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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet die

Publikation im Internet unter: www.dnb.de

Horst Reiner Menzel

Dieselstraße 8

71546 Aspach

doremenzel@gmx.de

Website: http://www.reiner-menzel-aspach.jimdo.com

3. Auflage 25.04.2021

ISBN-9783753470344

Printed by BoD und Amazon Verlage

Alle Rechte und © Copyright beim Autor Horst Reiner Menzel

Bilder: https://commons.wikimedia.org

Cover: Von Diego Delso, CC-BY-SA 4.0,

Gedicht Stufen: Hermann Hesse

Weitere Gedichte: Rei©Men

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Grenzbereiche

Der Jurist definiert Stalking als Nachstellung und Verfolgung einer Person, das solange wiederholt wird, bis das Opfer in seiner physischen oder psychischen Unversehrtheit nachhaltig gestört ist und sich langfristig bedroht und geschädigt fühlt. In den meisten Staaten ist Stalking ein Straftatbestand. Um als Stalking-Opfer zu gelten, muss über mehrere Monate oder Jahre hindurch, die unmittelbare Privatsphäre durch ständige Belästigungen und Übergriffe des Stalkers nachhaltig gestört worden sein. Die offizielle präventivpolizeiliche Definition in Deutschland lautet:

„Das beabsichtigte und wiederholte Verfolgen und Belästigen eines Menschen, so dass dessen Sicherheit bedroht und er in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird.“

Der Roman erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die anfangs das Geschehen für den Spleen eines abgewiesenen Verehrers hält, sich dann aber bald in ihren Lebenskreisen immer mehr einschränken muss, um den exzessiven Nachstellungen des Stalkers zu entgehen. Die hilfesuchend die Behörden anruft, aber lange Zeit auf taube Ohren stößt. Erst durch ein entscheidendes Ereignis, dass sie selber auslöst, wird sie plötzlich vom Opfer zur Angeklagten.

Der Autor

Kapitel 1 Die kleine Kneipe

In einem kleinen Restaurant in der Innenstadt, wo man sich immer wieder mal mit Freunden oder Arbeitskollegen traf, saßen sie in launiger Runde beisammen. Peter, ein etwa 27- jähriger, gutaussehender Mann mit einem Sichelbart, der sich von einem Ohr zum anderen hinzog und sich an den Koteletten verjüngte, saß neben Cornelia auf dem Barhocker und diskutierte mit ihr heftig erregt über einen Unfallhergang, in den er am Nachmittag verwickelt worden war. Die Feuerwehr hatte ihn aus seinem Wrack herausgeschnitten, doch im Krankenhaus hatte man an ihm keinen einzigen Kratzer feststellen können. Seine sonst so hübschen Lachfältchen in den Augenwinkeln waren verschwunden und man sah ihm an, dass ihm dieses Ereignis schwer zu schaffen machte. Cornelia legte ihm besänftigend ihre Hand auf den Arm und sagte: „Peter, was zählt ist doch, dass du noch lebst – stell dir doch mal vor, wir säßen heute ohne dich hier, müssten dich eventuell im Krankenhaus besuchen oder noch Schlimmer und kaum vorstellbar, auf deinen sonst so hervorragenden Humor für immer verzichten. Höre hinein in deinen Körper dann spürst du das Leben wieder.“

Das Lied deines Herzens

Lass das Lied deines Herzens fliegen,

Schwelgen in den schönsten Melodien,

Gehorche den reichen Gefühlen,

Die dein Innerstes berühren.

Wirst in deinem Traumzeitwesen,

Wie in einem Buche lesen,

Lern das Lied der anderen verstehen,

so lernst du für das eigene Leben.

