Das Gesetz in die eigenen Hände genommen: N.Y.D. - New York Detectives Kriminalroman
Published by Cassiopeiapress/Alfredbooks, 2018.
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Das Gesetz in die eigenen Hände genommen: N.Y.D. - New York Detectives
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Die Hauptpersonen des Romans:
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About the Publisher
Krimi von Hans-Jürgen Raben
Der Umfang dieses Buchs entspricht 125 Taschenbuchseiten.
Alle Opfer hatten eins gemeinsam: Sie waren Verbrecher und Gauner, aber sie wurden nie verurteilt, weil man ihnen nie etwas nachweisen konnte. Bis ein Unbekannter, den die Presse den „Henker“ nennt, das Gesetz in die eigene Hand nahm und sie mit dem Tode bestrafte. Als Ken Woods getötet wird, beauftragt sein Vater den Privatdetektiv Bount Reiniger, den Mörder seines Sohnes zu finden. Denn er traut der Polizei nicht, schließlich deutet alles darauf hin, dass der Killer einer aus den eigenen Reihen ist ...
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
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© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
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Der „Henker“ - Er nahm das Gesetz in die eigene Hand und wurde damit selbst zum Verbrecher.
Lieutenant John O’Keefe - Er musste ein Phantom jagen, das über jeden seiner Schritte informiert war.
Ken Woods - Er war nur durch eine Dummheit auf die schiefe Bahn geraten, aber der „Henker“ kannte kein Erbarmen.
Jonathan Woods - Er beauftragte Bount, den Killer seines Sohnes zu finden.
Giacomo Angelo - Der Gangsterboss hatte auf der Abschussliste des „Henkers“ einen Ehrenplatz.
Lee Hall - Er war den Gangstern im Weg und ein ideales Opfer, das sie dem „Henker“ unterschieben konnten.
June March - unterstützt Bount Reiniger bei seinen Ermittlungen.
Bount Reiniger - ist Privatdetektiv.
Denny Layton sah nur kurz nach unten in die nachtschwarze Tiefe, stützte sich an der Mauer ab und sprang von dem schmalen Sims. Federnd ging er in die Knie, drehte sich zu der Hausfassade herum und grinste. Die Nachtarbeit hatte sich wieder gelohnt.
Sein Grinsen erstarb plötzlich, als er den schwarzen Schatten bemerkte, der bisher reglos an der Mauer gelehnt hatte und nun auf ihn zutrat. Die entfernte Straßenbeleuchtung schimmerte in Hüfthöhe matt auf dem Lauf eines Revolvers, der genau auf ihn gerichtet war.
Denny Layton spürte, wie er anfing zu zittern. In einer abwehrenden Bewegung streckte er die Hände vor und sagte heiser: „Was wollen Sie?“
„Polizei!“, antwortete eine leise Stimme. Eine Marke blitzte für einen Moment in der Linken des Mannes auf. Das Gesicht blieb im Schatten, nur die Augen waren zu sehen. Wie zwei Lichtpunkte, dachte Denny, und gleichzeitig hatte er Angst vor ihnen.
„Sie können mir nichts beweisen, Mann“, sagte Denny. Er breitete seine Arme aus. „Ich habe nichts bei mir.“
Der andere nickte leicht. „Das ist es eben. Nie kann man dir etwas beweisen. Weil wir nicht wissen, wie du deine Beute verschwinden lässt. Aber ich bin sicher, dass auf dein Konto mindestens fünfzig Einbrüche gehen. Und das ist genug.“ Er hob den kurzläufigen Revolver und drückte die Mündung unter Dennys Kinn.
Der Einbrecher versuchte zurückzuweichen, aber die Linke des anderen Mannes schoss vor und hielt ihn fest.
„Nein!“, flüsterte Denny entsetzt. „Das können Sie doch nicht ...“ Die Explosion zerriss die Stille der Nacht, und Denny Layton hatte plötzlich keinen Hinterkopf mehr.
Die Hand ließ ihn los, und die Leiche schlug dumpf auf das Pflaster.
Der Schütze griff in seine Tasche und warf einen winzigen, metallisch glänzenden Gegenstand auf den Toten. Dann drehte er sich um und verschwand mit langen Schritten in der Nacht.
In der Ferne erklang eine Trillerpfeife.
Mario di Socca verließ das Gerichtsgebäude als strahlender Sieger. Er trat auf die breite Freitreppe und winkte seinen zahlreichen Freunden zu, die sich am Fuße der Treppe versammelt hatten und ihm begeistert zujubelten.
