ZUM BUCH

 

Sprich mit dem Sprachlosen ein Wort – unter diesem Motto bietet der erfahrene Krankenhausseelsoger und Gemeindepfarrer Reinhard Kleinewiese eine Fülle von Hilfen für die Gestaltung von Gebetszeiten und Gottesdiensten in Trauerfällen. Die Gebete, Besinnungen, Gedichte und Lieder (auf bewährte Melodien) leben aus ihren eindringlichen und unabgenutzten Bildern.

Im zweiten Teil des Buches werden einfühlsame Traueransprachen anlässlich verschiedener Todesfälle geboten, die anregen können, die Biografie der Verstorbenen einfühlsam in die Verkündigung miteinfließen zu lassen.

 

 

ZUM AUTOR

 

Reinhard Kleinewiese, geboren 1960, Studium der Sonderschulpädagogik (Köln) und der Theologie (Münster und München); Fortbildung in Transaktionsanalyse. Er ist Pfarrer in Ahlen/Westfalen und Bibliodramaleiter.

REINHARD KLEINEWIESE

 

 

Vom Leben umfangen

 

Trauerfeiern und Traueransprachen

 

 

 

 

 

 

 

 

VERLAG FRIEDRICH PUSTET
REGENSBURG

IMPRESSUM

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

 

eISBN 978-3-7917-6028-5 (epub)

© 2014 by Verlag Friedrich Pustet, Regensburg

Umschlaggestaltung: Martin Veicht, Regensburg

Umschlagbild: fotolia #12290408 © piotras100

Satz: MedienBüro Monika Fuchs, Hildesheim

eBook-Produktion: Friedrich Pustet, Regensburg

 

Diese Publikationen ist auch als Printprodukt erhältlich:

ISBN 978-3-7917-2531-4

 

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EIN WORT, DAS DEN ANFANG MACHT

EINLEITUNG

Die Kunst, ein Wort hineinzusprechen in eine Trauersituation, die oft durch Sprachlosigkeit eingegrenzt ist, bedarf der Auseinandersetzung auf unterschiedlichen Ebenen. Trauer aus eigener Erfahrung zu kennen; mit unvorhergesehenen Ereignissen, Emotionen und Reaktionen angemessen umgehen; Tränen und Wut ebenso auszuhalten wie Schweigen und Fragen nach dem Woher, Warum und Wozu; trost- und hilfreich vor Ort zu sein; von Gott zu reden und zu schweigen, von der Hoffnung des Glaubens auf Auferstehung in hilfreicher Weise zu künden und dies – und manches mehr – in Worte zu kleiden.

All das im Blick auf Menschen von heute, deren Sprache wir zwar auch in unserem Alltag, aber kaum mehr in unseren Liturgien sprechen und die zunehmend oft mit dem Bild- und Sinngehalten christlichen Glaubens keine Schnittmenge mehr aufweisen.

Dabei lohnt sich die Mühe, eine Brücke zu bauen, auf der man zusammenkommen kann. Es lohnt sich, auf Worte zu lauschen, nach Bildern Ausschau zu halten und Gesten sinnenhaft zu inszenieren, um der christlichen Kernbotschaft von Tod und Auferstehung auch in dieser Zeit Gehör und Gewicht zu verschaffen. Ein gut ausgewähltes Wort, ein sprechendes Bild oder eine deutende Geste verstehen und berühren Menschen immer noch in ihrer tief verankerten religiösen Sehnsucht.

Es lohnt sich, die besten Talente und Anteile dabei in sich zu mobilisieren, um ein ersituation bis hin zur Beisetzung und der nachgehenden Sorge pastoral gut zu begleiten und zu gestalten. Hier kommen Menschen zusammen, denen wir im klassischen Feld der Seelsorge vielfach schon längst nicht mehr begegnen. Ohne dabei missionarisch unter Druck zu geraten, bieten sich dabei die ganz „einfachen“ Gaben einer mitgehenden Seelsorge an, wie der Mann aus Nazaret sie mit jenen beiden Emmaus-Jüngern beispielhaft vorgelebt hat:

Zeit zum aktiven Zuhören; Zeit, mitzugehen und sich mitnehmen zu lassen; ein „brennendes Herz“ haben; offene Fragen stellen und zulassen; sich die Ereignisse erzählen und deuten lassen; Mut, auch stehen zu bleiben, halten und auszuhalten; Bereitschaft, aus dem eigenen Lebens- und Glaubensrahmen etwas hinzuzulegen; den Zeitpunkt zum Beenden des Trauergesprächs nicht aus dem Blick verlieren und dankbar und erfüllt sein können für solche ungeplanten, ungeahnten Begegnungen, solche „Anders-Orte“, in denen Reich Gottes aufblitzt.

