Ludwig Nohl

Weber

Eine Musikerbiografie

Ludwig Nohl

Weber

Eine Musikerbiografie

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2020
1. Auflage, ISBN 978-3-962817-24-4

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Inhaltsverzeichnis

Ein­lei­tung

1. Die Ju­gend­zeit.

2. Auf den Wo­gen des Le­bens.

3. Die Wan­der­jah­re.

4. Kampf und Sieg.

5. Der Frei­schütz.

6. Eu­ryan­the.

7. Obe­ron.

8. Tod und Be­stat­tung.

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»Wie Gott will!«

We­ber

Einleitung

»O mein herr­li­ches deut­sches Va­ter­land, wie muss ich dich lie­ben, wie muss ich für dich schwär­men, wäre es nur, weil auf dei­nem Bo­den der Frei­schütz ent­stand! Wie muss ich das deut­sche Volk lie­ben, das den Frei­schütz liebt, das noch heu­te an die Wun­der der naivs­ten Sage glaubt, das noch heu­te, im Man­nes­al­ter, die sü­ßen ge­heim­nis­vol­len Schau­er emp­fin­det, die in sei­ner Ju­gend ihm das Herz durch­beb­ten! Ach du lie­bens­wür­di­ge deut­sche Träu­me­rei! Du Schwär­me­rei vom Wal­de, vom Abend, von den Ster­nen, vom Mon­de, von der Dorf­turm­glo­cke, wenn es Sie­ben schlägt! Wie ist der glück­lich, der euch ver­steht, der mit euch glau­ben, füh­len, träu­men und schwär­men kann! Wie ist mir wohl, dass ich ein Deut­scher bin!«

So schrieb im Jah­re 1841 von Pa­ris aus Richard Wa­gner, als dort We­bers welt­be­kann­tes Werk zum ers­ten Male voll­stän­dig auf­ge­führt wur­de, in die ge­lieb­te Hei­mat. Und was war es, was ihn bei die­sem deut­schen Wer­ke ge­ra­de in der kal­ten Frem­de so bis zu Trä­nen rühr­te? Er selbst sagt von der Sage, die den Un­ter­grund die­ser herr­li­chen Ton­dich­tung mit ih­ren weh­mü­tig be­se­li­gen­den Stim­mun­gen bil­det, Fol­gen­des:

»Die Sage vom Frei­schüt­zen scheint das Ge­dicht je­ner böh­mi­schen Wäl­der selbst zu sein, de­ren düs­ter fei­er­li­cher An­blick uns so­fort be­grei­fen lässt, dass der ver­ein­zelt hier le­ben­de Mensch sich ei­ner dä­mo­ni­schen Na­tur­macht wenn nicht ver­fal­len, doch un­lös­bar un­ter­wor­fen glaub­te. Und hier­in liegt ge­ra­de der be­son­de­re deut­sche Cha­rak­ter die­ser und ähn­li­cher Sa­gen be­grün­det: die­ser ist von der um­ge­ben­den Na­tur so stark vor­ge­zeich­net, dass ihr die Bil­dung der dä­mo­ni­schen Vor­stel­lung zu­zu­schrei­ben ist, wel­che bei an­de­ren, von dem glei­chen Na­tu­rein­fluss los­ge­lös­ten Völ­kern mehr der Be­schaf­fen­heit der Ge­sell­schaft und der sie be­herr­schen­den re­li­gi­ösen An­sich­ten ent­springt. Wenn­gleich grau­en­haft, ge­stal­tet sich die­se Vor­stel­lung hier nicht ei­gent­lich grau­sam: die Weh­mut bricht durch den Schau­er hin­durch, und die Kla­ge um das ver­lo­re­ne Pa­ra­dies des Na­tur­le­bens weiß den Schre­cken über die Ra­che der ver­las­se­nen Mut­ter zu mil­dern. Dies ist eben deut­sche Art. Über­all sonst se­hen wir den Teu­fel un­ter die Men­schen sich be­ge­ben, He­xen und Zau­be­rer von sich be­ses­sen ma­chen, sie dann will­kür­lich dem Schei­ter­hau­fen über­ge­ben oder vom Tode ret­ten; selbst als Fa­mi­li­en­va­ter se­hen wir ihn er­schei­nen und mit be­denk­li­cher Zärt­lich­keit sei­nen Sohn be­schüt­zen. Doch selbst der ro­he­s­te Bau­er glaubt dem heut zu Tage nicht mehr, weil die­se Be­ge­ben­hei­ten zu platt in das all­täg­li­che Le­ben ge­setzt sind, in wel­chem sie doch ganz ge­wiss nicht mehr vor­kom­men. Hin­ge­gen ist glück­li­cher­wei­se der ge­heim­nis­vol­le Ver­kehr des mensch­li­chen Her­zens mit der ihn um­ge­ben­den ei­gen­ar­ti­gen Na­tur noch nicht auf­ge­ho­ben. Denn in ih­rem be­red­ten Schwei­gen spricht die­se heu­te noch zu je­nem ganz so wie vor tau­send Jah­ren, und das, was es ihm in al­ters­grau­er Zeit er­zähl­te, ver­steht er heu­te noch so gut wie da­mals. So wird die­se Na­tur­sa­ge das ewig un­er­schöpf­li­che Ele­ment des Dich­ters für den Ver­kehr mit sei­nem Vol­ke.«

