BEST of NBA
BEST of NBA
DIE HIGHLIGHTS AUS 75 JAHREN
Legendäre Spiele, außergewöhnliche Stars, unvergessliche Momente
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1. Auflage 2021
© 2021 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2020 bei Firefly Books unter dem Titel NBA 75. © 2020 by Firefly Books Ltd. Text © 2020 by Dave Zarum. All rights reserved.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Axel Schwind
Redaktion: Ronit Jariv
Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer
Layout: Noor Majeed
Satz: Daniel Förster, Belgern
Druck: Florjančič Tisk d.o.o., Slowenien
ISBN Print 978-3-7423-1649-3
ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1346-8
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1347-5
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Mein Freitag mit Jerry
Tip-Off
Mr Basketball
Globetrotters 61, Lakers 59
Die National Basket ball Association
Die Barriere der Hautfarbe überwinden
24 Sekunden
Schayes und das City Game
Die Ära Russell
Baylor macht die 71
Der Mythos Wilt
Big O
Celtics gegen Lakers: Runde 1
Die ABA: Basketballs Wilder Westen
Der Streik
Jerry West – der gepeinigte Held
»Felton, Norman hier«
Die Schlacht um Lew Alcindor
Wird Willis Reed spielen?
Pistol Pete
Dr. J
33 STR8
Streetball
Der Slam-Dunk-Wettbewerb
Der Zusammenschluss
Bill Waltons Fluch
Skywalker gegen Iceman
Die NBA am Rande des Abgrunds
Die Bullets tragen Ringe
Die Magic und Larry Show
Die Showtime Lakers
Ein Draft für die Geschichtsbücher
Air Jordan hebt ab
Bowie: Top oder Flop?
Der afrikanische Traum
Celtics gegen Lakers: Runde 2
Der Verlust von Len Bias
Bad boys
Magic und HIV
Drei Titel am Stück
Das Dream-Team
Shaq Attack
Jordan spielt Baseball
MJs Herausforderer
Grant Hill
Die NBA kommt nach Kanada
Der Hauptgewinn
Der doppelte Three-Peat
Space Jam
Die Marke NBA
Jetzt sind wir dran
Der Lockout
Die Kobe-Shaq-Lakers
MJ und die Wizards
AI und der Kampf der Kulturen
Yao
»Malice at the Palace«
Der Weg der Spurs
Die Suns – sieben Sekunden oder weniger
Dirk
Kobes 81
King James
Ein Schiedsrichter auf Abwegen
Rettet unsere Sonics
Celtics gegen Lakers: Runde 3
Die Entscheidung
Derrick »One Hit Wonder« Rose
OKC – nur fast eine Dynastie
Kawhi
Curry und die Warriors
LeBron ist zurück
Der rastlose Superstar
Big Data und die Drei-Punkte-Revolution
Giannis und die globale Talentsuche
Zion und der Social-Media-Hype
Rollenspieler
Bildnachweis
Es geschah an einem ganz gewöhnlichen Freitagnachmittag. Ich räumte noch schnell meinen Schreibtisch auf und freute mich auf ein Wochenende im Grünen. Da klingelte mein Telefon.
»Dave? Jerry West hier.«
Zwei Monate zuvor hatte ich über die Golden State Warriors Kontakt mit West aufgenommen, der zu dieser Zeit als Sonderberater für sie tätig war. Die Warriors hatten West dazu auserkoren, sie zur Meisterschaft zu führen (was ihm auch gelang). Die Gründe hierfür waren naheliegend: West, der in den 1960ern und frühen 1970ern für die Lakers gespielt hatte, ist ein Hall of Famer und der einzige Spieler, der jemals als Finals-MVP ausgezeichnet wurde, obwohl er für das Verliererteam auflief. Später wechselte er in das Management des Vereins und trug maßgeblich zum Aufbau der Shaq-Kobe-Ära Anfang der 2000er-Jahre bei. Und nur so nebenbei: Das NBA-Logo ist der Silhouette von West nachempfunden.
Im Rahmen meiner Berichterstattung über die NBA vom kanadischen Toronto aus hatte ich das Privileg, viele interessante Leute zu interviewen. Dr. J ist definitiv einer der coolsten Typen auf dem Planeten. Vince Carters Auftritt beim Dunk Contest im Jahr 2000 haute mich aus den Socken. Wayne Embrys Geschichten über Wilt und Russell verschlugen mir die Sprache. Aber ernsthaft, Jerry West! Jahrzehntelang ein Teil der NBA-Geschichte, wer kann das schon von sich behaupten? Ich hielt mir den Hörer vor die Brust, atmete einmal tief durch und versuchte, nicht wie ein total peinlicher Fan rüberzukommen.
Ich sagte ihm, dass ich nicht vorhätte, seine Zeit zu lange in Anspruch zu nehmen. Daraufhin erwiderte er, dass er im ländlichen Kalifornien unterwegs sei, sein Auto sich in der Werkstatt befinde und er alle Zeit der Welt habe. Als ich mir vorstellte, wie Jerry West in einer Autowerkstatt rumsitzt und in Erinnerungen schwelgt, musste ich grinsen.