Rei©Men

Ein Zittern durchlief plötzlich seinen Körper, vermutlich waren es die Nachbeben des Unfalls, den er noch immer nicht gänzlich verarbeitet hatte und dieses unkontrollierbare Nervenflattern auslösten. Cornelia, eine mittelgroße, brünette Studentin, Anfang Zwanzig, nahm ermutigt durch seine Schwäche, die ja bei Frauen automatisch den Beschützer-Instinkt auslösen, nun auch seine rechte Hand und zog ihn mit dem Drehsessel zu sich herum. Eigentlich war sie schon seit einiger Zeit ein bisschen in ihn verliebt gewesen, aber der schöne Mann, den sie in ihm sah, schüchterte sie bisher an, denn in Liebesdingen war sie solchen Eroberer-Typen wie ihn, immer aus dem Wege gegangen. Nun, da er ihr gegenüber überraschend eine Schwäche offenbarte, spürte sie in ihm den sensiblen, feinfühligen Empathen, den er nun nicht mehr verbergen konnte. Peter schaute sie überrascht an, doch bevor er sich wieder im Griff hatte, öffnete sie intuitiv ihre Oberschenkel, was Frauen in der Öffentlichkeit eher sehr selten tun und zog ihn seine Knie zusammendrückend an sich heran, nahm seinen Kopf in beide Hände und drückte ihn an ihre Schulter. Diese Geste und ihr Bewegungsablauf mochten durch die beengten Sitzverhältnisse verursacht worden sein oder war ihrem fraulich, mütterlichen Verhalten, ihn in ihren Schoß aufzunehmen mit ihr durchgegangen, es hatte augenscheinlich eine spontane, unabsichtliche tröstliche Wirkung auf ihn, jedenfalls bemerkte sie ein fast unmerkliches vibrieren, das wie ein Stromschlag durch seinen Körper lief, als sich ihre Wangen berührten, aber dann erstarb es mit einem tiefen ausatmenden Seufzer. Der große, starke Mann hatte Schwäche gezeigt, doch auch in seinem Innersten war eine Veränderung vor sich gegangen. War er doch bisher eher seinem eigenen Vergnügen nachgegangen, hatte sich kaum um die Seelenzustände seiner jeweiligen Partnerinnen gekümmert, geschweige denn versucht ihr Innenleben zu erkunden, so bemerkte er plötzlich schockhaft, dass Frauen eine heilende Wirkung auf seelische Wunden ausüben. Plötzlich war seine Mutter wieder vor seinem geistigen Auge, er sah sich weinend auf sie zulaufen, als er sich die Nase an der Schubkarre aufgeschlagen hatte, als sie im Sand steckengeblieben war, - wie sie ihn in den Arm nahm und Schmerz und Tränen auf sich übertrug. Dann verschwamm das Bild seiner Mutter immer mehr mit dem Gesicht von Cornelia und ohne, dass er es verhindern konnte, küsste er sie auf den Hals und sagte schlicht und einfach nur ein einziges Wort: Danke. Nun war es Cornelia, die von einem Schauer durchrieselt wurde, eigentlich galten ihre spontanen Tröstungen nur einem Menschen in Seelenqualen, nun aber, da er ihr sein wahres Innenleben offenbart hatte, empfand sie mit ihm und konnte nachvollziehen wie er fühlte, war doch diese Zusammenkunft mit den Freunden eigens kurzfristig anberaumt worden, um seine Wieder-Auferstehung von den fast schon Toten zu feiern, doch diese >Feier< hatte auf einmal eine andere Qualität bekommen. Aus einem Impuls heraus drehte sie seinen Kopf herum und küsste ihn auf den Mund, er öffnete ihn ganz vorsichtig und ihre Zungen fanden sich zu einem nicht enden wollenden Intermezzo einer Wiedergeburt, einer Begegnung, die mehr versprach als die Beiden erahnen konnten.

„Hey Cornelia, nun hör mal endlich auf mit deinen Wieder-Belebungsversuchen, du hast es ja geschafft, er ist zurück unter den Lebenden, du bringst ihn ja gleich nochmal um, er bekommt ja kaum noch Luft“, hörte man einen Protestruf von Renate, einer Studentin und ihrer WG-Partnerin.

Aber mit Peter und Cornelia war etwas ganz Besonderes vorgegangen, keine Liebe auf den ersten Blick, auch kein vorsichtiges aneinander herantasten, auch keine langsam wachsende Beziehung, wenn aus Zuneigung Liebe wird.