Der die­ses be­son­de­re Hei­mats­gut uns Deut­schen auch in der Kunst der Töne völ­lig schenk­te und da­mit den Grund ei­ner deut­schen Oper aus­bau­te, die in dem Schat­ten des heu­te her­an­ge­wach­se­nen mäch­ti­gen Le­bens­bau­mes un­ser gan­zes tiefe­re Da­sein hegt, war also Carl Ma­ria von We­ber. Ihm sei die­se wei­te­re bio­gra­fi­sche Skiz­ze ge­wid­met.

1. Die Jugendzeit.

(1786-1804)

C. M. von We­ber, wie er sich zu un­ter­zeich­nen pfleg­te, ent­stamm­te ei­ner ge­adel­ten nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Fa­mi­lie und sein Sinn blieb zeit­le­bens Kai­ser und Reich von da­mals als der ei­gent­li­chen Ver­tre­tung von Deutsch und Hei­mat­lich­keit mit leb­haf­tem Emp­fin­den zu­ge­wandt. Sein Va­ter hat­te ein au­ßer­or­dent­lich be­weg­tes Le­ben ge­führt, in dem aber ei­nes stets wie ein Po­lars­tern fest­ge­stan­den war: einen mu­si­ka­li­schen Ge­ni­us zum Soh­ne zu ha­ben. Die Lie­be zur Kunst und zwar be­son­ders zu Thea­ter und Mu­sik war nach al­t­ös­ter­rei­chi­scher Art in der Fa­mi­lie ein zwei­tes Stück Le­ben. Der Bru­der die­ses Franz An­ton We­ber war je­ner Mann­hei­mer Souf­fleur und Ko­pist, des­sen drit­te Toch­ter in Wien Mo­zarts Frau wur­de, und Franz An­ton selbst ward, nach­dem er zu­erst Of­fi­zier, dann Be­am­ter ge­we­sen, hin­ter­ein­an­der Thea­terdi­rek­tor, Mu­sik­di­rek­tor, Stadt­mu­si­kus und wie­der Thea­terdi­rek­tor, als welch letz­te­rer er fast das gan­ze hei­li­ge rö­mi­sche Reich durch­zog.