Ich hatte explizit darum gebeten, West interviewen zu dürfen. In diesem Moment jedoch erwischte er mich, wie so viele seiner ehemaligen Verteidiger, völlig unvorbereitet. Also improvisierte ich, fragte, warum er sich gerade Basketball als lebenslange Beschäftigung ausgesucht habe. Es entstand eine kurze Pause. »Basketball hat mich ausgesucht«, gab er mir zur Antwort. Er erzählte von seiner schwierigen Kindheit in West Virginia, von den unzähligen Stunden, die er als Zuflucht auf einem schlammigen, behelfsmäßigen Outdoor-Court verbracht hatte. Ich fragte ihn nach seinem Teamkollegen Elgin Baylor und er beklagte die »Tragödie« der Lakers, die es nach sechs Anläufen endlich geschafft hatten, den Meistertitel zu holen – just in dem Jahr, in dem Baylor verletzungsbedingt zurücktreten musste. Nur wenige hätten verstanden, wie unbezwingbar Baylor gewesen war, bevor Verletzungen ihn ins Aus katapultierten. Er berichtete davon, wie es war, in den 1960ern zu leben, und von den schwierigen Bedingungen, mit denen sein afroamerikanischer Teamkollege – und viele andere – klarkommen musste, weil er in einer von unverhohlenem Rassismus geprägten Zeit ein Leben im Rampenlicht führte. Er sprach über die Art und Weise, in der sich das Spiel geändert hat, und dass begnadete Shooter, wie er einer war, für die heutige NBA geradezu maßgeschneidert seien.
All das berichtete er einem völlig Unbekannten, der noch ziemlich grün hinter den Ohren und dazu auch noch schlecht vorbereitet war. West erzählte die Geschichte der League bemerkenswert detailliert und offen aus seiner Sicht nach. Für einen Fan wie mich, der schon früh ganze Bücher über die NBA verschlungen und den Wühltisch der Videothek nach alten Zusammenschnitten und Best-of-Tapes durchkämmt hatte, fühlte sich das Ganze wie Ostern und Weihnachten zusammen an.
Basketball unterscheidet sich deutlich von anderen bedeutenden Sportarten. Die Tatsache, dass es weder Gesichtsschutz noch physische Barrieren zwischen Fans und Spielern gibt, dürfte einer der Gründe dafür sein, dass die Stars der NBA als die wohl zugänglichsten aller Profisportler gelten. Wenn uns ob der gezeigten Kunststücke auf dem Court voller Bewunderung die Kinnlade runterfällt, spüren wir eine direkte Verbindung zu ihnen.
Dunkings, Crossovers, Swats, Swishes und Buzzer Beater: Alle haben ihre ganz eigene Geschichte.
Die NBA stand schon immer für weit mehr als nur Basketball. Auf dem Court werden gesellschaftliche Vorurteile und Missstände ins Rampenlicht gerückt. Die Schlacht gegen den Rassismus wurde hier ausgetragen, dem schwierigen Thema Aids mehr Verständnis entgegengebracht und Frauen eine große Bühne gegeben, auf der sie zeigen können, was sie draufhaben. Es ist auch der Ort, wo COVID-19 und die damit verbundene Pandemie für Millionen zur Realität geworden ist.
Seit über 75 Jahren betreten die besten Athleten der Welt die Courts der NBA, um sich miteinander zu messen. Sie hatten Hoffnungen und Träume im Gepäck, aber auch Ängste und Sorgen, genau wie Jerry West. Die Geschichte der NBA ist unwiederbringlich mit Unikaten wie ihm verbunden, die darauf brennen, ihre Story zu erzählen.
Du musst nur zur richtigen Zeit ans Telefon gehen.
West 1971 unterwegs zum Korb und 25. Sieg der Lakers in Folge.
Am 6. Juni 1946 traf sich eine Gruppe von gut betuchten Unternehmern im Hotel Commodore in New York City. Sie waren allesamt Mitglieder der Arena Association of America – Inhaber einiger der größten Veranstaltungsorte Nordamerikas – und sie hatten ein noch vages Ziel vor Augen: die Gründung einer professionellen Basketballliga.
Da sich ihre Arenen in den bedeutendsten Städten im östlichen Teil Nordamerikas befanden (darunter Chicago, New York, Boston, Toronto, Philadelphia und Detroit), konnten sie die entsprechende Bühne gleich mit anbieten. Es handelte sich um erfahrene Veranstalter, wenngleich nur Ned Irish ein wenig Ahnung vom Basketball mitbrachte, da er seit 1934 Spiele von College-Mannschaften ausrichtete.
