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Impressum

© eBook: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2022 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

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Projektleitung: Nadine Widl

Rezepte: Johanna Brenke, Christin Müller

Lektorat: Dr. Peter Schäfer

Bildredaktion: Simone Hoffmann

Covergestaltung: Bettina Stickel, ki 36, München

eBook-Herstellung: Laura Denke

ISBN 978-3-8338-8106-0

1. Auflage 2022

Bildnachweis

Coverabbildung: Andreas Sibler (Foto)

Illustrationen: Creative Market

Fotos: Marina Jerkovic; Adobe Stock; Andreas Sibler; Getty Images; iStock; Jonathan Borba/Unsplash; Shutterstock; Stocksy

Foodstyling: Max Faber

Syndication: www.seasons.agency

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Wichtiger Hinweis

Die Gedanken, Methoden und Anregungen in diesem Buch stellen die Meinung bzw. Erfahrung des Verfassers dar. Sie wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und mit größtmöglicher Sorgfalt geprüft. Sie bieten jedoch keinen Ersatz für persönlichen kompetenten medizinischen Rat. Jede Leserin, jeder Leser ist für das eigene Tun und Lassen auch weiterhin selbst verantwortlich. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

EIN WORT VORAB

Liebe Abnehmwillige, Naschkatzen, Waage-Hasser, Wohlfühlgewicht-Suchende, Idealgewicht-Suchende, Nachtesser, Schoko-Süchtige, Diätskeptiker, Diätgläubige, Diätkonzept-Verwirrte, Wunderdiät-Verweifelte, Dauer-Ernährungsumsteller und nicht zuletzt Dicken-Witz-Geplagte!

Der Titel dieses Buches ist gewagt. Denn »der ultimative Schlankheitscode« – das klingt nach etwas wie einer letzten Wahrheit. Und natürlich kann es die nie geben. Denn jede Forschung, auch die zum Thema Schlanksein, hat ihre Grenzen. Zudem kann das, was den einen Gewicht verlieren lässt, für den anderen ungünstig sein, etwa weil er Vorerkrankungen hat. Dass nun trotzdem das Wort »ultimativ« auf dem Cover steht, hat einen einfachen Grund: Es gibt im Bereich der Ernährungsmedizin inzwischen viele nachweisbare Fakten und Zusammenhänge, die der Wahrheit sehr nahekommen. Die zusammengenommen also tatsächlich so etwas bilden wie den ultimativen Schlankheitscode.

Dieses Wissen will ich mit Ihnen teilen. Und damit auch anschreiben gegen Pseudo-Experten, die neue, möglichst simple (und meist absurde) Abnehmkonzepte kreieren. Die »Expertise« dieser Menschen beruht meist auf der Tatsache, dass sie selbst irgendwann einmal abgenommen haben oder aber nie wirklich dick waren. Als Diät-Gurus podcasten und influencern sie sich durch die Bevölkerung und erklären dabei, wie einfach es doch sei, ähnlich schlank und fit zu werden. Mit ihrer Gier nach Geld und Anerkennung diskreditieren sie jede ernsthafte Ernährungsforschung. Und bereiten allen Schuld- und Schamgefühle, die mit den vermeintlichen Wunderrezepten immer wieder scheitern (müssen).

Doch nur, wer die Erkenntnisse der Schlankforschung umsetzt, kann wirklich nachhaltig abnehmen. Dass ich dies so rückhaltlos sagen kann, liegt an meiner umfassenden Erfahrung aus der Praxis. Als Ernährungsmediziner helfe ich seit 30 Jahren Übergewichtigen beim Abnehmen. Ich beschäftige mich also täglich mit der Frage, was Menschen individuell schlank macht und schlank hält. Daher traue ich mir auch zu, die Forschungsergebnisse zu bewerten und einzuordnen. Ich nutze dafür in diesem Buch – wo immer möglich – die bewährten Symbole »+« und »–«, etwa um darzustellen, welche Nährstoffe uns beim Schlankwerden unterstützen und welche nicht.

Wenn Sie das Buch gelesen haben, werden Sie also sehr genau wissen, welche Ernährungskonzepte und Lebensmittel Ihnen tatsächlich beim Abnehmen helfen – und womit Sie sich im Gegenteil selbst sabotieren. Dadurch werden Sie bald viel Spaß auf der Waage haben. Und unseriöse Diät-Gurus? Können nie (wieder) bei Ihnen landen …

In diesem Sinne: Viel Freude bei der Lektüre, beim Umsetzen der Erkenntnisse – und ein langes gesundes Leben mit einer schlanken Figur!

Ihr Matthias Riedl

Schlankforschung als ernste Wissenschaft

In den letzten 15, 20 Jahren hat die ernährungsmedizinische Forschung unglaubliche Fortschritte gemacht: schlicht, weil das Problem Übergewicht und die damit verbundenen Folgekrankheiten weltweit zum immer größeren Problem werden und das entsprechende Forschungsfeld längst kein Randgebiet mehr ist.

So wächst die Zahl und Qualität der Studien kontinuierlich: Mittlerweile haben Wissenschaftler zu großen wie spezielleren Themen in Sachen Ernährung umfangreiche Erkenntnisse erzielt. Wie etwa zu den Fragen »Warum essen wir, wie wir essen?«, »Inwieweit beeinflussen Evolution und Kultur unser Essverhalten?«, »Welche Rolle spielen die einzelnen Organe im Hinblick auf das Gewicht?«, »Was bringen die verschiedenen Diäten?« – und natürlich vor allem zur großen und entscheidenden Frage dieses Buchs: »Welche Ernährungsweise sorgt für eine schlanke und damit gesunde Figur?«

Da ich mich als Ernährungsmediziner schon aus beruflichen Gründen – aber auch aus privatem Interesse heraus – stets informiert halte und darüber hinaus im engen Kontakt mit Kollegen stehe, entgeht mir nichts, was relevant ist. Diese wirklich wichtigen Forschungsarbeiten also haben Eingang in das vorliegende Buch gefunden.

