Band 95/96

 

Söhne der Liga

 

Das Westrak-Komplott

 

Kurt Mahr

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Rückentext

Söhne der Liga

Die Liga geht neue Wege

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

Epilog

Nachwort

Das Westrak-Komplott

Geheimdienste im Jahr 3587

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

Nachwort

Vorschau

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

Im Auftrag der Liga

Die Männer und Frauen der SOLEFT arbeiten für einen Nachrichtendienst der Liga Freier Terraner. Im Verborgenen wirken sie zum Wohle der gesamten Menschheit.

Vorfälle auf der Welt Tuglan könnten die wirtschaftliche Stabilität der Liga bedrohen. Die Agenten der SOLEFT ermitteln und kommen einem großangelegten Komplott auf die Spur. Doch stecken wirklich nur wirtschaftliche Interessen hinter den Vorfällen?

 

Der Tod eines Großgrundbesitzers auf dem Planeten Ambra ruft die Spezialisten der SOLEFT erneut auf den Plan. Da auf dem Planeten ein wesentliches Bauelement für die kybernetische Industrie gefördert wird, könnten die Interessen der Liga betroffen sein. Da bricht eine Revolution auf Ambra aus ...

Inhaltsverzeichnis

 

 

Erstes Buch

Söhne der Liga

 

Zweites Buch

Das Westrak-Komplott

 

 

 

Söhne der Liga

 

Agenten der SOLEFT – in geheimer Mission

Die Liga geht neue Wege

 

Im Jahr 3587 allgemeiner Zeitrechnung ist die Liga Freier Terraner, die neue Nation der irdischen Menschheit, gerade ein Jahr alt. Sie hat kaum Zeit gehabt, ihre Verhältnisse zu ordnen, zumal sie in der kurzen Zeit ihres Bestehens eine Schwierigkeit nach der anderen zu meistern hatte.

Wichtige Fragen sind ungeklärt – zum Beispiel das Verhältnis zu den Kolonial- und Siedlerwelten des früheren Solaren Imperiums. Denn die Liga hat erklärt dass sie sich nicht als Nachfolgerin des Imperiums betrachtet. Und sie fährt fort, der Milchstraße zu verkünden, dass sie auf die Einrichtung einer imperialen Macht- und Einflusssphäre verzichtet und ihr Hoheitsgebiet an den Grenzen des Solsystems endet.

Obwohl alle Sternenvölker der Galaxis unter dem Zepter der GAVÖK vereint zu sein scheinen, richtet sich doch mancher neidische Blick auf die Erde. Denn Terra ist ungeachtet aller Nöte, die es durchstanden hat, nach wie vor eine der reichsten und zivilisiertesten Welten der Milchstraße. Das Solare Imperium konnte Gefahren und Widrigkeiten, die sich ihm näherten, in der weiten Pufferzone der Kolonialwelten und mit Hilfe weit vorgeschobener Stützpunkte abwenden und neutralisieren. Demgegenüber erscheint die Liga Freier Terraner nahezu schutzlos. Ist das wirklich der Fall?

Die Verantwortlichen haben frühzeitig erkannt, dass die Sicherheit der Liga und ihrer Bürger trotz des Verzichts auf eine ausgedehnte Machtsphäre gewahrt bleiben muss. Was früher militärische Macht bewerkstelligte, muss jetzt von einem Nachrichtennetz besorgt werden. Das Imperium alarmierte im Fall einer Gefahr den Stützpunkt, der dem Gefahrenherd am nächsten lag, und verwendete die dort stationierten militärischen Mittel, um die Gefahr zu beseitigen. Die Liga dagegen bemüht sich, rechtzeitig Informationen über eine im Entstehen befindliche Gefahr zu erhalten, so dass diese mit nichtmilitärischen Mitteln neutralisiert werden kann, bevor sie sich zu ihrem vollen Umfang auswächst.

Das Nachrichtennetz der Liga ist keine zentralisierte Angelegenheit, die von einer Stelle aus mit starker Hand gelenkt wird. Es lässt sich nicht mit der Solaren Abwehr vergleichen, die ein Staatsapparat war. Die Bürger der Liga sind der Ansicht, dass sich ein staatseigener Nachrichtendienst nicht mit den freiheitlichen Idealen der jungen Nation verträgt.

Die Liga erhält daher ihre Informationen aus verschiedenen Quellen. Das sogenannte Nachrichtennetz ist in Wirklichkeit ein verfilztes Gespinst, in dem niemand sich so richtig auskennt. Man fragt sich manchmal, wie es dieses total desorganisierte Gebilde überhaupt bewerkstelligt, Informationen rechtzeitig an den richtigen Mann zu bringen.

Hunderte von Agenturen, Detekteien und Datei-Diensten sind an der Informationsbeschaffung beteiligt. Jeder hat seinen eigenen Operationsmodus, seine eigene Strategie und Taktik, sein eigenes Schwerpunktgebiet.

 

(Aus einer Informationsschrift der Presseabteilung der Liga Freier Terraner, veröffentlicht am 13. März 3587 n. Chr.)

Prolog

 

Aus der sterndurchsäten Schwärze des Alls wuchs die Form eines Raumschiffs, schweigend, ein undeutlicher, schlanker Umriss, dessen metallene Hülle im Glanz weit entfernter Sonnen einen matten Schimmer ausstrahlte. Das Schiff bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von über 200.000 Kilometern pro Sekunde relativ zum nächstgelegenen Referenzpunkt, aber dem unvoreingenommenen Beobachter schien es inmitten der Sternenfülle fast reglos.

So geräuschlos, wie es aufgetaucht war, verschwand es wieder – ein matter Umriss, der dahinschrumpfte, bis er nicht mehr zu sehen war. Hinter sich zurück ließ es fünf winzige Materiepunkte, die mit exakt berechnetem Kursvektor aus der Heckschleuse katapultiert worden waren und sich auf einer Bahn bewegten, die mit dem Kurs des Schiffes einen spitzen Winkel von nur wenigen Grad bildete.

Im Funk wurde es lebendig.

»Bombay-eins an Ramses-Führer. Wir sind auf Kurs. Minus achtzehn bis PONSI.«

»Ramses-Führer an Bombay-eins. Alles in Ordnung!«

Inzwischen glitt das schlanke Raumschiff weiter durch die Tiefe des Raumes. Der Vorgang, der sich soeben abgespielt hatte, wiederholte sich noch viermal: Fünf Materiepunkte wurden aus der Heckschleuse ausgestoßen, und durch den Hyperraum knisterten vier weitere Male dieselben Funksprüche, deren Wortlaut nur insofern variierte, als die Rufer sich nicht Bombay-, sondern Kalkutta-, Delhi-, Madras- und Patna-eins nannten und die Zeitspanne bis PONSI immer kürzer wurde.

Insgesamt fünf Gruppen von jeweils fünf Materiepunkten schwebten im All, nachdem das schlanke Schiff sich der ersten Hälfte seines Auftrags entledigt hatte. Die Gruppen waren jeweils mehrere hunderttausend Kilometer entfernt. Diese Aufsplitterung wurde dadurch nötig gemacht, dass es sich bei der TSCHUGNOR um ein altertümliches Fahrzeug handelte, bei dem man nicht bis auf den Kilometer voraussagen konnte, wie genau es sich an den berechneten Kurs halten würde.

