Inhaltsverzeichnis

Impressum 3

Vorwort 4

Einleitung 8

1 Spengler – Sturm und Drang 19

2 Bergson – Das Leben im Gegensatz zum mechanischen Weltbild 24

3 Eine kurze Bestandsaufnahme als
Wissenschaftskritik 32

3.1 Realität und Weltbild 32

3.2 Die Paradoxien der Naturwissenschaft 35

3.2.1 Das ontisch-ontologische Paradox 35

3.2.2 Das epistemische Paradox 39

3.2.3 Das methodologische Paradox 42

4 Maturana – Der Baum der Erkenntnis 49

4.1 Das Halten in der Rekurrenz des Sprachhandelns 49

4.2 Wissenschaft und Wirklichkeit 54

4.3 Einheit und Teil 57

4.4 Organisation, Umwelt und Verhalten 59

5 Heidegger – Das Sein des Da 62

5.1 Der hermeneutische Zirkel des Seins 62

5.2 Die Charakterisierung des Daseins 65

5.2.1 Wer ist es? 65

5.2.2 Das In-sein 65

5.2.3 Die Unabgeschlossenheit des Daseins 66

5.2.4 Die Geworfenheit des Daseins 67

5.2.5 Das erschließende Verstehen 68

5.2.6 Ruf und Sorgestruktur des Daseins 70

5.3 Die Leitfäden der Wissenschaft 71

6 Whitehead – Prozess und Wirklichkeit 75

6.1 Das wirkliche Einzelwesen 75

6.2 Das ontologische Prinzip 77

6.3 Das subjektive Ziel der Erfüllung 78

6.4 Die Konkretisierung 81

6.5 Das Empfinden 87

6.6 Ordnung und Ordnungsschemata 95

6.6.1 Der Nexus 95

6.6.2 Leben als Katalysator von Ordnung 101

6.6.3 Das extensive Kontinuum 102

6.7 Theorie der Wahrnehmung 105

6.7.1 Physische, begriffliche und
umgewandelte Empfindungen 105

6.7.2 Gemischte Wahrnehmung und symbolischer Bezug 106

6.7.3 Begriffliche und physische Umwandlungen 109

6.7.4 Symbolische Verlagerung 112

6.7.5 Aussagen 114

6.7.6 Das Urteil und die emotionale Form 117

7 Fazit und Ausblick 120

7.1 Das Weltbild der Organistik 120

7.2 Organistik vs. Klassik 130

7.2.1 Theorie – das Skalpell des Wissenschaftlers 130

7.2.2 Rund um das Messproblem 132

7.2.3 Ist Wirklichkeit relativ? 138

7.2.4 Die bevorzugte Basis 142

7.2.5 Zustandsreduktion und Dekohärenz 143

7.3 Der Messprozess 145

7.3.1 Das Dasein als Beobachter 146

7.4 Moderne, Klassik und Organistik Hand in Hand 151

7.5 Der Informationsbegriff 153

7.5.1 Die Entropie als das verbindende Element 156

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2019 novum Verlag

ISBN Printausgabe: 978-3-99048-760-0X

ISBN e-book: 978-3-99048-761-7

Lektorat: Alexandra Eryigit-Klos

Umschlagfotos: Agsandrew, Sumkinn | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Vorwort

Fragen spiegeln im Voraus immer die ganze Not ihrer Zeit wider. Doch nicht nur zu fragen wie, sondern auch warum, bleibt ein kurioser, wundervoller und gleichsam typisch menschlicher Charakterzug. Es liegt in der Natur des Menschen sich seiner Existenz Rechtfertigung und Gewissheit zu verschaffen. Doch ob das Leben jemals verstanden, der Natur ein immanenter Sinn oder Zweck innewohnt, „… die Welt verstehen heißt sie auf Menschliches zurückzuführen, ihr einen menschlichen Siegel aufzudrücken“, so Camus.

Im lebendigen Zielen auf seine eigene Selbstbegründung symbolisiert der Geist dabei nicht nur die Emanzipation des Verstehens über das Empfinden, sondern auch einen dauernden Ort autonom, kreativer Emphase. Wir finden uns und unsere Bezüge zur Welt, als dem verstehenden Sein überantwortete Wesen, gerade in jenen Worten gemessenen reflexiven Bezügen und Begrifflichkeiten, die das Leben als Ablagerung des kreativen Strebens der Natur selbst einfängt.