Indes, allen Erfolgen der Forschung zum Trotz, stelle ich fest: Wenn ein Ernährungsmediziner mit Experten anderer Disziplinen am Tisch sitzt, ist er bis heute mitunter so etwas wie der verschrobene Onkel, den man einladen muss, weil er zur Verwandtschaft gehört. Den man ab und an eine Rede halten lässt – insgesamt aber nicht immer richtig ernst nimmt. Auch wenn sich dieses Image glücklicher- und notwendigerweise langsam wandelt, so hat die Skepsis nachvollziehbare Ursachen. Diese möchte ich nicht verhehlen, sondern Ihnen nachfolgend in aller gebotenen Kürze darstellen. Meine Hoffnung: Indem ich die Schwierigkeiten der ernährungsmedizinischen Forschung zum Thema Schlanksein offen benenne, gewähren Sie, liebe Leserin, lieber Leser, mir im Anschluss den nötigen Vertrauensvorschuss. Denn nur wenn Sie mir glauben, dass ich die präsentierten Erkenntnisse sorgfältig ausgewählt und geprüft habe, sind Sie nach der Lektüre (hoffentlich) angemessen motiviert, um Ihre Ernährung anzupassen.

SCHWIERIGKEIT 1: DAS WEITE FORSCHUNGSGEBIET

Setzen Ernährungswissenschaftler Studien auf, die sich mit der Frage befassen, was uns schlank macht beziehungsweise schlank hält, wissen sie schon vor der Auswahl ihrer Probanden: Es spielen Dutzende andere Fachgebiete in 1hre Beobachtungen mit hinein – abgesehen von Disziplinen wie Materialforschung und Astrophysik vielleicht. Wenn die Forscher also wirklich gute Arbeit machen wollen, müssen sie umfassend gebildet sein: Sie sollten beispielsweise über die Einflüsse der Genetik auf unsere Figur ebenso Bescheid wissen wie über medizinisch-physiologische, psychologische und auch soziologische Aspekte, die unser Essverhalten bestimmen. Der Blick über den Tellerrand hinaus ist also Grundvoraussetzung, um überhaupt eine gute Fragestellung entwickeln zu können, anschließend die Probanden richtig auszuwählen – und schließlich die Ergebnisse angemessen zu deuten und einzuordnen. Über diesen klaren Blick verfügen nicht alle Wissenschaftler.

SCHWIERIGKEIT 2: KEIN GOLDSTANDARD

»Macht ein hoher Fleischkonsum dick?« Die Überlegung, wie solch eine Frage zu beantworten wäre, macht eine weitere Herausforderung der Ernährungsforschung deutlich: Erkenntnisse lassen sich in den meisten Fällen nur über sogenannte Beobachtungsstudien gewinnen. Wissenschaftler könnten für Antworten auf die obige Frage beispielsweise den BMI einer großen Anzahl von Fleischfans messen – und mit dem einer ebenso großen Zahl von Veganern vergleichen. Tatsächlich zeigen entsprechende Studien: Begeisterte Fleisch- und Wurst-Esser weisen vergleichsweise häufig Zivilisationskrankheiten wie Adipositas, Krebs und Diabetes auf. Das Problem: Solche Untersuchungen können wechselseitige Beziehungen abbilden, sogenannte Korrelationen, nicht aber ursächliche Zusammenhänge (Kausalitäten) erklären. Denn womöglich ist es nicht (nur) das viele tierische Fett, das die Menschen krank macht. Vielleicht bewegen sich Fleischfans weniger als andere? Oder essen auch ansonsten ungesünder, konsumieren also etwa zu wenig Gemüse?

Um wirklich klären zu können, ob Fleisch tatsächlich dick macht, bräuchte es eine sogenannte »randomisierte, kontrollierte« Studie. Wissenschaftler müssten dafür zunächst – möglichst viele – Probanden mit einem identischen Lebensstil, bestenfalls ähnlichen Herkunftsgeschichten und Erbanlagen finden. Dann würden sie die eine Hälfte der Studienteilnehmer bitten, sehr viel Fleisch zu essen, die andere dagegen bekäme eine rein pflanzliche Ernährung verordnet. Dies müssten Hunderte Probanden idealerweise über mehrere Jahre hinweg durchhalten. Während dieser Zeit würden die Wissenschaftler sie medizinisch begleiten, zum Abschluss der Untersuchung schauen, wer unter welchen Krankheiten leidet – und die Daten der Gruppen vergleichen.

Niemand muss studiert haben, um zu erkennen: Ein solches Studiendesign ist nicht nur praktisch unmöglich, es wäre auch absolut unethisch! Ernährungsmedizinischen Forschern bleibt also in vielen Fällen nichts anderes übrig, als auf Beobachtungs- und Interventionsstudien zu setzen – idealerweise laufen diese über eine längere Zeit. Und immerhin: Etliche valide Hinweise auf die Schlankwirkung einzelner Lebensmittel und spezifischer Ernährungsweisen lassen sich aus solchen Untersuchungen inzwischen gut ableiten. Beurteilen kann ich dies deshalb, weil meine Patienten die theoretischen Erkenntnisse in der Praxis umsetzen – und damit durchweg große Erfolge feiern: Sie nehmen zuverlässig ab und können ihr Gewicht im Anschluss auch meistens halten.

WIE AUSSAGEKRÄFTIG IST DER BMI?

Die allermeisten Studien zum Thema Übergewicht nutzen als Maßzahl den »Body-Mass-Index« (BMI): Dieser Wert beschreibt das Körpergewicht im Verhältnis zur Körpergröße. Er berechnet sich wie folgt:

BMI =

Körpergewicht in kg

(Größe in m)2

Ein gesunder BMI liegt zwischen 18,5 und 24,9. Ab dem Wert 25 beginnt Übergewicht, ab 30 Adipositas (»Fettleibigkeit«) Grad I, ab 35 Adipositas Grad II und ab 40 Adipositas Grad III. Das Problem: Der BMI bezieht wichtige Faktoren wie Körperfettanteil und Fettverteilung nicht ein. Das kann zu Verzerrungen führen: Sportler haben mitunter erhöhte BMI-Werte, da Muskeln mehr wiegen als Fett.

Um das eigene Gesundheitsrisiko einzuschätzen, sollten Sie daher auch das sogenannte Taille-Größe-Verhältnis (Waist-to-Height-Ratio: WtHR) berechnen. Dabei wird der Bauchumfang (Taille in Zentimetern) durch die Körpergröße (in Zentimetern) geteilt. Erstrebenswert ist bis zum Alter von 40 Jahren ein Wert unter 0,5 – danach darf sich dieser Grenzwert pro Lebensjahr um 0,01 erhöhen.

Das Taille-Größe-Verhältnis ist Studien zufolge gut geeignet, um das Fettverteilungsmuster eines Menschen zu bewerten. Aus diesem Grund lässt sich damit nicht nur das Gesundheitsrisiko der offensichtlich Übergewichtigen einschätzen, sondern auch das der sogenannten »dicken Dünnen«. Dieser Begriff bezeichnet jene Menschen, die zwar einen normalen BMI haben, aufgrund einer ungünstigen Fettverteilung aber dennoch überdurchschnittlich häufig (und besonders oft unentdeckt) Risikofaktoren für Zivilisationskrankheiten aufweisen – wie etwa Bluthochdruck oder schlechte Blutzucker- und Blutfettwerte. Drei von zehn normalgewichtigen Menschen sind aktuell bereits betroffen!