Der Rest der Gruppe konnte auf Erfahrungen im Hockeysport zurückgreifen, unter anderem Boston Celtics Gründer Walter Brown, der 1940 die umherziehende Ice Capades Show ins Leben gerufen hatte. Brown war auf der Suche nach einem Publikumsmagneten, der den Boston Garden auch an Abenden füllen würde, an denen die NHL-Bruins nicht antraten. Die wachsende Beliebtheit des College-Basketball konnte nicht länger ignoriert werden und die Tatsache, dass ein Basketball-Court problemlos in einer Eissporthalle unterzubringen war, ließ selbst die letzten Zweifler verstummen.
Am Ende des Meetings war ein ehrgeiziger Plan geboren: die Gründung einer Liga mit dem Namen Basketball Association of America, bestehend aus elf Mannschaften. Als Geschäftsführer für die neue Unternehmung wurde Maurice Podoloff, Präsident der American Hockey League, engagiert und in gerade einmal fünf Monaten sollte es »Tip-Off« heißen.
Zeitungsreklame im Toronto Star, Ausgabe vom 31. Oktober 1946
Seit dem ersten Basketballspiel am 21. Dezember 1891 auf dem Campus des Springfield College in Springfield, Massachusetts, hatte sich die Sportart stark weiterentwickelt. Der in Kanada geborene Pädagoge James Naismith war der Erfinder der neuen Ballsportart, die über die nächsten 55 Jahre hinweg eine drastische Umwandlung erfahren sollte. Die anfänglichen Pfirsichkörbe und Gewaltausbrüche, die man vom Rugby kennt, wurden schnell zu Relikten der Vergangenheit.
»Ich machte den großen Fehler, einfach nicht genug Regeln aufzustellen«, sagte Naismith rückblickend in einem Radiointerview im Jahr 1939. »Die Jungs fingen an, sich zu tacklen, zu treten und im Clinch setzte es Fausthiebe. Das Ganze endete in einer Massenschlägerei auf dem Hallenboden. Bevor es mir gelang, sie auseinanderzutreiben, war einer bereits bewusstlos, ein paar von ihnen hatten ein blaues Auge abbekommen und eine ausgekugelte Schulter gab es auch.«
Eine neue Regel wurde eingeführt: Mit dem Ball durfte nicht mehr gerannt werden. Dies führte zu einer geschickteren, temporeicheren Spielweise, bei der Koordination und Ballgefühl im Vordergrund standen. Naismiths Schüler hatten Spaß dabei und trugen den Sport weit über den heimischen Campus hinaus. Als Naismith 1894 anfing, für die University of Kansas zu arbeiten, tat er genau das Gleiche. Eine zunehmend größere Zahl an Studenten fand Gefallen an dem Sport und in den 1920ern und 1930ern wurden mehrere kleine, regionale Pro-Leagues gebildet, von denen die meisten jedoch nach ein paar Spielzeiten wieder von der Bildfläche verschwanden.
Die National Basketball League, unterstützt von namhaften Sponsoren wie General Electric, Firestone und Goodyear, bildete hier eine Ausnahme. Zwischen 1937 und 1949 unterhielt die NBL Teams im Mittleren Westen und diente George Mikan, dem fast 2,10 Meter großen Riesen, der mit den Chicago American Gears seine Laufbahn begann, als Sprungbrett zur Profikarriere. Die Stadionbesitzer an der Ostküste sahen die NBL allerdings nicht als ernsthafte Konkurrenz zu ihrer neu formierten BAA an.
Die Vorbereitungen für die Eröffnungssaison liefen auf Hochtouren und man suchte nach neuen Ideen, um sich von den anderen Ligen abzuheben. Ein Geistesblitz, der (zum Glück) keine Anwendung fand, war, dass zuerst die eine Mannschaft zwei Minuten im Ballbesitz sein sollte, dann die andere. Innerhalb dieser Zeit sollten so viele Punkte wie möglich ergattert werden – ähnlich den Innings beim Baseball. Ein weiterer Gedanke drehte sich darum, Fouls aufzuaddieren und mit den Freiwürfen bis zum Ende des Viertels zu warten. Der einzige Vorschlag, der übernommen wurde, war der, dass die Spiele 48 Minuten dauern sollten. Dies bedeutete, dass die Zuschauer im Vergleich zu den College-Spielen acht Minuten mehr für ihr Geld bekamen.
Die erste Begegnung der Saison 1946–47 fand in den Maple Leaf Gardens in Toronto, Kanada, statt. Die Toronto Huskies traten gegen die Gastmannschaft der Knicks an und wenngleich es bis zum Zusammenschluss von NBL und BAA (woraus die NBA wurde) noch bis 1949 dauern sollte, so ist man sich heute innerhalb der League einig, dass diese Partie den Startpunkt der NBA-Geschichtsschreibung markiert.
Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren und die Veranstalter zerbrachen sich die Köpfe darüber, wie sie diese relativ junge Sportart dem kanadischen Publikum verkaufen könnten. In den Lokalzeitungen wurden Anzeigen geschaltet, in denen von der Ankunft des »Big-Time Basketball« und »dem beliebtesten Sport auf dem Globus« die Rede war. Den Fans wurden »Nervenkitzel, Action und Speed« versprochen.