Für Bergson „… gleicht das Leben einer Anstrengung, ein Gewicht zu heben das fällt und doch gelingt es immer nur seinen Sturz zu verzögern“. Als Weg sein eigener Prozess, ein sich selbst fortsetzendes Abenteuer, dass sich fortwährend das Fundament seiner eigenen Basis schafft. Sicherlich mit ständig wechselnden Charakteren, Intentionen und Epochen. Doch so liegt unabdingbar das Vermächtnis einer jeden solchen Periode nun gerade darin, das Mögliche durch den seiner Zeit und Phase erfüllten Körper und damit vollzogenen Standpunkten zu ergreifen, ohne sich jedoch dabei den Blick von der Tradition her verdunkeln zu lassen.

Der Begriff der Aufgabe ist nach Gasset Wesensbestandteil des Menschseins. Wir stehen somit selbst in der Verantwortung, denn jene erschöpft sich eben nicht nur damit zu sehen oder zu hören, sondern vielmehr darin, das Mögliche auszuschöpfen; nicht Erlösung, sondern das endlose Überwinden und Erheben ist Vermächtnis und Pflicht: Der Erlös des geborgten oder wie es nochmals Camus formulierte: „… der Mensch ist nicht ganz schuldig, da er die Geschichte nicht begann, aber auch nicht ganz unschuldig, da er sie fortsetzte“.

Letztlich führt so die Problematik des Seins im Sinne der Organistik, auf die Frage von Erfüllung im Rahmen von Möglichkeit und Ziel dieses unzerstörbar perpetuierenden Weltprozesses und Prinzips, welches sich in, mit und durch uns bewegt.

Vollzieht sich hingegen unser Leben zumeist entlang gewohnter und alltäglicher Bahnen, denen wir Sicherheit und Wohlstand verdanken, Zeit für uns, Zeit zu fragen finden, so lassen wir mitunter entlang dieser Wege auch viel zu viel unerledigt, immerfort aufgeschoben oder nie ausgesprochen zurück. Halten wir also für einen Moment inne, lassen unseren Gedanken freien Lauf und Blicke schweifen. Doch auch jene Sinnesfreuden und Stunden der Erkenntnis, in welchen wir jenes Mehr zu erfühlen glauben, bedeuten letztlich nichts, ohne sie zu teilen. Mit dem Verfassen dieser Schrift sehen wir unserseits uns nun der erdrückenden Last entledigt, all jene kostbaren Tage und Stunden durchschritten und aufgebraucht zu haben. Mag nun auch kaum das die Feder über das Pergament gestrichen, all jene Gedanken gezeichnet, die Klauen der Zeit bereits wieder nach ihnen greifen; doch welch Wahl bleibt uns, als dem Narrentreiben mit guter Miene zu zollen, was der Vernunft zuwiderläuft.

Symphonie des Lebens,

Währest nur ein Lachen lang,

Kaum das Kummer und Sorg im Tränenmeer ertrank.

Bangend Not, Stund’ um Stunde band,

Schon im Himmel sanft ertönt,

Engelsgleicher Schwangesang.

Entlang des Werdens und Verderbens Pfad,

Des sterblich größten Geschenks

Sein größter Schrecken ward.

Die Zeit drängt und duldet nicht,

Des Schicksals fein geknüpfte Stricke

Unerbittlich sie zerbricht.

Doch zu entreißen bin nun bereit,

Mich dem Sog der kreisend’ Zeit

Und zu brechen, gleich sie zerbrach.

Bizarr die Nacht sich endlos weitet,

Sehnsucht, die zum Lichte drängt.

In schwarzer Mystik prophetisch keimt,

Verheißung, welche alles zu geben

Und nichts zu fordern scheint.

Und hin zu jenen fernen Welten

Der Mensch sich sehnt,

Denn nur dort, wo er nicht sein kann,

Er sich glücklich wähnt.