Die Materiepunkte waren solide, selbstangetriebene Lebenserhaltungssysteme höchster Leistung und modernster Bauart. Im Innern eines jeden Systems befand sich ein Mensch – wenn man das Wort in losem Sinne gebrauchen will; denn sie waren nicht alle Terraner oder Abkömmlinge von Terranern.

Die Menschen in den Lebenserhaltungssystemen sprachen nicht miteinander. Es gab nichts mehr zu besprechen. Alles war bis in die letzte Einzelheit, bis zur geringfügigsten Bewegung geplant und hundertmal durchexerziert. Es konnte nichts schiefgehen, und doch standen die Männer und Frauen der Bombay-Gruppe im Bann einer Spannung, die belanglose Worte nicht aufkommen ließ.

Und dann, wenige Sekunden vor Ablauf der Achtzehn-Minuten-Frist bis zur Post-transition Normal Space Injection, geschah das, was sie erwartet und auf dem Simulator unzählige Male gesehen hatten. Jetzt aber, da es in Wirklichkeit geschah, raubte ihnen die Unbeschreiblichkeit des Vorgangs für eine Sekunde den Atem.

 

Ein mächtiger Ball stand plötzlich da, wo sich eine Zehntelsekunde zuvor noch ein integraler Bestandteil des Sternenteppichs befunden hatte. Er war aus dem Nichts entstanden.

Der Ball blähte sich langsam auf. So wenigstens sahen es die Mitglieder der Gruppe Bombay, denn die Leere des Alls bietet keine Perspektive, die die Verringerung des Abstands als solche erkennen ließe. Über die Innenfläche der Sichtscheibe des Lebenserhaltungssystems, in dem Bombay-eins stak, huschten Ziffern und Zeichen, die der systemeigene Rechner erzeugte. Bombay-eins sprach ein paar Datenwerte in das Mikrophon seines Radiokoms, und auf seinen Befehl hin aktivierten alle Mitglieder der Gruppe gleichzeitig das Triebwerk ihrer Systeme.

Bombay-eins schaltete auf Hyperfunk.

»Bombay-eins an Ramses-Führer. Ziel erfasst – du kannst die anderen Gruppen einsammeln.«

»Ramses-Führer an Bombay-eins: Verstanden. Minus einhundertunddreizehn bis THYSI. Macht's gut!«

Der Ball blähte sich jetzt schneller auf, als Bombay-eins und seine Begleiter mit Hilfe ihrer Triebwerke die Distanz verkürzten. An der Wandung der gewaltigen Kugel waren jetzt Lettern zu erkennen, mindestens einhundert Meter hoch ein jeder, die in verschiedenen Alphabeten den Namen des Raumschiffs verkündeten: TSCHUGNOR. Bombay-eins und seine Gruppe hielten auf den in interkosmischen Zeichen geschriebenen Namenszug zu und landeten auf einer schmalen Metallleiste, nicht mehr als acht Minuten, nachdem Bombay-eins seine Meldung an Ramses-Führer abgesetzt hatte.

»Hier ist die Schleuse«, sagte eine Frauenstimme.

Bombay-eins legte die Hand auf die rötliche Metallfläche. Der in den Ärmel eingearbeitete Code-Analysator trat automatisch in Tätigkeit. Etliche Sekunden vergingen, während das Gerät Millionen elektronischer Impulsfolgen auf den Riegel des Schleusenschotts abregnete, um die Kombination zu finden, auf die er reagierte. Im Notfall war Bombay-eins bereit, die Schleuse mit Gewalt zu öffnen, auch wenn er dabei riskierte, dass dadurch in der Kommandozentrale der TSCHUGNOR ein Alarm ausgelöst wurde.

Nach einer halben Minute schwang das Schott beiseite. Die Schleusenkammer bot der Gruppe Bombay mit ihren umfangreichen Lebenserhaltungssystemen eben Platz. Bombay-eins wartete ungeduldig, bis das Zeichen aufleuchtete, dass der Druckausgleich hergestellt sei. Dann öffnete er das Luk, durch das der Weg ins Innere des Schiffes führte.

Jenseits befand sich eine riesige Halle, die das gesamte Deck einnahm. Würfelförmige Behälter von zwanzig Metern Kantenlänge standen zu Reihen geordnet und aufeinandergetürmt bis zu der neunzig Meter hohen Decke.

Die TSCHUGNOR war vor Jahrhunderten der Stolz der terranischen Raumflotte gewesen, ein Schlachtschiff der STARDUST-Klasse. Damals trug sie einen anderen Namen. Mit der Entwicklung neuer, größerer Schiffstypen und vor allen Dingen des Lineartriebwerks hatte sich das Schicksal des mächtigen Fahrzeugs jedoch allmählich erfüllt, und schließlich war es auf einer Schiffsauktion gegen das höchste Gebot verkauft worden. Das Höchstgebot kam von Thorta, der Hauptstadt des ferronischen Reiches. Der neue Besitzer hatte das Schiff für seine Zwecke umgebaut und auf den Namen TSCHUGNOR getauft. Seitdem – seit über sechshundert Jahren – war das ehemalige Schlachtschiff auf der Transportroute Ferrol–Olymp unterwegs und seit 140 Jahren regelmäßig im Cerrolith-Transportdienst eingesetzt.

»Macht euch an die Arbeit«, sagte Bombay-eins, nachdem er die langen Reihen der Behälter ein paar Sekunden lang gemustert hatte. »Ihr wisst, worum es geht. THYSI minus neunundneunzig.«

Er aktivierte das Feldtriebwerk und schwebte an einem der Behälterstapel in die Höhe, bis er den obersten Würfel erreicht hatte.

 

Venthay hatte die unangenehmen Sekunden der Transition in einer Schockkabine überstanden. Wie immer fluchte er in seiner Muttersprache vor sich hin, als die Benommenheit allmählich von ihm wich. Es gab nicht mehr viel Schiffe, die mit dem altmodischen Transitionstriebwerk ausgestattet waren. Wie es das Pech wollte, war ausgerechnet er auf einem derart altmodischen Kahn beschäftigt, als Wächter. Bei seinem Alter hatte er wenig Aussicht, eine andere Anstellung zu finden.

Venthay trat aus der Nische hinaus. Wie immer empfand er Bewunderung beim Anblick des schier unendlich weiten Decks. Der Blick war ihm zwar zum größten Teil durch die aufeinandergestapelten Cerrolith-Behälter versperrt; aber da die Behälterstapel zu ordentlichen Reihen angeordnet waren, konnte er durch die Gassen zwischen den Reihen hindurchblicken bis zur gegenüberliegenden Bordwandung. Obwohl er diese Reise schon Dutzende von Malen mitgemacht hatte, fand er es angesichts der beeindruckenden Weiträumigkeit der Anlage noch immer schwer, sich vorzustellen, dass er an Bord eines Fahrzeugs war, das sich durch den Weltraum bewegte.

Gemächlich machte er sich auf den vorgeschriebenen Rundgang. Seine Aufgabe war, dafür zu sorgen, dass sich während des Fluges von Ferrol nach Olymp niemand an der kostbaren Ladung zu schaffen machte, dass die Stapel nicht verrutschten und dass jede Beschädigung eines Behälters sofort dem Reparaturdienst gemeldet wurde.

