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ISBN 978-3-492-95280-4
© Piper Verlag GmbH, München 2017
Covergestaltung: semper smile, München
Covermotiv: Idee und Illustration von Katja Maasböl
Datenkonvertierung: abavo GmbH, Buchloe
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Woran liegt es, dass sich die Führungsetagen von Organi-sationen und Unternehmen immer noch fast ausschließlich aus Männern zusammensetzen? Frauen sind heutzutage sehr gut ausgebildet und verlassen die Schulen und Universitäten im Durchschnitt mit besseren Noten als ihre Mitschüler und Kommilitonen. Sie haben große empathische Fähigkeiten, sind praktisch oft sehr versiert, können in Gesprächen leicht und schnell sehr viele Informationen verarbeiten. Da sollte man doch meinen, dass sie nach einigen Jahren in den Chefsesseln der Wirtschaft anzutreffen sind – aber Fehlanzeige: In deutschen Unternehmen mit mehr als fünfhundert Mitarbeitern sind Frauen im Topmanagement eine Rarität. Und auch in Anwaltskanzleien sind Partnerinnen eher selten anzutreffen, an der Universität sind Professorinnen die Minderheit, selbst an solchen Fakultäten, die überwiegend von Studentinnen bevölkert werden. Und die Tatsache, dass wir eine Kanzlerin haben, macht aus der Politik noch keine Hochburg der Frauen.
Woran liegt es also, dass so viele Frauen sehr ehrgeizig und ambitioniert den Einstieg in die Berufswelt beginnen, dann aber irgendwie »stecken bleiben«? Und das meist spätestens im mittleren Management: als leitende Angestellte, die sich ständig mit männlichen Direktoren und Vorständen auseinandersetzen muss, als hart arbeitende Anwältin, die eben nicht Partnerin der Kanzlei wird, als Redakteurin, der man wieder einen Chefredakteur vor die Nase setzt.
Wenn Sie an mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten denken, denken Sie an einen wichtigen Umstand, den unsere Gesellschaft hoffentlich zügig verändert. Doch dieser Aspekt scheint eher für die Geburtenquote relevant zu sein. Wenn ich in den neuen Bundesländern Führungstrainings gebe, stellen sich dort überwiegend Frauen Mitte vierzig mit zwei Kindern im Alter von 19 und 22 Jahren vor. In der westlichen Bundesrepublik haben die Frauen, die meine Trainings besuchen, entweder keine Kinder, oder sie haben kleine Kinder, die gerade eingeschult wurden, beziehungsweise nutzen den Mutterschutz für die Weiterbildung. Aber obwohl Frauen in den neuen Bundesländern über gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten verfügen und sie es damit leichter haben, Kinder und Berufstätigkeit miteinander zu vereinbaren, sind sie ebenfalls eher selten in den Top-Positionen vertreten.
Dass es kaum Frauen an die Spitze großer Unternehmen oder Institutionen schaffen, liegt an der sogenannten gläsernen Decke. Diese Bezeichnung stammt von einem Experiment mit Fischen. Die Tiere machten immer wieder die Erfahrung, dass sie mit dem Maul an eine unsichtbare Glasplatte stießen, wenn sie an ihr Futter gelangen wollten. Irgendwann hatte sich diese Erfahrung so gefestigt, dass sie es gar nicht mehr versuchten, obwohl die Glasplatte inzwischen aus dem Aquarium entfernt worden war. Und genau das erleben viele Menschen im Berufsleben: Sie stoßen immer wieder auf unsichtbare Barrieren, kommen mit ihren Argumenten nicht durch, werden von Kollegen und Vorgesetzten übergangen, ausgekontert oder einfach nicht ernst genommen. Sowohl Männer als auch Frauen. Aber Frauen sind von diesem Phänomen erheblich häufiger betroffen.