Die Blitzlichter der Reporter zuckten, und Mario zeigte sein weißes Gebiss. Er hatte gelernt, sich mit den Reportern gut zu stellen, denn er las seinen Namen gern in der Zeitung. Vor seinem Auge sah er schon die Schlagzeilen des nächsten Tages: Wieder Freispruch für mutmaßlichen Gangsterboss - Mario di Socca ist nichts nachzuweisen.
Seine Freunde drängten sich um ihn, und er musste viele Hände schütteln. Da war Geno Vecchio, der alte Capo der Familie, Überlebender von zahlreichen Gangsterschlachten; Vito Savoia, sein engster Vertrauter und Herr über Dutzende von illegalen Spielhöllen. Stefano Bernardo drückte ihm die Hand - er kontrollierte Prostituierte und Wettbüros.
Dino d’Annunzio war da, Schmuggel und Erpressung war sein Metier; und selbst der alte Bonnanzone war gekommen, der immer noch an vielen Fäden zog.
Mario di Socca war glücklich. Er sonnte sich in der Bewunderung seiner Freunde, die nicht alle immer so viel Glück hatten wie er. Mancher von ihnen hatte mehrere Jahre seines Lebens in Gefängnissen verbracht. Nur di Socca war noch niemals verurteilt worden. Die Anklagen hatten von Erpressung über Steuerhinterziehung und Rauschgiftschmuggel bis zu Mord gereicht.
Aber zu beweisen war es nie.
Auch diesmal hatte er keine Befürchtungen gehabt. Er leistete sich die besten Anwälte, und sie hatten ihn wieder herausgepaukt. Er konnte sich jetzt in Ruhe wieder seinen Geschäften widmen. Nachdenklich glitt sein Blick über die Reporter, die inzwischen ihre Fotos geschossen hatten. Er war gespannt auf die Berichte am nächsten Tag.
Mario di Socca konnte nicht wissen, dass es sich um eine Art Nachruf handeln würde. Er stieg in den weißen Lincoln, seine Freunde verteilten sich auf die anderen Autos, und dann setzte sich die ganze Kolonne in Bewegung. Der Sieg über die Justiz sollte zunächst gefeiert werden. In einem guten italienischen Restaurant war alles vorbereitet worden.
Die Fahrt dauerte nicht sehr lange. Nacheinander bogen die schweren Limousinen in einen schmalen Hof ein, von dem ein direkter Gang zu dem Restaurant führte. Es lag in einer wenig belebten Straße im östlichen Manhattan.
Die jeweiligen Leibwächter der Bosse spritzten aus den Wagen und rissen die Türen auf. Aufmerksam beobachteten sie die Umgebung, aber es war nichts Verdächtiges zu sehen. Einige blieben bei den Wagen stehen, die anderen folgten ihren Bossen ins Innere des Hauses.
Mario di Socca hatte zu einem Essen im kleinen Kreis geladen. Er machte eine weit ausholende Handbewegung, und unter Stimmengemurmel und Stühlescharren setzten sich die zehn Männer an den großen runden Tisch in der Mitte des Lokals. Die Leibwächter setzten sich etwas abseits. Auch für sie war gedeckt.
Di Socca war stehen geblieben. Er stützte sich auf das blütenweiße Tischtuch und sah befriedigt in die Runde. „Meine Freunde“, begann er, „ich danke euch allen, dass ihr gekommen seid. Ihr alle wisst, was der Anlass für diese Feier ist. Es gibt nur ein kleines Essen mit einem guten Wein aus unserer alten Heimat.“ Unauffällig winkte er dem Kellner, der sofort an den Tisch eilte und den Wein einschenkte.
„Ich habe nur einen bescheidenen Wunsch“, sagte di Socca. „Lasst uns für die kurze Zeit die Geschäfte vergessen, mit denen wir uns gleich wieder befassen müssen. Ich möchte auch kein Wort hören über irgendwelche Streitigkeiten, die es vielleicht während meiner kurzen Abwesenheit gegeben haben könnte. Dafür ist später noch genügend Zeit.“
Der Kellner trug eine riesige Schüssel mit dampfenden Spaghetti herein und stellte sie mitten auf den Tisch. Beifälliges Murmeln wurde laut. Mario di Socca runzelte leicht die Stirn. Er wusste nicht, ob der Beifall seinen Worten galt oder den Spaghetti.
Er griff nach seinem Glas und hob es hoch. Die anderen taten es ihm nach und sahen ihn erwartungsvoll an.
