Brenda Harlen, Christy Jeffries, Leanne Banks, Rachel Lee

BIANCA EXTRA BAND 37

IMPRESSUM

BIANCA EXTRA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRA
Band 37 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

© 2015 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „Merry Christmas, Baby Maverick“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: SPECIAL EDITION
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Valeska Schorling

© 2016 by Christy Jeffries
Originaltitel: „A Marine for His Mom“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: SPECIAL EDITION
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Tatjána Lénárt-Seidnitzer

© 2015 by Leanne Banks
Originaltitel: „A Princess Under the Mistletoe“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: SPECIAL EDITION
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Patrick Hansen

© 2015 by Susan Civil Brown
Originaltitel: „A Cowboy for Christmas“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: SPECIAL EDITION
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Renate Moreira

Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2016 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733732653

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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BRENDA HARLEN

Küss mich einmal - und immer wieder

Sie war für ihn das Märchen einer Nacht – dass Kayla jetzt ein Kind erwartet, ist für Trey ein Schock. Trotzdem wird er sie natürlich heiraten! Aber sie weigert sich, ihm das Jawort zu geben …

CHRISTY JEFFRIES

Dieses Begehren in deinen Augen ...

„Ich darf mich nicht in ihn verlieben!“ Maxine will keinen Mann wie Matthew, für den „Familie“ ein Fremdwort ist. Er ist tabu – das müssen auch die Schmetterlinge in ihrem Bauch endlich verstehen …

LEANNE BANKS

Eine Prinzessin unterm Mistelzweig

Glänzende Kinderaugen und Plätzchenduft – Sara träumt von einem sinnlichen Weihnachtsabend mit ihrem neuen Boss und seinen Kindern. Leider ist das unmöglich: Gavin weiß nicht, wer sie wirklich ist …

RACHEL LEE

Heiligabend in seinen Armen

Rory McLane stellt klar, dass er auf der Ranch nur eines sucht: die Einsamkeit! Abby soll den Haushalt führen – mehr nicht. Doof nur, dass er schon bald nur noch an ihre roten Lippen denken kann …

Küss mich einmal - und immer wieder

PROLOG

4. Juli

Als Trey Strickland nach langer Zeit Kayla Dalton auf der Hochzeit des Ranchers Braden Traub mit Jennifer MacCallum wiedersah, blieb er wie angewurzelt stehen.

Er war nur zu Besuch aus Thunder Canyon, doch seine Familie hatte in seiner Jugend mehrere Jahre in Rust Creek Falls gelebt. Sein damals bester Freund Derek Dalton hatte zwei ältere Brüder, Eli und Jonah, und zwei jüngere Schwestern, die Zwillinge Kristen und Kayla.

Trey hatte Kayla als hübsches, stilles Mädchen mit einem scheuen Lächeln in Erinnerung, aber inzwischen war sie erwachsen. Und wie! Aus dem Mädchen war eine attraktive Frau mit glänzendem dunklem Haar, blitzenden blauen Augen und sehr weiblichen Rundungen geworden. Beim Anblick ihrer langen, schlanken Beine unter ihrem kurzen Sommerkleid, ihrer schmalen Taille und ihrer runden Brüste unter dem Mieder musste er schlucken.

Sie sah absolut umwerfend aus – sexy und verführerisch. Leider war sie immer noch die kleine Schwester seines besten Freundes und daher tabu für ihn.

Kayla war diese Tatsache jedoch offensichtlich nicht bewusst, denn bei seinem Anblick stellte sie ihr Sektglas weg und ging um die hölzerne, extra für die Hochzeit im Park aufgebaute Tanzfläche herum.

Zielstrebig bewegte sie sich auf ihn zu – mit überraschend langen Beinen für eine so kleine Frau.

Es machte Trey Spaß, sie zu beobachten. Zu seiner Freude blieb sie direkt neben ihm stehen und sah ihn entschlossen und mit einer Spur Nervosität an. „Hallo, Trey.“

Er nickte ihr zu. „Hi, Kayla.“

Aus irgendeinem Grund schien sie das zu verblüffen. „Woher weißt du, dass ich Kayla bin?“

„So lange bin ich nun auch wieder nicht aus Rust Creek Falls weg.“

Sie errötete. „Ich meine … woher weißt du, dass ich nicht Kristen bin?“

„Keine Ahnung“, sagte er, obwohl es ihm nie schwergefallen war, die Zwillingsschwestern seines Freundes auseinanderzuhalten. Sie sahen zwar identisch aus, hatten aber völlig unterschiedliche Persönlichkeiten, und Trey hatte schon immer eine Schwäche für die schüchternere der beiden Schwestern gehabt.

Gott sei Dank bestand sie nicht auf einer Erklärung, sondern richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Tanzfläche. „Die beiden sind ein schönes Paar, findest du nicht?“

Trey folgte ihrem Blick zu der Braut und dem Bräutigam und nickte.

Sie unterhielten sich noch ein bisschen über die Hochzeit und andere Dinge. Als zwei ältere Frauen mit Tabletts durch die Menge gingen, um die erfrischend kalte Hochzeitsbowle an die Gäste zu verteilen, nahm Trey zwei Becher und reichte einen davon Kayla.

Nachdem sie ausgetrunken und die leeren Becher weggestellt hatten, drehte er sich zu ihr um. „Möchtest du tanzen?“

Seine Aufforderung schien sie zu überraschen. Sie zögerte einen Moment, nickte dann jedoch. „Ja, gern.“

War ja klar, dass ausgerechnet in diesem Augenblick ein langsamer Schmusesong kam. Als Trey Kayla in die Arme nahm und ihren schlanken Körper spürte, fühlte er sich ähnlich elektrisiert wie nach einem starken Whisky.

Eine Haarsträhne hatte sich aus ihrem Haarknoten gelöst und kitzelte ihn am Hals. Ihr verführerischer Duft stieg ihm in die Nase, brachte sein Blut in Wallung und vernebelte ihm die Sinne.

Trey versuchte, einen klaren Kopf zu behalten. Nur weil sie eine attraktive Frau war und er sich zu ihr hingezogen fühlte, musste er seinen Begierden noch lange nicht nachgeben. Aber es fiel ihm verdammt schwer, ihr zu widerstehen, wo sie sich doch so gut in seinen Armen anfühlte.

Als der Song endete, führte er sie von der Tanzfläche weg und durch die Gäste hindurch in den Schatten des Pavillons.

„Ich dachte schon, du willst mich in die Pension mitnehmen“, zog Kayla ihn auf.

Die Vorstellung war mehr als nur ein bisschen verlockend. „Das würde ich vielleicht sogar machen“, antwortete er. „Wenn ich wüsste, dass du mitkommst.“

Sie erwiderte seinen Blick lange und nickte dann langsam. „Das würde ich tun.“ Ihr verführerischer Blick unterstrich ihre Worte.