Sondern die Entdeckung einer Seelenverwandtschaft, wie sie nur durch einschneidende Lebensereignisse zustande kommt, dessen waren sich beide bewusst. Peter flüsterte Cornelia ein paar Worte ins Ohr, sie antwortet ihm und die Anderen reimten sich schnell zusammen, was sie sich zugeflüstert hatten, als sie sich verabschiedeten. Peter, der etwas außerhalb der Stadt wohnte, war mit einem Taxi gekommen und nun liefen sie schweigend in Richtung ihrer WG. Sollte sie ihn mit zu sich nachhause nehmen? So fragte sie sich, verwarf den Gedanken sofort wieder und sah ihn fragend an, doch er hatte wohl eben unausgesprochen den gleichen Gedanken gedacht. „Nein“, sagte sie, „bei mir gibt es zu viele Zaungäste, die sich ständig in mein Privatleben einmischen.“ „Ja, bei mir sieht es ähnlich aus, ich könnte wohl eine Frau mitbringen, aber bevor ich das tue, möchte ich sie dann doch offiziell meiner Familie vorstellen. Wir könnten uns ja ein Hotelzimmer nehmen, aber den Beginn unserer Beziehung stelle ich mir etwas romantischer vor.“

Inzwischen waren sie an einer Parkbank angekommen und setzten sich ohne noch ein weiteres Wort miteinander zu reden. Es war ein stilles sich finden ohne Worte, jeder war in seinen eigenen Gedanken versunken.

Man muss das Leben gut studieren,

und jeden Tag von Neuem ausprobieren.

Rei©Men

Irgendwann sagte Peter:

„Komm, ich bringe dich nachhause, morgen ist Sonntag, ich sage meiner Mutter, dass ich dich eingeladen habe, willst du kommen.“

„Ja, sicher, das ist eine gute Idee, so machen wir das.“

Peter bestellte noch ein Taxi an ihre Haustüre und als sie dort ankamen, erwartete der Fahrer schon seinen Fahrgast.“

Ein kleiner Kuss, gute Wünsche für die Nacht und weg war er. Am anderen Morgen fand Cornelia eine App auf ihrem Handy und dachte sie wäre von Peter. Ohne genau hin zu schauen öffnete sie die Nachricht. Doch es musste sich wohl um eine Fehlsendung handeln, denn diesen Kontakt kannte sie nicht und er war weder in ihrem Telefonverzeichnis noch in ihrer WhatsApp registriert.

>Ich liebe dich schon seit Monaten und möchte dich unbedingt kennen lernen. Conny <

>Das muss wohl ein Irrtum sein, ich kenne Sie nicht, versenden Sie Ihre Nachricht an die richtige Person, < schrieb sie zurück.

Damit sollte die Sache wohl geklärt sein, dachte sie und als sie gegen 9 h noch einmal ihr Handy überprüfte, war dann auch die erwartete Einladung zum Mittagessen von Peters Familie eingegangen. Natürlich bedankte sie sich für die Einladung und vermerkte pünktlich um 12 h bei den Hermanns einzutreffen. Die Familie wohnte in einer Villengegend, das Haus hatte einen sehr geschmackvoll angelegten Garten in dem auch ein Swimming-Pool mit einer begehbaren Glashaube seinen Platz gefunden hatte. Die Begrüßung durch Frau und Herrn Hermann fiel sehr herzlich aus. Frau Gerlinde bemerkte nebenbei, dass Peter ihnen bisher noch nie eine seiner Freundinnen vorgestellt hatte. Obwohl sie erwartet hatte, dass Peter sich um sie bemühen würde, schnappte sich Walter, Peters Vater, gleich Cornelia und zeigte ihr den Garten, der wohl nicht seine Schöpfung war, aber an der er maßgeblich mitgearbeitet hatte und man merkte ihm an, dass er auf sein Werk sehr stolz war. Das ganze Grundstück war von Kirsch-Lorbeer, Liguster, Buchsbaum, Esche und anderen Hecken und Büschen in gemischter Folge umkränzt, wodurch die Komposition ein etwas geheimnisvolles Image bekam. In den Haupteingang an der Straße konnte man nur einsehen, wenn sich zufällig mal die automatischen Tore öffneten. Jeder der hier vorbeikam, musste den Eindruck bekommen nicht willkommen zu sein. Aber dieser Eindruck täuschte, das hatte sie nun schon erfahren. Walter drückte auf eine Fernbedienung und die Glaskonstruktion über dem Pool schob sich nach einer Seite zurück und legte einen Wellnesstempel frei, wie man es sich in den feinsten Hotels kaum vorstellen konnte. Doch als sich Cornelia umschaute, sah sie an allen exponierten Punkten des Gartens Überwachungskameras, die automatisch alle Bewegungsabläufe scannten. Das ist eben der Nachteil, wenn man reich und prominennt ist, dachte sie.

„Wo ist denn eigentlich Peter“, fragte sie seinen Vater.

