Johann Emanuel Schikaneder

Wolfgang Amadeus Mozart

Die Zauberflöte

Libretto

 

 

 

Johann Emanuel Schikaneder, Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte. Libretto

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2016.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Karl Friedrich Schinkel, Bühnenbildentwurf zu Mozarts Zauberflöte, 1815

 

ISBN 978-3-8430-8052-1

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-8047-7 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-8048-4 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Komponiert von Wolfgang Amadeus Mozart. Uraufführung am 30.09.1791, Theater im Starhembergschen Freihaus auf der Wieden, Wien.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Wolfgang Amadeus Mozart: Die Zauberflöte. Eine große Oper in zwei Aufzügen, von Emanuel Schikaneder, Wien: Ignaz Alberti, 1791.

 

Dieses Buch folgt in Rechtschreibung und Zeichensetzung obiger Textgrundlage.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

 

 

Personen

 

Sarastro

 

Tamino

 

Sprecher

 

Erster Priester

Zweyter Priester

Dritter Priester

 

Königinn der Nacht

 

Pamina, ihre Tochter

 

Erste Dame

Zweyte Dame

Dritte Dame

 

Drey Genien

 

Papageno

 

Ein altes Weib

 

Monostatos, ein Mohr

 

Erster Sclave

Zweyter Sclave

Dritter Sclave

 

Priester, Sclaven, Gefolge

 

Erster Aufzug

Erster Auftritt

Das Theater ist eine felsichte Gegend, hie und da mit Bäumen überwachsen; auf beyden Seiten sind gangbare Berge, nebst einem runden Tempel.

 

Tamino kommt in einem prächtigen japonischen Jagdkleide rechts von einem Felsen herunter, mit einem Bogen, aber ohne Pfeil; eine Schlange verfolgt ihn.

 

Introduction.

 

TAMINO.

Zu Hülfe! zu Hülfe! sonst bin ich verloren,

Der listigen Schlange zum Opfer erkoren.

Barmherzige Götter! schon nahet sie sich;

Ach rettet mich! ach schützet mich!

 

[1] Er fällt in Ohnmacht; sogleich öffnet sich die Pforte des Tempels; drey verschleyerte Damen kommen heraus, jede mit einem silbernen Wurfspieß.

 

DIE DREY DAMEN.

Triumph! Triumph! sie ist vollbracht

Die Heldenthat. Er ist befreyt

Durch unsers Armes Tapferkeit.

ERSTE DAME ihn betrachtend.

Ein holder Jüngling, sanft und schön.

ZWEYTE DAME.

So schön, als ich noch nie gesehn.

DRITTE DAME.

Ja, ja! gewiß zum Mahlen schön.

ALLE DREY.

Würd' ich mein Herz der Liebe weih'n,

So müßt es dieser Jüngling seyn.

Laßt uns zu unsrer Fürstinn eilen,

Ihr diese Nachricht zu ertheilen.

Vieleicht, daß dieser schöne Mann

Die vor'ge Ruh' ihr geben kann.

ERSTE DAME.

So geht und sagt es ihr!

Ich bleib' indessen hier.[2]

ZWEYTE DAME.

Nein, nein! geht ihr nur hin;

Ich wache hier für ihn.

DRITTE DAME.

Nein, nein! das kann nicht seyn!

Ich schütze ihn allein.

ALLE DREY jede für sich.

Ich sollte fort? Ey, ey! wie fein!

Sie wären gern bey ihm allein.

Nein, nein! das kann nicht seyn.

 

Eine nach der andern, dann alle dreyzugleich.

 

Was wollte ich darum nicht geben,

Könnt ich mit diesem Jüngling leben!

Hätt' ich ihn doch so ganz allein!

Doch keine geht; es kann nicht seyn.

Am besten ist es nun, ich geh'.

Du Jüngling, schön und liebevoll!

Du trauter Jüngling, lebe wohl,

Bis ich dich wieder seh'.

 

Sie gehen alle drey zur Pforte des Tempels ab, die sich selbst öffnet und schließt.

 

TAMINO erwacht, sieht furchtsam umher. Wo bin ich! Ist's Fantasie, daß ich noch lebe? oder hat eine höhere Macht mich gerettet? Steht auf, sieht umher. Wie? – Die bösartige[3] Schlange liegt todt zu meinen Füßen? – Man hört von fern ein Waldflötchen, worunter das Orchester plano accompagnirt. Tamino spricht unter dem Ritornel. Was hör' ich? Wo bin ich? Welch' unbekannter Ort! – Ha, eine männliche Figur nähert sich dem Thal. Versteckt sich hinter einem Baume.[4]

 

Zweyter Auftritt

PAPAGENO kommt den Fußsteig herunter, hat auf dem Rücken eine große Vogelsteige, die hoch über den Kopf geht, worin verschiedene Vögel sind; auch hält er mit beyden Händen ein Faunen-Flötchen, pfeift und singt.

 

Arie.

 

Der Vogelfänger bin ich ja,

Stets lustig, heißa! hopsasa!

Der Vogelfänger ist bekannt

Bey Alt und Jung im ganzen Land.

Weiß mit dem Locken umzugeh'n,

Und mich aufs Pfeifen zu versteh'n.