„Ich trinke auf gute Gesundheit und gute Geschäfte für uns alle“, sagte Mario di Socca und setzte das Glas an die Lippen.
Der Schuss krachte wie eine Explosion. Das Weinglas zersplitterte in tausend Stücke, Rotwein vermischte sich mit Blut und färbte das blütenweiße Tischtuch rot. Di Soccas Oberkörper kippte vornüber, sein Kopf schlug in die Spaghettischüssel, deren Inhalt über den Tisch und die darum sitzenden Männer verteilt wurde.
In der sekundenlangen Stille, die darauf folgte, flog wie von Geisterhand geworfen ein kleiner, metallisch blitzender Gegenstand durch die Luft, klirrte gegen einen Teller und sprang dann im Bogen in Savoias Weinglas, das dieser immer noch in der Hand hielt.
Dann brach die Hölle los.
Alle sprangen gleichzeitig auf. Stühle stürzten um, Geschirr klirrte zu Boden. Einige rannten in Deckung, andere zerrten ihre Pistolen aus den Holstern und versuchten den unsichtbaren Schützen zu entdecken. Die Leibwächter benahmen sich wie aufgescheuchte Hühner und behinderten sich gegenseitig.
„Der Schuss kam von der Empore!“, schrie eine Stimme und übertönte das Durcheinander. Einige der Leibwächter rannten zu der Treppe, die zu der Empore führte. Dort oben standen weitere Tische, die aber jetzt unbesetzt waren. Die Empore war mit einem dichten Vorhang vom übrigen Lokal getrennt.
Die Männer rissen den Vorhang zur Seite und fluchten. „Der Kerl ist weg! Durch den Nebenausgang. Aber er kann noch nicht weit sein.“
Einige nahmen die Verfolgung auf. Da die Gangster selbst Lokale schätzten, die über diverse Ausgänge verfügten, hatte sich natürlich auch der heimtückische Schütze diese Tatsache zu eigen gemacht und war auf einem dieser Wege geflohen.
Vito Savoia starrte fassungslos in sein Weinglas, das er immer noch in der Hand hielt. Mit spitzen Fingern fischte er schließlich den kleinen Gegenstand heraus, der in dem dunklen Rotwein lag.
Stefano Bernardo sah entsetzt auf die 38er Patrone, die Savoia zwischen Daumen und Zeigefinger in die Höhe hielt. Dann stellte er sie mit einer vorsichtigen Bewegung auf den Tisch. Die abperlenden Rotweintropfen sahen aus wie Blut.
„Die Geschossspitze ist eingekerbt mit einem Kreuzschnitt“, brach Savoia das Schweigen.
„Ein Dum-Dum-Geschoss“, sagte d’Annunzio.
Sie starrten auf den toten di Socca, der mit ausgebreiteten Armen auf der Tischplatte lag. Das tödliche Geschoss war im Hinterkopf eingedrungen, hatte ihm das halbe Gesicht weggerissen, das Weinglas zerschmettert und war im Tisch stecken geblieben.
„Was für eine Schweinerei“, meinte Vecchio leise und schnippte ein Stück Spaghetti vom Ärmel. Er sah die anderen an. „Wir verschwinden jetzt besser. Unsere Jungs können hierbleiben, bis die Polizei kommt. Wir sollten auch gleich unsere Anwälte verständigen. Ich schlage vor, dass wir uns heute Abend bei mir treffen und unsere weiteren Maßnahmen beratschlagen. Irgendjemand hat uns den Krieg erklärt.“
Alle nickten beifällig, und dann verschwanden sie sehr schnell durch die Hintertür. Jeder von ihnen würde bestreiten, heute in diesem Lokal gewesen zu sein. Auf Wunsch hatten sie auch Zeugen dafür. Diesen Mord würden sie nicht allein der Polizei zur Aufklärung überlassen.
Die Kriegserklärung war angenommen.
Dave Braddock war ein Einzelgänger. Sein Vorstrafenregister las sich wie ein Auszug aus dem Strafgesetzbuch. Man hatte ihn verurteilt wegen Diebstahl, Einbruch, Raub, Banküberfall und einem Dutzend anderer Straftaten. Nur Mord fehlte. Bis jetzt!
Aber bei seinem letzten Ausbruch hatte er einen Wächter getötet. Dave Braddock war nämlich auch ein Ausbrecherkönig. Siebenmal hatte er es bisher geschafft. Zwischen den einzelnen Verhaftungen lagen immer nur wenige Monate, in denen er neue Verbrechen beging.