»Kannst du dies noch toppen?«, hieß es in einer weiteren Werbeanzeige, in der George Nostrand zu sehen war, der größte Spieler der Huskies. »Freier Eintritt zum Eröffnungsspiel für jeden, der Nostrands 2,08 Meter überbieten kann.« Konnte man dies nicht, musste man zwischen 75 Cent und 2,50 Dollar zahlen.
Der erste Korb in der Geschichte der NBA wurde von Ossie Schectman geworfen, einem Guard der Knicks mit jüdisch-amerikanischen Wurzeln aus Queens, New York. Schon in der Anfangsphase des Spiels konnten die Knicks eine 15-Punkte-Führung hinlegen. Doch »Big Ed« Sadowski, Spieler und Coach der Huskies, sorgte dafür, dass der Rückstand für Toronto zur Halbzeit auf acht Zähler geschmolzen war.
Im dritten Viertel wurde Sadowski aufgrund eines Fouls vom Platz gestellt und durch Nostrand ersetzt, der den Huskies zu einer 48-44-Führung auf dem Weg ins letzte Viertel verhalf. Mit 68-66 konnten die Knicks die Angelegenheit letztendlich für sich entscheiden, wobei Forward Leo Gottlieb mit 14 Punkten die meisten Treffer erzielte, gefolgt von Schectman, der es auf 11 Punkte brachte. Sadowski führte die Liste mit 18 Punkten an, gefolgt von Nostrand, der 16 Punkte für sich verzeichnen konnte.
Mit der Ehrfurcht gebietenden Action, die man heutzutage auf den Courts zu sehen bekommt, ist das Spiel von damals, in der Anfangszeit der NBA, sicherlich nicht vergleichbar. Bei den ständigen Pässen und Cuts bekam man eher das Gefühl, dass mit heißen Kartoffeln gespielt wurde. Dazu kamen die körperlichen Auseinandersetzungen: Die Entwicklungsjahre der League waren von kneipenähnlichen Schlägereien und Faustkämpfen geprägt, die von den Inhabern der Teams sogar gutgeheißen wurden. Eigentlich nicht verwunderlich, kamen diese doch aus dem Hockeysport.
Basketball wurde im Wesentlichen auf dem Boden gespielt, aber auch hier gab es Ausnahmen. Am 1. November 1946 ereignete sich in Boston Folgendes: In der Aufwärmphase vor einem Spiel versenkte Zweimetermann und Celtics Forward Chuck Connors den Ball dermaßen heftig im Korb, dass das Backboard in tausend Stücke zerbrach. Brown, Inhaber des Teams, war fuchsteufelswild. Woher sollte er auch wissen, dass drei Dekaden später der Slam Dunk Basketball auf der Beliebtheitsskala in ungeahnte Höhen katapultieren würde?
Als die NBA noch in den Kinderschuhen steckte, gingen zweihändige Set Shots den Jump Shots voraus und der Hook Shot galt als der ultimative Move für jeden Center, bis Bill Russell auf der Bildfläche erschien. Es war Joe Fulks, Forward bei den Philadelphia Warriors, der mit seiner Art, den Jump Shot zu spielen, der modernen Variante des Wurfs am nächsten kam. In der Premierensaison 1946–47 war Fulks der Superstar der League, der die Warriors zum ersten Meisterschaftstitel führte.
Nach dieser ersten Saison sollte die League maßgebliche Veränderungen erfahren. Vier Teams, die Detroit Falcons, Pittsburgh Ironmen, Cleveland Rebels und die Huskies, lösten sich auf und die BAA bestand nur noch aus sieben Mannschaften.
Die NBA allerdings war gerade erst dabei loszulegen.
Die Geschichte der NBA beruht auf ihren Stars und den um sie herum entstandenen Dynastien. In den Gründungsjahren der League schien kein Stern heller am Basketballhimmel als der von George Mikan – und kein Team verzeichnete mehr Erfolge als seine Minneapolis Lakers.
Der 2,08 Meter große Mikan kann gut und gerne als erster Superstar der NBA bezeichnet werden. In den sechs Jahren zwischen 1949 und 1954 konnten seine Lakers fünf Meisterschaftstitel einheimsen und dadurch zur ersten alles dominierenden Mannschaft der NBA aufsteigen. Vern Mikkelsen, Mikans Teamkollege, formulierte es einmal folgendermaßen: »Stell dir einfach Michael Jordan, Magic Johnson und Larry Bird in einer Person vor und du bekommst eine Idee davon, was George zur damaligen Zeit verkörperte.«
George Mikan als junger Spieler in seinen Anfangstagen bei den Lakers
Mikan war eine Anomalie, ein Riese in einem Spiel, dessen Takt von kleineren und schnelleren Guards vorgegeben wurde. Alles drehte sich darum, Pässe zu spielen, sich schnell zu bewegen, und der Center hatte die Aufgabe, Rebounds zu ergattern und den Korb zu beschützen. Dies sollte sich an dem Tag grundlegend ändern, an dem Mikan auf dem Court auftauchte und den Weg für die wirklich großen Jungs bereitete, die die NBA für den Rest des 20. Jahrhunderts beherrschen sollten.