„Ja weißt du, ich darf doch du sagen, denn bei euch jungen Leuten ist das ja heutzutage so üblich“, sagte er, „ach ja, ich sollte ihn ja bei dir entschuldigen, aber er musste heute Morgen noch einmal kurz in die Firma, aber er wird gleich wieder hier sein.“

„Darf ich fragen, was für eine Firma Sie haben?“

„Ach weißt du, das ist nicht nur eine Firma, es ist ein Firmen-Consulting, dass in den Anfängen schon mein Großvater begonnen hatte, damals nannte man das natürlich nicht so, aber im Laufe der Jahrzehnte sind wir zu Spezialisten in der Unternehmensberatung geworden, da steckt eben sehr viel Knowhow und Erfahrung dahinter - was machst du denn beruflich?“

„Ich bin Studentin – Philosophie, 5. Semester, ein anderes Fach war damals nicht mehr frei, aber inzwischen gefällt mir diese Orientierung sehr gut, man kann viel über Menschen und ihre Verhaltensweisen erfahren, außerdem ist sie neben der Astronomie und der Mathematik eine der ältesten Denkwelten die es gibt, sie existiert seit tausenden Jahren und geht auf Thales von Milet zurück, dem großen, antiken, griechischen Philosophen, der um 600 v. Christus geboren wurde. Inzwischen sitze ich mehr in den Hörsälen für Psychologie, weil sich die beiden Fachgebiete hervorragend ergänzen, aber als Beruf ist mir das zu trocken. Für das nächste Semester habe ich mich für die Rechtswissenschaften eingetragen, weil ich mit dem Philosophie-Studium fertig werde.“

„Sehr gut“, meinte Hermann, „leider gibt es inzwischen zu viele Anwälte – total überlaufen, aber in Verbindung mit BWL kann man in der Industrie ein interessantes Arbeitsfeld finden. Peter hat das gemacht und im Moment ist er in der Firma unser Justitiar. Ein ziemlich aufreibender, doch sehr gut bezahlter Job.“

„Hallo Vater, plaudert ihr gerade über mich?“

„Ja, ließ sich nicht vermeiden, doch jetzt werde ich den Garten dir überlassen und mal nachschauen, wie weit Mutter mit dem Essen ist.“

Mit dem >Garten< meinte er wohl eher Cornelia, die aus dem Staunen nicht mehr herauskam. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie über Peter, den sie bisher bei ihren Partnerwahlgedanken nicht in ihre Überlegungen einbezogen hatte, überhaupt nichts wusste, sich aber ein zu vorschnelles Urteil gebildet hatte. Da musste erst dieser blöde Unfall passieren und schon hatte es >Wumm< gemacht. Dieser riesigen Gartenanlage sah man an, dass sie nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten entstanden war. Da hatten Generationen von Liebhabern der klassischen, englischen Gartenphilosophie gewirkt. Uralte Platanen, Eichen, Buchen, Pappeln und Kastanien gaben der Komposition ihre Grund-Struktur. Weite Freiflächen öffneten sich und gaben neue Durchblicke frei, immer, wenn man meinte, man hätte die Anlage als Ganzes erfasst, bot sie neue Ausblicke und Eindrücke, die das Auge verwöhnten und wohin man auch blickte, durchzogen das hüglig angelegte Profil, wundersame, kleine Wasserläufe und Teichanlagen, mit darüber führenden anmutigen Bogenbrücken die Park- Landschaft, die dadurch viel weiter und offener erschien, als sie in Wirklichkeit war. An den schönsten Stellen unter Trauerweiden, hatten die Gestalter Steintische und Bänke, eingefasst von Hecken und Buschwerk so platziert, das sie zum Verweilen einluden. Die in vielen Parkanlagen so beliebten Stein-Figuren fehlten dankbar, sie hätten mit Sicherheit die gesamte Komposition erschlagen.