Vor einigen Jahren begann ich mich für dieses Phänomen zu interessieren und präzise zu beobachten, wie die Menschen um mich herum kommunizierten. Ich hörte genau zu, wenn Männer und Frauen, egal welcher Branche, von ihrem Beruf berichteten und sich über Kollegen oder Vorgesetzte aufregten. Ich analysierte das Verhalten der eher erfolgreichen und das der eher unzufriedenen Menschen um mich herum. Und ich stellte schnell fest, dass es neben guter Leistung maßgebliche andere Faktoren für Erfolg gibt und dass diese überwiegend auf einem Gebiet liegen: der Kommunikation.
Mit der richtigen Art zu kommunizieren können Sie die »gläserne Decke« durchstoßen, ohne sich dabei eine blutige Nase zu holen. Und Sie müssen dafür nicht zum Tyrannen oder zur Xanthippe mutieren. Im Gegenteil: Sie können sich eine Menge Frust und Falten ersparen, wenn Sie spielerisch ein paar Regeln anwenden, die Ihnen helfen, gehört zu werden und gute Ideen auch wirklich durchsetzen zu können. Das Spielerische bietet Ihnen dabei die Möglichkeit, Ihr Verhalten zu trainieren, auf etwaige Misserfolge gelassener und auf Chancen mutiger zu reagieren. Und auch, wenn Sie keinen Vorstandsposten anstreben, sondern einfach nur dem nervtötenden Kollegen etwas entgegensetzen möchten: Hier lernen Sie, wie.
Dass sich diese Regeln von den unterschiedlichsten Charakteren erlernen lassen, beweisen die Teilnehmerinnen meiner Führungskräftetrainings. Speziell Frauen haben ein riesiges Potenzial, wenn sie zu ihren ureigenen Fähigkeiten noch weitere Kompetenzen erlernen, mit denen sie in einem von Männern dominierten Umfeld erfolgreich kommunizieren können. Auf diese Weise können sie zu mächtigen Spielerinnen werden – in gewisser Weise vergleichbar mit der Figur der Dame im Schach, auf die ich noch zu sprechen kommen werde.
In diesem Buch geht es um Kommunikation in Zusammenhang mit Macht. Dieser Bereich der Kommunikation entscheidet darüber, ob und wie schnell wir von anderen respektiert werden und wie es uns gelingt, andere von unseren Ideen zu überzeugen und uns durchzusetzen. Die Kommunikation der Macht oder die Macht der Kommunikation zu beherrschen bedeutet nicht, eine gute und erfolgreiche Führungskraft zu sein. Man benötigt die unterschiedlichsten Fertigkeiten, um mit anderen Menschen erfolgreich zu arbeiten. Aber ohne die Kommunikation der Macht zu beherrschen, können Sie nicht die Spitze einer Machtpyramide erreichen. Es sei denn, Sie erben. Die Unternehmensführung zu erben ist für Frauen heutzutage fast der einzige Weg, um an die Spitze bereits bestehender Organisationen zu gelangen. All jenen, die sich nicht darauf verlassen oder darauf warten wollen, sollen die folgenden Anregungen helfen, die eigenen Ziele erfolgreich zu verwirklichen.
Wenn ich im Folgenden zwischen der Kommunikation von Frauen und der von Männern unterscheide, dann in dem Bewusstsein, dass sich keinesfalls alle Frauen gleich verhalten, ebenso wenig, wie sich alle Männer gleich verhalten. Es geht um Stereotype. Und natürlich gibt es viele Frauen und Männer, die von den Stereotypen in der einen oder anderen Form abweichen. Aber Stereotype helfen, die Vielfalt der Signale zu ordnen, zu systematisieren und die Strukturen zu erkennen, die die »gläserne Decke« bilden und stützen, an der insbesondere wir Frauen uns immer wieder den Kopf stoßen.
Es geht nicht darum, zu bewerten, ob das Streben nach Macht sinnvoll ist. Es geht auch nicht darum, zu fragen, ob es für Frauen überhaupt wünschenswert ist, Karriere zu machen. Dieses Buch zeigt einfach auf, wie die Spielregeln der Macht in Organisationen funktionieren und warum es (noch) ein Männerspiel ist, das manchmal bewusst, oft jedoch unbewusst gespielt wird. Jede Leserin und jeder Leser ist frei in der Bewertung und der Entscheidung, was sie oder er für sich im Alltag davon umsetzen und anwenden will.