Mikan war alles andere als leichtfüßig und wirkte schwerfällig. Allerdings lernte er schnell dazu und hatte sich einen sicheren und überraschend flinken Hook Shot angeeignet, den seine kleineren Gegner unmöglich verteidigen konnten. Er entwickelte eine Technik, die es ihm ermöglichte, den Hook Shot mit beiden Händen zu werfen. Eine Technik, die als »Mikan-Drill« bekannt wurde und heute noch zur Verbesserung des Spiels in der tiefen Zone gelehrt wird.
Während seiner Zeit an der DePaul University arbeitete er an seiner Technik, verbesserte seine Beinarbeit und verpasste dem Gesamtkunstwerk Mikan den Feinschliff, der ihn letztlich in die Hall of Fame bringen würde. Zweimal ernannte die NCAA ihn zum Spieler des Jahres und einmal, als er gerade dabei war, DePaul zum Meisterschaftstitel zu führen, erzielte er bei einem 97-53-Sieg über Rhode Island mehr Punkte als die gesamte gegnerische Mannschaft zusammen.
Nach seinem Abschluss 1946 wechselte Mikan zu den Chicago American Gears der National Basketball League und trug in seiner ersten Saison maßgeblich zum Erreichen des Meistertitels bei. Dann verließ Teaminhaber Maurice White die NBL, um eine neue Liga zu gründen, in der er alle 16 Teams sein Eigen nennen konnte. Whites League überlebte nicht einmal die ersten vier Wochen, bevor sie kollabierte, und der 23 Jahre alte Mikan stand plötzlich ohne Mannschaft da.
In der NBL war ein Team von Detroit nach Minneapolis gezogen und auf den Namen »Lakers« getauft worden, eine Anspielung auf die unzähligen Gewässer dieser Region. Die Lakers sicherten sich die Rechte an Mikan, der seinen Pflichten auch nachkam – obwohl er in seiner Zeit als Student in Minnesota bereits genug eisige Winter durchlebt hatte und nur wenig begeistert von der Idee war, die Twin Citys seine neue Heimat zu nennen.
Andere Mannschaft, gleiche Ergebnisse. In seiner ersten Spielzeit in Minneapolis gewann Mikan direkt eine Meisterschaft, als er mit seinem Team die Rochester Royals mit 3-1 in einer Best-of-Five Final Series bezwang. Die darauffolgende Saison sollten die Lakers erneut mit dem Gewinn des Meisterschaftstitels krönen, dieses Mal mussten die Washington Capitols mit ihrem noch jungen Cheftrainer Red Auerbach dran glauben.
Mikan galt mittlerweile als unaufhaltsam und untermauerte diesen Ruf noch weiter. Zwischen 1948–49 und 1950–51 führte er die NBA-Punkteliste in drei aufeinanderfolgenden Spielzeiten an. In einer Zeit, in der es ganze Teams auf ungefähr 80 Punkte pro Spiel brachten, erzielte er im Durchschnitt 28.
Mikan war solch eine Übermacht auf dem Court, dass die NBA sich gezwungen sah, ihr Regelwerk nachzujustieren. 1951 wurde der Bereich unterhalb des Korbs von 6 auf 12 Fuß, also von etwa 1,83 auf 3,66 Meter, erweitert, was als die Mikan-Regel bekannt werden sollte. Mit allen möglichen Verzögerungstaktiken versuchten gegnerische Teams einen Ballbesitz der Lakers (sprich: Mikans) zu verhindern, was letzten Endes zur Einführung der 24-Sekunden-Regel führte. Um Mikan das Leben etwas schwerer zu machen, experimentierte die NBA sogar damit herum, den Korb in einer Höhe von über 3,60 Meter anzubringen.
Änderungen des Regelwerks konnten solche Ausnahmetalente jedoch nicht stoppen, Mikan schon gar nicht. Als die NBA die Auszeichnung »Most Valuable Player« einführte, hatte Mikan seine Karriere bereits beendet. Was für ein Glück für Kareem Abdul-Jabbar, dessen Rekord von sechs MVP-Titeln sonst sicherlich ins Wanken geraten wäre.
Die Lakers waren ein herausragendes Team, mit oder ohne Mikan. Die Forwards Jim Pollard (»The Kangaroo Kid«) und Vern Mikkelsen waren All-Stars, die nur darauf warteten, von Point Guard Slater Martin den Ball geliefert zu bekommen. Vorausgesetzt, dass dieser ihn nicht gerade Mikan zuspielte, der in der Post-Zone lauerte – ein Spielzug, der zu ihrem Markenzeichen wurde.