SCHWIERIGKEIT 3: EINFLUSSREICHE INDUSTRIE

Neben den fachlichen und methodischen Herausforderungen stellt sich noch ein weiteres Problem: das der Interessenskonflikte. Diese gibt es in allen Disziplinen, in denen Studienergebnisse ein praktisches Anwendungspotenzial haben. Doch sind sie in der Ernährungsforschung besonders häufig. Warum, ist schnell erklärt: Da wir Menschen jeden Tag essen müssen, gehört der Lebensmittelmarkt zu den einträglichsten Wirtschaftszweigen überhaupt. Indem Konsumgüterhersteller unsere Primärbedürfnisse bedienen, verdienen sie viel Geld: Nestlé etwa macht pro Jahr mehr als 90 Milliarden Euro Umsatz. Zum Vergleich: Diese Summe übersteigt den Wert dessen, was Kenia an Gütern, Waren und Dienstleistungen insgesamt jährlich produziert. Klar, dass die entsprechenden Branchenriesen ein riesiges Interesse daran haben, vermeintliche Schlankwirkungen ihrer Produkte durch »Studien« zu belegen – und Forscher mit Finanzierungshilfen für sich zu gewinnen.

Wie groß der Einfluss der Industrie auf die ernährungsspezifische Forschung inzwischen ist, zeigen gleich mehrere Analysen. Beispielsweise prüften Wissenschaftler knapp 1500 Artikel im Hinblick auf Verflechtungen mit der Lebensmittelindustrie, die im Jahr 2018 in den zehn anerkanntesten Fachmagazinen zum Thema Diät und Ernährung erschienen waren. Das Ergebnis: Mehr als 13 Prozent der Beiträge waren von Unternehmen mitfinanziert worden – oder standen auf andere Art und Weise mit ihnen in Verbindung. Die Hälfte der Studien kam zu Ergebnissen, wonach das untersuchte Produkt gesundheitsfördernde Wirkungen hatte – oder aber die Studienautoren ließen Nachweise unter den Tisch fallen, die etwa belegten, dass ein Produkt schädlich war oder es sein könnte. Bei jenen Studien, die keine Verbindungen zur Lebensmittelindustrie aufwiesen, zeigen sich solche Fehler nur in jedem zehnten Fall.

SCHWIERIGKEIT 4: NICHTWISSENSCHAFTLER

Wir alle essen – und wir alle spüren die Wirkung, die Nahrung auf unseren Körper hat. Aus diesem Grund kann sich jeder, wirklich jeder, eine Meinung darüber bilden, was unter gesunder Ernährung zu verstehen sei, was schlank machen und schlank halten könnte. Da der Markt der Diät-Produkte aufgrund steigender Zahlen von Adipositas-Betroffenen zudem immer lukrativer wird, gibt es auch immer mehr Pseudoexperten, die am Bedürfnis der Menschen nach Information und Anleitung mitverdienen möchten. Mitunter werden sie von der Industrie wieder mehr oder weniger gesponsert. Diese Scharlatane propagieren ihre persönlichen Erfahrungen (oder Annahmen) dann als vermeintlich spektakuläre wissenschaftliche Erkenntnisse, um ordentlich Kasse zu machen.

Aktuell besonders beliebt sind Trends wie die intuitive Ernährung. Dahinter steckt die These, unser Körper wisse von selbst, was er brauche – und wir müssten nur auf ihn hören, um ein gesundes Gewicht zu erhalten. Es gibt zu diesem Thema inzwischen unzählige Bücher, Vorträge, Kurse und Coachings.

Wann immer ich auf so etwas stoße, möchte ich vor Wut eine Runde um den Block rennen. Denn die seriöse Wissenschaft weiß mittlerweile sehr genau, dass uns eine solche Ernährungsweise sogar schaden kann. Schließlich sind wir alle Teil eines riesigen Feldversuches, bei dem sich genau zeigt, was passiert, wenn wir das essen, wonach uns ist – wir werden dick und krank!

Der Grund dafür: Wir sind umgeben von einem historisch einzigartigen Überfluss. Und dem geben wir uns, wenn wir uns selbst von der Kette lassen, hemmungslos hin – evolutionär bedingt, wie Sie noch sehen werden. Wir greifen also ganz intuitiv natürlicherweise sehr viel lieber zum Burger als zur Gemüsesuppe, snacken lieber Chips als Rohkost – und rutschen so mit Ansage ins Übergewicht mit all seinen üblen Folgekrankheiten. Intuitives Essen klappt in einer natürlichen Lebensumgebung, aber nicht mehr in unserer modernen westlichen Welt!

ZAHLEN UND FAKTEN RUND UMS ÜBERGEWICHT
  • Seit 1975 hat sich die Zahl der Übergewichtigen weltweit verdoppelt.

  • Hierzulande sind etwa 57 Prozent aller Menschen übergewichtig (BMI über 25) – Tendenz steigend.

  • Etwa jeder Vierte in Deutschland ist fettleibig, also adipös (BMI über 30) – Tendenz ebenfalls steigend.

  • Bei Kindern und Jugendlichen zwischen elf und 15 Jahren sind 18 Prozent der Mädchen und 14 Prozent der Jungen übergewichtig.

  • Die durch Übergewicht verursachten Kosten – wie etwa Behandlungs- und Arzneimittelaufwendungen, Kosten für Produktionsausfall oder vorzeitige Verrentung – machen in westlichen Industrienationen bis zu 15 Prozent der gesamten Gesundheitskosten aus. In Deutschland sind es laut Schätzungen 22 Milliarden allein für das Jahr 2020.

Abgesehen von solchen allgemeineren Konzepten ist das Prinzip hinter hippen Abnehmtrends meist gleich: Man nehme eine Gruppe von Lebensmitteln, die einen speziellen Stoff in großer Menge aufweisen, lasse dann einen Star diese Lebensmittel essen – bei insgesamt deutlich reduzierter Tagesenergiezufuhr – und erkläre den erwartbaren Gewichtsverlust des Promis anschließend nicht mit der verringerten Kalorienzahl, sondern einer vermeintlichen Schlankwirkung der jeweiligen Lebensmittelgruppe. So geschehen etwa bei der aktuell angesagten Sirtfood-Diät. Natürlich sind die propagierten sirtuinreichen Lebensmittel wie Grünkohl, Buchweizen und Walnüsse gesund und mit einem besseren Gewichtsverlauf assoziiert – per se schlank machen sie aber nicht!