Doch zu winzig um empor zureichen,

Zu groß auch um zu gleichen.

Entrückter Geist, der brenn’d Seel’ entsandt,

Mit Weisheit zu erfüllen,

Voll Ungeduld und Tatendrange

Das Verborgene zu enthüllen.

Doch nie gelingt’s, der unstillbar Dürste zu befrieden

Und aller Zweifel zu besiegen.

Denn nicht kann gefasst,

Was nicht umhüllt

Nicht entkleidet, was den Stoffe meidet.

Nicht kann genommen,

Was nur gegeben,

Nicht entzogen,

Was ewig zu währen, noch betrogen.

Nicht kann zerbrochen,

Was so behutsam gereift

Und doch, nicht lässt sich unterjochen

Der Sturm, der aller Herz und Seele streift.

Einleitung

Jede Zeit schreibt ihre eigenen Tragödien, besitzt ihre Höhe- und Wendepunkte. Und so folgte dann auch bald die Ernüchterung; denn dessen, was nur noch ein letzter notwendiger Schritt hätte sein sollen, zu einer Zeit, als man sich den Sternen schon so nah zu fühlen glaubte; lehrte uns zu bescheiden, von unseren Vorurteilen und Hoffnungen Abschied zu nehmen. Der Wunsch auf einer letztlich elementaren Ebene objektive und unveränderliche Einheiten vorzufinden, aus denen sich das Weltgerüst nach noch zu bestimmenden Gesetzen zusammensetzt, erfüllte sich nicht. Dennoch eröffnete sich ein Tor zu einer gänzlich neuen Welt, die es zu erschließen und darzustellen galt. Und die Arbeit war schnell getan, doch niemand wusste sie so recht einzuordnen. Ein erster und letztlich nie recht abgeschlossener Versuch mündete in der sogenannten Kopenhagener Deutung. Eine Art Kochbuch, welches zwar selbst keine Antworten, dafür aber doch einige nützliche Anleitungen für den sachgemäßen und rechten Gebrauch gab, um wenigstens den gröbsten Widersprüchen und Ungereimtheiten aus dem Weg zu gehen. Der Knackpunkt bleibt jedoch dabei gerade der Heilige Gral der Wissenschaft: Der Realitätsbegriff. Jener lässt sich in seiner naiven Fassung nicht mehr widerspruchslos in das moderne Weltbild integrieren.

Und so drängen, da die Zeit reif, nun die an und unter der Oberfläche schlummernden Fragen und Ideen, als Produkt einer gewissen Grundhaltung zum Vorschein und so wie alles sein Ziel hat, die Erfüllung dessen, was mit seiner Zeugung gesetzt war, gedeiht der Samen eben auch nur auf dem Boden, wo er Wurzeln zu schlagen vermag. So schöpft dieses Büchlein seine Kraft und Inspiration vornehmlich aus den ihr zugrunde liegenden Quelltexten der organistischen Philosophien, derer letztlich alle nur ein und denselben Gedanken in sich tragen; die Weltgeschichte als Bild einer ewigen schöpferischen Gestaltung und Umgestaltung, eines wunderbaren Werdens und Vergehens organischer Formen, einer metaphysischen Entmechanisierung, welche ein organisches Werden durch methodisches Missverstehen, als ein Mechanismus des Gewordenen begreifen wollte.

Nun lässt sich nach Spengler, zwar aus dem Charakter einer Gegenbewegung leicht ersehen was sie bekämpft, hingegen aber immer ebenso schwer erkennen, was sie eigentlich erreichen will.

Daten und Fakten waren das Symbol der letzten großen Epoche. Unsere Zeit ist das Alter der Prozess-, System- und Informationstheorien. Doch geben uns diese willkürlichen Elemente der Natur andererseits auch zu bedenken, dass wir uns immer in einer speziellen Phase der Naturgeschichte befinden. Dieser Exkurs will jedoch gerade das metaphysische Denken von diesen speziellen Epochen und den damit implizit vollzogenen Halte- und Standpunkten losgelöst wissen und zielt daher direkt auf das wohl höchste Transzendent: Natur als autopoietischer Prozess und selbst erhaltendes System verstanden. In der organistischen Philosophie verkörpert es die elementarste aller Tatsachen.

