätzen zu gelangen und inzwischen sind unsere meisten Wälder kahl. Neu gepflanzte Bäume brauchen lange Zeit, um zu wachsen und groß zu werden, mindestens so lange bis du ein alter Mann bist, bis man sie fällen und verarbeiten kann. Nur mit Holz für die Stollen und Gänge im Berg, nur mit Holz zum Schmelzen der Erze können wir diese Reichtümer unseres Landes abbauen, deshalb ist Holz ebenfalls der Schatz unseres Landes. Wir müssen unsere Wirtschaft daher so einrichten, dass es keinen Mangel an Holz gebe und dass genutzte Flächen sofort verjüngt werden. Hast Du das bis dahin verstanden, dummer Bub?“

Felix nickt heftig mit seinem Kopf und sein Meister fährt fort. „Viele meinen nun, den Nachwuchs des Waldes könne und müsse man der gütigen Gottesnatur allein überlassen. Diese Leute ziehen den Sinn von Säen und Pflanzen in Zweifel, zudem sei es profitabler, die Kahlflächen in Äcker und Weiden umzuwandeln.

Aber die Waldsaat ist nichts wirklich Neues, bereits die alten Römer haben in ihrem mächtigen Weltreich Bäume gesät und gepflanzt. Ohne immerwährenden Holznachschub hätte es kein Imperium Romanum gegeben, soviel steht fest.

Schon jetzt gibt es bei uns in Sachsen Versorgungsprobleme und das Holz braucht 100 Jahre zum Reifen. Wenn dann aus der Not heraus jüngere Bäume gefällt werden, führt das zur Verwüstung und Zerstörung der reifenden Wälder.

Aber wie meist im Leben handeln die Menschen erst dann, wenn ihnen das Wasser bis zum Halse steht und da sind wir nun angelangt, denn der Holznachschub ist bei uns nun sehr knapp geworden. Jeder Fürst, jeder Grundbesitzer, Bauer und Hausvater sollte also überall Bäume pflanzen, wo Feldbau nicht ertragreich ist. An Ufern von Bächen und Flüssen, in Gräben, auf Weiden und anderswo. Bäume sind ein Schatz und Kleinod eines Landes und die Wälder sind seine Vorratskammer, die aber gepflegt werden muss. Es braucht Können, Wissen und Fleiß, um Holz richtig anzubauen und zu erhalten, damit es eine dauerhafte, beständige und nachhaltende Nutzung gibt, denn Holz ist unentbehrlich und die Landeswohlfahrt hängt davon ab.

Auch Importe aus anderen Ländern wie Tyrol, Baiern oder Italia führen nicht weiter, sie wären sehr teuer, nicht wirtschaftlich, nicht nachhaltig. Zudem bedroht der Holzmangel bereits ganz Europa. Es gibt also nur einen Weg und das ist Säen und Pflanzen von Bäumen. Wenn wir den mageren jährlichen Ertrag aus Feldfrüchten bei uns im Erzgebirge mit dem Ertrag vergleichen den wir in 50 Jahren aus Holz erzielen können, dann ist letzterer mit vielen tausend Talern unvergleichlich höher.

Unsere Grundbesitzer und Betriebe haben das Können um Holz richtig zu verarbeiten und unser allergnädigster Landesfürst wird schon dafür sorgen, dass sie mit dem nötigen Fleiß bei der Sach sind. Das Wissen, wie die Waldsaat geht und wie Bäume nachhaltig gepflanzt, gepflegt und genutzt werden, dieses Wissen haben wir nun aufgeschrieben. Es steht jetzt allen zur Verfügung, die Baumzucht betreiben und Wälder nachhaltig nutzen wollen.“

Carlowitz holt tief Luft und sieht seinen Lehrling aufmerksam an. „Hast du jetzt verstanden, warum wir uns hier plagen und woran wir arbeiten?“ Es ist klar, dass der Meister jetzt eine Antwort von Felix will. Entgegen zu vielen anderen ähnlichen Situationen in der Vergangenheit hat Felix aber diesmal keine Angst vor der Antwort, denn nun versteht er die Zusammenhänge.

„Ja Meister, ich hab´s kapiert. Nur wenn wir jetzt genügend Bäume pflanzen, dann haben auch unsere Kinder genügend Holz zum Bauen, Heizen und Erzabbau und sie müssen es wiederum unseren Enkeln lernen, damit es immer so weitergeht. Dann haben wir einen immerwährenden, nie versiegenden Quell für Reichtum und Wohlstand. Und auch wir haben zu Lebzeiten einen Lohn vom Pflanzen und Sähen. Wir können einen Teil der jährlich ausschlagenden Stöcke der jungen Bäume ernten, die immer wieder nachwachsen und haben so unseren Nutzen.“

Da ging ein sanftes Lächeln über das Gesicht von Carlowitz und er sah sehr zufrieden aus. Er hatte aus den Worten seines Lehrlings Felix das Echo seiner Worte gehört und das Verständnis von Felix bemerkt. Er wusste nun, dass hier, an diesem Tag und an dieser Stelle etwas Nachhaltiges passiert war. Er hatte die Saat seiner Wissenschaft in seinem jungen Lehrling aufgehen sehen und war sich in diesem Moment sicher, dass diese Saat ihre Früchte tragen würde. „Gut, gut“, murmelte er, „ich glaub, du hast es jetzt verstanden“ und ging deutlicher entspannter als zuvor zu seinem Lehnstuhl zurück, zündete seine Pfeife neu an und vertiefte sich wieder in die Lektüre seines Buchs.