Aber wenn Sie als Frau Karriere machen wollen, wenn Sie möchten, dass man auf Ihre Ideen hört, diese ernsthaft diskutiert und umsetzt, Ihnen ein vernünftiges Gehalt zahlt, Sie mit interessanten, verantwortungsvollen Aufgaben betraut, Sie immer größere Wirkungsfelder für Ihre Ideen erhalten, dann werden Ihnen die folgenden »Spielregeln« behilflich sein. Sie lassen sich auf jede Branche, jedes Alter und jede Situation anwenden.
Ich selbst wusste von diesen Regeln zu Beginn meiner Karriere so wenig wie die meisten Frauen um mich herum. Ich lernte überwiegend nach dem Prinzip trial and error, unterstützt von feinen Antennen für Macht und einem sensiblen Magen, der mich vor den schlimmsten Fehlern bewahrte. Ich wurde jüngste leitende Angestellte eines Konzerns und erhielt das Angebot, Vorstand einer großen amerikanischen Aktiengesellschaft zu werden. Das Bezeich-nende daran ist, dass dieses Angebot aus den USA und nicht aus Deutschland kam. Denn was Frauen in Top-Positionen anbelangt, sind die Amerikaner den Deutschen um einiges voraus.
Inzwischen habe ich ein eigenes Unternehmen gegründet, das Frauen unterstützt, ihre Talente im Beruf besser einzusetzen. Dabei geht es natürlich nicht nur um die Frauen, sondern auch um Männer. In Kommunikationstrainings beschäftigen wir uns theoretisch und praktisch mit allem, was Frauen im Berufsleben Schwierigkeiten bereitet. Im Folgenden lesen Sie, welche Kenntnisse wir dazu gesammelt haben und wie sich erfolgversprechend damit umgehen lässt.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten keine Ahnung vom Schach und jemand bäte Sie um eine Partie. Entweder Sie erwidern, dass das Spiel Sie nicht interessiert, oder Sie sagen, dass Sie leider nicht mitspielen können, da Sie die Regeln nicht kennen. Oder Sie bitten Ihr Gegenüber, sie Ihnen zu erklären. Eines würden Sie mit Sicherheit nicht tun: einfach drauflosspielen. Wie auch? Um Schach spielen zu können, müssen Sie zumindest die Grundregeln beherrschen. Vorher müssen Sie sich auch keine Gedanken darüber machen, dass Sie leider nicht zehn Züge im Voraus denken können.
Die Regeln einer Organisation werden immer von der Führungsspitze aufgestellt. Und da sich diese vorwiegend aus Männern zusammensetzt, gelten in den meisten Unternehmen, Universitäten, Parteien, Kliniken, Verbänden etc. die Grundregeln der männlichen Kommunikation. Wenn Sie dort erfolgreich sein wollen, müssen Sie diese Grundregeln zumindest kennen. Bei näherer Betrachtung gibt es eine Kommunikationsregel, die alle anderen dominiert: die Rangordnung. Frauen hingegen kommunizieren eher in einem offenen Netzwerk.
Innerhalb der Rangordnung wird eher statusorientiert kommuniziert, während im verbindenden Netz Inhalte im Vordergrund stehen. Sie können sich die Rangordnung als eher vertikales und das Netzwerk als eher horizontales Kommunikationsmodell vorstellen. Während Männer sich gegenseitig über- oder unterordnen und stets bestrebt sind, sich nach unten möglichst klar abzugrenzen, stellen Frauen an den unterschiedlichsten Stellen Verbindungen her. Sie haben nicht das Bedürfnis, einander klar über- oder unterzuordnen, sondern suchen lieber nach Verbindungen und Gemeinsamkeiten. Nicht umsonst sind in den meisten Beziehungen die Frauen dafür zuständig, die sozialen Kontakte zu pflegen. Das Streben nach Gemeinsamkeiten, das Vermeiden klarer Abgrenzung und klarer Über- oder Unterordnung steht im krassen Gegensatz zu dem Verhalten, das die Rangordnung nach sich zieht. Es mutet simpel an, aber die Folgen sind gravierend. Oftmals gelingt es Männern und Frauen nicht, einander zu verstehen. »Versteh mir einer die Weiber« oder »Männer benehmen sich wie Kinder« sind dann typische Bemerkungen aus dem privaten Bereich zu diesem Phänomen.