„Ein Prinzip dunkelgründig, als ob es nicht sei und doch ist es zwanglos aus sich selbst wirkend, gestaltenlos und doch voll zauberischer Kraft. Alle Dinge ernährt es und doch wissen diese nichts davon. Dies ist des Ursprungs Wurzel. Wer sie kennt, kennt nach Chuangtse Natur“.

Von nun stehen also nicht mehr Eigenschaft oder Maß, sondern System und Beziehung im Mittelpunkt des Interesses; eine Mechanik der Umbildungen, welche fortan die Operationen selbst mit einbezieht. Ein wechselseitig sich bedingendes und aufeinander bauendes Beziehungsgeflecht, mit Zug zur unendlichen Mannigfaltigkeit. Ein Standpunkt, der sich seiner Möglichkeiten und Grenzen vollends bewusst und nicht vom zufälligen Standort des Betrachters, als interessierendes Glied einer bestimmten Kultur abhängt, die ihn verführt, den Stoff aus einer beschränkten Perspektive zu lesen, ihm eine willkürlich an der Oberfläche anheftende Form – ausgehend von den zufällig gegenwärtig gültigen Idealen als Maßstäbe und Ziele zu geben.

Enthält die Moderne die klassische Physik als Grenzfall, so beruht hingegen die eigentliche versinnbildlichende Geistestätigkeit des Wissenschaftlers gerade auf dem entgegengesetzten Fall, in welcher die Klassik die Moderne als Grenzfall einschließt. Aber wie auch dem Geist Gewalt antun? Eine Paradigmenangleichung ist mit keinem Grenzübergang, Retuschieren und Modifizieren mehr zu erreichen.

Der Realitätsbegriff, dessen worauf sich die Wissenschaft in erster Instanz beruft und in höchster Abstraktion zu umgreifen versucht, bleibt die beobachterunabhängige Beschreibung einer Wirklichkeit, einer Realität wie sie Einstein geliebt, Bohr abgelehnt hätte. Das erklärte Ziel – der Titel dieses Büchleins – deutet es an; bleibt hingegen grade die Befreiung vom diesem Erkenntnisideal der klassischen Physik und die Darstellung einer ontologisch-epistemischen Alternative, mit Hinblick auf das Paradigma der Moderne.

War der Realitätsbegriff naiver Auffassung noch der große Motor und Triebkraft, so stellt er mittlerweile doch ein ebenso großes Hindernis dar, welches es ebenso hartnäckig zu beseitigen gilt. Es war der offensichtlichste, notwendigste und dennoch der Kardinalsfehler aller Erkenntnis – und Wissenschaftstheorien.

Doch der Naturwissenschaftler tut was er tun muss, aller Fortschritt respektive alles Scheitern, vollzieht sich nur an und durch greifbare Tatsachen. Die Tat kann sich nicht im Irrationalen oder an einem Ideal vollziehen. Somit bleibt der Wissenschaftler unausgesprochen Realist, wenigstens doch Pragmatist. Der Philosoph – bleibt er konsequent – muss sich hingegen vollends auf das Subjekt als Apriori aller Erfahrung stützen und mit ebenso entschiedener Vehemenz, alles darüber hinaus vernachlässigen. Hier liegt bereits eine jener Hürden einer gemeinsamen Naturbeschreibung verborgen. Wir brauchen eine metaphysische Erklärung, welche sich wieder mit der der modernen Naturtheorie zur Deckung bringen lässt. Es braucht darüber hinaus ein Naturbild, dass nicht auf äußere Gründe und Beweger angewiesen ist, denn Welt als ein solches Totalitär, kann definitionsgemäß keine äußeren, sondern nur innere Ursachen, Bewandtnisse und Wahrheiten haben.