Er war ein Berufsverbrecher und hatte auch nicht die Absicht, das zu ändern. Man hatte nur einmal versucht, ihm einen Bewährungshelfer zu geben. Braddock hatte den Mann gründlich verprügelt und galt seitdem als hoffnungsloser Fall. Er wusste, dass er irgendwann im Gefängnis sterben würde oder irgendwann bei einer Schießerei mit der Polizei draufgehen musste.
Aber er wusste nicht, dass diese Stunde schon so nahe war.
Mit fieberhaften Bewegungen riss er sich die Häftlingskleidung vom Leib. Seit dem Ausbruch waren noch keine zwei Stunden vergangen. Langsam dämmerte der Morgen. Er war noch viel zu dicht am Gefängnis!
Aber diesmal war alles schiefgegangen. Sein Plan war todsicher gewesen, und dann hatte sich ihm plötzlich ein Wächter in den Weg gestellt, als er es schon fast geschafft hatte. Im Handgemenge bekam er den Revolver des Wächters zu fassen und drückte ab. In diesem Augenblick heulten auch schon die Sirenen.
Mit knapper Not war er über die Mauer entkommen, aber die Verfolger waren dicht hinter ihm. Nach einiger Zeit hoffte er, sie abgeschüttelt zu haben und versteckte sich im Garten einer Villa.
Nach einiger Zeit hatte er gemerkt, dass niemand im Haus war. Er hatte eine Scheibe eingeschlagen und war hineingeklettert. Jetzt saß er vor einem Schlafzimmerschrank und probierte Kleidungsstücke an. Das war zunächst das Wichtigste.
Er streifte eine dunkelblaue Hose über. Die Sachen passten ihm einigermaßen. Er schob den Revolver in den Hosenbund. Mit den Schuhen hatte er Schwierigkeiten, sodass er seine eigenen anbehielt. Sie passten zwar nicht zu dem Anzug, aber darauf würde niemand achten.
Er betrachtete sich vor dem großen Spiegel und war zufrieden mit sich. Dann wühlte er schnell die anderen Schränke durch, um nach Geld oder Wertsachen zu suchen.
In diesem Augenblick hörte er die Sirenen der Streifenwagen, die sich von verschiedenen Seiten näherten. Er stürzte zum Fenster, aber es war zu spät. Dunkelblaue Uniformen hasteten durch den Garten und versteckten sich hinter Bäumen und Büschen.
Er war umstellt. Braddock knurrte wütend. Man war ihm also doch auf den Fersen geblieben. Jetzt war er nur noch ein gehetztes Wild.
Da kam auch schon die Lautsprecherstimme: „Wir wissen, dass Sie da drin sind, Braddock. Werfen Sie die Waffe durchs Fenster und kommen Sie mit erhobenen Armen heraus. Jeder Widerstand ist sinnlos. Das Haus ist umstellt. Sie haben keine Chance mehr.“
Braddock rannte die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Vielleicht gab es doch noch eine winzige Chance! Ein Fenster, das nicht bewacht war. Oder ein Kellerausgang, den die Polizisten übersehen hatten. Bis sie sich zum Sturm entschlossen, hatte er noch Zeit. Er musste jetzt sehr genau überlegen. Denn wenn sie ihn jetzt schnappten, würde er für sehr lange Zeit hinter Gitter wandern.
Er überlegte fieberhaft, dann hatte er eine Idee.
Mit dem Haus verbunden war eine Doppelgarage. Es musste einen direkten Zugang geben. Er lief in die Küche und probierte alle Türen durch. Eine davon führte in eine Art Hobbyraum, dort befand sich auf der gegenüberliegenden Seite eine grau gestrichene Stahltür.
Er riss sie auf und strahlte. In der Garage stand ein Station Car älterer Bauart. Der andere Stellplatz war leer.
Draußen erklang wieder die Lautsprecherstimme, aber er hörte gar nicht hin. In der Garage befand sich genügend Werkzeug, und es dauerte mit seinen geübten Fingern keine halbe Minute, bis er das Türschloss geöffnet hatte. Auch die Zündung kurzzuschließen war kein Problem. Er musste jetzt nur sehr präzise vorgehen.