Drum kann ich froh und lustig seyn;

Denn alle Vögel sind ja mein.

 

Pfeift.[4]

 

Der Vogelfänger bin ich ja,

Stets lustig, heißa! hopsasa!

Der Vogelfänger ist bekannt,

Bey Alt und Jung im ganzen Land.

Ein Netz für Mädchen möchte ich;

Ich fing' sie dutzendweis für mich.

Dann sperrte sie bey mir ein,

Und alle Mädchen wären mein.

 

Pfeift, will nach der Arie nach der Pforte gehen.

 

TAMINO nimmt ihn bey der Hand. He da!

PAPAGENO. Was do!

TAMINO. Sag mir, du lustiger Freund, wer du seyst?

PAPAGENO. Wer ich bin? Für sich. Dumme Frage! Laut. Ein Mensch, wie du. – Wenn ich dich nun fragte, wer du bist? –

TAMINO. So würde ich dir antworten, daß ich aus fürstlichem Geblüte bin.

PAPAGENO. Das ist mir zu hoch. – Mußt dich deutlicher erklären, wenn ich dich verstehen soll!

TAMINO. Mein Vater ist Fürst, der über viele Länder und Menschen herrscht; darum nennt man mich Prinz.

PAPAGENO. Länder? – Menschen? – Prinz? –[5]

TAMINO. Daher frag' ich dich! –

PAPAGENO. Langsam! laß mich fragen. – Sag du mir zuvor: Gibt's außer diesen Bergen auch noch Länder und Menschen?

TAMINO. Viele Tausende!

PAPAGENO. Da ließ sich eine Speculation mit meinen Vögeln machen.

TAMINO. Nun sag' du mir, in welcher Gegend wir sind. –

PAPAGENO. In welcher Gegend? Sieht sich um. Zwischen Thälern und Bergen.

TAMINO. Schon recht! aber wie nennt man eigentlich diese Gegend? – wer beherrscht sie? –

PAPAGENO. Das kann ich dir eben so wenig beantworten, als ich weiß, wie ich auf die Welt gekommen bin.

TAMINO lacht. Wie? Du wüßtest nicht, wo du geboren, oder wer deine Ältern waren? –

PAPAGENO. Kein Wort! – Ich weiß nicht mehr, und nicht weniger, als daß mich ein alter, aber sehr lustiger Mann auferzogen, und ernährt hat.

TAMINO. Das war vermuthlich dein Vater? –

PAPAGENO. Das weiß ich nicht.

TAMINO. Hattest du denn deine Mutter nicht gekannt?[6]

PAPAGENO. Gekannt hab' ich sie nicht; erzählen ließ ich mir's einige Mahl, daß meine Mutter einst da in diesem verschlossenen Gebäude bey der nächtlich sternflammenden Königinn gedient hätte. – Ob sie noch lebt, oder was aus ihr geworden ist, weiß ich nicht. – Ich weiß nur so viel, daß nicht weit von hier meine Strohhütte sieht, die mich vor Regen und Kälte schützt.

TAMINO. Aber wie lebst du?

PAPAGENO. Von Essen und Trinken, wie alle Menschen.

TAMINO. Wodurch erhältst du das?

PAPAGENO. Durch Tausch. – Ich fange für die sternflammende Königinn und ihre Jungfrauen verschiedene Vögel; dafür erhalt' ich täglich Speis' und Trank von ihr.

TAMINO für sich. Sternflammende Königinn! – Wenn es etwa gar die mächtige Herrscherin der Nacht wäre! – Sag mir, guter Freund! warst du schon so glücklich, diese Göttinn der Nacht zu sehen?

PAPAGENO der bisher öfters auf seiner Flöte geblasen. Deine letzte alberne Frage überzeugt mich, daß du aus einem fremden Lande geboren bist. –

TAMINO. Sey darüber nicht ungehalten, lieber Freund! ich dachte nur –

PAPAGENO. Sehen? – Die sternflammende[7] Königinn sehen? – Wenn du noch mit einer solchen albernen Frage an mich kommst, so sperr' ich dich, so wahr ich Papageno heiße, wie einen Gimpel in mein Vogelhaus, verhandle dich dann mit meinen übrigen Vögeln an die nächtliche Königinn und ihre Jungfrauen, dann mögen sie dich meinetwegen sieden oder braten.

TAMINO für sich. Ein wunderlicher Mann!

PAPAGENO. Sehen? – Die sternflammende Königinn sehen? – Welcher Sterbliche kann sich rühmen, sie je gesehen zu haben? – Welches Menschen Auge würde durch ihren schwarz durchwebten Schleyer blicken können?

TAMINO für sich. Nun ist's klar; es ist eben diese nächtliche Königinn, von der mein Vater mir so oft erzählte. – Aber zu fassen, wie ich mich hierher verirrte, ist außer meiner Macht. – Unfehlbar ist auch dieser Mann kein gewöhnlicher Mensch. – Vieleicht einer ihrer dienstbaren Geister.

PAPAGENO für sich. Wie er mich so starr anblickt! Bald fang' ich an, mich vor ihm zu fürchten. – Warum siehst du so verdächtig und schelmisch nach mir?