Für eine Liga, die verzweifelt nach neuen Fans Ausschau hielt, war Mikan ein Geschenk des Himmels. Durch seine enorme Größe und unverwechselbare Erscheinung – mit seiner Brille und den schwarzen Haaren sah er ein wenig wie eine überdimensionierte Version von Clark Kent aus – hob er sich von allen anderen Spielern ab. Er wurde zu einer beliebten Werbeikone, die in Zeitungen und Magazinen zu sehen war und für Produkte wie das Bier »Pabst Blue Ribbon«, »Mennen«-Deodorant (»Meine bevorzugte Raumdeckung!«) und Unterwäsche (»Mr Basketball schwört auf Munsingwear-Unterhosen mit der Doppelnaht«) die Werbetrommel rührte.
George Mikan legt persönlich Hand an der Anzeigentafel des Madison Square Garden im Jahr 1949 an.
Mikan tauchte in landesweit ausgestrahlten Talkshows auf und trug seinen Titel als Botschafter der NBA mit Stolz. Zu Auswärtsspielen reiste er regelmäßig im Voraus an, traf sich mit der lokalen Presse und kurbelte dadurch den Ticketverkauf für die Begegnungen an. Seine Anziehungskraft öffnete der League die Türen zu neuen Märkten, ein bedeutsamer Schritt für das erst vor kurzer Zeit gegründete Unternehmen.
Der Zusammenschluss der NBL mit der Basketball Association of America im Vorfeld der Saison 1949–50 war der offizielle Start der NBA. Die neue Liga übernahm Teams in so gefährlich kleinen Absatzmärkten wie Anderson, Indiana (Packers), Moline, Illinois (Tri-Cities Blackhawks), Waterloo, Iowa (Hawks) und Sheboygan, Wisconsin (Red Skins). Mannschaften bildeten sich schneller als ein Fast Break von Bob Cousy und genauso schnell verschwanden sie auch wieder. In der Saison 1951–52 – Mikans vierte bei den Lakers – konnte die NBA immerhin schon zehn Teams in ernst zu nehmenden Absatzmärkten wie New York City, Boston, Philadelphia, Syracuse, Baltimore, Rochester, Minneapolis, Fort Wayne, Indianapolis und Milwaukee vorweisen.
Am 12. April 1954 gewann Minneapolis in einer hart umkämpften Serie über sieben Spiele hinweg gegen Dolph Schayes mit seinen Syracuse Nationals seinen sechsten Titel in sieben Jahren. Der Lauf der Lakers sollte sich erst dem Ende zuneigen, als Mikan vor der Saison 1954–55 zurücktrat, um eine Karriere als Anwalt anzustreben (er baute eine erfolgreiche Kanzlei in Minneapolis auf).
Mikans acht Spielzeiten dauernde Laufbahn, die im Vergleich zu heutigen Maßstäben als kurz zu bezeichnen ist, hinterließ eine Formel, die über Generationen hinweg weitergegeben werden sollte: das Rezept zur produktiven Mannschaftsaufstellung. Seit Jahrzehnten werden die Teams um ein Alphatier herum aufgebaut – man denke nur an Wilt Chamberlain, Kareem Abdul-Jabbar, Bill Russell, Shaquille O’Neal, Tim Duncan oder Dirk Nowitzki. Aus diesem Grund wurde Hakeem Olajuwon noch vor Michael Jordan gedraftet und machen Center-Spieler 60 Prozent der First Overall Picks aus.
Mikan wurde von der Associated Press der Titel des größten Basketballspielers der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verliehen. Niemand sonst wäre dafür infrage gekommen.
Am 19. Februar 1948 ließ eine Menschenmenge von 17 823 Basketballfans das Chicago Stadium fast aus allen Nähten platzen. Ein Schaukampf zwischen den Minneapolis Lakers und Harlem Globetrotters zog diese bis dato unerreichte Zuschauerzahl an.
Die damals noch junge NBA setzte alles daran, eine Fangemeinde aufzubauen, und schien mehr Schaukämpfe als Punktespiele auszutragen. Die League wollte Basketball als einen Zuschauersport verkaufen und ein Aufeinandertreffen von zwei Kultmannschaften erschien dafür gerade richtig. Was anfänglich als reine Showveranstaltung betrachtet worden war, sollte letztendlich dazu dienen, lang anhaltende Rassenvorurteile infrage zu stellen und den wichtigen ersten Schritt der NBA in Richtung Gleichberechtigung zu gehen.
Der Brille tragende Riese George Mikan war der Mittelpunkt der ausschließlich aus weißen Spielern bestehenden Lakers-Aus-wahl, die gerade zwei Meisterschaftstitel in Folge gewonnen hatte. Mit ihrer ernsthaften und überlegten Spielweise, bei der die zentrale Anlaufstelle der 2,08 Meter große Mikan war, galten die Lakers bei Fans und Presse gleichermaßen als das beste Team auf dem Planeten.