Nun ist der Prozess der Selbsterschaffung dabei eben kein Kunstgriff, welcher die Urgründe nur nach innen verschiebt und so die Problematik sich immer weiter nach hinten verschiebenden Verlagerungen umgeht, sondern zielt vielmehr auf die mit diesem Prozess implizit geforderte ontologische Struktur und deren Freilegung. Eine unmittelbare Konsequenz und eine der Kernthesen der organistischen Philosophie bleibt dabei gerade die Feststellung, dass sich alle Probleme der Erkenntnistheorien nur als Rückgriff auf die Ontologien – und umgekehrt, verstehen und lösen lassen. Sie stellen keine getrennten Probleme, sondern verschiedene Aspekte ein und derselben Medaille dar. In Whiteheads Sprache wird der Begriff der fließenden Energie im Zuge physisch-begrifflicher Umwandlungen diesem Sachverhalt Rechnung tragen.

Das Prinzip der Selbsterschaffung scheint uns fremd und unwirklich und doch begegnet es uns nahezu auf allen elementaren Ebenen, angefangen von den inneren Zusammenhängen zwischen der Materie und den ihr inhärenten Gesetzmäßigkeiten, bis hin zur Selbstreplikation des Lebens. Im Allgemeinen betrachten wir diese gewöhnlich als Henne-Ei-Probleme, dessen Darstellungen sich gemäß traditioneller Philosophien versagen und erst mit dem Begriff der Gleichursprünglichkeit Heideggers eine gemeinsame Erklärung erfahren. Das Sein ist korrelativ mit seinem Werden verknüpft und damit zur zweiten Hauptthese und Präambel der der organischen Philosophie: Der Weg ist das Ziel.

In der Organistik besitzt einzig der Prozess unmittelbare Wirklichkeit. Epistemologisch ist somit nicht eine Unvollkommenheit des Erkenntnisvermögens schuld, sondern vielmehr die auf dieser Struktur beruhenden immanenten System – und Prozessgrenzen. Subjekt und Objekt lassen sich hier nicht mehr wie noch bei den traditionellen Philosophien trennen und erkenntnistheoretisch auf ein Entweder – Oder abstellen. Erkenntnis fußt in der Organik gerade auf der Verwobenheit der Dinge. Wirklichkeit bleibt somit jedoch immer auch ein perspektivischer Standpunkt und sein bestimmendes Element grade die Abgrenzung.

Es liegt in der Natur der Sache als Selbsterschaffungsprozess, dass dessen konstitutive Vollzugsformen aus einer zumeist komplementären Mitte heraus entwickeln und damit letztlich jedwede Möglichkeit von Allaussagen oder Letztbegründungen unterbinden, mehr noch, die Potenzialität welcher dieser Struktur immanent ist, uns so zu einem endlos sich fortsetzenden Abenteuer führt.

Potenzialität ist eine Freiheit sich entsprechend den Forderungen und Erfordernissen seiner Zeit anzupassen, zu evolvieren, den Zufall abzuwehren oder die Willkür des Schicksals zu antizipieren. Fortwährend wird dieser Brennstoff verbraucht.

Die organistische Philosophie will und kann kein Analogon zum naiven Realitätskonzept bereitstellen, denn gemäß ihrer Präambel richtet sie sich gerade am vollziehenden Prozess selbst aus. Doch im Gegensatz zu den traditionellen Philosophien erklärt sie auch nichts weg, sondern legt, wie es Weyl forderte „… unverblümt den Finger in die Wunde, anstatt diese geschickt zu umschiffen“.