Im Lauf vieler Jahre hatte Venthay nicht ein einziges Mal erlebt, dass auch nur eines dieser Dinge eingetreten wäre. Mit der Zeit war er dazu übergegangen, seine Aufgabe als eine mechanische Routine zu betrachten. Er schenkte den Behältern kaum noch Beachtung – außer um zu sehen, in wie viel verschiedenen Richtungen er zwischen den sich kreuzenden Gassen hindurch die gegenüberliegende Bordwand erblicken konnte. Sein Beruf war ein langweiliger; aber er beschwerte sich darüber nicht. Es gab auf Ferrol nicht viele Leute, die sich ihr Geld damit verdienten, dass sie an Bord eines Raumtransporters Spaziergänge unternahmen.

Plötzlich stutzte Venthay. Aus den Augenwinkeln hatte er eine Bewegung wahrgenommen. Er blickte in die Höhe. An der Seite eines der Kistenstapel, unmittelbar unter der Decke, glaubte er, einen Schatten wahrzunehmen. Aber er war seiner Sache nicht sicher.

»Wer ist da?«, rief er in seiner Muttersprache; dann wiederholte er die Frage auf Interkosmo.

Seine Stimme war nur ein mattes Gewisper in der endlosen Weite des mit Behältern beladenen Decks. Venthay erhielt keine Antwort. Aber er hörte ein Geräusch in der Höhe, als ob etwas Hartes an einer der Kisten entlangstreifte.

Zum zweiten Mal blickte er auf. Er sah nichts; aber plötzlich nahm er hinter sich eine Bewegung wahr. Er griff nach der Waffe, die er im Gürtel trug und noch nie im Ernst gebraucht hatte. In diesem Augenblick traf ihn ein harter Schlag in den Rücken. Er wurde vornübergeschleudert und prallte gegen einen Behälter. Halb benommen versuchte er, sich wieder aufzurichten. Aber bevor er sich umwenden konnte, erhielt er einen zweiten Schlag. Lähmender, brennender Schmerz breitete sich durch seinen ganzen Körper aus. Die grellen Lichter der Decksbeleuchtung erloschen, als ihm die Augen den Dienst versagten. Er wollte schreien, aber er hatte keine Stimme mehr. Er wollte davonlaufen, aber die Muskeln gehorchten ihm nicht mehr.

Venthay stürzte zu Boden, um niemals wieder zu erwachen.

 

Bombay-eins hatte mit geschickten, tausendfach geübten Griffen die Verkleidung des Cerrolith-Behälters entfernt und schickte sich an, die Injektion vorzunehmen, als er drunten die schmächtige Gestalt des Ferronen gewahrte. Er trug eine lindgrüne Uniform, die zu seiner blassblauen Hautfarbe einen eigentümlichen Kontrast bildete. Um den Leib hatte er einen breiten Gurt geschnallt. Aus dem daran befestigten Halfter ragte der Griff eines leistungsfähigen Thermostrahlers hervor.

Bombay-eins zerbiss einen Fluch zwischen den Zähnen. Ein Zwischenfall dieser Art war in der Planung des Unternehmens durchaus vorhergesehen; aber es wäre ihm lieber gewesen, wenn er sich hätte vermeiden lassen.

»Mundrake«, sagte er halblaut.

»Mundrake hier, Boss«, antwortete es aus dem Radiokom-Empfänger. »Was liegt an?«

»Ein Wächter. Ganz in deiner Nähe. Kümmere dich um ihn!«

Mundrake antwortete nicht sofort. Bombay-eins sah seine Gestalt erscheinen. Er sah sich um.

»Ich hab ihn, Boss«, sagte er. »Er wird uns keine Schwierigkeiten machen.«

Bombay-eins beobachtete, wie Mundrake behutsam um den Behälterstapel herumkletterte, um dem Ferronen in den Rücken zu kommen. Der Wächter hatte bislang noch keinen Verdacht geschöpft. Er blickte des Öfteren die Gassen zwischen den Stapeln entlang, sah aber kein einziges Mal in die Höhe.

Da beging Bombay-eins den Fehler, sich zu bewegen. Der Ferrone musste etwas wahrgenommen haben; denn er blieb unvermittelt stehen und blickte nach oben. Bombay-eins zog sich blitzschnell in die Deckung des Behälters zurück. Er war nicht sicher, ob der Wächter ihn gesehen hatte. Der Ferrone schrie etwas, das Bombay-eins nicht verstand. Inzwischen hatte Mundrake sich seinem Opfer genähert. Er verursachte dabei ein Geräusch, das dem Wächter nicht entging. Er griff nach der Waffe; aber im selben Augenblick stürzte sich Mundrake auf ihn. Gegen ihn hatte der schmächtig gebaute Ferrone keine Chance. Mundrake entledigte sich seiner Aufgabe mit der unbarmherzigen Geschicklichkeit des berufsmäßigen Killers. Der Ferrone bekam seinen Angreifer kein einziges Mal zu Gesicht.

Bombay-eins verfolgte das Drama ungerührten Blickes. Als Mundrake ihm meldete, dass der Wächter erledigt sei, wandte er sich wieder seiner zuvor unterbrochenen Beschäftigung zu. Er brauchte dreiunddreißig Minuten, um das Cerrolith im Innern des Behälters so zu präparieren, wie es sein Auftrag verlangte, und den Behälter so wiederherzustellen, dass von dem Eingriff keine Spur hinterblieb. Danach wandte er sich einem zweiten Behälter zu und wiederholte die Manipulation. Als er seine Arbeit beendet hatte, blieben noch achtzehn Minuten bis zur Transition Hyperspace Injection.

Er rief seine Leute zusammen. Insgesamt acht Cerrolith-Behälter waren präpariert worden, zwei mehr, als der Wortlaut des Auftrags verlangte. Die Gruppe Bombay verließ die TSCHUGNOR auf demselben Weg, auf dem sie gekommen war. Die Triebwerke wurden aktiviert, und fünf Materiepunkte, die zu geringfügig waren, als dass die altmodischen Ortergeräte des ferronischen Schiffes sie hätten erfassen können, entfernten sich mit beachtlicher Geschwindigkeit seitwärts vom Kurs des ehemaligen STARDUST-Schlachtschiffs.

Die TSCHUGNOR verschwand wenige Minuten später im Hyperraum. Bombay-eins und seine Begleiter brauchten danach nicht lange zu warten, bis aus der unermesslichen Tiefe des Alls der vertraute Umriss des geschossförmigen Raumschiffs heranwuchs. Bombay-eins hatte ganze Arbeit geleistet: Es war nur ein geringfügiger Bewegungsabgleich erforderlich, bis die mattschimmernde Hülle des Schiffes scheinbar bewegungslos vor den Leuten der Gruppe Bombay schwebte. Durch eine offene Schleuse gingen sie an Bord.

 

Venthay wurde erst zwei Transitionen später gefunden. Man war aufmerksam geworden, als er seine Ablösung versäumte. Es gab keinen Cerrolith-Wächter, der ohne Not mehr Runden machte, als sein Dienstplan vorschrieb.

Venthay lag mit gebrochenem Hals zwischen den Behälterstapeln des Hauptladedecks. Man rätselte daran herum, wie es zu einem solchen Unfall gekommen sein könne, und gelangte letzten Endes zu dem Schluss, dass Venthay sein Schicksal selbst herbeigeführt haben müsse, indem er an einem der Behälterstapel emporkletterte und dabei abstürzte.