Die Globetrotters wiederum waren mit Abstand das beliebteste Team. Die ausschließlich aus afroamerikanischen Spielern bestehende Mannschaft zeichnete sich sowohl durch ein unbeschwertes Spiel mit witzigen Showeinlagen als auch durch athletisches Können aus. Ihren enormen Bekanntheitsgrad verdankten die »Globies« der einzigartigen Präsentation ihrer Künste sowie einem wirklich vollen Tourkalender. Ihrem Namen alle Ehre machend, zogen die Globetrotters über den Erdball, unter anderem als Botschafter für die USA. Ihr Talent und ihre Berühmtheit sollten zeigen, dass Amerika für Schwarze nicht der schlechteste Ort auf der Welt zum Leben war. Die Realität sah anders aus. Seit ihrer Gründung in einem segregierten Amerika im Jahr 1926 spielten Rassenvorurteile eine große Rolle für die Identität der Mannschaft.
Wilt Chamberlain und Abe Saperstein beim Lunch im Jahr 1958
Zur damaligen Zeit wurden die Globetrotters mit Schlagzeilen wie »Die Farbigen Fünf wollen es mit den Shelby Stars aufnehmen« angekündigt. Über Dekaden hinweg spielten sie Doubleheader, also zwei Spiele unmittelbar hintereinander am selben Tag, vor einem nach Hautfarbe getrennten Publikum. Sie waren nicht die erste Auswahl, die auf Tour ging und ausschließlich aus Afroamerikanern bestand. Anfangs galten sie nicht einmal als die Besten (diesen ruhmreichen Titel konnten die Harlem Renaissance für sich beanspruchen – sie waren es auch, von denen die in Chicago gegründeten Globetrotters einen Teil ihres Namens abgekupfert hatten). Binnen Kurzem jedoch wurden die Globetrotters zum mit Abstand gefeiertsten Publikumsmagneten.
Es war der in London geborene und in Chicago aufgewachsene Booking Agent Abe Saperstein, der das Team übernahm und für dessen großen Durchbruch sorgte. Saperstein erkannte das große schöpferische Talent seiner Spieler und bis zum Ende der 1930er-Jahre hatte er sie von einer von Spiel zu Spiel reisenden Mannschaft in einen Wanderzirkus verwandelt – dabei nahm er Gags wie blind gespielte Pässe und weitere Tricks ins Repertoire auf.
Die NBA hatte in Saperstein einen wichtigen Verbündeten gefunden und die Austragung von Doubleheadern an Liga-Schauplätzen wie dem Madison Square Garden, wo die Trotters üblicherweise ein noch größeres Publikum anzogen, bedeutete eine Win-win-Situation für beide Parteien. Mitte der 1940er-Jahre tauchten weiße Zuschauer in Scharen auf, um Marques Haynes Dribbelkünste (die an Hexerei grenzten) oder die komödiantischen Einlagen von Goose Tatum zu bestaunen. Wenn Goose, ein ehemaliger Spieler der Baseball Negro League, mit dem Ball dribbelte, sah es aus, als sei der Ball an einer Schnur befestigt.
Die Freude, die sie verbreiteten, zählte allerdings weniger als die Farbe ihrer Haut. Bei ihren Reisen durch das Land wurden sie öffentlich angespuckt, in Geschäften und Restaurants wurde ihnen der Einlass verwehrt. Obwohl sie eine weiße gegnerische Auswahl nach der anderen besiegten, mussten die Globetrotters weiterhin gegen das Vorurteil kämpfen, dass sie keine leistungsfähigen Athleten waren. Mannie Jackson, ehemaliger Spieler der Globetrotters, der den Verein 1992 kaufte, sagte: »Ich hörte Sachen wie ›Schwarze können nicht Point Guard spielen, weil sie nicht intelligent genug sind und nicht das Zeug zum Führungsspieler haben. Für Rebounds und harte Arbeit sind sie zu gebrauchen, aber auf dem Spielfeld kann man sich nicht auf sie verlassen, da ihnen einfach das Verständnis für die komplexen Spielzüge der NBA fehlt.‹«
Die Globetrotters wurden schnell als Zirkusnummer abgetan. 1948 bot ein Schaukampf gegen die Lakers die ideale Gelegenheit, das Publikum vom Gegenteil zu überzeugen. Das Spiel fand in einem von extremen Rassenunruhen geprägten Umfeld statt. Nur Tage zuvor war ein schwarzer Teenager von sechs weißen Männern mit einem Baseballschläger zu Tode geprügelt worden. Am Abend der Veranstaltung hielt Präsident Harry S. Truman eine richtungsweisende Ansprache gegen Rassentrennung und Voreingenommenheit an die Nation. Mit ihrer gewohnt hemdsärmeligen Spielweise gingen die Lakers im Chicago Stadium frühzeitig in Führung. Sie sahen zu, den Ball an Mikan loszuwerden, der in der Post Zone systematisch seine Hook Shots versenkte oder Pässe an die anderen Spieler verteilte. Zur Halbzeit hatten die NBA-Stars sich eine komfortable Zehn-Punkte-Führung herausgespielt.