All dieser Unbill zum Trotz: Die Zahl der ernst zu nehmenden Studien ist in den letzten Jahren enorm gewachsen. Ebenso die Anstrengung, die Qualität ernährungsspezifischer Forschung zu sichern – eine Studie wie die gerade erwähnte, die den Einfluss der Lebensmittelindustrie auf die Wissenschaft beleuchtet, wäre vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen.

Daher konnte ich für dieses Buch aus dem Vollen schöpfen! Ich habe mit meinem Team Tausende Studien durchforstet – immer mit einem inneren Zensor im Kopf, der die Frage aufwarf: »Kann ich diese Erkenntnis zum Thema Schlanksein guten Gewissens weitergeben?« Nun, da Sie dieses Buch in den Händen halten, werden Sie direkt bemerken: Es ist nicht wenig, was es zu berichten gibt.

Dem englischen Philosophen Francis Bacon wird der berühmte Satz zugesprochen: »Wissen ist Macht.« Diesen möchte ich, in aller Bescheidenheit, ein klein wenig ergänzen: »Wissen ist Macht – und macht schlank.« In diesem Sinne: Folgen Sie mir in die faszinierende Welt der Schlankforschung. Jedes Gramm Wissen, dass Sie sich auf den folgenden Seiten aneignen, wird Sie Kilos kosten und Ihnen damit jede Menge Spaß auf der Waage bereiten.

»DEINE NAHRUNGSMITTEL
SEIEN DEINE HEILMITTEL

HIPPOKRATES

Gibt es die ultimative Schlank­wahrheit?

Ernährungswissenschaftler gewinnen immer umfassendere Erkenntnisse zur Frage, was uns dick macht und was umgekehrt der Figur guttut. Trotzdem werden Studienergebnisse häufig angezweifelt. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie, warum eine gewisse Skepsis mitunter berechtigt ist, eine seriöse Forschung aber grundsätzlich üblich – und nötig!

Essen – viel mehr als nur Nahrung

 

 

 

Menschen, die beim Abnehmen allein auf ein angepasstes Nährstoffverhältnis achten, werden zuverlässig scheitern. Denn ehe wir die Speisekammer umräumen, gilt es zu verstehen, welche Funktionen Essen für jeden von uns hat: Dies schafft die Voraussetzung für eine ganzheitliche und damit dauerhaft erfolgreiche Ernährungsumstellung.

Der Mensch – das essende soziale Wesen

»Essen hält Leib und Seele zusammen.« – »Liebe geht durch den Magen.« – »Jemandem ordentlich die Suppe versalzen.« Ein kurzer Blick auf den Schatz der Redewendungen genügt, um zu erkennen: Wenn wir etwas zu uns nehmen, bedeutet das sehr viel mehr, als unseren Körper mit Nahrung zu versorgen. Es geht um mehr als Verdauungs- und Stoffwechselprozesse. Obwohl diese Tatsache so offensichtlich ist, beschäftigen sich nur die allerwenigsten mit der Frage, wie soziale Faktoren unser Essverhalten und unsere Figur beeinflussen. Dabei kann niemand, der ernährungsmedizinische Empfehlungen isoliert betrachtet, nachhaltig abnehmen. Denn dafür braucht es auch ein tiefes Verständnis davon, dass Essen einen essenziellen Bestandteil unserer menschlichen Kultur darstellt. Nur wer über die vielfältigen Funktionen von Lebensmitteln, Gerichten und Mahlzeiten Bescheid weiß und erkennt, wie sie unser individuelles Essverhalten steuern, kann Letzteres auf genussvolle Weise und damit dauerhaft in Richtung »gesund« und »schlank« drehen.

Genau diese Voraussetzung schaffen Sie mit der Lektüre der nächsten Seiten.

MAHLZEIT! SOZIALE FUNKTIONEN DES ESSENS

Ob Nudeln mit Tomatensauce oder Salat mit Ofenlachs: Egal wie eine Mahlzeit auch aussieht – immer ist sie für uns Menschen ein intensives Erlebnis, bei dem Genuss, Gefühle und soziale Rituale eine wichtige Rolle spielen. Mit jeweils ganz verschiedenen Funktionen.

Nahrung als Genussgarant

»Essen ist der Sex des Alters«: Diesen Spruch höre ich in meiner Praxis regelmäßig, vor allem von Männern in den 70ern. Sie wollen mir damit augenzwinkernd zu verstehen geben, warum sie ein paar Pfund zugelegt haben und dieses Übergewicht kaum loswerden. Natürlich muss ich dann schmunzeln. Zum einen, weil ich als Ernährungsmediziner genau weiß, dass eine angepasste Ernährung und der Abbau von Übergewicht wieder zu mehr Spaß im Bett führen können – und zwar durchaus auch bei Männern über 70. Und zum anderen, weil dieser Spruch etwas extrem Wichtiges illustriert, das den meisten, die ihn zitieren, nicht bewusst ist: Kochen und Essen sind tatsächlich zutiefst sinnliche Erlebnisse. Ein Beispiel: Wir kneten den Brotteig, sehen, wie der Laib im Ofen seine verführerische Kruste bekommt. Wir riechen diesen unvergleichlichen Duft, während das Brot abkühlt. Wir hören das verführerische Knistern, wenn wir es brechen. Wir nehmen die jedes Mal wieder so betörende Aromenvielfalt wahr, wenn wir den ersten Bissen kauen – und die Geschmacksrezeptoren mit den Duftrezeptoren Tango tanzen. Kurz: Lebensmittel, die wir mögen, sind das sprichwörtliche Fest für die Sinne!

Damit gehört Essen zu den Genussgaranten schlechthin – wie ein Entspannungsbad, eine Folge der Lieblingsserie, ein gutes Buch, ein edler Whiskey oder (ab und an) eine Zigarre. Werden uns diese Genussgaranten geraubt, etwa weil Schokolade während einer Diät auf der Verbotsliste steht, halten wir diesen Zustand eine kurze Weile durch, nie aber auf Dauer.