„Dein Vater weiß offensichtlich, wenn er das Feld räumen muss“, sagte Cornelia zu Peter, „ich bin ja höchst erstaunt, was ich inzwischen so über deine Familie alles erfahren habe, komm wir schauen uns den Garten genauer an, dahinten ist noch ein Gewächshaus, das muss ich mir mit meinen beiden grünen Daumen, die sich allerdings bisher nur an meinen Balkonpflanzen ausgetobt haben, unbedingt ansehen. Weißt du, in meinem Elternhaus hatten wir auch ein Gewächshaus und meine Mutter hat mir vieles über Pflanzen beigebracht.“

„Na ja, ich genieße diese Anlage, setze mich in die Sonne, lese ein Buch oder tue einfach überhaupt nichts. Aber ich denke du wirst noch genug Gelegenheit haben alles genauer zu studieren, wir müssen uns langsam bei meiner Mutter einfinden, die kann sehr giftig werden, wenn die Gäste nicht rechtzeitig am Tisch sitzen und das Essen verkocht.“

Auf dem Rückweg fragte Cornelia:

„Deine Mutter sagte, ich sei die Erste, die du deiner Familie vorgestellt hast, ist das Zufall oder Absicht?“

„Nun ja, bisher gab es wohl noch nie eine Frau in meinem Leben, die in mir einen Impuls ausgelöst hat, wie es bei dir der Fall war.“

„Aber du weißt doch überhaupt nichts von mir, kennst meine Familie nicht, weißt nicht was ich mache usw.“

„Ich weiß, dass du Philosophie studierst und dass du mir das Leben wiedergegeben hast, das genügt mir, alles andere werde ich wohl bald erfahren. Und ich weiß von Renate, deiner WG-Partnerin, dass du noch nie einen Mann in die WG mitgebracht hast.“

„Na, na - ich habe nur drauf geachtet, dass sie nicht alles mitbekommt, aber auch Renate ist im Umgang mit Männern sehr vorsichtig, sie sagt immer, erst kommt das Studium, dann die Liebe, ich fürchte nur, dass man diese Reihenfolge nicht immer so einhalten kann, wenn die Liebe unverhofft dazwischenkommt.“

„Ja, eines Tages ist man erwachsen, die Kindheit ist abhandengekommen, ohne dass man es richtig gemerkt hat, die Unbekümmertheit des Seins, geht verloren, man wird von Pflichten in Anspruch genommen, von denen man vorher nichts ahnen konnte. Eine wunderschöne, unbekümmerte Zeit verschwindet, in der man einfach glücklich war, ohne dass man es richtig einzuschätzen wusste.“

Auf der Terrasse erschien Walter und winkte ihnen rein zu kommen. Cornelia fragte, ob sie noch etwas helfen könne, was abgelehnt wurde, weil sie heute der Ehrengast der Familie sei und wie Walter bemerkte, war es Gerlinde damit ernst, wenn das einziges Kind, ihr zum ersten Mal einen winzigen Einblick in sein Liebesleben gewährte, wollte sie von vorn herein alles richtigmachen, schließlich konnte sie ja nicht wissen, dass die bis auf einen Kuss noch platonischen Liebesbeziehungen zwischen den Beiden, erst ein paar Stunden bestanden. Während des Essens wurden noch viele, mehr oder weniger interessante Informationen ausgetauscht, doch nach dem Dessert, nahm Peter Cornelia an die Hand und zog sie hinauf in seine >bescheidene Hütte<, wie er sie nannte, die, wie sich herausstellte einem Luxus-Apartment im teuersten Hotel sehr nahe kam, doch es war sehr geschmackvoll und gemütlich möbliert, kein Protz, keine teuren Designerstücke oder Sporttrophäen an den Wänden, sie mochte es auf den ersten Blick gut leiden, es entsprach auch ihren Vorstellungen vom einem gut situierten Leben.

„Bitte erschrick nicht, aber ich kann nichts dafür, dass ich mit einem goldenen Löffel geboren worden bin. Die männlichen Nachkommen meiner Familie verkehrten früher schon in den feinsten Kreisen des Kaiserreiches, bis dann dieser Hitler eine kurze, aber heftige Unterbrechung erzwang. Mein Großvater fiel bei den Nazis in Ungnade, weil er nicht mitmachen wollte und musste in die Schweiz fliehen. 1946 kam er mit meiner Großmutter und meinem Vater zurück und sie wagten in der Stunde null einen Neuanfang. In unserem Haus, hatten sich inzwischen die Amerikaner breitgemacht, mussten es aber freigeben, weil Großvater als Dissident des Dritten Reiches anerkannt worden war. Damals hatten bei den Amis neben den Naziverfolgern, schon mehr und mehr die Wirtschafts-Fachleute das Sagen, denn die darniederliegende Wirtschaft musste aufgebaut werden, damit einher ging auch die Marschall-Planhilfe und man brauchte dringend Fachleute wie meinen Großvater, - also wie du siehst - alles total legal. Doch erzähl mir doch mal was von deiner Familie, ich bin sehr neugierig.“

Das musste dann aber doch noch ein wenig warten, denn inzwischen saßen sie in seinem komfortabel und geschmackvoll eingerichteten Couch-Arrangement brav nebeneinander, die gestern noch so vertraute Atmosphäre war irgendwie abhandengekommen – vorsichtig legte er seinen Arm um ihre Schultern, doch sie machte sich los.