Sein Sohn Carl Ma­ria ward im Jah­re 1786 zu Eu­tin ge­bo­ren, und zwar wie in der Fa­mi­lie als das wahr­schein­lichs­te an­ge­nom­men war, am 18. De­zem­ber. Doch ver­ließ der Va­ter schon im nächs­ten Früh­jahr das Land der see­igen Bu­chen­wäl­der, um eben von Nor­den nach Sü­den und um­ge­kehrt die deut­schen Lan­de als Thea­terdi­rek­tor zu durch­zie­hen. Die Mut­ter, Ge­nofe­va von Bren­ner aus Bay­ern, war eine sanf­te stil­le lei­den­de Frau. Auch der Sohn hat­te von Ge­burt an ein Lei­den am Schen­kel­kno­chen, das ihn in der ers­ten Ju­gend den Kna­ben­spie­len ent­zog und nie­mals im Le­ben das Ge­fühl vol­ler Ge­sund­heit ge­nie­ßen ließ. In­fol­ge des­sen lahm­te er in spä­te­ren Jah­ren et­was auf dem rech­ten Fuße. Doch ward er so von Ju­gend an ge­wöhnt, den Quell der Fri­sche und Hei­ter­keit in sich selbst und der in­ne­ren An­span­nung zu su­chen. And­rer­seits er­scheint als ein großer Vor­teil für sei­ne ei­gen­ar­ti­ge Ent­wick­lung die frü­he Ver­traut­heit mit der Büh­ne. »Sohn des Thea­terdi­rek­tors, Ge­spie­le der Kin­der der Schau­spie­ler und Mu­si­ker, durch sei­ne kör­per­li­che Schwä­che an die Nähe der El­tern ge­bun­den, war für ihn das Thea­ter, das Or­che­s­ter, die Büh­ne die Welt, die sonst dem Kna­ben Stra­ße, Gar­ten und Hof um­schlie­ßen«, sagt sein Sohn, sein Bio­graf. Doch zeig­te er an­fangs nicht be­son­de­re mu­si­ka­li­sche Be­ga­bung. Sein Va­ter und ein äl­te­rer Stief­bru­der Fri­do­lin ga­ben ihm Mu­sik­un­ter­richt. Letz­te­rer schlug ihm im Zorn ein­mal den Vio­lin­bo­gen über die klei­nen Hän­de und zwar mit den weg­wer­fen­den Wor­ten: »Carl, du kannst viel­leicht al­les wer­den, aber ein Mu­si­ker wirst du nim­mer­mehr!« Der Übe­rei­fer des Va­ters, der durch­aus ein Wun­der­kind ha­ben woll­te, dräng­te die un­be­fan­ge­ne Äu­ße­rung des an­ge­bor­nen Ta­len­tes wohl eher zu­rück. Denn als der Kna­be einen ver­nünf­ti­gen Leh­rer be­kam, zeig­te sich die­ses so­fort von selbst. »Den wah­ren fes­ten Grund zur deut­li­chen cha­rak­ter­vol­len Spiel­art auf dem Kla­vie­re und glei­che Aus­bil­dung bei­der Hän­de habe ich dem bra­ven, stren­gen und eif­ri­gen Heusch­kel in Hild­bur­g­hau­sen zu ver­dan­ken«, schreibt er spä­ter selbst. Dies war im Jah­re 1796-97 ge­we­sen.