Nahrung als Kitt der Gemeinschaft

»Du bist, was du isst«: Auch an diesem Satz ist viel Wahres dran. Allerdings geht es dabei nicht allein um die Frage, inwieweit uns Lebensmittel ausreichend mit Nährstoffen versorgen. Vielmehr verdeutlicht dieser Spruch Folgendes: Nahrung und Mahlzeiten setzen den Einzelnen in Bezug zu anderen. Und machen damit aus einem Individuum das Mitglied einer Gemeinschaft – kurz: einen Menschen. Da jeder von uns essen muss, meist mehrfach am Tag, bilden kulinarische Routinen die stabilsten Rituale, die wir haben. Und damit zugleich jene, die uns am stärksten prägen. Mahlzeiten beeinflussen also unsere Identität in umfassender Weise mit, indem sie gruppenbildend wirken – von der sehr kleinen bis zur ziemlich großen Gemeinschaft.

Die Familie

Kommt ein Kind auf die Welt, sind die Eltern Bezugspunkt Nummer eins: Was auch immer sie den Jüngsten voressen, möchte und wird auch der Nachwuchs irgendwann zu sich nehmen. In der ursprünglichen Natur wirkte dieses Verhalten lebenserhaltend: Das Kind lernte dadurch, was essbar war – und was möglicherweise tödlich.

Entsprechend bildet bis heute jeder Mensch während seiner Kindheit Vorlieben aus, die vermeintlich individuell sind, in Wahrheit aber nichts anderes als eine Folge der elterlichen kulinarischen Erziehung und damit der Prägung! Während es in der Kernfamilie des einen Kindes etwa morgens Käsebrötchen gibt, mittags Milchreis und abends Wurstbrot, verzehrt man in einer anderen zum Frühstück Müsli, zum Mittag Bratkartoffeln und abends Salat. Indem der Nachwuchs an diesen Ritualen teilnimmt, macht er die Gewohnheiten zu seinen eigenen. Knüpft enge innerfamiliäre Bande – und stärkt diese mit jeder Mahlzeit.

Wie wichtig solche kulinarischen Traditionen sind, zeigt die Tatsache, dass jede Familie ihre eigenen hat. Häufig zeigen sich diese bei festlichen Anlässen, etwa an Geburtstagen: Die eine Familie begeht das Jubiläum mit einem Besuch des immer gleichen Restaurants, für die andere ist eine Kaffeetafel mit Kaltem Hund obligatorisch und für die dritte macht erst das Spanferkelgrillen den Start ins neue Lebensjahr perfekt.

Essen und Trinken – nicht nur Nahrungsaufnahme, sondern auch Heimatgefühl.

Die Region und das Land

Mit der Zeit weitet sich der Bezugsrahmen, in dem ein junger Mensch seine kulinarische Prägung erfährt: Das Kind lernt bald auch die Eigenarten der weiteren Verwandtschaft kennen – und schließlich, etwa im Kindergarten, der Schule und bei lokalen Festen, die Rituale der Bewohner einer Region. Indem es auch diese Traditionen übernimmt, wird es zum Mitglied dieser größeren Gruppe.

Ein Beispiel: Stammt ein Mensch aus Ostfriesland, gehört die Begeisterung für Schwarztee mit Sahne sowie Grünkohl mit Kasseler aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso zu seiner kulturellen Identität wie die Liebe zum flachen Land. Ein Mensch aus Bayern dagegen würde sich eher bei Brezel und Weißwurst sowie der Vorstellung eines Bergpanoramas »zu Hause« fühlen.

Die Nation

Im ganz großen Maßstab schließlich machen uns kulinarische Traditionen zu Angehörigen eines Landes. Über Jahrtausende hinweg haben sich in allen Regionen dieser Erde typische Gerichte ausgebildet – basierend auf den Lebensmitteln, die dort aufgrund der vorherrschenden geografischen und klimatischen Bedingungen verfügbar waren. Während sich in Deutschland beispielsweise infolge des Getreideanbaus eine derart große Vielfalt an Brotsorten entwickelte, dass diese Backkunst inzwischen zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt, entstand in Indien, dem Reich der 1000 Gewürze, eine bunte Palette würziger Currys.

Kurz: Gemeinsam ein Essen zu teilen ist ein extrem wichtiges soziokulturelles Ereignis, das uns zu dem macht, der wir sind. Und uns immer wieder zeigt: Du bist nicht allein! Wie wichtig diese Funktion des Essens für die allermeisten von uns ist, hat jeder schon einmal erfahren, der für eine gewisse Zeit im Ausland war. Egal, wie schön es in der Ferne auch sein mag: Irgendwann fehlt uns beispielsweise das Vollkornbrot. Und wenn dann auch noch, etwa während eines Auslandssemesters in Rom, persönliche Traditionen wie der Käsekuchen zum Geburtstag wegfallen, weil es in Italien keinen Quark gibt, dann spüren wir eine gewisse Wehmut, wenn nicht gar einen kurzen Stich im Herzen – ganz egal, wie gut die Pizza schmeckt, die Freund Antonio zum Feieranlass gebacken hat. Weil wir in solchen Momenten eben genau nicht das sind, was wir essen.

»EINE GUTE KÜCHE
         IST DAS FUNDAMENT
   ALLEN GLÜCKS

AUGUSTE ESCOFFIER

DAS SCHLANKGEHEIMNIS DER 100-JÄHRIGEN

In einigen Regionen der Welt werden viele Menschen außergewöhnlich alt – unter anderem, weil sie stets ein gesundes Gewicht bewahren. Grund genug, ihnen einmal genauer auf den Teller zu schauen …

Um das Jahr 2000 herum beschäftigte den Demografen Michel Poulain vor allem die Bergregion Nuoro auf Sardinien: Denn dort schienen auffällig viele Bewohner die 100-Jahre-Marke zu knacken. Um diese Beobachtung zu bestätigen, durchforstete der Langlebigkeitsforscher zusammen mit Kollegen unter anderem Geburts- und Sterberegister in 40 Gemeinden. Anschließend markierte er die Region der 100-Jährigen mit blauen Kreisen auf einer Karte: Die »Blue Zones« waren geboren. Heute gehören zu diesen Gegenden der Langlebigkeit auch die japanische Inselgruppe Okinawa, die Nicoya-Halbinsel (Costa Rica), die Adventisten-Gemeinde von Loma Linda (Kalifornien) sowie die griechische Insel Ikaria.

Warum die Menschen dort so alt werden konnten, haben andere Wissenschaftler inzwischen gut erforscht. Demnach halten ein ruhiger Alltag und eine spezifische Ernährung die Bewohner der Blue Zones schlank – und gesund. Daher sollten sich Abnehmwillige folgende lebensstilistische Besonderheiten dieser Regionen unbedingt abschauen:

Sich ursprünglich ernähren

In den Gegenden der 100-Jährigen ernähren sich die Menschen in weiten Teilen automatisch so, wie es unserer evolutionären Prägung zufolge ideal ist:

  • Gemüse, häufig aus eigenem Anbau, bildet die Basis der Ernährung.

