Mark Twain erlangte nicht nur als Autor von Tom Sawyer und Huckleberry Finn Weltruhm. Er wurde auch berühmt durch seine satirische Sicht auf die Gesellschaft und seine Scharfzüngigkeit. Ob sich seine Ironie gegen die Verlogenheit der Verhältnisse, gegen Ignoranz und Dummheit richtet oder ob er sich über Alltagssituationen amüsiert – immer ist sie treffsicher und brillant formuliert und höchst vergnüglich. Die schönsten Boshaftigkeiten aus seiner Feder sind in diesem Band versammelt.
Mark Twain wurde am 30. November 1835 in Florida, Missouri, geboren und starb am 21. April 1910 in Redding, Connecticut.
Mark Twain
für Boshafte
Ausgewählt und mit
einem Nachwort versehen von
Günter Stolzenberger
Insel Verlag
Umschlagabbildung:
Tullio Pericoli, Mark Twain, 1993
www.margarethe-hubauer.com
eBook Insel Verlag Berlin 2012
© Insel Verlag Berlin 2010
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Quellennachweise am Schluß des Bandes
Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus
eISBN 978-3-458-73235-8
www.insel-verlag.de
Der Mensch ist unheilbar dumm
In achtzig Bosheiten um die Welt
Über die deutsche und andere schreckliche Sprachen
Alte Narren sind die schlimmsten
Ich kann fürchterlich grob werden
Preisen wir des Schöpfers Walten
Diamanten aus zweiter Hand
Nachwort
Siglen- und Quellenverzeichnis
Der Affe reifte knapp fünf Millionen Jahre lang heran und verwandelte sich dann in den Menschen – jedenfalls allem Anschein nach.
[BE 727]
Der Mensch ist jetzt seit 32 000 Jahren da. Daß hundert Millionen Jahre nötig waren, die Erde für ihn herzurichten, dient zum Beweis dafür, daß er das geworden ist, wofür es getan ward. Ich nehme es an. Wissen tu ich’s nicht. Wenn der Eiffelturm das Alter des Erdballs vorstellte, so entspräche die Farbschicht auf seinem Gipfelknopf dem menschlichen Anteil an diesem Alter, und jedermann müßte einsehen, daß diese Farbschicht der Sinn des ganzen Gebildes sei. Ich nehme jedenfalls an, man sähe dies ein; wissen tu ich’s nicht.
[BE 727]
Der Mensch ist eine wunderliche Kuriosität. Von seiner allerbesten Seite gesehen ist er eine Art von blechernem Engel; im schlimmsten Fall indessen ist er unbeschreiblich und unvorstellbar, von oben bis unten und jederzeit ein einziger Unsinn.
[BE 533]
Ich finde, der stärkste Einwand gegen seine Intelligenz ist die Tatsache, daß er sich angesichts dieser seiner Akte selber als die Krone der Schöpfung bezeichnet – während er doch auf Grund seines eigenen Niveaus ihren Hintern darstellt.
[BE 741]
Was diese Menschenrasse bloß für eine hohe Meinung von sich selber hat!
[BE 625]
... wie, wenn wir gar nicht so wichtig sind, wie wir uns allezeit eingebildet haben?
[BE 746]
Ich habe die Verhaltensweisen und Anlagen der sogenannten ›niederen Tiere‹ studiert und sie mit denen des Menschen verglichen. Ich finde das Ergebnis beschämend für mich.
[BE 735]
Wenn du einen verhungernden Hund aufliest und ihn herausfütterst, wird er dich nicht beißen. Das ist der Hauptunterschied zwischen einem Hund und einem Menschen.
[PW 159]
Und so stelle ich fest, daß wir heruntergekommen und entartet sind, von irgendeinem fernen Vorfahren her – möglicherweise einem mikroskopisch kleinen Atom, das nach Belieben zwischen den weiten Horizonten eines Wassertropfens umherschweifte – Insekt um Insekt, Vierbeiner um Vierbeiner, Reptil um Reptil, die ganze lange Straße makelloser Unschuld hinab, bis wir die unterste Stufe der Entwicklung erreicht haben – zu definieren als das menschliche Wesen. Unter uns – nichts. Nichts als der Franzose.