„Ich muss das alles hier erst einmal verdauen“, sagte Cornelia, „so hatte ich mir das nicht vorgestellt.“

„Nun siehst du, warum ich bisher keine Frau so nahe an mein Leben herangelassen habe, wir hätten gestern doch in ein Hotel gehen sollen, dann hätten wir heute kein Problem mit zu viel Nähe!“

„Bitte versteh mich nicht falsch, ich bin richtig verliebt in dich, aber lass mir etwas Zeit, ich möchte nach den vielen Eindrücken, die ich heute hatte, alles in Ruhe und allein überdenken und verarbeiten. Kommst du morgen Abend in unsere Kneipe?“

„Na klar, also dann bis morgen, ich bringe dich noch raus, aus unserem Fort Knox.“

Als sie zuhause war, dachte sie über die Eindrücke und Veränderungen, welche die letzten 24 Stunden auf sie eingestürmt waren in Ruhe nach. Ihr bisher eher beschauliches Leben, dass sich zwischen Elternhaus, Studium und ihrer eher kleinen Wohnung eingependelt hatte, war aus den Fugen geraten. Peter, ein Mann der inzwischen mitten im Geschäftsleben stand, eigentlich einer jener Typen die sich jede Mutter als Schwiegersohn wünscht, war unverhofft in ihr Leben getreten und sie fragte sich, ob sie es mit ihm aufnehmen konnte, ob sie ihm ebenbürtig sein würde, nicht nur in ihrer Beziehung, sondern auch im Berufsleben, dass ihr ja noch bevorstand und von dem sie noch keine Vorstellungen hatte, wohin es sich entwickeln würde. Eines war ihr jedoch bewusst, sie bewegte sich auf neuen Pfaden, auf Wegen von denen man glaubt, dass sie irgendwo beginnen, bevor sie zueinander führen und sich in der Zukunft glücklich vereinigen, doch jede Wanderung, auch die des Lebensweges beginnt mit dem ersten Schritt, den man mutig machen muss, wenn er einem Ziel zustreben will.

Die Wege des Lebens

Denkst du dein Leben bis zur ersten Mikrobe zurück,

die entstand, kannst du nur vor Ehrfurcht niedersinken,

und um hohe Erkenntnis ringen, warum es dich gibt.

Denke nie darüber nach, wie lange du lebst,

oder wie lange dein Leben schon währet.

Schon ein einziger Tag, wäre schöner gewesen,

als überhaupt nicht geboren zu werden.

Wenn dein Sein endet, wird es in den ewigen Kreislauf

des unendlichen, intelligenten Universums,

indem nichts verlorengeht, zurückkehren.

Rei©Men

***

Kapitel 2 Der Stalker

Als Cornelia nachhause kam, checkte sie erst einmal ihr Handy. Wieder war eine WhatsApp eingegangen, doch diesmal prüfte sie genauer, wer ihr die Nachricht geschickt hatte.

„Lass diesen Peter sausen, der ist eine Nummer zu groß für dich, ich liebe dich! Conny.“

Sollte sie antworten, sie dachte eine Weile darüber nach, dann entschied sie sich dagegen. Psychologisch gesehen wäre das eine Ermunterung für ihren heimlichen Verehrer gewesen und solange es bei seinen verliebten Spielchen blieb, musste sie nicht darauf reagieren. Allerdings richtete sie sich vorsichthalber auf dem Laptop eine Datei ein, wo sie die WhatsApp speichern konnte. Dann schaute sie noch bei ihrer WG-Partnerin vorbei, traf sie aber nicht an. An der Tür hing ein Zettel:

>Meine Mutter ist schwer erkrankt, musste sofort zu ihr, kümmerst du dich um die Blumen und esse bitte auch den Kühlschrank leer, ich weiß nicht wann ich zurückkomme. Danke Renate. <