Der Va­ter war ein gar fah­rig aben­teu­ern­der und in spä­te­ren Jah­ren auch hoch­fah­ren­der Herr, der es in sei­nen stets wech­seln­den Ver­hält­nis­sen und oft sehr ge­wag­ten Un­ter­neh­mun­gen mit den Mit­teln sei­nen Zweck zu er­rei­chen nicht im­mer so ge­nau nahm. Aber ei­nes stand ihm als un­ver­rück­ba­re Le­bens­auf­ga­be da, sei­nem Soh­ne die­je­ni­ge Er­zie­hung zu ge­ben, die zu dem Be­ru­fe ei­nes tüch­ti­gen künst­le­ri­schen Schaf­fens not­wen­dig ist. So brach­te er ihn zu­nächst zu Haydns Bru­der Mi­cha­el nach Salz­burg, der als sat­tel­fes­ter Kon­tra­punk­ti­ker be­kannt war, und »Sechs Fughet­ten« hieß das ers­te Werk, das im zwölf­ten Jah­re des Kna­ben her­aus­kam. Dann aber schlug bei dem Va­ter die be­greif­li­che Vor­stel­lung durch, dass für einen zu­künf­ti­gen Opern­kom­po­nis­ten vor al­lem die Kennt­nis der Ver­wen­dung der Mit­tel der Mu­sik zu aus­drucks­vol­ler Dar­stel­lung der un­mit­tel­ba­ren Emp­fin­dung er­for­der­lich sei. Er führ­te ihn da­her nach Mün­chen, das seit 1778 durch Carl Theo­dor mit sei­ner Mann­hei­mer Ka­pel­le zu ei­ner be­deu­ten­den Stät­te der Kunst­pfle­ge er­ho­ben wor­den war. Lern­te der Kna­be hier bei ei­nem aus­ge­zeich­ne­ten Sän­ger der ita­lie­ni­schen Schu­le, Wal­lis­hau­ser (Va­le­si), vor al­lem den Ge­sang be­herr­schen, so­dass ihm die­ser spä­ter eben­so na­tür­lich war wie das prak­ti­sche Ver­ste­hen al­ler Büh­nen­er­forder­nis­se, so ver­half ein neu­er ver­stän­di­ger Leh­rer sei­nem na­tür­li­chen Ta­len­te, wie es zu­erst Heusch­kel er­kannt und ge­pflegt hat­te, zum Durch­bru­che. »Dem kla­ren stu­fen­weis fort­schrei­ten­den sorg­fäl­ti­gen Un­ter­rich­te des Letz­te­ren – es war der Kla­vier­meis­ter Kal­cher, – dan­ke ich größ­ten­teils die Herr­schaft und Ge­wandt­heit im Ge­brau­che der Kunst­mit­tel, vor­züg­lich in Be­zug auf den rei­nen vier­stim­mi­gen Satz, die dem Ton­dich­ter so na­tür­lich wer­den müs­sen, soll er rein sich und sei­ne Ide­en auch dem Hö­rer wie­der­ge­ben kön­nen, wie dem Dich­ter Recht­schrei­bung und Sil­ben­maß«, sagt er selbst. Eine gan­ze Rei­he von Kom­po­si­tio­nen, So­na­ten, Va­ria­tio­nen, Lie­der, eine große Mes­se und so­gar eine Oper »Die Macht der Lie­be und des Wei­nes« ent­stan­den in die­ser Stu­di­en­zeit von 1798-1800. Des Va­ters Stolz woll­te sie so­gar der Welt mit­tei­len. Es fand sich je­doch zum Heil der ru­hi­gen Fort­ent­wick­lung des Soh­nes da­für kein Ver­le­ger.

Da­mals lern­ten die We­bers den neu­er­fun­de­nen Stein­druck ken­nen, der uns heu­te die bil­li­ge Edi­ti­on Pe­ters und da­mit eine Kennt­nis der mu­si­ka­li­schen Meis­ter­wer­ke ver­schafft hat, wie sie so leicht bis­her nur von Wer­ken der Poe­sie und der bil­den­den Kunst zu ge­win­nen war. Der Va­ter war ganz be­geis­tert von die­ser Er­fin­dung Sen­ne­fel­ders und träum­te sich bei des Soh­nes Ta­lent gol­de­ne Ber­ge. Die­ser be­gann denn auch so­gleich mit Ei­fer selbst zu li­tho­gra­fie­ren, was ihm bei sei­ner Hand­fer­tig­keit im Zeich­nen leicht wur­de, ja er wuss­te so­gar bald auch die li­tho­gra­fi­sche Pres­se selbst zu ver­bes­sern. Als nun gar ein son­der­ba­rer Zu­fall, ein Brand, der sich auf einen ein­zel­nen Schrank bei Kal­cher be­schränk­te, sei­ne zahl­rei­chen Kom­po­si­tio­nen zer­stör­te, mein­te er nach der streng gläu­bi­gen Art, wie die from­me Mut­ter sie in ihn ge­legt hat­te, dies als einen Wink des Him­mels be­trach­ten und sich ganz der Li­tho­gra­fie wid­men zu sol­len. Ein Heft Va­ria­tio­nen, frei­lich noch recht man­gel­haft in der tech­ni­schen Her­stel­lung, er­schi­en 1798, und nun wan­der­ten die bei­den Neu­un­ter­neh­mer nach der klei­nen Berg­werks­stadt Frei­berg im Erz­ge­bir­ge, wo die hohe Ent­wick­lung je­des tech­ni­schen Kön­nens ih­nen die si­che­re Er­fül­lung ih­rer Hoff­nun­gen ver­hieß.