Doch Trey zögerte immer noch, denn sie war Dereks Schwester und daher tabu für ihn. Auf der anderen Seite war sie so verdammt hübsch und sexy, und die Sterne spiegelten sich so romantisch in ihren Augen … sie war einfach hinreißend … unwiderstehlich geradezu.

Trey kämpfte mit sich. Sein Widerstand löste sich in Luft auf. Er senkte den Kopf, um sie zu küssen.

Und sie kam ihm willig entgegen.

Als sie sich an ihn schmiegte, versetzte sie ihn förmlich in Flammen. Er schlang die Arme um sie und zog sie an sich, seinen Kuss vertiefend. Sie erwiderte seinen Kuss nicht nur, sondern übernahm sogar selbst die Initiative. Die unschuldige und schüchterne Kayla Dalton war offensichtlich nicht so unschuldig und schüchtern, wie er immer geglaubt hatte – eine Erkenntnis, die sein Verlangen noch mehr anstachelte.

Er wollte sie, und zwar sofort. Und so, wie sie sich an ihn presste, wollte sie ihn auch. Als er die Lippen von ihrem Mund löste, stieß sie einen Protestlaut aus und presste sich an ihn.

„Vielleicht sollten wir lieber an einen unbeobachteten Ort gehen“, schlug er vor.

„Klingt gut“, antwortete sie, ohne zu zögern.

Trey zog sie mit sich davon.

1. KAPITEL

Zufrieden verließ Kayla die Parfümerie. Es war erst der 1. Dezember, und sie war schon mit ihren Weihnachtseinkäufen fast fertig. Jetzt hatte sie sich eine heiße Schokolade verdient.

Auf dem Weg zum Café im Einkaufszentrum ging sie an einer langen Schlange mit Kindern vorbei, die ungeduldig an den Händen ihrer Eltern oder Großeltern zerrten, und an Babys, die in Trageschalen oder auf dem Arm ihrer Eltern schliefen. Sie alle standen an, um den Weihnachtsmann zu sehen.

Unwillkürlich blieb Kayla stehen, als ihr Blick auf ein junges Elternpaar fiel, das auf den Mann mit dem roten Kostüm zuging und ihm behutsam ein schlafendes Baby in die Arme legte. Als das Baby die Augen aufschlug und den Fremden sah, stieß es einen markerschütternden Schrei aus.

Während die Eltern versuchten, ihre kleine Tochter zu beruhigen, damit der ungeduldige Fotograf das erste Foto ihres Kindes mit dem Weihnachtsmann knipsen konnte, wurde Kayla plötzlich bewusst, dass sie nächstes Jahr um diese Zeit vielleicht das Gleiche machen würde. Nur dass es dann keinen Vater auf ihrem Foto geben würde – niemanden, der mit ihr gemeinsam ihr unglückliches Baby trösten würde.

Denn Kayla war alleinstehend. Unverheiratet … und einsam. Eine werdende alleinerziehende Mutter mit einer Riesenangst vor der Verantwortung.

Sie wusste immer noch nicht, wie ausgerechnet sie in diese Situation gekommen war. Eigentlich war sie vernünftig und beherrscht – nicht der Typ Frau, der impulsiv oder leichtsinnig handelte.

Zumindest bis zum letzten Unabhängigkeitstag, als sie Treys Aufforderung gefolgt war, ihn zu seinem Pensionszimmer zu begleiten. Ein Becher Hochzeitsbowle, und ihre Schulmädchenfantasien über den Mann, der der beste Freund ihres Bruders war, waren wieder aufgelebt. Ein einziger Tanz hatte zu einem Kuss geführt – und der wiederum zu einer impulsiven Entscheidung, die zu einer ungewollten Schwangerschaft führte.

Natürlich musste sie Trey sagen, dass diese Nacht nicht ohne Folgen geblieben war, aber das hatte sie bisher nicht fertiggebracht, da er sich anscheinend an nichts erinnern konnte. Sogar jetzt noch, fünf Monate später, brannten ihr deswegen vor Scham die Wangen.

Kayla gehörte nicht zu den Frauen, die wahllos mit Männern schliefen. Trey war erst der zweite Mann, mit dem sie überhaupt Sex gehabt hatte, doch er hatte zu viel von der Hochzeitsbowle getrunken, über die man später munkelte, dass sie mit etwas Stärkerem versetzt worden war, und konnte sich daher nicht mehr an ihre Nacht in der Pension erinnern. Kayla war zunächst erleichtert – und dann ein kleines bisschen verletzt gewesen, als Trey Rust Creek Falls verlassen hatte, ohne auch nur ein Wort über sie beide zu verlieren.

Doch sie hatte erfahren, dass er bald zurückkehren würde. Er wohnte zwar nicht mehr in Rust Creek Falls, besuchte dort aber dreimal jährlich seine Großeltern – Gene und Melba Strickland. Seine und Kaylas Wege würden sich also wieder kreuzen, und dann musste sie ihm endlich erzählen, dass sie von ihm schwanger war.

Bisher hatte sie ihre Schwangerschaft erfolgreich geheim gehalten. Nur ihre Schwester Kristen kannte die Wahrheit. Gott sei Dank sah man noch nicht viel, und das kalte Wetter in Montana kam Kayla entgegen, um ein kleines Bäuchlein unter weiten Flanellhemden oder Pullovern zu verstecken.

Trotz der denkwürdigen Umstände freute sie sich auf das Baby. Angst machte ihr nur, dass sie es allein erziehen müsste. Ihre Eltern würden zwar nicht gerade begeistert auf die Neuigkeit reagieren, würden das Baby aber akzeptieren und genauso lieben und unterstützen wie Kayla.

Kayla musste lächeln, als sie ein leichtes Treten in ihrem Bauch spürte. Seit sie ihr Baby bei einem Ultraschall gesehen hatte, liebte sie es schon jetzt mehr, als sie je für möglich gehalten hätte, doch sie bezweifelte, dass Trey diese Gefühle teilen würde. Vor allem da er sich noch nicht mal daran erinnern konnte, mit ihr geschlafen zu haben.

Sie verdrängte diese Sorgen und reihte sich in die Schlange vor dem Café ein. Nachdem sie die Getränkekarte studiert hatte, entschied sie sich für eine heiße Pfefferminzschokolade mit Extra-Schlagsahne und Schokoladen- und Zuckerstangenstreuseln.

Als sie damit zu einem leeren Tisch ging, musste sie wieder an Trey denken. Und wenn er nun abstritt, der Vater zu sein? Das süße Getränk hinterließ plötzlich einen schalen Geschmack in ihrem Mund. Treys Zurückweisung wäre ein schwerer Schlag für sie, aber damit musste sie rechnen. Warum sollte er ihr glauben, dass er der Vater ihres Kindes war, wenn er sich noch nicht mal an den Sex mit ihr erinnern konnte?