Man maß dem Vorfall nur geringe Bedeutung bei. Cerrolith-Wächter gab es in Hülle und Fülle, und Venthay hinterließ kaum jemand, der sich seinen Freund hätte nennen mögen. Nach der Landung auf Olymp erstattete der Kommandant der TSCHUGNOR den interstellaren Behörden Bericht, wie es die Vorschrift verlangte, und damit war die Sache abgeschlossen.

So schien es wenigstens ...

1.

 

Die Verwunderung des jungen Mannes wuchs, je mehr sich der Gleiter der Zieladresse näherte. Der Fahrgast hatte sich nicht die Mühe gemacht, vor Antritt der Fahrt nachzusehen, wo 4438 Itsubishi Row zu suchen sei. Er war der Ansicht gewesen, dass sein Ziel, der Wichtigkeit seines Auftrags entsprechend, sich in einem der pompösen Geschäftsgebäude entlang des Inneren Verkehrsrings befinden müsse. Er hatte indes den Inneren Ring längst hinter sich gelassen und befand sich nun auf dem Weg in den alten Stadtkern, in dem es noch Gebäude gab, die aus der Zeit um das Jahr 2000 stammten.

Nicht dass man damals kleinlich gebaut hätte. Die Straßen waren breit, und einige der Gebäudekolosse zur Rechten und zur Linken übertrafen an Umfang und an Höhe die modernen Bauten weniger zentral gelegener Stadtteile, die auf den Reißbildschirmen nicht ganz so megalomaner Architekten entstanden waren, um ein Beträchtliches.

Der Gleiter verließ schließlich die Straße und steuerte auf ein Parkgelände, das sich in der Form einer Bucht am Fahrbahnrand ausbreitete. Das Fahrzeug kam zum Stillstand, und der Robotpilot erklärte mit wohlklingender Stimme:

»Wir sind am Ziel: vier-vier-drei-acht Itsubishi Row.«

Ungläubig musterte der junge Mann das schmalbrüstige, fünfstöckige Gebäude, das zwischen zwei wolkenkratzerartigen Giganten eingeklemmt stand. Die Hausnummer war in altmodischen, glasverkleideten Leuchtlettern über dem Portal angebracht, das ein wenig schief in den Angeln zu hängen schien.

»Danke«, sagte der verdutzte Fahrgast, »es ist nicht nötig, auf mich zu warten.«

Damit entsprach er der Anweisung, die er erhalten hatte. Ein geparktes Fahrzeug hätte womöglich jemandes Aufmerksamkeit erregen können, und das musste vermieden werden.

Der junge Mann stieg die fünf Stufen hinauf, die zu dem Portal führten. Der Gleiter setzte sich summend in Bewegung und kehrte auf die Fahrbahn zurück, auf der er mit hoher Beschleunigung davonschoss. Früher einmal, in den Anfangstagen von Terrania City, mochte diese breite Straße einen unablässig rauschenden Verkehrsstrom getragen haben. Jetzt jedoch bewegten sich auf den insgesamt acht Steuerspuren nur wenige Fahrzeuge, zumeist Personentransporter mit Touristen, die gekommen waren, um sich den ältesten Teil der Hauptstadt anzusehen.

Die Gebäude wirkten verlassen und heruntergekommen. Viele Fenster waren blind, einige sogar verschalt. Eines Tages, dachte sich der junge Mann, würden auch hier die Geschäfte wieder blühen und der Verkehr in nichtendendem Fluss dahingleiten. Vorläufig aber war der zeitliche Abstand vom Unternehmen Pilgervater, dem Terra die Wiederbesiedlung verdankte, noch zu gering. Denen, die dem Handel und dem Zurverfügungstellen von Dienstleistungen oblagen, standen moderne Geschäftshäuser am Inneren Verkehrsring und weiter draußen in Hülle und Fülle zur Verfügung. Erst wenn Terra wieder bis zur früheren Kapazität bewohnt war, würde der Mangel an verfügbaren Bauten dazu führen, dass man den Kern der Altstadt als Geschäftsadresse von neuem in Erwägung zog.

Kopfschüttelnd las der junge Mann das Anzeigebrett, das rechts des Portals angebracht war. Auf schwarzem Grund verkündete es mit Hilfe weißer Aufklebebuchstaben: SONS OF THE EAGUE (das L war verschwunden) OF FREE TERRESTRIANS (SOLEFT), INC., 2. OBERGESCHOSS. Niemand sonst kündete sein Vorhandensein oder seine Dienste an. War Soleft das einzige Unternehmen, das in diesem Gebäude residierte?

Der verwirrte Besucher sah sich umsonst nach einem Mechanismus um, mit dem er seine Ankunft hätte kundtun können. Schließlich versuchte er den Türknopf des Portals und stellte fest, dass es sich mühelos, wenn auch unter protestierendem Quietschen, öffnen ließ.

Er betrat einen Flur, aus dem eine steinerne Treppe so offensichtlich in die Höhe führte, dass er allein aufgrund ihres Anblicks den beiden Antigravschächten misstraute, die sich zur rechten Seite öffneten. Er trat durch eine der Öffnungen hindurch und fühlte in der Tat keinen Unterschied gegenüber seiner bisherigen Umgebung. Der Schacht war außer Betrieb. Mit dem anderen verhielt es sich in gleicher Weise. Es ließ sich nicht einmal feststellen, welches der Aufwärts- und welches der Abwärtsschacht gewesen war.

Der junge Mann vertraute sich daraufhin der Treppe an, passierte im ersten Stock eine Tür, deren Aufschrift verriet, dass hier früher ein Händler in exotischen Pelzen seiner Tätigkeit nachgegangen war, und gelangte schließlich in das zweite Obergeschoss. Dort verblüffte ihn eine schwere, aus rötlich schimmerndem Stahl gefertigte Tür, die offenbar erst vor kurzer Zeit angebracht worden war. Neben der Tür hing ein weiteres Anzeigebrett, dieses ohne fehlende Lettern, auf dem geschrieben stand: SOLEFT – über 5000 Mitarbeiter in 750 Niederlassungen an allen Brennpunkten der Milchstraße.

Er suchte nach einem Mechanismus, mit dem er entweder die Tür öffnen oder seine Anwesenheit melden konnte; aber bevor die Suche Erfolg hatte, öffnete sich die Tür von selbst, und der überraschte Besucher blickte in einen höchst altmodisch eingerichteten Empfangsraum, durch dessen Mitte sich eine verstaubte Theke zog, die früher einmal den Zweck gehabt haben mochte, den Publikumsverkehr von den hier Beschäftigten zu trennen. Im Augenblick indes war der Raum zu beiden Seiten der Theke bar jedes Einrichtungsgegenstands. Staub lag etwa einen Finger dick auf dem Boden, und durch den Staub führten Fußspuren zu einer Tür, die sich in der linken Seitenwand befand. Der junge Mann bewegte sich dorthin, als auch diese Tür sich selbsttätig öffnete.

Zum Vorschein kam ein verhutzeltes, zerknittertes Männlein von kaum mehr als fünf Fuß Länge, in einen verblichenen Overall gekleidet und auf dem kraushaarigen Haupt eine Kappe tragend, die in längst vergangener Zeit den Kopf eines Marineoffiziers, eines Baseballspielers oder eines jugendlichen Pfadfinders geziert haben mochte.