Ein gan­zes Jahr hing der her­an­wach­sen­de Kna­be über die­sen me­cha­ni­schen Übun­gen. Dann brach die Lie­be zur Kunst sieg­reich wie­der durch. Ihr ers­tes grö­ße­res Er­zeug­nis war ein deut­sches Sing­spiel »Das stum­me Wald­mäd­chen«. We­ber selbst nann­te es zwar spä­ter ein »höchst un­rei­fes und nur hier und da nicht ganz von Er­fin­dung lee­res Pro­dukt« und die Wir­kung auf der Büh­ne er­wies sich auch nicht als dau­ernd. Al­lein er war auf die­se Wei­se doch sei­ner Kunst und vor al­lem der Büh­ne wie­der­ge­won­nen. Ja so kräf­tig hat­te so­gleich der ers­te Ein­druck die­ses wie­der­er­o­ber­ten Be­sit­zes ge­wirkt, dass er »ver­lei­tet von den Wun­de­ra­n­ek­do­ten von großen Meis­tern« den zwei­ten Akt des Wer­kes in zehn Ta­gen nie­der­ge­schrie­ben hat­te. Jetzt woll­te er denn auch von der Li­tho­gra­fie nichts mehr wis­sen. Er bot im De­zem­ber 1800 sein »Ar­ca­num«1 der Wie­ner Kunst- und Mu­sik­hand­lung von Ar­ta­ria zum Kauf an und füg­te zu­gleich als »Mi­chel Haydnscher Zög­ling« das An­ge­bot ei­ner An­zahl von Kam­mer­mu­sik­sa­chen hin­zu, er­hielt je­doch auf die­ses ers­te Schrei­ben an einen Ver­le­ger gar nicht ein­mal Ant­wort. Ein hef­ti­ger Streit mit den Fach­mu­si­kern der Stadt, den sei­nes Va­ters eit­les Re­nom­mie­ren mit des Soh­nes Kön­nen ent­facht hat­te, ver­lei­de­te dann bei­den den Auf­ent­halt in Frei­berg und sie zo­gen wie­der aus, wie man sa­gen muss, Ge­schäf­te in Kunst zu ma­chen.