„Die Welt ist wirklich klein, nicht wahr?“

Kayla errötete, als sie Treys Großmutter mit einer Tasse Kaffee neben ihrem Tisch stehen sah. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Stimmt.“

„Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mich zu Ihnen setze?“

„Nein, natürlich nicht.“ Im Café waren nur wenige freie Plätze, und es wäre seltsam, getrennt voneinander zu sitzen. Kayla kannte die Stricklands nämlich schon seit Ewigkeiten.

Melba und Gene waren liebe Menschen, wenn auch ein bisschen altmodisch. Oder einfach nur alt – vermutlich Ende siebzig oder Anfang achtzig, niemand wusste das so genau. Ihre Pension war bei Besuchern in Rust Creek Falls sehr beliebt, vorausgesetzt, sie störten sich nicht an Melbas strengen Regeln. Unter anderem vermietete sie nicht an unverheiratete Paare, und sie duldete keinen heimlichen Übernachtungsbesuch ihrer Gäste. Ein Verbot, das Kayla und Trey am 4. Juli skrupellos übertreten hatten.

„Himmel, ist das voll hier.“ Melba setzte sich zu Kayla an den Tisch. „Dabei haben wir gerade erst den 1. Dezember. Anscheinend hat heute ganz Kalispell beschlossen, Weihnachtseinkäufe zu machen.“

„Ganz Kalispell und halb Rust Creek Falls“, stimmte Kayla zu.

Die ältere Frau lachte. „Sieht so aus, als hätten Sie auch schon früh angefangen“, stellte sie fest, als sie die vielen Einkaufstüten unter dem Tisch sah.

„Stimmt.“ Kayla leckte etwas Sahne von ihrem Löffel.

„Ich liebe Weihnachten“, gestand Melba. „Das Einkaufen, das Geschenkeeinpacken, Dekorieren und Backen. Aber am meisten freue ich mich, Zeit mit meiner Familie und Freunden verbringen zu können.“

„Bekommen Sie an den Feiertagen Besuch?“

„Ich hoffe doch. Wir haben schon Claire, Levi und Bekka bei uns, und Claires Schwestern haben auch schon angedeutet, dass sie Weihnachten kommen wollen.“

Die beiden Frauen unterhielten sich noch ein bisschen über das bevorstehende Weihnachtsfest, bis Melba einen Blick auf die Uhr an der Wand warf. „Großer Gott!“, rief sie erschrocken. „Ist es wirklich schon so spät? In drei Stunden treffe ich mich mit Gene zum Abendessen, und bisher habe ich erst eine Tasse Kaffee gekauft!“

„Hat Ihr Mann Sie in die Stadt begleitet?“

Die ältere Frau nickte. „Ja, wir haben Karten für Dickens’ Ein Weihnachtsmärchen.“

„Die Aufführung wird Ihnen bestimmt gefallen. Die Besetzung ist toll, vor allem Belle.“

Melba lächelte, da Kaylas Zwillingsschwester diese Rolle spielte. „Sie sind natürlich überhaupt nicht voreingenommen“, sagte sie augenzwinkernd.

„Na ja, ein bisschen schon.“ Kaylas Schwester war immer schon eine Theaternärrin gewesen. Die Rolle von Scrooges früherer Verlobter war zwar keine Hauptrolle, bot ihr jedoch die Möglichkeit, auch in ihrer Heimat auf einer Bühne zu stehen. Kayla nutzte die Gelegenheit, um hinter der Bühne auszuhelfen. Zu ihrer Überraschung machte ihr das großen Spaß – und sie war dankbar für die Ablenkung von ihrer derzeitigen Situation.

„Lissa und Gage haben es sich letzte Woche angesehen und fanden die Kostüme spektakulär.“

„Es hat mir Spaß gemacht, sie zu schneidern“, gab Kayla zu.

„Aber Sie haben keine Lust, selbst eines Ihrer Kleider auf der Bühne zu tragen?“

„Absolut nicht.“

„Wissen Sie, wegen Kristens Fähigkeit, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, fragen sich einige Leute schon, ob sie vielleicht der Rust Creek Rambler ist.“

Kayla runzelte die Stirn. „Soll das ein Witz sein?“

„Natürlich kann ich von Ihnen nicht erwarten, mir zu verraten, ob Ihre Schwester die Autorin der Klatschkolumne ist.“

„Nein, das ist sie nicht“, antwortete Kayla entschieden.

„Na ja, Sie müssen es ja wissen. Man sagt, dass Zwillinge keine Geheimisse voreinander haben. Außerdem hat Kristen mit dem Theaterstück und ihrem neuen Verlobten bestimmt alle Hände voll zu tun. Wann sollte sie da Zeit für die Kolumne finden?“

„Ich wundere mich bloß, dass man sich erst jetzt für die Identität der Autorin interessiert. Immerhin gibt es die Kolumne schon seit drei Jahren.“

„Dreieinhalb“, korrigierte Melba sie. „Ich vermute, das Interesse ist gewachsen, weil manche glauben, der Rambler sei für die versetzte Hochzeitsbowle verantwortlich.“

Kayla sah die ältere Frau entsetzt an. „Wie kommen die Leute denn darauf?“

„Na ja, die Ereignisse jener Nacht haben eine Menge Gesprächsstoff für die Kolumne geliefert“, erklärte die ältere Frau. „Kann doch sein, dass das beabsichtigt war.“

„Eine schreckliche Vorstellung!“

„Nicht wahr?“ Melba trank ihren Kaffee aus und stellte ihre Tasse weg. „Dem Rambler ist übrigens auch nicht entgangen, dass mein Enkel Trey und Sie sich auf der Hochzeit nähergekommen sind.“

Kayla ließ auch ihren Namen ab und zu in der Kolumne fallen, damit niemand Verdacht schöpfte, dass sie die Autorin war. Und da ihr Tanz mit Trey nicht unbemerkt geblieben war, hatte sie sich natürlich dazu äußern müssen. Sie führte ihren Becher an die Lippen und stellte fest, dass er leer war. „Wir haben ein bisschen getanzt“, gab sie zu.

„Mehr nicht?“ Melba klang fast enttäuscht.

Kayla errötete. „Nein, das war alles.“ Sie war noch nie eine gute Lügnerin gewesen, und Treys Großmutter zu belügen – die Urgroßmutter ihres Babys – fiel ihr nicht leicht, auch wenn es notwendig war.

Die ältere Frau seufzte. „Ich hoffe schon lange, dass Trey eines Tages eine Frau findet und heiratet. Von mir aus gern jemanden aus Rust Creek Falls, damit er wieder hierherzieht – oder zumindest öfter zu Besuch kommt.“

„Vielleicht hat er ja eine Freundin in Thunder Canyon“, sagte Kayla betont locker.