Sie schaute mal kurz hinein und fand ihre Sorgen berechtigt, da tummelten sich zwei Steaks, diverse Käsesorten und im Tiefkühlfach fand sie eine Packung Vanilleeis und frische Erdbeeren. Auf dem Sideboard standen zwei Flaschen Medoc, anscheinend hatte Renate eine Einladung ausgesprochen, die sie nun nicht mehr einhalten konnte. Da musste wohl was passieren und was lag näher, als Peter für den kommenden Abend einzuladen. Sie überlegte, ob sie Peter von ihrem WhatsApp-Verehrer berichten sollte und war sich nicht sicher, wie er das aufnehmen würde. Also rief sie ihn an, er freute sich und sagte: „Ich wollte dich auch gerade wegen morgen anrufen. Es wird dann doch etwas später werden, ich muss eine wichtige geschäftliche Sache am Computer überwachen und das geht in der lauten Kneipe nicht.“

„Komm doch nach der Arbeit bei mir vorbei, - ich koche was, und – wir haben eine sturmfreie Bude – Renate ist verreist und hat mir einen Berg Lebensmittel überlassen, der unbedingt wegmuss.“

„Wunderbar, ich bringe meinen Laptop mit, dann haben wir den Abend für uns. Ich freue mich.“

„Ich auch, gute Nacht.“

„Gute Nacht und träume von mir.“

In der Vorlesung hatte sie ihr Handy auf Stumm geschaltet, doch bald vibrierte es, war das wieder dieser fiese Typ, der sie nicht in Ruhe ließ oder gab es neue Nachrichten von Peter bzw. Renate. In einer Pause schaute sie rein:

„Ich bin böse mit dir, warum verabredest du dich mit Peter. Conny?“

Das war nun doch der Hammer, woher wusste der Typ, dass sie sich für den Abend mit Peter verabredet hatte? Konnte der hellsehen oder hatte er Zugriff auf ihr Handy. Das konnte nicht sein, aber welche Möglichkeiten gab es noch an diese Informationen zu kommen. Spontan wollte sie Peter anrufen, besann sich aber eines Besseren, der hatte damit überhaupt nichts zu tun und konnte ihr auch nicht helfen, denn körperlich bedrohte sie ja niemand. Sie dachte lange darüber nach, bis sie zu der Erkenntnis kam, dass sie nur bei ihrem Telefonat mit Peter abgehört worden sein konnte. Trotzdem rief sie Renate an und erzählte ihr die Vorgänge um ihre gemeinsame Wohnung. „Hast du irgendjemand mal einen Wohnungsschlüssel gegeben?“

„Da kommt nur einer in Frage, aber das ist schon sehr lange her, doch den habe ich zurückbekommen und außerdem sind die Schlüssel kopiersicher, jedenfalls hat mir das der Hausmeister versichert.“

„Dann kann also nur der Hausmeister in unsere Wohnung rein oder ein sehr geschickter Einbrecher, so einer, wie man ihn immer mal in den Filmen sieht. Da zieht ein Schauspieler sein Einbrecherbesteck aus der Tasche und eins zwei drei, schon ist er in der Wohnung. Oh entschuldige, wie geht es denn deiner Mutter?“

„Nicht sehr gut, sie hatte einen Schlaganfall, aber die Ärzte versicherten mir, wenn sich keine weiteren Gerinnsel bilden, wird sie durchkommen, jetzt hängt sie am Tropf und muss wahrscheinlich später Marcumar einnehmen, das sind diese Blutverdünner, die Blutgerinnsel verhindern sollen.“

„Also, dann auch von mir alles Gute und baldige Genesung.“

„Werde ich ausrichten.“

„Bevor ich‘ s vergesse, deinen Kühlschrank werden wir leermachen, ich habe jemand kennen gelernt, also bitte morgen Abend keine unnötigen Störungen.“

Am Abend kam Peter und brachte zwei weitere Flachen Wein mit: >Châteauneuf du Pape 2005 < las Cornelia.

Samtrot

Samtrot wie der Wein,

soll unsere Liebe sein,

spritzig, herb zuweilen heiß,

sinnbetörend oft, wie Eis.

In den Stunden darin,

erkennen des Lebens Sinn,

in unser Selbst hinein,

schauend, ertrinken,

im gütigen Widerschein,

ewiger Dämmerung versinken.

Rei©Men