Das Männlein musterte den Besucher aus wasserblauen Augen, ohne sich auch nur eine Spur von Überraschung anmerken zu lassen, und sagte schließlich: »Was kann ich für Sie tun?«

Der verdutzte Besucher glaubte, in dem Alten nichts anderes als einen Aufpasser oder eine Reinigungsperson vor sich zu haben, und antwortete einigermaßen indigniert: »Wenn Sie wüssten, wo Cromwell Shliffer sich versteckt, wäre mir schon gedient.«

Die wasserhellen Augen des Männleins blitzten amüsiert.

»Warum soll er sich versteckt halten? Er steht doch vor Ihnen.«

»Sie sind Shliffer?«, fragte der junge Mann perplex.

»Genau. Und Sie sind ... na, der Name tut nichts zur Sache. Aber Sie kommen wegen der Synergistics-Angelegenheit, nicht wahr?«

Dem Besucher verschlug es nun wirklich den Atem. Erst im letzten Augenblick besann er sich, dass es angesichts der Wichtigkeit seines Auftrags geboten war, Vorsicht walten zu lassen.

»Das könnte sein«, antwortete er und wirkte dabei nicht besonders überzeugend. »Aber woher wollen Sie das wissen?«

»Alles wissen und nur das Nötigste wissen lassen, das ist unsere Devise. Treten Sie ein, junger Freund.«

 

Der Raum jenseits der seitwärts gelegenen Tür unterschied sich wohltuend von den verstaubten und dem Zerfall preisgegebenen Räumlichkeiten, die der Besucher bisher zu sehen bekommen hatte. Die Einrichtung war modern, und es gab eine kleine Batterie von Kommunikationsgeräten, die dem neuesten Stand der Technik entsprach.

Das Männlein wies seinem Gast mit stummer Geste einen bequemen Sessel an. Über die spiegelnde Platte des mächtigen Arbeitstischs hinweg fragte es sodann:

»Die Transaktion hat also stattgefunden?«

Dem jungen Mann war weiterhin unbehaglich zumute.

»Ja«, antwortete er, »aber bitte, sagen Sie mir, warum ich diese Information ausgerechnet Ihnen überbringen muss.«

»Nun, es ist schließlich eine Sache, um die man sich kümmern muss, nicht wahr?«

»Ganz richtig. Und zwar mit Nachdruck. Aber ... nehmen Sie's mir nicht übel ... Ihre Agentur ... ich meine, dieses alte, baufällige Haus ... und der Staub überall ... sind Sie wirklich ...?«

Cromwell Shliffer winkte ab. Er lächelte. Die Bedenken seines Besuchers schienen ihn nicht zu kränken.

»Lassen Sie sich durch das Äußere nicht täuschen. Ich nehme an, dass Sie nicht aus eigenem Antrieb die SOLEFT zur Verfolgung dieser Sache auswählten. Man schickte Sie her, nicht wahr?«

»Mein Vorgesetzter«, nickte der junge Mann.

»Dann gestehen Sie Ihrem Vorgesetzten zu, dass er weiß, was er tut. Und jetzt die Information, bitte.«

Der Besucher saß aufrecht. In straffem Tonfall trug er vor: »Während des gestrigen Geschäftstags wechselten auf dem interstellaren Anteil-Markt sechsundzwanzig Prozent der Eigneranteile der Synergistics Corporation den Besitzer. Es handelte sich dabei in Wirklichkeit um eine Serie von Kauftransaktionen, die alle von ein und demselben Beauftragten durchgeführt wurden. Die Einkäufe begannen früh am Morgen allgemeiner Standardzeit und endeten unmittelbar, nachdem die Sechsundzwanzig-Prozent-Grenze erreicht war. Als Beauftragter fungierte ein relativ unbekanntes Haus namens Meribid-Ür auf Tuglan ...«

»Klingt wie ein Blue.«

»Es ist ein Blue! Über den Käufer ist nichts bekannt. Synergistics Corporation ist einer der bedeutendsten auf Terra ansässigen Kraftwerk-Hersteller, und ...«

»... und nach terranischem Gesetz bilden mehr als fünfundzwanzig Prozent der Anteile eine Sperrminorität, mit deren Hilfe die Tätigkeit der Firma, falls der Käufer eine der Liga unfreundlich gesinnte Person ist, auf katastrophale Weise beeinflusst werden kann. Ich weiß das, mein junger Freund. Man wird sich um den Fall kümmern. Die restlichen Aufzeichnungen, bitte!«

Der verwirrte Besucher griff in die Tasche und brachte einen kleinen Umschlag zum Vorschein. Der Umschlag enthielt eine winzige Diskette, auf der weitere Einzelinformationen zum »Fall Synergistics« gespeichert waren.

Nachdem Cromwell Shliffer den Umschlag in einer Lade seines Arbeitstischs untergebracht hatte, erhob er sich, was der junge Mann als Signal dafür interpretierte, dass er verabschiedet war.

»Sagen Sie mir bitte nur noch eines«, brachte er mit einiger Überwindung hervor, als er bereits unter der Tür stand. »Warum musste diese Sendung persönlich überbracht werden? Warum hätte man Ihnen das wenige, das Sie sowieso schon wussten, nicht per Datenkanal übertragen können?«

Cromwell Shliffer antwortete unbewegten Gesichts: »Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens halten andere Leute mehr von der SOLEFT als Sie, junger Mann, was unglücklicherweise zur Folge hat, dass unsere Datenkanäle des Öfteren von Unbefugten angezapft werden. Es ist also sicherer, wenn man wichtige Daten durch Boten übermittelt. Und zweitens liegt mir daran, meine Mitarbeiter einen nach dem anderen allmählich kennenzulernen.«

»Mitarbeiter? Sie irren sich. Mein Arbeitgeber ist IHD, Information Handling and Distribution.«

Das Männlein nickte.

»Und die IHD ist eine Tochtergesellschaft der SOLEFT. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.«

2.

 

»Du meine Güte, daran müssen Sie sich gewöhnen«, sagte der stämmig gebaute Mann mit der eigentümlich rotblau schimmernden Hautfarbe. »Die Zeiten des Imperiums sind vorbei. Tuglan ist autark, und wenn der Hohe Lord von den ortsansässigen Fremden verlangt, dass sie um Aufenthaltsgenehmigungen einkommen, dann müssen sich die Fremden eben daran halten.«

Durch das eigenwillig geformte Fenster fiel das bläulich getönte Licht der Sonne Laton und malte Kringel auf die Platte des Tischs, auf der sich amtlich wirkende Druckfolien stapelten. Der Sprecher trug die mit roten Litzen versehene Toga des Öffentlichen Dienstes. Er wirkte eher gelangweilt als ärgerlich, als hätte er sich mit dem Anliegen, das sein Gegenüber vortrug, schon des Öfteren herumplagen müssen.

Der Mann auf der anderen Seite des Tisches mochte vierzig Jahre alt sein. In Kleidung und Aussehen verriet er den Terraner. Sein vorzüglich geschnittener Anzug entsprach der neuesten Mode von Terrania City. Im Kragenaufschlag steckte eine weinrote Glanda-Orchidee, die den Träger wenigstens vierzig Solar gekostet hatte. Das Gesicht des Mannes verriet eine gewisse Ungehaltenheit, die hauptsächlich in den weit emporgezogenen Brauen zum Ausdruck kam.