„Dann hätte er mir längst davon erzählt. Er trifft sich zwar öfter mit Mädchen, aber bisher war es nie etwas Ernstes.“

Kayla war noch gar nicht in den Sinn gekommen, dass der Vater ihres Babys mit einer anderen Frau zusammen sein könnte – oder im Sommer vielleicht sogar gewesen war. Bei der Vorstellung wurde ihr übel. Ein solches Verhalten traute sie Trey zwar nicht zu, aber niemand von ihnen hatte in jener Nacht klar denken können. „Wie dem auch sei, es war nur ein Tanz.“

„Mag sein.“ Melba stand auf. „Aber vielleicht entwickelt sich ja mehr daraus, wenn Sie ihn wiedersehen.“

„Hast du das ganze Einkaufszentrum leer gekauft?“, witzelte Kristen, als sie Kayla half, ihre Einkäufe in das Blockhaus der Circle D Ranch nördlich der Stadt zu tragen, in dem sie aufgewachsen waren und wo Kayla noch immer wohnte.

„Fast“, sagte Kayla und ließ ihre Einkäufe aufs Bett fallen.

„Das sieht ja interessant aus.“ Ihre Schwester griff nach der Tüte aus dem Kosmetikladen.

Kayla schlug ihre Hand weg. „Nicht herumschnüffeln.“

„Dann ist es also für mich?“

„Das wirst du erst zu Weihnachten erfahren.“

„Da wir gerade vom Einkaufen reden – du könntest ja mal die Läden in Thunder Canyon ausprobieren.“

Kayla zeigte auf den Haufen Einkaufstüten. „Sieht es so aus, als wäre das noch nötig?“

Kristen verdrehte ungeduldig die Augen. „Nur du und ich wissen, dass du deine Weihnachtseinkäufe schon so gut wie erledigt hast, aber das braucht ja sonst niemand zu erfahren. In Wirklichkeit würdest du natürlich Trey besuchen und ihm endlich sagen, was du ihm schon so lange verheimlichst.“

Schon bei der Vorstellung bekam Kayla Herzrasen, und das nicht nur wegen des Babys. Sie mochte Trey nämlich sehr und schwärmte schon seit einer Ewigkeit für ihn, auch wenn sie inzwischen mit anderen Männern ausgegangen war, seit er weggezogen war.

Doch ihre Schwärmerei war nie über harmlose Fantasien hinausgegangen – bis zur Nacht der Hochzeit. Mit Trey zu schlafen hatte alte Gefühle wiederaufleben lassen, und sogar jetzt noch hoffte sie insgeheim, dass er sich über die Neuigkeit mit dem Baby freuen, sie in die Arme nehmen und ihr gestehen würde, sie immer schon geliebt zu haben. Leider sah die Realität ganz anders aus. Seit ihrer gemeinsamen Nacht waren fünf Monate vergangen, und sie hatte nie auch nur ein einziges Wort von ihm gehört.

Er war vermutlich zu betrunken gewesen, um sich noch an ihre gemeinsame Nacht zu erinnern. Obwohl es natürlich auch eine andere, viel schrecklichere Möglichkeit gab: dass er nur den Ahnungslosen spielte, weil er bereute, was passiert war.

„Ich weiß, dass ich es ihm sagen muss“, räumte sie ein. „Aber ich kann doch nicht einfach so in Thunder Canyon auftauchen und ihm mitteilen, dass ich von ihm schwanger bin.“

„Warum nicht?“

„Darum.“

„Du drückst dich schon seit Monaten davor“, sagte Kristen. „Allmählich läuft dir die Zeit davon.“

„Glaubst du, das weiß ich nicht?“

Kristen warf ungeduldig die Hände in die Luft. „Keine Ahnung. Ich hätte jedenfalls nie damit gerechnet, dass du deine Schwangerschaft so lange verheimlichen würdest – weder vor mir noch dem Rest unserer Familie, und schon gar nicht vor dem Vater des Babys. Bisher habe ich versucht, Verständnis für dich zu haben, aber wenn du es ihm nicht bald sagst, übernehme ich das.“

Kayla wusste, dass das keine leere Drohung war. „Wie soll ich ihm denn sagen, dass er Vater wird, wenn er sich noch nicht mal daran erinnert, mit mir geschlafen zu haben?“

Kristen runzelte die Stirn. „Wovon redest du überhaupt?“

„Als ich ihn am nächsten Tag wiedersah, hatte er angeblich nur verschwommene Erinnerungen an die Nacht.“

„Viele Menschen hatten nach der Bowle einen Blackout.“

Kayla nickte. „Aber Trey hat offensichtlich gleich die ganze Nacht vergessen.“

„Okay, das könnte das Gespräch etwas unangenehm machen“, räumte Kristen ein.

„Ach wirklich?“

Kristen ignorierte Kaylas Sarkasmus. „Unangenehm oder nicht, du musst es endlich hinter dich bringen. Je eher, desto besser.“

Kayla seufzte. „Ich weiß.“

„Also … fährst du zum Einkaufen nach Thunder Canyon?“

„Dreihundert Meilen für ein paar Geschenke? Glaubst du nicht, Mom und Dad würden Verdacht schöpfen?“

„Ich glaube, die beiden sind gerade dein geringstes Problem.“

Kristen hatte natürlich recht. Sie hatte schon immer die Gabe gehabt, die Dinge auf den Punkt zu bringen. „Kommst du mit?“, fragte Kayla.

„Wenn ich mir am Theater zwei Tage am Stück freinehmen könnte, würde ich dich gern begleiten, aber das geht gerade nicht.“

Kayla nickte.

„Und nein“, fuhr Kristen fort, bevor Kayla etwas sagen konnte. „Das liefert dir keine Ausrede, um mit dem Gespräch bis nach Weihnachten zu warten.“

„Ich weiß“, grummelte Kayla, denn genau das hatte sie natürlich gehofft. Ihre Schwester kannte sie einfach zu gut.

RUST CREEK RAMBLINGS: L. A.-ANWALT HEIRATET

Tja, Leute, jetzt ist es offiziell: Der Anwalt der Stars und Starlets, Ryan Roarke, ist vom Markt, nachdem ihn ein hiesiges Cowgirl mit dem Lasso eingefangen hat! Was liegt also als Nächstes für den Anwalt aus Kalifornien an? Sucht er eine neue Bleibe in Montana, um in der Nähe seiner künftigen Frau Kristen Dalton zu bleiben? Noch sind keine Details über die bevorstehende Hochzeit bekannt, aber die Leute von Rust Creek Falls werden schon bald Näheres erfahren …

Trey Strickland lebte schon seit Jahren in der Nähe seines Arbeitsplatzes – des Thunder Canyon Resorts – , nutzte jedoch jede Gelegenheit, um seine Großeltern in Rust Creek Falls zu besuchen. Im Sommer war er zum letzten Mal bei ihnen gewesen.