„Ein metaphysisches Denken hat ohne letzte Gründe auszukommen, es muss sich selbst an den Abgrund bringen“, bekräftigt Heidegger. Dies leistet zweifelsfrei die organistische Philosophie, was man ihr vorab jedoch nicht unbedingt zu ihren Gunsten hin wertet. Wir fordern aber auch keinen Bonus oder Vorschusslorbeeren, denn einzig einen aufgeschlossenen Geist, der fähig und willens, sich über die Gewohnheit der täglichen begegnenden Welt, welche sich tief in das Knochenmark der Anschauung gegraben hat zu erheben. Die organistische Lehre, wonach reale Einheiten mehr sind als nur zusammengefasste Disjunktionen der enthaltenden Elemente, ist die Binsenweisheit der Kunst der Moderne. Ihre Motive sind die Gestalten und Formen, ein von Potenzialitäten sich nährendes Geflecht, in sich verwebende Strukturen, dessen Essenzen sich zu ganzheitlich geschlossenen Gebilden erheben, derer das Mögliche zum Wirklichen drängt. Sicher braucht es im Auge des Betrachters eine Zeit lang, das abstrakte in seiner bestechenden Brillanz zu erfassen, um die Antipoden und Symmetriebrüche aus denen es erwächst, aufzulösen. Doch schimmern erst einmal die Formen an der Oberfläche, ziehen sie ihre Bahnen und ergreifen Besitz, werden zum Dogma, aus dem auch das wissenschaftliche Paradigma erwächst. Naturwissenschaft und Philosophie verschmelzen so zu einem Ganzen, aber teilbare Aspekte einer einheitlichen Weltschau. Doch auch eine solche Philosophie wird nicht an einem einzigen Tage geschaffen, sondern durch gemeinsame, fortgesetzte und einander sich ergänzende, berichtigende und verbessernde Bemühungen Vieler, in dessen Zenit sich vielleicht die technisch formale Niederschrift finden wird.

So wies Nietzsche bereits darauf hin, „… dass kein Fluss durch sich selber groß und reich ward, sondern weil er gar viele Nebenflüsse aufnahm und fortführte“. Als eine dieser Strömungen und ständige Quelle der Inspiration, wie auch Nachschlagewerk, von der hier bisweilen vielleicht mehr Gebrauch gemacht wurde, als dies ursprünglich geplant war und Sitte ist, sei hier stellvertretend für alle eventuell nicht namentlich erwähnten Beiträge, Gedanken, Zitate oder Autoren, derer mit einer Vielzahl kleiner, dennoch wichtiger Beiträge und so hoffentlich zum Gelingen dieser Schrift beitrugen, das wissenschaftliche Forum Wikipedia genannt. In jedem Falle ist und bleibt dieses Werk weder die Stimme eines einzelnen Autors, noch bloßes Sammelsurium einiger Jahrhunderte abendländischer Kultur, als vielmehr Fragment oder Skizze einer sich weiterentwickelnden Schrift- und Gedankenmasse, die der Mitarbeit weiterer bedarf. Es ist die Suche in der Vielfalt und Fülle der Erscheinungen, einfache und allgemeine Prinzipien anzugeben, das Verlangen das Gefüge der Welt in einer umfassenden Struktur und Methodologie einzugliedern, auch wenn es für Camus „… nichts gibt, was das vergängliche Spiel der Erscheinungen zu transzendieren vermag, folglich das Scheitern am Ende des Geistes steht“.

Verbunden mit diesem Abenteuer stellt sich gleichfalls die Frage nach einer geeigneten Form der Darstellung. Feuerbach sah „… in jedem Werk ein Brief an die Menschheit…“ und „… um einen guten Liebesbrief zu schreiben – so der von seinen Leidenschaften geknechtete Rousseau – muss man anfangen ohne zu wissen, was man sagen will und enden, ohne zu wissen was man gesagt hat“. Einigen wir uns daher in der Mitte und versuchen den Funken, welcher einer schier unstillbaren Leidenschaft seit jüngsten Jahren entsprungen, hier am Leben zu erhalten und ihn im Gegenzug, in eine für den Leser und des Werkes dienliche Form zu zwängen.

So sahen wir uns daher gezwungen, einen Kompromiss dergestalt einzugehen; zum einen unter der Wahrung grade des Ziels dieses Buches, eben den Leser für die organistische Philosophie zu gewinnen und gleichsam die Interessen des Lesers selbst, im Hinblick auf Lesefluss und Verständnis zu wahren, welches jedoch ein pausenlos fortgeführtes Quotieren, Verweisen und Zitieren – wiederum den Belangen der einzelnen Autoren Rechnung tragend – diesem Ziele wohl entgegenstehen würde und nicht zuletzt eine unwirkliche Zerstücklung ihrer Werke und Gedankengänge zur Folge hätte, sodass wir uns letztlich der Pflicht und Schuldigkeit ausgesetzt sahen, auf einen einheitlichen Gesamtaufguss von Gleichklang und Synthese zu zielen, welcher weitestgehend für den Erhalt der inneren Ästhetik, jener bereits in der Geschichte verewigten Werke bürgt, deren wir uns als Quelle wie Werkzeug; frei jener großen Worte und Gedanken hier zu bedienen gedenken. In Schopenhauer noch einmal Bestätigung findend: „Schönheit ist ein Empfehlungsbrief, welcher es vermag, die Herzen im Voraus zu gewinnen“.