[KL 323]
Eine armselige, klapprige Sorte von einem Ding scheint der Mensch zu sein, eine Art Britisches Museum von Gebrechen und Minderwertigkeiten. Immer muß er etwas an sich reparieren lassen.
[BE 743]
Adam und Eva hatten viele Vorteile, aber der wichtigste war, daß ihnen das Zahnen erspart blieb.
[PW 56]
Die höheren Tiere bekommen ihre Zähne ohne Schmerzen oder Unbehagen. Der Mensch bekommt die seinen unter monatelangen grausamen Qualen, und das in einem Lebensalter, wo er nur schlecht damit fertig wird. Sobald er sie hat, müssen sie alle wieder gezogen werden, denn sie taugten von vornherein nichts, waren es nicht wert, auch nur eine Nachtruhe für sie zu opfern. Das zweite Gebiß erfüllt eine Weile seinen Zweck, wenn es bei Bedarf mit Gummi unterlegt oder mit Gold gefüllt wird; aber nie bekommt der Mensch ein wirklich zuverlässiges Gebiß, bis ihm der Zahnarzt eines anfertigt. Dieses nennt man dann »falsche« Zähne – als hätte er jemals eine andere Sorte besessen.
[KL 323]
Hinsichtlich der allgemeinen Erscheinung blicke man auf den bengalischen Tiger – dieses Ideal der Anmut, Schönheit, physischen Vollkommenheit, Majestät. Und dann betrachte man den Menschen – dieses jämmerliche Ding. Er ist das Tier der Perücke, des trepanierten Schädels, des Hörrohrs, des Glasauges, der Pappnase, der Porzellanzähne, der silbernen Luftröhre, des Holzbeines – ein Geschöpf, das über und über geflickt und ausgebessert ist, von Kopf bis Fuß. Wenn er in der nächsten Welt keinen Ersatz für seinen Raritätenladen bekommt, wie steht er dann da?
[KL 326]
Wenn etwas in der Welt einen Menschen ganz besonders und unerträglich eitel machen kann, so ist es ein Magen, der sich am ersten Tag auf See gut benimmt, wenn fast alle Gefährten seekrank sind.
[AA 29]
Er [der Mensch] ist nichts als ein korrupter Nährboden, der zur Beköstigung und Unterhaltung zahlloser schwärmender Heere von Bazillen erdacht ist.
[BE 744]
Was soll man vom Menschengeist halten? Sofern man glauben darf, es sei überhaupt einer vorhanden...
[BE 558]
Der Mensch ist das vernünftige Tier. So wird behauptet. Ich meine, darüber läßt sich streiten.
[KL 320]
Sie glauben bloß, sie dächten. Sie können auch gar nicht denken, keine zwei von zehntausend haben etwas, womit sie denken könnten.
[BE 539]
Es überrascht mich manchmal, wenn ich bedenke, wieviel wir tatsächlich wissen und wie intelligent wir sind.
[AA 131]
Ohne jeden Zweifel ist der Mensch der interessanteste Narr, den es gibt. Auch der Exzentrischste.
[BE 565]
In zweiundsiebzig Jahren ist mir keine ähnliche Herde von Eseln begegnet, wie die menschliche Rasse es ist.
[AB 511]
In Wahrheit ist der Mensch unheilbar dumm.
[KL 321]
Aber so sind wir Menschen nun einmal – wir denken nicht nach; wo wir fühlen, fühlen wir einfach nur.
[YC 107]
Der Durchschnittsbürger will ›Ruhm‹, das ist ihm die Hauptsache; eine Menge Ruhm, eine Menge Lärm, eine Menge Theater, eine Menge Gleichheit und Brüderlichkeit, eine Menge Maskenbälle und Brimborium, Prahlerei und Schwindel.