Immer wenn er daran zurückdachte, musste er auch an Kayla Dalton denken. Das passierte häufig – und das war einer der Gründe, warum er sich so lange von Rust Creek Falls ferngehalten hatte.

Er hatte mit der kleinen Schwester seines besten Freundes geschlafen!

Und er bereute es nicht.

Kayla selbst schien das jedoch anders zu sehen. Sie hatte am nächsten Tag einfach so getan, als sei nichts zwischen ihnen passiert … und er hatte das Spiel mitgespielt.

Die Hochzeitsbowle hatte sie beide offensichtlich so enthemmt, dass sie sich zu etwas hinreißen ließen, was sie normalerweise nie tun würden. Von seiner Großmutter wusste er, dass die Bowle vermutlich versetzt worden war und die Polizei immer noch herauszufinden versuchte, wer dafür verantwortlich war.

Sein anfänglicher Schock über diese Nachricht war der Erleichterung gewichen, dass er jetzt zumindest eine plausible Erklärung für sein leichtsinniges Verhalten in jener Nacht hatte. Doch was auch immer in der Bowle gewesen war, hatte sein Körper längst ausgeschieden. Nur die Erinnerungen an Kayla waren geblieben.

Sogar als er die vertraute Straße nach Rust Creek Falls entlangfuhr, musste er wieder an Kayla denken. Er hatte ihr Gespräch bei der Hochzeit sehr genossen. Bis zu jeden Abend hatte er nie mehr als ein paar Worte mit ihr gewechselt und erst dann festgestellt, wie klug und witzig sie war. Hoffentlich würde er mehr Zeit mit ihr verbringen können, wenn er in der Stadt war.

Aber zuerst musste er sich bei ihr entschuldigen – etwas, das er schon am Morgen nach ihrer gemeinsamen Nacht getan hätte, wenn er sich klarer an alles erinnert hätte.

Normalerweise betrank er sich nie. Zwar traf er sich gern mit seinen Kumpels auf ein Bier, aber die Zeiten, in denen er morgens mit einem Kater aufwachte, waren längst vorbei. Was auch immer in dieser Hochzeitsbowle gewesen war, musste eine extrem starke Wirkung gehabt haben.

Es musste Morgen sein. Zumindest ließ das grelle durch die Vorhänge dringende Sonnenlicht darauf schließen. Ansonsten drang nur eine Tatsache bis zu Treys Bewusstsein vor: dass er verreckte. Zumindest fühlte er sich so. Seine Kopfschmerzen waren so unerträglich, dass er fast wünschte, ihm würde der Kopf tatsächlich zerspringen. Um seiner Qual ein Ende zu bereiten, spülte er verzweifelt eine Handvoll Aspirin mit einem halben Liter Wasser herunter und setzte sich mühsam auf.

Das leise Klopfen an seiner Zimmertür hallte wie ein Donnerschlag in seinen Ohren wider. Als seine Großmutter das Zimmer betrat, zog sie missbilligend mit der Zunge schnalzend die Vorhänge auf. Das Sonnenlicht schmerzte wie Messerstiche in Treys Augen.

„Aufstehen!“, rief sie. „Heute mache ich die Wäsche, und ich brauche dein Bettzeug.“

Trey zog sich die Decke über den Kopf. „Mein Bettzeug ist gerade beschäftigt.“

„Du solltest dir auch eine Beschäftigung suchen. Dein Großvater könnte zum Beispiel Hilfe beim Aufräumen des Schuppens gebrauchen.“

Trey versuchte zu nicken, doch sogar das schmerzte höllisch. „Gib mir eine halbe Stunde Zeit.“

Er duschte, zog sich an und richtete die Aufmerksamkeit wieder auf sein Bett, weil das hier kein Hotel und seine Großmutter nicht sein Zimmermädchen war, worauf sie ihn gern hinzuweisen pflegte. Also zog er das Laken von der Matratze und hörte dabei etwas zu Boden fallen.

Ein Ohrring?

Mühsam bückte er sich und hob den funkelnden Ohrring mit einem Stein in Tropfenform auf. Sofort musste er an den letzten Abend denken, als er neben Kayla Dalton am Rande der Tanzfläche gestanden und ihre Ohrringe bewundert hatte.

Kayla Dalton?!

Seine Finger verkrampften sich um das Schmuckstück. Er ließ sich auf die Bettkante sinken, als ihm weitere Erinnerungen kamen – so flüchtig wie bloße Schnappschüsse und völlig ohne jeden Zusammenhang. Er rieb sich die Schläfen und versuchte sich zu erinnern, was passiert war, doch sein Hirn weigerte sich zu kooperieren. Er wusste noch, dass er mit Kayla getanzt hatte, aber dann …?

Stirnrunzelnd versuchte er die Einzelteile zu einem vollständigen Bild zusammenzufügen. Kayla war im Mondlicht wunderschön gewesen, und sie hatte unglaublich gut gerochen. Ihre Lippen hatten verlockend weich ausgesehen. Er hatte den Wunsch verspürt, sie zu küssen, aber das hatte er bestimmt nicht getan. Schön und sexy oder nicht, sie war immer noch Dereks Schwester.

Doch als Trey die Augen schloss, spürt er plötzlich wieder ihren Mund unter seinen Lippen, ihren an ihn gepressten Körper. Da er noch nie viel Fantasie gehabt hatte, konnte das nur eines bedeuten: Es war tatsächlich passiert. Und auch ihr Ohrring in seinem Bett ließ nur einen Schluss zu – dass Kayla hier gewesen war.

Unfassbar, dass er sich noch nicht mal daran erinnern konnte! Natürlich war es auch möglich, dass sie zwar zusammen ins Bett gegangen, dann jedoch eingeschlafen waren. Nichts, worauf er besonders stolz wäre, aber unter den gegebenen Umständen vermutlich das bestmögliche Szenario.

Trey steckte den Ohrring in seine Hosentasche und zog die Decke und das Kopfkissen ab, wobei er die Bezüge ausschüttelte, um sich zu vergewissern, dass sich keine weiteren Schätze darin verbargen. Gott sei Dank war das nicht der Fall. Doch dann sah er etwas Eckiges unter dem Bett hervorlugen – und hob ein leeres Kondompäckchen auf.

Fluchend schloss er die Augen.

Als Trey Kayla Dalton später am Tag wiedersah, konnte er immer noch nicht glauben, dass er mit ihr geschlafen hatte. Sie war ihm gegenüber höflich und freundlich, wenn auch ein bisschen reserviert gewesen. Nichts an ihrem Verhalten ließ darauf schließen, dass etwas zwischen ihnen gelaufen war.

Es hatte sehr lange gedauert, bis die Erinnerung wieder zurückgekehrt war. Doch jetzt musste er dringend mit Kayla über ihre gemeinsame Nacht reden – und darüber, wie es von jetzt an weitergehen sollte.