Doch ein einziges Buch kann nicht alle Gebiete erschöpfend behandeln und will es auch nicht, sondern nur insoweit es für seinen engeren Rahmen und für sein Eigeninteresse von Gewicht ist. Es bleibt daher immer eine Gratwanderung von allgemeiner ästhetischer Überzeugungskraft und fachlich akribischer Spezifikation, wie etwa der zwischen Bergson und Whitehead. Bergson mit seiner ästhetisch, bildhaften Sprache, die sanft an der Oberfläche ohne jedweden Widerstand entlang gleitet und somit der Intuition Tür und Tor öffnet. Ihm gegenüber steht Whitehead, der wohl als der eigentliche Begründer der organistischen Philosophie angesehen werden darf. Whitehead – Genie und mathematischer Akribiker, dessen Lebenswerk jedoch nicht ohne eine gewisse Ironie ist. Kaum vor der Vollendung stehend, brachte ein junger bis dahin weithin unbekannter Mathematiker sein epochales Werk zum Einsturz. Whitehead flüchtet in die Philosophie. Doch sollte es weniger eine Flucht, denn Befreiung werden. In bereits reifem Alter beginnt er mit dem Ausbau seiner eigenen Philosophie. Ob er sich selbst darüber klar war, wie weit sie doch gerade dem entgegensteht, was ihn zur eigentlichen Aufnahme der Arbeit an der der Prinzipia motivierte?

Irgendwo dazwischen finden wir Spengler – Mathematiker sicher – doch vielmehr auch ein literarischer Wagner, dessen metaphysischer Sturm durch unsere Einführung weht. Heidegger, der wie Whitehead die Zeichen der Zeit erkannt und richtig gedeutet hat und mehr noch, in sicher oft gewöhnungsbedürftigen Neologismen, uns das Unausdrückbare fast kafkaesk vor Augen führt. All jene Autoren stehen – bekennend oder nicht – wiederum in der Tradition der europäisch abstrakten Philosophien.

Die Hauptgefahr für die Philosophie liegt nach Whitehead in der Enge der Auswahl des Anschauungsmaterials, was wiederum auf Berührungsängste einzelner Gruppen, Denkschulen oder gar Epochen beruht. Hier kommen sechs Autoren mit verschiedenen Temperamenten, Denkschulen und teils unterschiedlichen Epochen und Intentionen zu Wort, die um einen weiteren Sprecher erweitert werden, dessen subjektive, doch nicht zuletzt dogmatische Stimme eisern gewillt ist, diese Abhandlung in die gewünschte Richtung zu treiben, daher all jene Philosophien und Werke eben nur insoweit versklavt, wie es gerade dem Werk, welches unter dem Banner der organistischen Philosophie weht, von Bedeutung und Eigeninteresse ist. Daher mögen sich im Zuge dieser Synthese und Auslegung, gelegentlich ungehörige Kürzungen, Angleichungen und streitbare Interpretationen auffinden lassen, dennoch sind wir der festen Überzeugung, dass all jene Autoren und Denker, Philosophen und Naturwissenschaftler, diesen organistisch konzipierten Gesamtaufguss so unterzeichnet und gut geheißen hätten.

Wenn das Leben aus der Vielzahl jener schmerzhaften Lektionen, die es die Freundlichkeit hatte uns zu erteilen, eins lehrte, dann eben die Erkenntnis des goldenen Mittelweges. Glaubte sich Kant noch als ein solcher Vermittler, so brachen letztlich doch erst Heidegger und Whitehead mit den traditionellen Subjekt-Objekt Philosophien. Doch gleich wo oder wie man gewillt ist anzusetzen, bleibt das Leben in seiner Unmittelbarkeit, Bedeutung und Gewissheit, die einzig uns verfügbare und wahrnehmbare Stimme und verkörpert grade in seiner typisch immanenten Rück- und Selbstbezüglichkeit, einen ersten Hinweis auf das Prinzip der Natur und des Seins, das im Leben eben selbst schon je zu Worte gekommen ist.