Felix ist auch hochzufrieden mit allem, was er heute erfahren, was er heute gelernt hat. Nun ist aber wirklich Feierabend. Gähnend und mit sich im Reinen steht er auf, denkt an die Schenke unten im Dorf, an die guten Würste, das gute Bier und die hübsche Wirtstochter, die er so gerne ansieht. Er geht flotten Schrittes die Turmtreppe herunter und denkt nicht mehr an seinen Meister, oder an die Forstwirtschaft, sondern an den schönen Abend mit seinen kleinen Vergnügungen.      

Das war sie nun, meine fiktive Geschichte über Carlowitz und seinen taffen Studiosus. Hat sie ihnen gefallen? Ich hoffe doch!

Durch meine Recherchen über Carl von Carlowitz, seine Zeit und deren Herausforderungen habe ich wieder eine Menge über Nachhaltigkeit gelernt. Ich meine damit nicht das Faktenwissen, sondern die emotionale Komponente, die ich mit meiner kleinen Geschichte versuche einzufangen. Dieser emotionale Zugang zur Nachhaltigkeit, die unseren englischsprachigen Freunden anscheinend schon muttersprachlich in die Wiege gelegt wird, dieses Gefühl brauchen wir, um Nachhaltigkeit wirklich leben und umsetzen zu können.

Es ist das Gefühl, das wir haben, wenn wir unsere Hand auf die Borke eines alten Baums legen. Sie wissen was ich meine.

Oh je, Herr Carlowitz möchte man fast sagen, wenn wir uns in seine Zeit und seine Probleme hinein versetzten. Er hatte eine gigantische Aufgabe vor sich, die langfristige Strategien verlangte und die vor allem in die Köpfe der Menschen gepflanzt werden musste.

Gut, damit sind wir nun auch emotional im Thema angekommen. Wir erkennen und akzeptieren, dass unsere Gefühle, unsere Emotionen der unverzichtbare Kitt ist, der die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit zu einem Objekt, zu einer Einheit verschmilzt, das ein sehr mächtiges Potenzial in sich trägt. Auch Carlowitz wäre mit seinem revolutionären neuen Konzept einer „Wilden Baumzucht“ nicht weit gekommen, wenn er seine Mitmenschen nicht gewonnen hätte. Allein der Befehl seines Landesfürsten hätte sicherlich nicht gereicht. Daher sollten wir uns nun der Frage zuwenden, warum Nachhaltigkeit gerade im Zeitalter der globalen Erwärmung und der damit verbundenen Emotionen zu einem unverzichtbaren Werkzeug bei der Abfederung der Folgen wird.

Bevor wir diese Frage gemeinsam beantworten können, müssen wir uns noch vor Augen führen, dass Menschen am einfachsten auf einen neuen Weg mitgenommen werden können, wenn wir das Ziel und das Ergebnis am Ende dieses Wegs visualisieren können. Wenn wir ein Bild dessen, was wir wollen anschaulich darstellen, dann folgen uns auch die Menschen.

 

Kapitel 2, Bildersprache und Beispiele

Kennen Sie das eindrucksvolle Bild, das Steve Jobs verwendet hat um zu veranschaulichen, warum Apple gleichviel Wert auf Technologie und Design (Kunst) des Produkts legen muss, um einzigartig und erfolgreich zu sein? Nachstehend eine Skizze davon meinerseits (ich bin kein guter Zeichner).

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Die Kreuzung von Steve Jobs

 

Technologie und Kunst (oder auch Geisteswissenschaften) treffen sich an einem Punkt, an dem ein einzigartiges Produkt entsteht. Für Steve Jobs war es enorm wichtig, die Vereinbarkeit von Technologie und Kunst in seinen Produkten zu manifestieren.

„Technology, married with the humanities make our heart sing“, sagte er einmal dazu. Damit hat er das Alleinstellungsmerkmal von Apple auf den Punkt gebracht und der ganzen Welt gezeigt, dass nicht offene Schnittstellen nach allen Seiten die gewünschte Stabilität, Zuverlässigkeit und Anwenderfreundlichkeit bringen, sondern geschlossene, in sich stimmige und harmonisch zusammenarbeitende Systeme zukunftsträchtige Lösungen hervorbringen. Voraussetzung ist jedoch, dass das Produkt vom Kunden gewünscht ist, oder noch besser, die zukünftigen Wünsche und Erwartungen der Kunden vorwegnimmt.

Und was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun?

Viel. Sehr, sehr viel.

Nachhaltigkeit ist ebenfalls ein stimmiges System, ein Objekt, ein Methodik, die hervorragende Ergebnisse erbringt wenn sie angewendet wird und die nur funktioniert, wenn alle ihrer drei Dimensionen in der richtigen Art und Weise, auf die jeweilige Situation angepasst, berücksichtigt werden.

Das hört sich alles ziemlich abstrakt an, nicht wahr? Das ist mir klar und deswegen möchte ich versuchen, dies mit einigen Bildern das zu verdeutlichen.

Schauen wir noch mal auf das Bild der Kreuzung. Es hat trotz aller Brillanz und der Erfolgsstory, die sich daraus ergaben eine Schwäche, die wir bei gut gemeinten Nachhaltigkeitskonzepten auch oft wiederfinden und die meist zum Scheitern führt.

Wie, Schwäche? Apple hatte doch den Megaerfolg mit diesem System, also was soll das Gerede über Schwäche?

Ja, Schwäche.