Kayla war gerade auf dem Weg in die Zeitungsredaktion, als sie zu ihrem Schreck Treys Truck vor dem Gemeindezentrum stehen sah. Die Ladefläche stand voller Kartons, anscheinend Geschenke, welche die Gemeinde jedes Jahr an Bedürftige verteilte und die vorher im Gemeindehaus eingepackt wurden.

Kayla hatte nicht damit gerechnet, dass Trey schon so früh nach Rust Creek Falls kommen würde. Was machte er hier? Sie war nicht darauf eingestellt, ihm eine Neuigkeit mitzuteilen, die sein Leben komplett auf den Kopf stellen würde.

Noch bevor sie weitereilen konnte, kam er durch die offen stehende Tür. „Kayla! Hi.“

Beim Klang seiner Stimme bekam sie wie immer Herzrasen. Sie ließ den Blick von seinen abgetragenen Cowboystiefeln bis zu seinen grünen Augen gleiten und lächelte verkrampft. „Hi, Trey.“

„Was für eine angenehme Überraschung!“

Er klang, als würde er das ernst meinen, was absolut keinen Sinn ergab. Kayla hatte den Mann seit fünf Monaten nicht mehr gesehen und auch nichts von ihm gehört. Nicht, dass sie damit gerechnet hatte, aber insgeheim hatte sie darauf gehofft – und war tief verletzt gewesen, als kein Lebenszeichen von ihm gekommen war.

„Wie geht es dir?“, fragte er.

Ich bin schwanger, wäre sie fast herausgeplatzt. Schließlich konnte sie seit dem Schwangerschaftstest an nichts anderes mehr denken. Aber was sollte Trey mit dieser Neuigkeit anfangen, wenn er noch nicht mal wusste, dass er und Kayla eine Nacht miteinander verbracht hatten? „Gut“, antwortete sie daher nur. „Und dir?“

„Auch gut.“

Sie nickte.

Ein verlegenes Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus.

„Also, ich sollte dann mal …“

„Vielleicht sollte ich …“, sagten sie beide gleichzeitig.

„Was wolltest du sagen?“, fragte Trey.

„Nur, dass ich jetzt weitergehen muss. Ich bin gerade auf dem Weg in die Zeitungsredaktion.“

„Arbeitest du dort?“

Sie nickte. „Ja, als Redakteurin.“

„Ach.“

Und damit schien dieses Thema für ihn abgehakt zu sein. „Es war schön, dich wiederzusehen, Trey.“

„Dich auch.“

Erleichtert ging sie an ihm vorbei. Die erste unangenehme Begegnung hatte sie schon mal überstanden. Ihr Herz raste, und ihr Magen schmerzte, aber immerhin war es ihr gelungen, ein paar Worte mit Trey zu wechseln, ohne in Tränen auszubrechen oder die Beherrschung zu verlieren. Das war schon mal ein Schritt in die richtige Richtung.

„Kayla, warte!“

Mit diesen beiden Worten nahm er ihr die Chance, zu fliehen und ihre Würde zu retten. Da Kayla noch nicht weit genug von Trey entfernt war, um so zu tun, als habe sie ihn nicht gehört, drehte sie sich widerstrebend zu ihm um.

Er trat einen Schritt näher. „Ich wollte dich anrufen“, sagte er leise. „Immer, wenn ich an dich denken musste, habe ich mit dem Gedanken gespielt, zum Handy zu greifen.“

Kaylas Herzschlag beschleunigte sich wieder. „Du musstest an mich denken?“

„Ja. Seit wir auf der Hochzeit miteinander getanzt haben.“

Seit wir getanzt haben?

Nur daran erinnerte er sich noch?!

Kayla wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Unter anderen Umständen hätte es ihr geschmeichelt, dass ein paar Minuten in seinen Armen einen so bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen hatten. Aber dass er offenbar alles vergessen hatte, was danach passiert war, empfand sie als zutiefst verletzend und demütigend. „Ich muss jetzt wirklich weiter. Mein Chef wartet schon auf mich.“

„Was machst du heute Abend?“

„Ich gehe mit Natalie Crawford ins Kino.“

„Ach.“

Trey klang so enttäuscht, dass Kayla den Impuls verspürte, ihre Pläne über den Haufen zu werfen. Leider war genau dieses Verhalten verantwortlich für ihre jetzige prekäre Lage. „Tja, wir sehen uns.“

Er erwiderte ihren Blick ein paar Sekunden, bevor er nickte. „Worauf du dich verlassen kannst.“

2. KAPITEL

Trey lud seinen Truck aus und fuhr zurück zur Pension. Als er dort ankam, schnitt seine Großmutter gerade einen riesigen Braten in Scheiben. Der köstliche Duft ließ ihn das Wasser im Mund zusammenlaufen. „Mmh, riecht das lecker.“

Melba legte die Gabel und das Messer beiseite und wischte sich die Hände an einem Handtuch ab, um ihn zu umarmen. „Ich hatte gehofft, dass du rechtzeitig zum Abendessen wieder hier sein würdest.“

„Ich hätte dir ja gestanden, dass ich deswegen die Geschwindigkeitsbegrenzung ignoriert habe, aber meine Großmutter würde das bestimmt nicht gut finden“, neckte er sie.

Melba lachte. „Auf keinen Fall.“

Trey ging zur Spüle, um sich die Hände zu waschen. „Kann ich dir irgendwie helfen?“

„Ja, du kannst mir die Sauciere vom Regal holen.“ Melba zeigte auf ein Bord, das hoch über ihrem Kopf hing. „Und dann die Familie zusammentrommeln.“

„Und? Was war hier so los, während ich weg war?“, erkundigte er sich kurz darauf am Tisch, während er sich von dem Kartoffelbrei nahm, den seine Cousine Claire gemacht hatte.

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll“, antwortete Melba. „Ach ja, letztes Wochenende war die Weihnachtsparade, und das Dalton-Mädchen hat sich verlobt.“

Der Kartoffelbrei lag Trey plötzlich wie ein Stein im Magen. „Kayla?“

Melba schüttelte den Kopf. „Nein, ihre Schwester. Kristen.“

Trey seufzte erleichtert auf. Er wusste selbst nicht, warum er sofort auf Kayla getippt hatte. Vielleicht, weil er sie gerade erst wiedergesehen hatte und schon länger an sie denken musste. Die Vorstellung, dass sie einen anderen hatte – und womöglich verlobt mit ihm war – hatte ihm einen ganz schönen Schreck versetzt. Fragte sich nur, wieso. Er hatte nämlich nicht die Absicht, sich in absehbarer Zeit zu verlieben und zu heiraten. „Mit wem hat Kristen sich denn verlobt?“

„Mit Maggie Roarkes Bruder Ryan“, antwortete Claire.