»Verstehen Sie mich nicht falsch, Armabond«, sagte er in gewähltem Interkosmo, »ich bestreite keineswegs das Recht des Hohen Lords, Gesetze zu erlassen, wie es ihm beliebt. Ich wehre mich nur dagegen, dass diese Gesetze so ungleichmäßig ausgelegt werden. Sie kennen mich seit etlichen Jahren, Armabond. Meine Firma ist ein alteingesessenes Unternehmen, das pünktlich seine Steuern bezahlt. Wie oft sind wir um die tuglantische Staatsbürgerschaft eingekommen? Jedes Mal hat man unsere Anträge zurückgewiesen und uns darauf aufmerksam gemacht, dass wir wenigstens fünfzehn Planetenjahre hier ansässig sein müssen, bevor man unser Gesuch überhaupt in Erwägung ziehen kann. Ich weiß dagegen aus sicherer Quelle, dass Zuwanderer aus anderen Gegenden der Galaxis die Staatsbürgerschaft bereits nach wenigen Monaten zugesprochen bekommen.«

»Aus welchen Gegenden?«, fragte Armabond ungerührt.

»Arkon zum Beispiel.«

»Ah, da haben Sie's! Das sind Arkoniden, nicht wahr? Wir sind ebenfalls Arkonidenabkömmlinge. Das muss man doch verstehen.«

»Sie meinen, die Gesetze des Hohen Lords werden völkisch interpretiert? Sie kennen das Grundlagenpostulat der GAVÖK. Diskriminierung aufgrund der Herkunft, der politischen und religiösen Überzeugung ...«

Armabond unterbrach den Sprecher mit einer unendlich gelangweilten und verächtlichen Geste.

»Die GAVÖK ist weit und hat schon mancherlei Unsinn postuliert, mein verehrter Freund. Das Grundlagenpostulat ist für uns nicht verbindlich, das steht sogar im Postulat selbst drin. Und obwohl Sie, Graf Laton, einen vornehmen tuglantischen Namen tragen, täuscht doch nichts darüber hinweg, dass Sie ein Terraner reinsten Wassers sind. Sie werden sich damit abfinden müssen, dass man in manchen Bezirken der Milchstraße nach vielen Jahrhunderten des Solaren Imperiums Terranern nicht mit der größten Freundlichkeit begegnet.«

Er ließ plötzlich Anzeichen der Ungeduld erkennen, schob einen Aktenstapel brüsk beiseite und fragte unwirsch: »Beantragen Sie also eine Verlängerung Ihrer Aufenthaltsgenehmigung oder nicht?«

Humbert Graf Laton seufzte mit verzweifelter Ergebenheit.

»Also schön – wie viel?«

»In Ihrer Währung, dreitausend Solar pro Person.«

»Das ist Räuberei! Mehr als doppelt soviel wie beim letzten Mal.«

»Sie können auswandern, Graf Laton.«

»Für ein Jahr?«

»Wie immer.«

Der Graf erhob sich. Der Abscheu stand ihm im Gesicht geschrieben.

»Sie erhalten meine Anweisung noch heute. Ich werde mich morgen früh bei der Zentralen Information vergewissern, dass Sie die Aufenthaltsgenehmigung ebenso prompt verlängert haben, wie das Geld bei Ihnen eingegangen ist.«

»Ehre sei dem Hohen Lord von Tuglan«, sagte Armabond müde.

 

Eine halbe Stunde später entstieg Humbert Graf Laton im Innenbezirk der neuen Handelsmetropole Tuglan-Ata einem sportlich zugeschnittenen, teuer wirkenden Hochleistungsgleiter und betrat ein Gebäude, das in altarkonidischer Trichterbauweise aufgeführt war. Im Kelch des Trichters trat er aus dem Antigravschacht in einen behaglich eingerichteten Empfangsraum. Eine junge Frau, die hinter einem Schreibtisch offenbar das Amt der Empfangsdame versah (terranische Firmen hatten in ihren Empfangsräumen immer gutaussehende, junge Frauen sitzen), wandte sich ihm mit strahlendem Lächeln zu.

»Humbert, du wirkst bedrückt«, sagte sie.

Graf Laton zog die inzwischen verwelkte Glanda-Orchidee aus dem Knopfloch und ließ sie in einen Müllbehälter fallen.

»Eines Tages«, knirschte er, »wird Armabond seine herablassende Hochnäsigkeit übertreiben, und dann kugele ich ihm beide Armgelenke aus.«

»Armer Armabond«, lachte die blonde Frau, wurde jedoch sofort wieder ernst. »Geh zu Langlon, er hat nach dir gefragt.«

»Warum?«

»Streuspruch unterwegs. Sieht aus, als bekämen wir Arbeit.«

Humbert trat durch eine der Türen in einen Raum, in dem ein geschäftiges, von den hin und her eilenden Leuchtanzeigen elektronischer Geräte erzeugtes Halbdunkel herrschte. Er ließ den Augen ein paar Sekunden Zeit, sich an die mangelnde Helligkeit zu gewöhnen, und erspähte die Gestalt, die im Hintergrund des Raumes vor einem Datenbildschirm saß.

»Gut, dass du da bist«, sagte die Gestalt. »Wie bist du mit Armabond zurechtgekommen?«

»Teuer. Sie haben die Gebühr auf dreitausend Solar erhöht.«

»Daran lässt sich nichts machen. Terraner stehen dieser Tage ganz unten auf der Beliebtheitsliste.«

»Wee sagte etwas von einem Streuspruch.«

»Aus achtzehn Kanälen auf einmal, mit neunzig Prozent Ballast. Muss sich um was Wichtiges handeln.«

Der Streuspruch war die geläufige Methode der Absicherung von Hyperfunknachrichten gegen unbefugtes Abhören. Der Sender übertrug seine Nachricht nicht »in einem Stück« durch einen festliegenden Funkkanal, sondern zerstückelte sie in zahlreiche kleine Päckchen, von denen jedes durch einen anderen Kanal, jedoch an dieselbe Adresse gesandt wurde. Der Empfänger hatte die Päckchen wieder zusammenzusetzen und ihnen die Nachricht zu entnehmen. Nicht nur wurde die Nachricht, auch in Päckchenform, nicht im Klartext übertragen, sie wurde außerdem mit Ballast, d.h. unnötigen Informationen, beladen, die während der Entschlüsselung wieder aussortiert werden mussten. Die Wahrscheinlichkeit des unbefugten Abhörens eines Streuspruchs war der Zahl der Streukanäle und dem Quadrat des Ballastanteils umgekehrt proportional. Für den Spruch, den der Mann am Datengerät soeben empfing, errechnete sie sich zu 0,00004, einen beruhigend geringen Wert.

Langlon Brak erhob sich von seinem Platz und trat auf Humbert zu. Die beiden Männer bildeten einen eigenartigen Kontrast zueinander. Gegenüber dem elegant gekleideten, athletisch gebauten Grafen Laton wirkte Langlon Brak wie ein unbedarfter Vorstadtbewohner. Er hatte etwas absolut Durchschnittliches an sich, und selbst sein Gesicht war von so durchschnittlicher Ausdruckskraft, dass Leute Mühe hatten, sich daran zu erinnern, solange sie ihm nicht wenigstens ein halbes Dutzendmal begegnet waren. Brak war sechzig Jahre alt. Anhand seiner äußeren Erscheinung wäre niemand auf den Gedanken gekommen, ihn für den bevollmächtigten Leiter der Operative Tuglan, der wichtigsten Nachrichtenzentrale der SOLEFT in diesem Abschnitt der Milchstraße, zu halten.