[BE 719]
Es gibt viele spaßige Dinge in der Welt; eines davon ist die Vorstellung des weißen Mannes, daß er weniger wild ist als die anderen Wilden.
[PWN I 216]
Der Mensch ist das religiöse Tier. Er ist das einzige Tier, das die wahre Religion besitzt – sogar in mehreren Ausführungen. Er ist das einzige Tier, das seinen Nachbarn liebt wie sich selbst und ihm den Hals abschneidet, wenn dessen Theologie schiefliegt.
[KL 320]
Seit 3000 Jahren ist den Astronomen nun also bekannt, daß ihr Gott die Sterne nicht in diesen fabelhaften sechs Tagen gemacht hat. Aber an dieser Kleinigkeit stößt er sich nicht.
[BE 542]
Aber wenn die menschliche Rasse einmal einem Aberglauben verfallen ist, kann einzig der Tod sie davon befreien.
[AB 512]
Auch ihre religiösen und politischen Überzeugungen beziehen die Menschen fast immer aus zweiter Hand.
[AB 510 f.]
... der Mensch ist das Tier, das errötet. Er ist das einzige Tier, das errötet – oder Anlaß dazu hat.
[KL 318]
Er ist schon ein Prunkstück, dieser Mensch! Wüßte ich nur, wer ihn erfunden hat!
[BE 539]
Ich glaube, daß unser himmlischer Vater den Menschen erfunden hat, weil er vom Affen enttäuscht war.
[AB 391]
Wirklich, es gibt Zeiten, da könnte man das ganze Menschengeschlecht aufhängen und der Farce ein Ende machen.
[YC 324]
Er [der Mensch] ist zu nichts zu gebrauchen auf dem Erdboden; er sollte darunter liegen und Kohlköpfe inspirieren.
[PW 199]
Reisen ist für Vorurteile, Bigotterie und Engherzigkeit lebensgefährlich, und viele unserer Leute benötigen es aus diesem Grunde dringend. Umfassende, gesunde und nachsichtige Vorstellungen von Menschen und Dingen kann man nicht dadurch erwerben, daß man sein ganzes Leben lang in einer kleinen Ecke der Welt vegetiert.
[AA 711]
Erst wenn er ins Ausland fährt, wird der freundliche Leser erfahren, zu welch ausgewachsenem Esel er werden kann.
[AA 239]
Die Deutschen sind sehr gewissenhaft, und dieser Charakterzug macht sie sehr umständlich.
[BEU 155 f.]
Die Deutschen haben eine außerordentliche Schwäche für Rheinwein; er wird in hohe, schlanke Flaschen abgefüllt und gilt als angenehmes Getränk. Von Essig unterscheidet man ihn mit Hilfe des Etiketts.
[BEU 109]
Mr. X hatte das Abendessen bestellt, und als der Wein auf den Tisch kam, nahm er eine Flasche in die Hand, warf einen kurzen Blick auf das Etikett und wandte sich dann an den ernsten, den melancholischen, den grabesdüsteren Oberkellner und sagte, dies sei nicht die Sorte Wein, um die er gebeten habe. Der Oberkellner griff nach der Flasche, ließ sein Leichenbestatterauge darauf ruhen und sagte:
»Das ist wahr; ich bitte um Verzeihung.« Dann wandte er sich seelenruhig zu einem Untergebenen um und sagte: »Bring ein anderes Etikett!«
[BEU 91]
An einem anderen Tag fuhren wir nach Mannheim und hörten uns eine Katzenmusik, will sagen: eine Oper an, und zwar jene, die »Lohengrin« heißt. Das Knallen und Krachen und Dröhnen und Schmettern war unglaublich. Die mitleidlose Quälerei hat ihren Platz in meiner Erinnerung gleich neben der Erinnerung an die Zeit, da ich mir meine Zähne in Ordnung bringen ließ.
[BEU 65]
Der Neckar ist an vielen Stellen so schmal, daß man einen Hund hinüberwerfen kann, falls man einen hat.
[BEU 102]
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