Folglich wurde so das Leben für all jene Autoren selbst zum Ausgangspunkt und zentralen Thema ihrer Philosophien. Es kennzeichnet den Beginn und Endpunkt allen Strebens und nicht zuletzt wissenschaftlichen Handelns, gleichwohl es nur die Spitze, das Konzentrat einer universellen Bewegung symbolisiert, welches die organistische Philosophie systemisch zu umgrenzen und prozessual zu beschreiben versucht. Doch wenn wir uns somit eingestehen, dass der Aspekt des Lebens eben selbst nicht mehr vernachlässigbar, sondern stets mit einzubeziehen ist, dann impliziert dies bereits auch den Bruch mit den traditionellen Philosophien und Weltbildern.

Bewusstsein ist das Empfinden seiner selbst, ein selbstbewegendes Prinzip einer organischen Form; auch wenn ihr Körper noch ganz Natur, so drängt der Mensch doch immer mehr in dieses organische hinein, in sein eigenes Prinzip, sein eigenes Wachstum und Werden. Doch somit dürfen wir nicht naiver Weise glauben, das dabei nur ein einziger Blick, nur eine Periode oder Theorie, nur eine Logik genügt, um die Welt in all ihren Facetten, Variationen, Zusammenhängen, Gestalten und Formen, ihren Zusammenhalt und organischen Bezügen, Relationen und Ordnungen, ihrer Potentialität und freien Variablen zu erfassen und darzustellen.

Natur verkörpert in diesem Bilde kein fertiges mechanisch-urwerkliches-Etwas, das wir nur der Erkenntnis gegenüber zustellen und uns dabei fortwährend immer näher heranzutasten haben; sondern muss als eine wechselseitig sich bedingende Strukturganzheit – wie die Evolution selbst, also vielmehr als ein Weg und zwar voller Irrtümer, Widersprüchlichkeiten und gegenläufigen Bestrebungen verstanden werden.

Natur besitzt somit kein eigentliches raumzeitliches, doch sehr wohl ein ontologisch-epistemologisches Zentrum: Die Mitte der Gegenwärtigkeit; verwirklicht in und durch seinen autonomen Derivaten, Reflexionen, Rekurrenzen und Resonanzen – den Absprüngen des Selbst auf das Selbst und damit auf das Mögliche einer noch zu verwirklichen Zukunft und gleichursprünglich seiner Vergangenheit.

Auch wenn nun jede neue Philosophie kraft ihres Schwunges und gefestigten Selbstbewusstseins zur Überwindung drängt, so liegt es doch auch im Wesen der Natur und insbesondere des organistischen Prinzips selbst, fortwährend an den eigenen Grenzen zu rütteln. Vielleicht ist Philosophie zu einem guten Teil einfach auch nur eine notwendige Freiheit, eine tief immanente reflexive Haltung im Zuge der Selbsterhaltung, neue Wege, Mittel und Methoden verfügbar zu machen, um die eigenen Grenzen zu überwinden. Diese Schrift ist daher nicht als eine streng wissenschaftliche Abhandlung verfasst, sondern soll vielmehr dazu verführen, ein wenig zu sinnieren, abzuschweifen und zu hinterfragen. Nichtsdestoweniger kann aus dem hier zum Methode und Prinzip erklärten, Kraft geschöpft, Sinn und Wert abgeleitet werden und Aufbruch zu neuen, aufregenden Ufern erfolgen. Es gibt somit ein gemeinsames Band, welches in seiner unerreichbaren Gänze zur Einheit fließt; mag es auch nicht geschlossen darstellbar oder gar irrational erscheinen, das Ideal somit auch immer an der Tat und Wirklichkeit zerbrechen, gleichsam es doch auch kein Rechtsanspruch auf Harmonie und Gleichklang gibt. Denn die Wesenszüge sind niemals gänzlich verwirklicht, sondern immer nur auf dem Weg dorthin und nach der Organistik ist jener wiederum gerade das Ziel.