  • Täglich auf den Tisch kommen Lebensmittel, die reich sind an gesunden Fettsäuren (etwa Olivenöl, Nüsse, Algen).

  • Pflanzliche Proteine, etwa aus Tofu oder Hülsenfrüchten, stehen ebenfalls jeden Tag auf dem Speiseplan.

  • Fleisch und auch Fisch gibt es im Schnitt nur einmal wöchentlich. Viele Bewohner der Blue Zones essen vegetarisch – oder sogar vegan.

  • Stark verarbeitete Produkte und zuckerreiche Nahrung kommen kaum vor.

  • Sich zu überessen gilt in den Blue Zones als unstatthaft. Die Menschen nehmen meist nur kleine Portionen zu sich und hören mitunter schon auf zu essen, ehe ein Sättigungsgefühl eingetreten ist.

  • Alkohol wird nur selten getrunken – und wenn, dann in Form von Rotwein.

Kohlenhydrate sofort verbrennen

In einer Sache unterscheidet sich der kulinarische Alltag in den Blue Zones deutlich von dem, was ich meinen Patienten rate: Die Menschen essen viel Kohlenhydratreiches – etwa Reis, Kartoffeln, Brot und Mais. Dass dies den 100-Jährigen offensichtlich nicht geschadet hat, liegt daran, dass sie die Zuckerverbindungen über viel alltägliche Bewegung zuverlässig verbrannt haben: Gemüse anbauen, die Ziegen hüten, ein Stück Fisch besorgen – allein um etwas essen zu können, mussten die Menschen teils weite Wege zurücklegen.

In der modernen westlichen Gesellschaft dagegen muss sich für eine reichhaltige Mahlzeit niemand mehr viel bewegen. Essen wir nun jedoch genauso viele Kohlenhydrate und dabei vor allem isolierte oder raffinierte – was die meisten von uns tun! –, macht uns das dick und in der Folge krank. Einen Beleg für diesen Zusammenhang liefern die Langlebigkeitsregionen selbst: Dort sinkt die Lebenserwartung mittlerweile drastisch – weil die westliche Ernährungs- und Lebensweise die traditionelle immer mehr verdrängt!

Das Essen bewusst genießen

Die Menschen in den Blue Zones versorgen sich dank wertvoller Lebensmittel nicht nur ausreichend mit Nährstoffen – sie nutzen das Essen auch, um ihrer Psyche Gutes zu tun. So zelebrieren die meisten 100-Jährigen das Kochen, diese so sinnliche Verwandlung von Lebensmitteln in kulinarische Köstlichkeiten. Sie genießen das Ergebnis in – mitunter großer – Gesellschaft. Wer so isst, kann nicht nur nicht schlingen. Sondern feiert jede Mahlzeit als Genussgaranten und sozialen Akt, der Bindungen festigt und hilft, sich als Teil einer Gemeinschaft wahrzunehmen.

Oft genug entspannen

Der traditionelle Alltag in den Blue Zones ist hart, das Wort »Ruhestand« verpönt – und trotzdem: Entspannte Pausen gehören ebenso zum Lebensentwurf der Hundertjährigen wie die Arbeit. Mittags-Nickerchen, Plausch mit Nachbarn, Tee mit Freunden, freier Sonntag, Meditation und Yoga: Alles, was innere Einkehr oder ein Gefühl von Zugehörigkeit verspricht, praktizieren die Menschen täglich – und zwar bis ins hohe Alter. Daher muss in den Blue Zones niemand mit Snacks gegen Alltagsstress ankämpfen.

Hektik durch Routinen ersetzen

Die Tage, Wochen und Monate gleichen sich in den Langlebigkeitsregionen meist extrem: Modernes Getriebensein ist den 100-Jährigen fremd – auch weil materieller Erfolg absolut keine Rolle spielt. Wichtiger ist es, einen Sinn im Leben zu sehen, bis ins hohe Alter aktiv zu sein und auch etwas für andere zu tun. Diese Routinen senken das Stresslevel der Menschen tatsächlich enorm – und damit auch den Spiegel an Hormonen, die für chronische Entzündungen sorgen, dick und krank machen können (siehe >).

Das Geheimnis der 100-Jährigen lautet also wie folgt: Sie tun alles, um auf gesunde Weise satt und zufrieden zu sein. Damit befriedigen sie genau jene zwei Grundbedürfnisse, die wir Menschen seit jeher haben und die deshalb auch die Grundlage der artgerechten Ernährung bilden (siehe ab >), wie ich sie uns allen empfehle.

Die Schlankfoods der Blue Zones

Blue Zone

Superfoods

Sardinien

Grünes Gemüse

Okinawa

Süßkartoffeln, Algen

Nicoya

Bohnen

Loma Linda

Porridge, Nüsse

Ikaria

Olivenöl, Linsen, Kichererbsen

Essen als Statussymbol

Nahrung verbindet jedoch nicht nur – wir nutzen sie umgekehrt auch, um uns von anderen abzugrenzen. Wieder dient dies dazu, Identität zu stiften. Wenn etwa der ehemalige FC-Bayern-Star Franck Ribéry, aufgewachsen in einer Plattenbauwohnung eines sozial schwachen Stadtviertels von Boulogne-sur-Mer, ein Video teilt, das ihn dabei zeigt, wie er ein mit Blattgold überzogenes Steak isst, dann demonstriert er damit: »Hey, schaut her, zu was ich es gebracht habe!« In ähnlicher Weise garantiert es einen gewissen Status, wenn etwa 40-jährige Haudegen immer extremere Schärfegrade von Chilischoten ertragen lernen und mit dieser Fähigkeit entsprechende Wettkämpfe gewinnen. Und auch die junge, vegane, fitte Influencerin mit den drei Millionen Followern grenzt sich ab, wenn sie einen Grünkohl-Smoothie trinkt und Zucchinischeiben grillt – von der großen Menge jener, die sich weniger konsequent gesund ernähren.

Sicher, ich zeichne hier klischeeverdächtige Bilder. Doch die Beispiele dienen nur dazu, in aller Drastik zu zeigen: Wir alle nutzen den Konsum oder das demonstrative Weglassen bestimmter Nahrungsmittel, um uns so zu präsentieren, wie wir gesehen werden wollen.