Trey kannte Ryan Roarke nicht, arbeitete aber mit dessen Bruder Shane im Thunder Canyon Resort zusammen.

„Da wir gerade über Kayla Dalton reden …“, warf Melba ein.

„Wer spricht von Kayla Dalton?“, fiel Gene seiner Frau ins Wort.

„Na, Trey.“

„Ich dachte, wir sind bei Ryan und Kristen.“

„Aber davor hat Trey gefragt, ob Kayla diejenige ist, die sich verlobt hat.“

„Ihr Name fiel mir zuerst ein“, erklärte Trey hastig.

Seine Großmutter feixte. „Woran das wohl liegen mag?“

„Vielleicht, weil er mit ihr auf Bradens und Jennifers Hochzeit so intim war“, sagte Claire grinsend.

„Wie dem auch sei“, fuhr Melba fort. „Hast du die Absicht, dich mit Kayla zu treffen, während du hier bist?“

„Ich habe sie schon getroffen. Sie kam beim Gemeindezentrum vorbei, als wir den Truck entladen haben.“

Kopfschüttelnd begann Melba die Teller abzuräumen. „Ich wollte wissen, ob du mit ihr ausgehst.“

„Melba!“, ermahnte ihr Mann sie.

„Was ist? Ich will doch nur, dass mein Enkel Zeit mit einem netten Mädchen verbringt.“

Claire stand auf und half ihr beim Abräumen.

„Kayla ist tatsächlich ein nettes Mädchen“, bestätigte Trey. „Aber wenn du hoffst, uns zu verkuppeln, muss ich dich enttäuschen. Ich will keine feste Beziehung, mit niemandem.“

„Außerdem ist Kayla gar nicht sein Typ“, warf Claire ein.

Ihr Mann Levi hob fragend die Augenbrauen. „Hat Trey denn einen bestimmten Typ?“

„Na ja, jedenfalls steht er nicht auf Mauerblümchen.“

„Stille Wasser sind tief“, sagte Melba geheimnisvoll.

„Was soll das denn heißen?“, fragte Trey genervt.

„Das heißt, dass oft mehr in einem Mädchen steckt, als man auf den ersten Blick sieht“, antwortete Melba und stellte einen riesigen Apfelkuchen auf den Tisch.

Claire brachte Dessertteller und Gabeln.

„Und? Was hast du heute für Pläne?“, fragte Melba, als sie mit dem Dessert fertig waren.

„Zeigt man freitags immer noch Kinofilme in der Highschool?“ Trey hatte in seiner Jugend viele schöne Abende in der Turnhalle verbracht. Die Filmabende waren ihm in guter Erinnerung geblieben.

„Ja, freitags und samstags.“

„Zwei Filmabende pro Woche?“, witzelte er. „Und dann beschweren sich die Leute, dass hier nichts los ist?“

Seine Großmutter sah ihn aus schmalen Augen an. „Wir haben vielleicht keine so schicken Läden wie in Thunder Canyon, aber hier bekommt man alles, was man braucht.“

„Du hast recht, ich hätte nicht andeuten sollen, dass dieser Stadt etwas fehlt – schon gar nicht, wenn hier zwei meiner liebsten Angehörigen leben.“

Sie versetzte ihm einen Schlag mit dem Geschirrhandtuch. „Raus mit dir. Geh unter die Dusche, zieh dir ein schönes Hemd an und mach, dass du hier wegkommst.“

Trey gehorchte. Nicht nur, um seiner Großmutter einen Gefallen zu tun, sondern weil er vermutete, dass Kayla und Natalie auch im Kino waren.

Kayla warf einen kritischen Blick in den Spiegel und zog sich seufzend ihr Lieblingsshirt aus, um es auf den Haufen mit zu engen Kleidungsstücken zu werfen. Die vier Kilo, die sie in den letzten Monaten zugenommen hatte, brachten ihre ganze Garderobe durcheinander.

Natürlich war es nicht gerade hilfreich, dass ihre meisten Sachen eng geschnitten waren. Nicht, dass sie dick war oder man ihr die Schwangerschaft schon ansah, aber sie hatte eindeutig zugelegt.

Sie griff wieder nach dem Shirt, streifte es über und zog ein kariertes Hemd darüber. So, das ging. Sie zupfte ihren Pferdeschwanz zurecht, trug etwas Lipgloss auf und griff nach ihren Schlüsseln.

„Wo willst du denn hin?“, fragte ihre Mutter, als sie die Treppe hinunterkam.

Kayla hatte beim Abendessen ihre Pläne erwähnt, doch anscheinend hatte ihre Mutter mal wieder nicht richtig zugehört. Nach Kristens und Ryans Verlobung hatte Rita nur noch die bevorstehende Hochzeit im Kopf. „Ich treffe mich mit Natalie in der Highschool. Wir wollen uns Fröhliche Weihnachten ansehen.“

„Nur ihr beide?“

„Vermutlich kommen noch ein paar andere Leute.“

Kaylas Mutter seufzte. „Also wirklich, Kayla, kannst du auf eine einfache Frage nicht mal normal antworten?“

„Sorry. Ja, wir gehen allein. Wir haben keine Pläne, uns irgendwann rauszuschleichen, um uns heimlich mit Jungs hinter der Schule zu treffen.“

„Deine Zeit wird auch noch kommen.“

„Meine Zeit wofür?“ Kayla war verblüfft über den ungewohnt mitfühlenden Tonfall ihrer Mutter.

„Dass du jemandem begegnest, der dir gefällt.“

„Deswegen mache ich mir keine Sorgen.“

„Ich hatte auch Schwestern“, erklärte Rita. „Ich weiß, wie schwer es ist, wenn ihnen aufregende Dinge passieren und einem selbst nicht.“

„Ich freue mich für Kristen, Mom, ehrlich.“

„Natürlich tust du das. Aber deshalb ist es trotzdem normal, ein bisschen neidisch zu sein.“ Jetzt, wo Kristen und Ryan verlobt waren, war es für Rita anscheinend unvorstellbar, dass Kayla das nicht auch wollte. „Es wird dir guttun, mal aus dem Haus zu kommen“, fuhr Rita fort. „Und wer weiß? Vielleicht triffst du dort jemanden.“

Jemanden treffen? Ha! Kayla kannte jeden Mann in Rust Creek Falls, und selbst wenn sie jemandem begegnete, der neu und interessant war und sie tatsächlich fragte, ob sie mit ihm ausgehen würde, konnte sie nicht Ja sagen. Ausgeschlossen, etwas mit einem anderen Mann anzufangen, wenn sie von Trey schwanger war. Außerdem interessierte sie sowieso niemand anders. Sie war nämlich immer noch hoffnungslos verliebt in den Vater ihres Kindes.