Aber­mals ein hei­te­res Sing­spiel, »Pe­ter Schmoll und sei­ne Nach­barn« war das Er­zeug­nis neu­en Schaf­fens, er ver­lor die Spur sei­ner zum schö­nen Zie­le füh­ren­den ei­gens­ten Le­bens­bahn nicht. Er hat­te denn auch die Freu­de, in Salz­burg, wo die­ses Werk im Jah­re 1801 ent­stand, von sei­nem al­ten Leh­rer das Zeug­nis zu emp­fan­gen, dass das­sel­be »mann­haft und voll­kom­men nach den Re­geln des Kon­tra­punkts be­ar­bei­tet, mit vie­lem Feu­er und mit De­li­ca­tes­se und dem Tex­te ganz an­ge­mes­sen kom­po­niert sei«, und sah sich zu­dem »als des­sen lie­ber Zög­ling der gan­zen mu­si­ka­li­schen ge­fühl­vol­len Welt zur bes­ten Auf­nah­me emp­foh­len«. Das Werk selbst kam bald in Augs­burg zur Büh­nen­auf­füh­rung, je­doch ohne jeg­li­chen Er­folg. Da­zwi­schen lag aber­mals eine Kun­st­rei­se. »1802 mach­te mein Va­ter eine mu­si­ka­li­sche Rei­se mit mir nach Leip­zig, Ham­burg, Hol­stein, wo ich mit dem größ­ten Ei­fer theo­re­ti­sche Wer­ke sam­mel­te und stu­dier­te«, er­zählt er selbst. »Un­glück­li­cher­wei­se stieß ein Doc­tor alle mei­ne schö­nen Lehr­ge­bäu­de mit den oft wie­der­keh­ren­den Fra­gen: Wa­rum? über den Hau­fen und stürz­te mich in ein Meer von Zwei­feln, aus dem mich nur nach und nach das Schaf­fen ei­nes ei­ge­nen, auf na­tür­li­che und phi­lo­so­phi­sche Grün­de ge­stütz­ten Sys­tems ret­te­te, so­dass ich das vie­le Herr­li­che, das die al­ten Meis­ter be­foh­len und fest­ge­stellt hat­ten, nun auch in sei­nen Grund­ur­sa­chen zu er­for­schen und in mir zu ei­nem ab­ge­schlos­se­nen Gan­zen zu for­men such­te.«

Der ihm zu die­sem Re­sul­ta­te be­hilf­lich ge­wor­den ist, war der Abbe Vog­ler, be­kannt aus Mo­zarts Brie­fen aus Mann­heim. Ihn lern­te er im Jah­re 1803 in Wien ken­nen und die­se Be­kannt­schaft ward ent­schei­dend für sein Le­ben, für das über­haupt die­ser Wie­ner Auf­ent­halt ein ers­ter Ab­schnitt wer­den soll­te.

Die stets neue Er­fah­rung, die der jetzt Sech­zehn­jäh­ri­ge auf die­ser letz­ten Rei­se mit sei­nem Ta­len­te ge­macht hat­te, – Mi­cha­el Haydn nennt ihn einen »ganz aus­ge­zeich­net star­ken Kla­vier­spie­ler die­ser Zeit« und zu­dem sang er zur Gui­tar­re hin­rei­ßend jene ge­müt­vol­len oder schalk­haf­ten Lie­der, die auch den Grund­kern all sei­nes dra­ma­ti­schen Schaf­fens bil­den, – die­se per­sön­li­che Er­fah­rung hat­te ihm sein Ta­lent wie sei­ne Auf­ga­be stets mehr zum Be­wusst­sein ge­bracht. Eine klei­ne Be­ge­ben­heit in sei­ner Va­ter­stadt Eu­tin, wo Va­ter und Sohn im Ok­to­ber 1802 für ein paar Wo­chen weil­ten und wo auch Be­kannt­schaft mit Jo­hann Hein­rich Voß ge­schlos­sen wur­de, von dem We­ber so man­ches Lied ge­win­nend hei­ter oder ko­misch kom­po­niert hat, ist eben da­für be­zeich­nend. Er mu­si­zier­te dort viel in dem Hau­se des Kanz­lei­ra­tes Stri­cker. Da­bei ver­dross es ihn oft, dass der Sohn des Hau­ses mit sei­nem fer­ti­gen Maul­trom­mel­spiel wah­re Tri­um­phe fei­er­te. Als der­sel­be aber ein­mal so­gar auf zwei Maul­trom­meln spiel­te und da­bei sol­chen En­thu­si­as­mus er­reg­te, dass selbst der Va­ter We­ber aus­rief: »Gott, Ma­ria, wie schön!« wei­ger­te sich Carl Ma­ria auf das be­stimm­tes­te, selbst dort das Kla­vier wie­der an­zu­rüh­ren. Das im­mer mehr er­wa­chen­de Ge­fühl sei­ner Auf­ga­be aber war es, was ihn jetzt in­stinkt­mä­ßig nach Wi­en, dem Mit­tel­punkt der Mu­sik, dräng­te, wo der Alt­meis­ter Jo­seph Haydn noch leb­te und jede Art der Mu­sik schöns­te Blü­ten trieb.