WARUM ESSEN GLÜCKLICH MACHT

Neben all den gerade beschriebenen sozialen Funktionen hat Essen auch eine immens wichtige psychobiologische Funktion. Ob wir nun unser Lieblingsgericht genießen, uns mit Freunden auf einen Cocktail treffen oder unser erstes selbst gebackenes Brot genießen – eine Sache eint all diese Szenen: Wir sind entspannt. Dieser Zustand ist für unseren Körper besonders erstrebenswert: Denn anders als in stressigen Situationen läuft der Stoffwechsel dann auf Sparflamme. Und da unser Körper evolutionär bedingt aufs Energiesparen hin optimiert ist – schließlich war Nahrungsmangel über Jahrhunderttausende hinweg die Bedrohung Nummer eins für uns Menschen –, versucht er uns dazu zu bringen, diesen Zustand so oft wie möglich einzunehmen.

Dafür schüttet das Gehirn Dopamin aus, einen im Volksmund »Glückshormon« genannten Botenstoff. Dieses Hormon beschert uns ein Wohlgefühl und wirkt damit als sogenannter positiver Verstärker: Denn wenn wir uns gut fühlen, wollen wir die Handlung, die diesen Zustand ausgelöst hat, wiederholen. Dopamin steht daher auch hinter jeder Form des Lernens.

Das Spannende nun: Beim Essen produziert unser Körper so viel Dopamin wie bei keiner anderen Tätigkeit – abgesehen von Sex. Der Ausstoß fällt umso stärker aus, je hochkalorischer die Nahrungsmittel sind. Der Grund: Nahrung, energiereiche zumal, war über den weitaus größten Teil der Menschheitsgeschichte hinweg absolute Mangelware – sodass es einen Überlebensvorteil darstellte, immer wieder zulangen zu wollen, wenn Kalorien doch einmal in Reichweite waren.

Besonders groß ist die Dopamin-Flut beim Essen dann, wenn wir eine Mahlzeit mit unseren Liebsten teilen. Auch dies hat einen guten Grund: Stabile soziale Bande, die, wie gesehen, vor allem beim Essen entstehen, waren ebenfalls wichtig fürs Überleben. Denn nur wenn die Starken aufgrund enger Beziehungen zu den Schwächeren die vorhandene Nahrung mit ihnen teilten, konnten alle in der Gruppe überleben. Eiweißreiches wie Fleisch auf den Speiseplan zu nehmen bot unseren Ahnen dabei übrigens einen wichtigen Vorteil: Forscher konnten zeigen, dass viel Protein unsere Bereitschaft steigert, mit anderen zu teilen.

Wer dagegen allein war, konnte in der Savanne nicht überleben – und kann es auch in modernen Zeiten nicht, zumindest nicht gut. Denn sind wir allein, setzen im Körper typische Stressreaktionen ein. Werden diese chronisch, machen sie uns krank – weshalb Einsamkeit inzwischen als eigenständiger Risikofaktor für beinahe alle Krankheiten gilt, von Bluthochdruck bis Depression.

Halten wir also fest: Die üppige Lasagne unter Freunden polt uns buchstäblich auf »happy«. Der mit anderen geteilte Salat macht uns aufgrund der geringeren Energiedichte schon ein bisschen weniger froh. Und wenn wir alleine vorm TV sitzen und eine Selleriestange knabbern, fühlt sich das für uns eher freudlos an.

MYTHOS ODER WAHRHEIT? – »SEX MACHT SCHLANK«

Dass sich mit der schönsten Nebensache der Welt ein Abnehmturbo zünden ließe, gehört zu den verführerischsten Annahmen in Sachen Diät-Theorie – und leider auch zu den größten Fehleinschätzungen. Bis zu 300 Kalorien könnten Liebende pro Akt verbrennen, erklären die Verfechter dieser Schlankstrategie. Doch damit überschätzen sie Studien zufolge nicht nur den Kalorienverbrauch beim Liebesakt, sondern auch die Dauer desselben. Tatsächlich ähnelt der Energieaufwand beim Sex dem eines Spaziergangs in gemächlichem Tempo: Ein 70 Kilo schwerer Mann würde dabei pro Stunde etwa 210 Kalorien verbrennen – das entspricht der Energiemenge, die 40 Gramm Chips liefern. Allerdings dauert ein durchschnittliches Stelldichein nur etwa sechs Minuten: Das macht 21 Kalorien – oder vier Gramm Chips. Um mit Sex effektiv Gewicht zu verlieren, müssten Abnehmwillige also schon im Pornobusiness arbeiten.

WARUM DAS WICHTIG IST FÜRS SCHLANKSEIN

Sämtliche bislang dargestellten Funktionen des Essens haben erhebliche Folgen für unsere Figur. Denn indem die soziale Prägung bestimmt, welche Lebensmittel und Gerichte wir besonders gern mögen und was traditionellerweise häufig auf den Tisch kommt, beeinflusst sie unsere Nährstoff- und Energieversorgung, die körperliche Verfasstheit – und sogar die Gene.

Diese Einflüsse bilden ein relativ neues Forschungsgebiet: Entsprechend spannend sind dessen Erkenntnisse. Ich will diese im Folgenden kurz skizzieren, denn: Wer die Risiken kennt, die mit der persönlichen Prägung einhergehen, kann anschließend individuell passende Strategien entwickeln, um ernährungsmedizinische Empfehlungen in den eigenen Alltag zu integrieren.

Prägungsrisiko 1: ein ungünstiges automatisiertes Essverhalten

Die extrem stabilen Essgewohnheiten, die wir insbesondere in der frühen Kindheit ausbilden, haben biochemische Auswirkungen auf unser Gehirn: Durch die Belohnungsprozesse rund um das Dopamin formen sich mit der Zeit feste neuronale Strukturen. Diese bilden die Basis unseres Essverhaltens: Sie sorgen also dafür, dass wir im Alltag über die allermeisten kulinarischen Entscheidungen nicht oder kaum nachdenken – einfach weil die schnelle, gewohnte Wahl das Gehirn am wenigsten Energie kostet. Und so schmieren wir uns, je nach Prägung, morgens wie ferngesteuert ein Marmeladenbrötchen, wählen in der Kantine automatisch das Schnitzel, essen abends ein Salamibrot – und greifen beim Sonntagabendkrimi ganz selbstverständlich zu Schokolade und Chips. Essensgewohnheiten können einer Studie zufolge sogar dazu führen, dass beispielsweise zu einer bestimmten Tageszeit der Spiegel des Hungerhormons Ghrelin ansteigt.