 

»Es sieht so aus, als hätten wir es mit einem weiteren Sperrversuch zu tun«, sagte Langlon Brak.

Sperrversuch – das war ein Ausdruck, der erst vor wenigen Monaten das Licht der Welt erblickt hatte. Die Geldleute der Milchstraße betrachteten die Erde, die nach der Gründung der Liga Freier Terraner und der Ankündigung des absoluten Machtverzichts so gut wie schutzlos zu sein schien, mit gierigen Augen. Terra mochte schutzlos sein, aber es war noch immer die reichste und zivilisierteste Welt der Milchstraße. Ob der interstellaren Finanzwelt daran lag, sich an dem terranischen Reichtum durch den Erwerb eines Firmenanteils zu beteiligen, oder ob es ihr darum ging, einen terranischen Konkurrenten durch Anteilmanipulation auszuschalten – fast immer führte der Weg über den Ankauf einer sogenannten Sperrminorität an Eigner-Anteilen des Zielunternehmens.

Terranisches Wirtschaftsgesetz sah vor, dass Änderungen der Präambel einer Unternehmenscharta – also des Teils, in dem festgelegt wurde, wo die Firma ihren Sitz hatte, mit welcher Art Handel sie sich befasste, wie sie zu erweitern, zu verkleinern und gegebenenfalls aufzulösen war – nur mit einer Dreiviertelmehrheit aller Anteileignerstimmen vorgenommen werden konnten. Wer mithin mehr als 25% der Eigneranteile besaß, der konnte Änderungen in den Grundlagen der Unternehmensführung verhindern.

Den interstellaren Finanziers wäre es grundsätzlich natürlich lieber gewesen, wenn sich ihnen die Möglichkeit geboten hätte, eine interessante Firma in Bausch und Bogen aufzukaufen. Aber solche Fälle gab es selten. Zumeist war die Majorität des Anteileignerkapitals in festen Händen und unverkäuflich. Eine Sperrminorität ließ sich dagegen, besonders wenn der Kauf einem versierten Beauftragten in die Hand gegeben wurde, zumeist innerhalb weniger Wochen erwerben.

Im vergangenen halben Jahr waren insgesamt elf Sperrversuche registriert worden. Davon waren sechs erfolgreich gewesen – d.h. eine Sperrminorität in sechs großen terranischen Industrieunternehmen befand sich in den Händen vorläufig unbekannter Nicht-Terraner. Die Liga gab sich Mühe, Sperrversuche zu entmutigen. Aber von Gesetzes wegen dagegen eingreifen konnte sie nur, wenn der Verdacht auf kriminelle Absichten des Sperrkäufers sich wenigstens plausibel machen ließ. In allen anderen Fällen war sie auf lediglich vorbeugende Maßnahmen angewiesen. Und nicht selten bediente sie sich in solchen Dingen der Dienste der Sons of the League of Free Terrestrians.

»Der Kauf wurde hier in der Nähe getätigt?«, fragte Humbert.

»Direkt unter unserer Nase. Meribid-Ür war der Beauftragte.«

Humbert verzog das Gesicht.

»Wee und ich werden ihm einen Besuch abstatten. Aber viel verspreche ich mir davon nicht.«

»Weiß schon. Ich treffe inzwischen die nötigen Vorbereitungen.«

Humbert grinste.

»Vergiss nicht, Armabond neuntausend Solar anzuweisen.«

 

Louisa »Wee« Quantor war von mehr als einem ihrer Verehrer eine Göttin genannt worden. Einen Meter fünfundsechzig groß, mit strohblondem Haar, fünfunddreißig Jahre alt, besaß sie sämtliche physischen Vorzüge, die der männliche Terraner trotz jahrhundertelanger Emanzipation der Frau zu schätzen noch nicht verlernt hatte. Louisa war in der Tat eine derart vollkommene Manifestation weiblicher Schönheit, dass der befangene (männliche) Betrachter unwillkürlich zu dem Schluss kam, der Schöpfer könne eine derart perfekte Hülle nicht auch noch mit einem gut funktionierenden Verstand ausgestattet haben, und Louisa, wenn nicht für dumm, so doch für geistig anspruchslos hielt.

Die Zahl derer, die mit dieser Ansicht eine ebenso umwerfende wie blamable Überraschung erlebt hatten, war nicht gering.

Louisa und der Graf benützten für die Fahrt zu Meribid-Ürs Geschäftsstelle ein Firmenfahrzeug, das mit der Aufschrift PAN-TERRA BROKERS versehen war. Unter diesem Namen firmierte die Operative Tuglan der SOLEFT. Sie verdiente ihr Geld angeblich damit, dass sie terranische Liegenschaften kaufte und verkaufte.

Meribid-Ürs Geschäftsgebäude lag in einem parkähnlichen Gelände abseits der Innenstadt. Der Blue hatte darauf verzichtet, die Trichterbauweise der Arkoniden nachzuahmen, und sich ein Haus im terranischen Vorstadtvillenstil gebaut. Louisa und Humbert wurden sofort eingelassen und von einem Robotbediensteten in Meribid-Ürs Arbeitszimmer geführt.

Der Blue entpuppte sich als ein überaus hochgewachsenes Exemplar seines Volkes mit einer Körpergröße von annähernd zweieinhalb Metern. Er trug sich in einen legeren Umhang gekleidet, und die beiden Katzenaugen auf der Vorderseite seines flachen Schädels funkelten freundlich, als er seine beiden Gäste begrüßte.

»Eigentlich hätte ich mir denken können, dass Sie kommen würden«, sagte er auf Interkosmo.

»Wieso?«, fragte Humbert einigermaßen verblüfft.

»Das Geschäft hätte eigentlich durch Sie abgewickelt werden sollen, nicht wahr? Ich begreife selbst nicht, warum ich den Auftrag erhielt. Aber ich beschwere mich gewiss nicht darüber.«

»Synergistics?«, sagte Louisa.

»Ja. Deswegen kommen Sie doch, oder nicht?«

Der Graf hatte ursprünglich eine ganz andere Gesprächstaktik im Sinn gehabt, aber nun war ihm das Heft aus der Hand genommen worden.

»Das ist richtig«, gab er zu. »Es schmerzt uns einigermaßen, dass uns das Geschäft durch die Lappen gegangen ist. Wenn wir davon gewusst hätten, wären Sie erheblicher Konkurrenz sicher gewesen. Sie könnten sich nicht etwa dazu bereitfinden, uns den Käufer zu nennen? Ich meine, wenn es sich wirklich nur um einen einzelnen Käufer handelt.«

Meribid-Ür schien die Unterhaltung ungemein viel Spaß zu machen. Er faltete die siebenfingrigen Hände in der leicht einwärts gewölbten Höhlung seines Arbeitstischs und sah zuerst Humbert und danach Louisa an.