„Ich treffe mich mit Natalie“, wiederholte sie und küsste ihre Mutter auf eine Wange, bevor diese das nervige Gespräch weiterführen konnte. „Warte nachher nicht auf mich.“

Als Kayla an der Turnhalle ankam, stand Natalie schon vor der Tür, die Hände tief in den Taschen ihres Mantels vergraben.

„Bin ich zu spät?“, fragte Kayla.

„Nein, ich bin vermutlich zu früh. Ich musste einfach aus dem Haus. Ich konnte das ganze Hochzeitsgerede nicht mehr ertragen.“

Kayla nickte verständnisvoll. Natalies Bruder hatte sich kürzlich verlobt.

Sie bezahlten ihren Eintritt an dem dafür im Foyer aufgebauten Tisch und gingen weiter zur Turnhalle.

„Ich habe immer so ein unheimliches Déjà-vu-Gefühl, wenn ich hier bin“, flüsterte Natalie ihrer Freundin zu.

„Ich weiß, was du meinst. Vor allem, wenn Mrs. Newman die Eintrittskarten verkauft.“ Mrs. Newman war ihre frühere Sportlehrerin.

Natalie nickte. „Sie sieht mich sogar dann missbilligend an, wenn ich den Betrag genau passend habe, genauso wie früher, wenn ich mein Turnzeug vergessen hatte.“

Kayla lachte. Sie war froh, dass ihre Freundin sie heute aus dem Haus geholt hatte. Nicht dass Natalie Gewalt hätte anwenden müssen. Kayla war so niedergeschlagen gewesen, dass sie Natalies Einladung nur allzu gern angenommen hatte.

„Sieh mal“, sagte sie und zeigte auf das Poster für den Samstagsfilm. „Morgen können wir uns Eine schöne Bescherung ansehen.“

„Ich habe jedenfalls nichts anderes vor“, sagte Natalie seufzend. „Was nicht gerade für mein Privatleben spricht.“

„Mist, ich kann doch nicht.“

„Hast du ein heißes Date?“

„Von wegen. Nein, ich helfe morgen Abend am Theater in Kalispell aus.“

„Das ist bestimmt aufregender, als hier abends wegzugehen.“ Natalie blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. „Oh mein Gott!“

„Was ist los?“, fragte Kayla alarmiert.

„Trey Strickland ist hier.“

Kayla folgte dem Blick ihrer Freundin. Ihr Herz machte einen Satz und begann zu rasen.

Er war es tatsächlich. Nach fünf Monaten absoluter Funkstille lief sie ihm heute gleich zweimal über den Weg. Keine Ahnung, ob das Zufall oder einfach nur Pech war. Anscheinend würde es ihr nicht gelingen, ihm aus dem Weg zu gehen, solange er sich in Rust Creek Falls aufhielt.

Natalie tat so, als müsse sie sich Luft zufächeln. „Dieser Typ ist ja so scharf.“

Kayla fand das auch, erst recht, seit sie in Treys Armen gelegen hatte. Aber das wollte sie ihrer Freundin keinesfalls verraten. „Wie wär’s mit Popcorn?“, fragte sie, um das Thema zu wechseln, und zog einen Zehndollarschein aus der Tasche ihrer inzwischen zu engen Jeans. „Ich hole uns welches.“

„Bringst du mir ein Soda mit?“, fragte Natalie, den Blick noch immer auf den attraktiven Cowboy geheftet, der in diesem Augenblick die Turnhalle betrat.

„Klar.“

„Ich suche uns Sitzplätze.“ Natalie folgte Trey dicht auf den Fersen.

Kayla stellte sich seufzend in die Schlange. Sie konnte ihrer Freundin keinen Vorwurf für ihr Verhalten machen, zumal sie Natalie nie erzählt hatte, was am 4. Juli passiert war. Das hieß jedoch noch lange nicht, dass sie gern zusehen würde, wenn Natalie Trey anbaggerte.

Als sie mit den Getränken und dem Popcorn die Turnhalle betrat, war Natalie bereits ins Gespräch mit Trey vertieft. Kayla hätte am liebsten sofort wieder kehrtgemacht, zwang sich jedoch dazu, auf die beiden zuzugehen.

Trey lächelte bei ihrem Anblick erfreut. „Nochmals hallo.“

„Hallo“, echote sie und sah sich um. „Bist du mit jemandem hier?“

Bitte lass ihn mit jemandem hier sein!

Doch das Universum ignorierte ihr Flehen, denn Trey schüttelte den Kopf.

„Setz dich doch zu uns“, forderte Natalie ihn auf und klopfte auf den leeren Stuhl zu ihrer Linken.

„Ich glaube, das mach ich sogar“, antwortete er, doch in diesem Augenblick kam ihm ein älteres Paar zuvor, das sich auf die beiden leeren Plätze neben Natalie setzte.

Trey trat einen Schritt zurück und nahm auf dem leeren Stuhl neben Kayla Platz.

Kayla war insgeheim erleichtert, dass die Pläne ihrer Freundin vereitelt worden waren, wusste jedoch nicht, wie sie die nächsten vierundneunzig Minuten überstehen sollte, wenn Trey direkt neben ihr saß.

Sie konnte sich keine Sekunde auf den Film konzentrieren, da ihr bei jedem Atemzug sein Duft nach Mann und Seife in die Nase stieg und sie sich nicht rühren konnte, ohne ihn zu streifen. Außerdem musste sie ständig daran denken, wie sie miteinander geschlafen hatten.

Sie zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Leinwand zu richten.

„Gibst du mir was von deinem Popcorn ab?“, flüsterte Trey dicht an ihrem Ohr.

Ihre guten Manieren gewannen die Oberhand. Sie hielt ihm die Tüte hin.

„Danke.“ Er nahm sich ein paar heraus.

Kayla wollte sich wirklich auf den Film konzentrieren, aber es war zwecklos. Sogar Ralphies unterhaltsame Eskapaden konnten sie nicht von Treys Gegenwart ablenken. Es war, als seien sämtliche Nervenenden auf ihn ausgerichtet.

Dass sie sich in der Highschool – dem Schauplatz ihrer jugendlichen Fantasien – befanden, war vermutlich auch nicht gerade hilfreich. Wie oft hatte sie vor ihrem Spind gestanden, Trey mit Freunden an sich vorbeigehen sehen und mit klopfendem Herzen darauf gewartet, dass er sich nach ihr umdrehte. Oder sie hatte ihn mit einer Cheerleaderin auf der Tribüne knutschen sehen und sich vorgestellt, an ihrer Stelle zu sitzen.

Damals hätte sie alles dafür gegeben, nur einmal in seinen Armen zu liegen oder auch nur ein Lächeln von ihm zu bekommen. Sie war so hoffnungslos in ihn verknallt gewesen, dass ein bloßer Blick von ihm ihre Fantasien tage- nein, monatelang angeheizt hatte.