Die Grundregel des Spiels:
Männer kommunizieren innerhalb einer strengen Rangordnung und nutzen Kommunikation, um sich abzugrenzen.
Es gibt verschiedene Erklärungsversuche für diese Unterschiede in der Kommunikation. Die Wissenschaft streitet darüber, ob die Ursachen eher in der Biologie oder in der Soziologie zu finden sind. Ich vermute, dass beides eine Rolle spielt. In diesem Buch geht es jedoch nicht um die Ursachen, sondern um die Auswirkungen. Es geht darum, zu verstehen, dass Frauen mit ihren weiblichen, verbindenden Kommunikationsfähigkeiten in der sich abgrenzenden Komunikation des Arbeitsalltags nicht sehr weit kommen. Spätestens im mittleren Management bekommen sie den Unterschied zu spüren, da sich hier die Machtpyramide zuzuspitzen beginnt. Bis dahin ist es in vielen Fällen gut gelaufen. Zum Beispiel sehr gutes Abitur, exzellenter Studienabschluss, guter Start in den Beruf mit hoher Einsatzbereitschaft und großem Engagement. Gute Beurteilungen, die dazu beitragen, dass sich die ersten Karriereschritte schnell ergeben.
Und auf einmal ist Schluss. Auf einmal scheinen dieselben Frauen gegen so etwas wie eine Wand zu laufen. Allerdings, ohne so recht zu wissen, um was es sich dabei eigentlich handelt. Sie spüren bloß, dass sie immer wieder an unsichtbare Barrieren stoßen. Und wenn sie sich oft genug an der »gläsernen Decke« den Kopf gestoßen haben, folgt Stufe zwei: Sie versuchen erst gar nicht mehr, mit ihren Ideen erfolgreich zu sein, da sie ohnehin erwarten, an unsichtbaren Widerständen zu scheitern. Sie lassen sich frustriert zurückstufen oder weichen auf Nebenfunktionen aus, verlassen das Unternehmen oder bekommen aus Karrierefrust heraus Kinder.
Männer meinen dann oft, dass es sich Frauen »zu leicht« machen. Dabei haben diese Männer nicht einmal eine Ahnung davon, womit Frauen in der Arbeitswelt konfrontiert werden. Natürlich sind auch Männer von Zeit zu Zeit mit dem Problem konfrontiert, sich nicht durchsetzen zu können, aber seltener und in anderer Form, da sie sich ja in ihrem eigenen Kommunikationssystem bewegen. Es gibt Männer, die wie die meisten Frauen eher dazu neigen, mit ihrer Kommunikation Verbindungen herzustellen, und einige Frauen, denen statusorientierte Kommunikation wie selbstverständlich in die Wiege gelegt ist. Aber grundsätzlich lassen sich typische Unterschiede erkennen und beschreiben.
Sie können Ihr Kommunikationsverhalten verändern, wenn Sie es immer wieder trainieren – und von Ihrem Umfeld für Ihr »neues« Verhalten mit Erfolg belohnt werden. Und Sie können leichter trainieren, wenn Sie es als Spiel begreifen, mit Regeln, guten Zügen, Fouls und tagesabhängigen Leistungsunterschieden. Wichtig ist, dass Sie zwischen sich als Mensch und als Spielerin oder Spieler unterscheiden.
Verstehen Sie sich als Spielerin in einem Spiel, dessen Regeln sich wie eine Fremdsprache erlernen lassen.
Die konträren Formen der Kommunikation von Männern und Frauen führen im Arbeitsalltag ständig zu Missverständnissen. Für Frauen ist besonders schwer nachvollziehbar, dass die Rangordnung stets dem Inhalt übergeordnet ist. Die klassische Situation, in der dieser Grundsatz zum Tragen kommt, ist zum Beispiel eine Konferenz ohne klaren Ranghöchsten.