Das Problem: Solche Gewohnheiten, die sich zum Teil über mehrere Generationen hinweg festigen, sorgen in unserem modernen Lebensumfeld umstandslos für Übergewicht. Denn die hochkalorische, häufig sehr kohlenhydratreiche Ernährung, die etwa unsere Großeltern noch brauchten, weil sie sich viel bewegten, verursacht bei uns einen konstanten Energieüberschuss.

Das bedeutet umgekehrt: Wenn wir versuchen, solchen anerzogenen Essensmustern auf die Spur zu kommen, können wir sie anschließend Stück für Stück in Richtung »gesund« drehen. Wie genau das gelingt, erkläre ich hier (> und >, aber auch ausführlich im Buch »Die Macht der ersten 1000 Tage. Falsche Ernährungsmuster aus der frühen Kindheit aufdecken und der Prägungsfalle endlich entkommen«).

Prägungsrisiko 2: eine ungünstige Aktivierung bestimmter Gene

Die Wissenschaft kennt inzwischen unzählige Genvarianten, die unseren BMI ungünstig beeinflussen können. Beispielsweise bestimmen unsere Erbanlagen mit darüber, wie gut wir Nahrung verstoffwechseln oder wie schnell wir satt sind. Und eine spezielle Genmutation etwa sorgt dafür, dass die Körperzellen jener Personen, die diese Veränderung in sich tragen, mehr Glukose aufnehmen als die anderer Menschen. Da Zellen jedoch nur eine gewisse Menge der Zuckerstoffe direkt umsetzen können, kommt es zu einem Energieüberschuss. Und den speichert der Körper zumeist als Fett, weshalb sich mit der Mutation das Übergewichtsrisiko erhöht.

Die persönliche Ernährungsprägung beeinflusst zwar nicht den Genpool selbst. Sie hat aber Auswirkungen auf die Frage, welche Gene angeschaltet sind und welche nicht. Diese epigenetischen Prozesse beeinflussen Abläufe im ganzen Körper – und damit ebenfalls unser individuelles Risiko für Adipositas und andere gefährliche Krankheiten.

WAS BEDEUTET EPIGENETIK?

Unsere Gene selbst verändern sich allein über Mutationen – und es dauert Jahrtausende, bis sich eine solche durchsetzt. Welche Gene allerdings in einer Zelle aktiv sind und wenn ja, in welchem Umfang, bestimmen epigenetische Vorgänge. Dafür verantwortlich sind die sogenannten Methylgruppen: organische Verbindungen, die einem Gen in unterschiedlicher Zahl anhängen. Weist ein Gen viele Methylgruppen auf, hat die Zelle keinen Zugang mehr zu allen Informationen, die das Gen trägt – es bleibt abgeschaltet. Je weniger Methylgruppen sich dagegen an einem Gen finden, desto aktiver ist es. Der große Vorteil epigenetischer Prozesse: Sie erlauben es unserem Körper, sich rasch an veränderte Umweltbedingungen anzupassen, wie etwa ein neues oder verringertes Nahrungsangebot. Die Epigenetik bildet damit eine Art Evolution im Zeitraffer – und sichert unserer Art auf diese Weise seit jeher das Überleben.

Eltern können uns auf Übergewicht programmieren

Das besonders Spannende: Nicht allein die eigene Ernährungsweise bestimmt die Aktivität unserer Gene, auch die der Eltern entscheidet ein Stück weit darüber mit. Denn Mutter und Vater vererben uns nicht nur ihre genetischen Anlagen, sondern auch epigenetische Muster – also Besonderheiten in der Aktivität der einzelnen Gene, die auf dem Lebensstil der Eltern beruhen. Und damit legen Eltern den Grundstein dafür, ob wir zu Übergewicht neigen oder zu jenen Menschen gehören, die scheinbar essen können, was sie wollen, ohne zuzunehmen.

Diesen Zusammenhang belegen inzwischen verschiedene Studien. Eine zeigte beispielsweise: Ernährten sich Väter besonders fettreich, wiesen die Kinder ein höheres Risiko für Stoffwechselstörungen auf, die zu Adipositas und Diabetes führen können.

»Dicke Eltern machen dicke Kinder« – an diesem Gemeinplatz ist wissenschaftlich betrachtet leider einiges dran.

Der elterliche Lebensstil nach der Zeugung beeinflusst uns ebenfalls

Auch wenn das Kind heranwächst, spielen die Eltern weiter die Hauptrolle in Sachen epigenetischer Prägung. Einen großen Einfluss hat etwa die Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft, wie eine Studie zum niederländischen Hungerwinter 1944 drastisch zeigt. Damals standen schwangeren Frauen infolge eines Lebensmittel-Embargos der deutschen Besatzung mitunter nur 700 Kalorien am Tag zur Verfügung. Traf die Mangelernährung eine Frau bereits früh während der Schwangerschaft, stellte sich der Organismus im Mutterleib darauf ein: Im Körper des Embryos wurde dann etwa ein Gen besonders aktiviert, das für die Herstellung wachstumsfördernder Stoffe verantwortlich ist. So konnten die Embryos die wenige verfügbare Energie besonders effizient umsetzen – und hatten bei der Geburt ein normales Gewicht. Das große Problem: Nach Ende des Krieges änderten sich die Lebensumstände extrem. Die Niederlande erlebten Wirtschaftswunderjahre, es gab mehr als genug Nahrung. Da der Körper der Hungerbabys jedoch auf Mangel programmiert war, setzten sie auch als Erwachsene noch jede Kalorie besonders effizient um – und litten daher überdurchschnittlich häufig an Adipositas und Typ-2-Diabetes.

In Leningrad dagegen, wo während des Zweiten Weltkrieges ähnlich katastrophale Hungersnöte herrschten, blieb dieser Effekt aus. Denn anders als in den Niederlanden verbesserte sich die Nahrungsmittelversorgung in der Metropole nach dem Ende der Kämpfe kaum. Und so zynisch es klingt: Den Menschen, die sich unter den Mangelbedingungen im Mutterleib entwickelt hatten, konnte nichts Besseres passieren, als dass sich der Mangel fortsetzte. Denn ihre Körper waren auf den Notfall hin geprägt: Die dauerhaft schlechte Versorgung passte zur Software, die sie von der Natur mitbekommen hatten. Das System funktionierte auch im Erwachsenenalter noch, wie es sollte – anders als bei den niederländischen Schicksalsgenossen.

TU DEINEM LEIB ETWAS GUTES,
DAMIT DIE SEELE
LUST HAT, DARIN ZU WOHNEN.

TERESA VON AVILA