Er musterte das Garagentor. Es war eine ziemlich stabil aussehende Stahltür. Es war unmöglich, sie zu durchbrechen. Sie wurde mit einem Elektromotor geöffnet. Der Schalter befand sich neben dem Eingang zum Haus. Wenn er den Arm ausstreckte, konnte er ihn vom Wagen aus erreichen. Wenn es ihm gelang, das Garagentor zu öffnen und gleichzeitig den Motor anzulassen, hatte er doch noch eine Chance. Es kam darauf an, wie schnell beides ging.
Dave Braddock schloss die Augen und versuchte, sich die Umgebung der Villa ins Gedächtnis zu rufen. Vom Garagentor führte ein leicht geschwungener Kiesweg zur Straße. Dort war nur ein leichtes Holztor. Kein Problem für den schweren Wagen.
Als er die Augen wieder öffnete, merkte er sofort, dass etwas nicht stimmte. Im Bruchteil einer Sekunde registrierte er, dass ein Schatten auf ihn gefallen war, wo vorher keiner gewesen war.
Automatisch drehte er den Kopf und erstarrte. Das schwarze Loch der Revolvermündung war weniger als einen halben Meter von seinem Kopf entfernt. Dazwischen befand sich nur die dünne Scheibe der Wagentür.
Eine Hand griff zur Tür und zog sie ein Stück weiter auf. Der Revolver näherte sich und berührte jetzt fast die Scheibe.
„Die Hände auf das Lenkrad!“, befahl eine leise Stimme.
Braddock gehorchte und spürte, wie seine Angst wuchs. Im ersten Augenblick hatte er den anderen für einen Polizisten gehalten, der ihn überrumpelt hatte, aber jetzt war er sich nicht mehr so sicher. Jedenfalls trug der Mann keine Uniform.
„Ich gebe auf“, sagte Braddock.
„Ein Typ wie du gibt nie auf“, sagte der andere. „Deswegen habe ich beschlossen, dich ein für allemal aus dem Verkehr zu ziehen. Du hast das Recht zu lange zum Narren gehalten. Dein Maß ist übervoll.“
Auf Braddocks Stirn perlten Schweißtropfen. „Was soll das heißen?“ Seine Augen waren weit aufgerissen. Er versuchte, sich aus dem Wagen zu werfen.
Das Letzte, was er in seinem Leben sah, war eine spitze rote Flamme, die genau auf seine Augen zustach. Die Explosion des Schusses hörte er schon nicht mehr. Das Geschoss hatte die Seitenscheibe zerschmettert und warf ihn auf den Beifahrersitz. Ein Regen von Glassplittern überschüttete Dave Braddock, der bereits tot war.
Ein kleiner glänzender Gegenstand flog durch das offene Fenster und rollte in den Schoß des Toten. Der Schütze schaltete mit einem raschen Handgriff das Garagentor ein und verschwand im Haus.
Summend sprang der Elektromotor an, und mit einem leichten Quietschen schob sich das stählerne Tor in die Höhe. Draußen wurden aufgeregte Rufe laut, blau uniformierte Männer mit kugelsicheren Westen rannten durcheinander. Die Verwirrung war perfekt. Es dauerte fast drei Minuten, bis die Polizisten in die Garage eindrangen und den Toten fanden. Als sie dann anfingen, nach Spuren zu suchen, war bereits alles zertrampelt.
Polizei-Lieutenant John O’Keefe war ein alter irischer Dickschädel. Seine kurz geschnittenen rötlich blonden Haare standen wie Getreidestoppeln von seinem Kopf ab. Er war etwa fünfzig Jahre alt und von gedrungener Statur.
Er riss sich die Dienstmütze vom Kopf und schleuderte sie mit einer jahrelang geübten Bewegung auf den Kleiderständer, der immerhin ein paar Meter entfernt war. Der Lieutenant blickte über die Schar seiner vor dem Schreibtisch versammelten Mitarbeiter. „Also los! Ich will die Tatsachen hören.“
Sergeant Harrison räusperte sich. „Wir wissen noch nicht sehr viel, Lieutenant.“
„Erzählen Sie schon, was wir wissen“, bellte O’Keefe und ließ sich in seinen Sessel fallen.
„Bis jetzt sind uns drei Fälle bekannt, die offensichtlich zusammengehören“, sagte Harrison. „In allen drei Fällen wurden Gangster, mit denen die Polizei schon lange Schwierigkeiten hatte, durch einen einzigen Revolverschuss getötet. Die drei Morde wurden innerhalb der letzten vierzehn Tage verübt, bei den Leichen wurde immer eine Patrone vom Kaliber .38 special gefunden.“
„Fingerabdrücke?“, fragte O’Keefe.