Über die­sen Auf­ent­halt hat We­ber selbst aus­führ­li­che Brie­fe ge­schrie­ben, die in der Bio­gra­fie nicht ent­hal­ten, im Jah­re 1842 im Wie­ner Mo­de­jour­nal und dann 1882 in dem Bu­che »Mo­sa­ik. Für mu­si­ka­lisch Ge­bil­de­te« ver­öf­fent­licht wor­den sind. Ge­rich­tet sind die­sel­ben an einen mu­si­ka­li­schen Freund in Salz­burg, und so­gleich der Ein­gang des ers­ten der­sel­ben zeigt uns We­bers gan­zes in Freund­schaft se­li­ges Herz. »O ich kann dir gar nicht sa­gen, wie ab­ge­schie­den und trau­rig ich hier lebe«, heißt es 1802 von Augs­burg aus. »Hät­te ich mei­ne Mu­sik nicht, ich müss­te bald ver­zwei­feln. Und noch dazu kei­ne See­le zu ha­ben, die so mit mir emp­fin­det, das schmerzt, be­son­ders, wenn ich dann an die lei­der so kur­z­en se­lig ver­leb­ten Tage mit dir den­ke.« Es ge­schieht das all­mäh­li­che Er­wa­chen in ihm, und hier­mit Hand in Hand geht ein stets grö­ße­ren Um­fang neh­men­des geis­ti­ge In­ter­es­se, zu­mal im Diens­te sei­ner Kunst. Schon jetzt ist von ei­ner mu­si­ka­li­schen Zei­tung, von ei­nem Mu­sikle­xi­kon, von ei­ner Mu­sik­ge­schich­te Wiens die Rede. Wie denn auch die äu­ße­re He­bung sei­ner Kunst und ih­rer Jün­ger zeit­le­bens sein eif­ri­ges Be­stre­ben blieb! »Bru­der! mei­ne Brust ist so voll, dass ich un­mög­lich mehr schrei­ben kann«, heißt es un­mit­tel­bar vor der Abrei­se nach Wien, wo er die Er­fül­lung al­ler Wün­sche er­hoff­te.

Er kam im Juli 1803 hin, aber erst im Ok­to­ber emp­fängt der Freund Nach­richt. Er hat­te viel Emp­feh­lungs­brie­fe ab­zu­ge­ben und woll­te nicht eher schrei­ben, als bis er dass Wort »Frei« aus­spre­chen konn­te. Hieran er­kennt man erst, wie schwer der un­stä­te un­zu­ver­läs­si­ge Cha­rak­ter sei­nes Va­ters auf ihm las­te­te. »Ja, frei bin ich, ganz mein Herr, lebe ganz der Kunst«, ruft er aus, als der Va­ter ab­ge­reist ist. Da­bei er­fah­ren wir so­fort, was ihn jetzt dop­pelt er­freu­te und er­hob. »Ich habe das Glück ge­habt, den Abt Vog­ler ken­nen zu ler­nen, der nun mein bes­ter Freund ist und bei dem ich nun sein vor­treff­li­ches Sys­tem stu­die­re«, schreibt er. »Ich bin täg­lich vier bis fünf Stun­den bei ihm und den­ke dir die Freu­de, die er mir vor ei­ni­gen Ta­gen mach­te! Ich war abends bei ihm, – no­ta­be­ne du musst wis­sen, dass er für das Wie­ner Thea­ter eine Oper (Sa­mo­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­