»Ich kann mir vorstellen, was jetzt durch Ihre Köpfe geht«, sagte er gutgelaunt. »Sie haben eine Gelegenheit verpasst. Sie wollen Ihre Marketing-Strategie ändern, damit Ihnen so etwas nicht noch einmal passiert. Unter solchen Bedingungen wäre es allerdings naiv von Ihnen, zu meinen, ich würde Ihnen mit Informationen auf die Sprünge helfen. Schließlich sind Sie meine Konkurrenten.«

»Ich dachte es mir«, brummte der Graf.

»Auf der anderen Seite ist dieser Vorfall derart einzigartig, dass man auf eine Wiederholung nicht rechnen darf. Ich vergebe mir daher nichts, wenn ich Ihnen den Käufer nenne. Ich habe seinen Namen nie zuvor gehört und werde ihn vermutlich in Zukunft nie wieder hören. Es handelt sich tatsächlich um einen Einzelkäufer. Einen rasch entschlossenen Mann, der sein Vorhaben offenbar bis in die kleinste Einzelheit vorbereitet hatte. Er setzte sich mit mir in Verbindung und verlangte meine Versicherung, dass ich sein Kaufvorhaben innerhalb eines Geschäftstags abwickeln könne. Ich nahm an und brachte es mit ein wenig Glück fertig, meinen Auftraggeber vollauf zufriedenzustellen.«

»Wer ist es?«

»Ein terranischer Staatsbürger namens Turol Fant.« Meribid-Ür suchte durch einen kleinen Stapel von Unterlagen. »Er lebt auf einer Welt mit dem romantischen Namen Turaloo.«

 

»Was? Einfach so?«, fragte Langlon Brak verwundert.

»Meribid-Ür war aufrichtig«, sagte Louisa. »Die Sache machte ihm großen Spaß – nicht nur, weil er uns nach seiner Ansicht ein Schnippchen geschlagen, sondern auch, weil er innerhalb eines einzigen Geschäftstags ungefähr eine Million an Kommissionen verdient hat. Er hält den Vorgang für einmalig und sah daher keinen Grund, uns die Auskunft zu verweigern.«

»Turol Fant ist angeblich ein Bürger der Liga«, bemerkte Humbert Graf Laton. »Wenn sich das wirklich so verhält, haben wir keinen Fall.«

»Wir werden das nachprüfen«, meinte Langlon Brak. »Turaloo, wie? Hab schon davon gehört. Eine weit abgelegene Paradieswelt, Traum eines jeden Globetrotters. Dürfte nicht schwer sein, zu ermitteln, wer dort wohnt.«

»Und inzwischen?«, fragte Louisa.

»Verfahren wir weiter nach Plan. Oder möchtest du dich einfach auf Meribid-Ürs Aussage verlassen? Ich meine, er hätte euch sonstwas vormachen können.«

Louisa schüttelte den Kopf.

»Glaube ich nicht. Aber du hast recht. Wir müssen auf jeden Fall nachfassen.«

Langlon Brak war auf dem Weg zum Rechner, als der Melder summte. Humbert ging zum Empfangsraum und kam gerade zurecht, um einen breitschultrigen Tuglanter aus dem Antigravschacht treten zu sehen.

»So bald sehen wir uns wieder«, sagte der Graf spöttisch. »Ich hoffe, die neuntausend Solar für die Aufenthaltsgenehmigung sind inzwischen eingetroffen. Oder kommen Sie etwa, um uns des Planeten zu verweisen?«

Armabonds Miene war mürrisch.

»Mach keine Witze«, fuhr er den Terraner an. »Ich wollte, ihr hättet nicht jeden Tag ein neues Anliegen.«

»Jeden Tag? Mein Freund, wann war das letzte Mal, dass wir deine so unfreundlich dargebotenen Dienste in Anspruch nahmen?«

Der Tuglanter entzog sich einer direkten Antwort.

»Ganz egal, wie oft. Jedes Mal setze ich meine Karriere aufs Spiel.«

»Mein lieber Armabond, wie ich dich bedaure«, äußerte der Graf süffisant. »In deinem Beruf als Erster Rat der Örtlichen Behörde verdienst du dreißigtausend ...«

»Einunddreißigtausend!«, schnappte Armabond.

»Also gut. Und wir zahlen dir fünfzigtausend. Sollte es dir da wirklich noch unklar sein, wo deine Loyalität zu liegen hat?«

»Um was geht es heute?«

»Rechnerzugriff.«

»Ihr bringt mich noch um Kopf und Kragen. Wenn das herauskommt ...«

»... bist du vertraglich abgesichert. Wir lassen unsere Vertrauensleute nicht im Stich.«

Der Tuglanter wusste darauf nichts zu erwidern.

Humbert führte ihn in den Raum, in dem Louisa wartete. Kurze Zeit später trat Langlon Brak aus der Tür zur Rechnerzentrale.

»Bis jetzt stimmt alles«, sagte er. »Turol Fant ist terranischer Staatsbürger. Er lebt nicht nur auf Turaloo, der Planet scheint ihm zu gehören.«

Armabond sah sich um.

»Heißt das, die Sache ist abgeblasen?«, fragte er.

»Keine Spur«, antwortete Langlon Brak trocken.

 

Tuglan als offene Handelswelt bot denen, die sich dort niederlassen wollten, alle Vorteile der modernen Informationstechnik. Nur wenige Welten waren mit mehr Hyperfunkkanälen an das interstellare Nachrichten- und Informationsnetz angeschlossen. Auf nur wenigen Planeten fand der interstellare Kaufmann es leichter, einen Rechneranschluss einzurichten und sich gegen ein verhältnismäßig geringfügiges Honorar ausreichendes Speichervolumen zu sichern.

Die Rechner waren, so lautete die von der Behörde ausgegebene Version, allesamt in privater Hand und voneinander unabhängig. Damit, so schien es, war die Sicherheit privater Informationen gewährleistet. Aber der Hohe Lord von Tuglan war ein misstrauischer Mann und eingedenk vieler Verschwörungen, die seinen Vorgängern das Leben schwergemacht hatten. Insgeheim war auf seinen Befehl ein Rechnerüberwachungsnetz eingerichtet worden, mit dessen Hilfe selbst die geheimsten Informationen privater Unternehmen abgegriffen werden konnten.

Man musste dem Hohen Lord zugestehen, dass er diese Möglichkeit nicht missbrauchte. Er verletzte das Informationsgeheimnis niemals aus purer Neugier, sondern nur dann, wenn er Grund zu einem Verdacht zu haben glaubte. Im Übrigen war nur eine sorgfältig ausgewählte Schar seiner höheren Beamten zur Benutzung des Überwachungsnetzes berechtigt. Es verwunderte daher nicht, dass tuglantische Privatinteressen von der Existenz des Netzes keine Ahnung hatten.

Armabond war nervös.

»Es wäre mir lieb, wenn ihr diese Sache so rasch wie möglich zu Ende bringen könntet«, sagte er. »Jede Minute in diesem Raum bedeutet ein großes Risiko für mich.«

Der Raum, von dem er sprach, befand sich in einem Kellergeschoss des Örtlichen Behördenzentrums und war mit Datengeräten vollgepfropft, von denen jedes direkten Zugriff zum Überwachungsnetz hatte. Der Zugang war mehrfach gesichert. Von den Beamten der Örtlichen Behörde hatte hier nur Armabond, der Erste Rat, unbeschränkten Zutritt. Er konnte indes untergeordnete Beamte zum Zutritt berechtigen.