Die Gedanken, Texte, Ansprachen, Gebete und Meditationen dieses Arbeitsbuches sind aus solchen Rahmenbedingungen konkreter Praxis entstanden und bieten sich an, Menschen von heute mit gelegentlichen Kontakten zur kirchlichen Praxis und liturgischen Sprache in ihrer Trauer- und Abschiedssituation ansprechend zu begleiten.

Nutzen Sie ganz frei und kreativ die hier vorgelegten Texte, Bilder und Vorlagen, um sie auf Ihre individuelle Situation, Ihren ganz eigenen Glaubensrahmen und Ihren unverwechselbaren Sprach- und Redestil zu übertragen. Das wäre doch ein kostbarer Gewinn, wenn Sie auf den folgenden Seite einen überraschend neuen Gedanken, ein ausdrucksstarkes Bild oder ein einfühlsames Wort entdecken, das hilft, Tod und Auferstehung im Licht des Glaubens für sich und trauernde Angehörige neu zu deuten.

 

Ahlen, im Juni 2013

Reinhard Kleinewiese



TEXTE

„NACHTHERBERGEN FÜR DIE WEGWUNDEN“ (Nelly Sachs)

Gedichte, Meditationen, Impulse, Bilder und Gebete für Trauergottesdienste

Tod dem Tod

Dem Tod

Den Tod gewünscht

Komm

Schlafes Bruder

Sanfter Tod

Raubritter

Geliebter Tod

Stachel im Fleisch

Dornentrank

Schirlingsbecher

Endlich

Tot oder lebendig

Tod dem Leben

Aber

Leben im Tod

Leben aus Tod

Aus dem Tod

Heraus Leben

Liebe wäre das

Der Himmel

Weiß

Wie

DORT ABER

Hinabgestiegen

In das Reich des Todes

In den Hades der Schatten

In die Angstfurchen deiner Seele

In den Blutfluss aller

gefallenen Kinder Abels

In die blaue Nacht der stummen Schreie

Durch die Falltür missbrauchter Träume

Hinabgestiegen

In das Lichtloch der jetzt schon

Jenseitigen

Zu den Loosern und Verbrannten

Zu den Habenichtsen und Allesfressern

Zu den Besserwissern und Statthaltern der Gnade

Zu den Ijobs und Marthas

Zu Achmed und Benjamin, zur Mary und der kleinen Sin Jin

Hinabgestiegen

In die Höllen einer Gottesferne

In die Höhlen unserer Verstecke

In die blauen Grotten aus Eis und Gas, Wasserstoff und Beton

Dort aber

Ganz unten

Rollt er die Geschichte

Neu auf

Creator Spiritus

Da wird Heulen sein und Zähneknirschen

Bei den Einen

Andere

Aber werden

Sich die Augen reiben

Vor Wunder

Und möchten – am liebsten –

Nicht mehr herauskommen

Aus dem Staunen

GESEGNET

Gesegnet Eure Tränen

und gesegnet Eure Hoffnung,

dass das Unbegreifliche euch nicht stumm macht,

für die Frage und die Klage,

damit ihr euch nicht verloren fühlt.

Gesegnet Eure Trauer

und gesegnet Eure Hoffnung,

dass Ihr nicht erstarrt im Schmerz,

sondern behutsam Abschied nehmen könnt,

ohne einander verloren zu geben.

Gesegnet Eure Gemeinschaft

und gesegnet Eure Hoffnung,

dass einer den Anderen suchen darf

als Hilfe und Stütze,

damit keiner verloren geht.

Gesegnet Eure Liebe

und gesegnet Eure Hoffnung,

dass die Liebe mächtiger ist als der Tod,

ein Netz, das trägt und bindet,

und in dem niemand verloren ist.

Gesegnet Euer Glaube,

und gesegnet Eure Hoffnung,

dass nach Erschrecken und Angst,

bald wieder fester Boden euch trägt,

und Gott euch seinen Weg in eine gute Zukunft führt;

weil er niemanden verloren gibt.

OSTERNACHT

Nahende

Nacht

Niederung

Naht

Nachrichtensperre

Nachtfeuer

Nisten

Notsignale

Neben

Namenlose

Nachttote

Niemandsnähe

Niemandsland

Nur

Noch

Nichts

Da

Durchbrichst

Du

Dein

Dornengrab

Nur

Noch

Nähe

EMMAUS

Komm

Geh’n wir ein Stück

Atmen

Wir einander ein und aus

Was uns bewegt

Es war doch alles wahr

Als

Ginge ein Traum am Morgen

Gut aus

Wenn wir erwachen

Und er

Wie immer

Dabei

Worte wie ein Gedicht

Hände reich an Segen

Brot, das sich selbst verteilt

Und einen Geist –

Da gehen einem die Augen auf

Himmelsperrangelweit

Gnadenreich

Und alles ist da

Wieder wahr

So war es einmal

So kommt ER wieder

Todesmutig

Bricht er den Schein

Aber nur

Wo Dein Herz

In Flammen steht

MIT DIR

Komm:

Geh’ mit mir

Geleite mich

Durch den Sturm

Bleib’ bei mir

In der Spur

Komm:

Erzähl’ mir

Wunderdinge

Sing’ mir

Sphärenlieder

Überred’ mich

In meiner Muttersprache

Tanz’ mit mir

Bis sich alle Sinne dreh’n

Lass mich

Wach träumen

Hol’ mir

Bloß keinen Stern vom Himmel

Mal’ vielmehr

Den Bundesbogen in neuen Farben

Schau’ mich

In deinem Spiegelbild

Lach’ mir

Mitten in’s Angstherz

Befrei’ mich

Von allem Scheinsein

Lock’ mich

Mit meinem Namen

Küß’ mich

Beatme mich

Ertränke mich

Im Glück

Dass Du

Bist

Auferstandener

TROST

Trost spenden

Tröstung empfangen

Mit den Tröstungen der Heiligen Mutter Kirche

Versehen sein

Trostworte

Trostleere Worte

Vertröstet werden

Ungetröstet sein

Trostlosigkeit

Gefüllte Leere

Aber noch: Bei Trost sein

Bei Dir sein

Trost als Treue

Trost als Trauen

Vertrauen

Du bist

Der Ich-Bin-Da

Dornbuschtreue

Getröstet sein

Jetzt

Getrost

Leben

BILDMEDITATION: TRÄNEN

 

© Thomas Schulz, Bezugshinweis siehe Anhang

einst

in einem garten

als du weintest

traten die flüsse über ihre ufer

als du weintest

brachen alle dämme

als du weintest

öffneten sich die schleusen des himmels

und die tränen auf deiner stirn

schwitzten rotes blut

angst rann dir aus allen poren

und tränkte mutter erdes

aufgekratzte narben

und wir

kinder kains und kinder evas

wir konnten nicht wachen

konnten nicht weinen

waren dein friede nicht

und auch nicht dein glück

adamssöhne und -töchter

mehr

tot als lebendig

hilf, herr,

hilf uns durch die flut unserer tränen

rette uns

durch das rote meer der angst

führe

unsere toten

an deiner lichten hand

ans rettend neue ufer

BILD-MEDITATION: WENN DU WÜSSTEST

 

© Thomas Schulz, Bezugshinweis siehe Anhang

Größer (weißt Du)

Um alles in der Welt

Ist das, was unsichtbar um dich greift

Weiter (weißt Du)

Lichtjahreweit

Ist Leben, das dich auf Umlaufbahnen beschattet

Höher (weißt Du)

Atemraubend hoch

Webt sich ein Nichts in dein Herz

Schneller (weißt Du)

Um Windeseile kälter

Rast eine Zukunft dir entgegen

Tiefer (siehst du)

Abgrundbreit tiefer

Verwehren sich all deine spekulativen Gedanken

ER aber

Unbegreiflicher Gott

::::

Größer als deine Welt

Weiter als dein Meer

Höher als dein Denken

Schneller als deine lichten Augenblicke

Tiefer als dein Herz

Erlöster als deine Kreuzwegstationen

Lebendiger als dein Tod

ER

Nennt dich

Kleines Menschenjunges

Im Schatten seiner Flügel:

DU

BILD-MEDITATION: LABYRINTH UND ROSE

Wie soll man verstehen, was unverständlich zu sein scheint?

Wie soll man denken, was undenkbar ist?

Wie sich vorstellen, was eigentlich unvorstellbar ist?

Leben, Tod, Liebe, Erinnerungen, Freundschaft, Himmel, Heil, Vollendung, Krise, Leid

Höhen und Tiefen, Enge und Ängste

Das Leben überrascht schon so oft, packt dich von unerwarteter Seite, schlägt Haken und Umwege und erweist sich eben nicht als ein gerader Weg, sondern zu oft als ein Labyrinth; wie mag es dann erst mit dem Tod und einem Leben aus der Mitte des Todes aussehen?

 

Wahr ist: Im Gehen gestaltet sich der Weg unter den eigenen Schritten. Das hält Leben spannend und frisch, aber eben auch risikoreich.

Wo der Eingang ist, wo es losgeht, das lässt sich gerade noch finden.

Aber dann schon bald: links oder rechts.

Versuch und Irrtum. Herausforderung und Erfahrung. Leben bleibt Gabe und dir und mir aufgegeben. Du musst entscheiden, manchmal ein echtes Kunst-Stück; ohne zu bereuen, ohne so zu tun, als wüsstest du, was dich nach der nächsten Abzweigung erwartet.