In der zweiten Spielhälfte sollte sich das Blatt jedoch wenden. Durch konsequentes Doppeln hielt die Defense der Globetrotters den zukünftigen Hall of Famer im Post-Bereich in Schach, sodass dieser in der zweiten Halbzeit gerade einmal sechs Punkte erzielen konnte. In der Offense wiederum nutzten sie ihre Geschwindigkeit und Fast Breaks, um haufenweise Punkte zu sammeln.
Es stand unentschieden, als die Partie sich dem Ende zuneigte und Marques Haynes den Ball gefühlt stundenlang vor sich her dribbelte, bevor er ihn an Elmer Robinson abgab, der ihn zusammen mit der Schlusssirene im Korb versenkte: 61-59. In dem vielleicht wichtigsten Basketballspiel der Geschichte sorgten die Globetrotters für eine Menge Aufregung. Sie hatten die weiße Elite Amerikas geschlagen – mit absolut fairen Mitteln.
Globetrotters-Biograf Ben Green äußerte sich folgendermaßen: »Das war mit dem Sieg von Joe Louis über Max Schmeling vergleichbar – ein triumphales Ereignis. In den Straßen von Chicagos South Side wurde sie ausgiebig gefeiert, diese Mannschaft, die als Clowntruppe galt und das beste Basketballteam der Welt geschlagen hatte.«
Das Rückspiel im Jahr darauf markierte mit mehr als 20 000 Zuschauern einen neuen Besucherrekord und nach ihrem zweiten Erfolg erhielten die Globetrotters landesweite Aufmerksamkeit. Die Siege der Globies machten den Teambesitzern deutlich, dass eine ausschließlich aus weißen Profis bestehende NBA kaum für sich beanspruchen konnte, die besten Spieler des Landes unter Vertrag zu haben. Innerhalb eines Jahres wurden die ersten schwarzen Spieler der NBA verpflichtet, unter ihnen Nat »Sweetwater« Clifton, einer der Schlüsselfiguren bei den Siegen über die Lakers.
Plötzlich befanden sich NBA und Trotters in einem Wettstreit um die gefragtesten Talente. Die Globetrotters hatten ein Auge auf den College-Absolventen Chuck Cooper geworfen, den ersten afroamerikanischen Spieler, der von einem Verein gedraftet wurde. Aufgrund eines besseren Angebots unterschrieb er schließlich bei den Boston Celtics.
Durch die 1950er-Jahre hindurch sollten sich diese Bieterschlachten fortsetzen. Maurice Stokes, ein talentierter Forward am St. Francis College, wurde nach seinem Abschluss im Jahr 1955 von beiden Seiten umgarnt. Stokes entschied sich, wie zunehmend mehr junge Talente, für die NBA. Diese war auf dem Weg, den Globies bei der Anwerbung von Talenten den Rang abzulaufen, und entwickelte sich zur bevorzugten Wahl afroamerikanischer Spieler.
Das Ausnahmetalent Wilt Chamberlain ging einen anderen Weg. Der in Philadelphia geborene Center hatte bereits Kultstatus erreicht, als er noch für sein College in Kansas antrat. Auf den Schulhöfen Nordamerikas machten Geschichten über diesen außergewöhnlichen Spieler die Runde. Vom College-Basketball völlig unterfordert, wollte Chamberlain im Jahr 1958 frühzeitig die Schule verlassen, um sich ganz dem Basketball zu widmen. Die der NBA zugehörigen Philadelphia Warriors beanspruchten die Rechte an seiner Profikarriere (zwischen 1950 und 1965 gab es die Regel, dass Vereine ihren First Round Pick abgeben konnten, um einen Spieler innerhalb eines 50-Meilen-Radius zu wählen) und hatten Chamberlain gedraftet, als er noch in der Highschool war. Die damaligen Regeln jedoch bedeuteten, dass ein Spieler nach Beendigung seiner Zeit an der Highschool weitere vier Jahre warten musste, bevor er Profi werden konnte. Für einen Wechsel in die NBA nach seinem dritten College-Jahr bot ihm Eddie Gottlieb, Eigentümer der Warriors, 25 000 Dollar an, was ihn zum bestbezahlten Akteur der Liga gemacht hätte. Doch Wilt Chamberlain entschied sich für die Harlem Globetrotters, die das Doppelte plus Boni in Aussicht gestellt hatten.
»Ich unterschrieb bei ihnen, da sie ein Verein mit einer großartigen Geschichte sind«, sagte Chamberlain. »In den 40ern und frühen 50ern waren es die Globies, die die besten schwarzen Spieler hatten. Für sie zu spielen war etwas, von dem ein junger, farbiger Mann nur träumen konnte.« Nachdem er ein Jahr lang mit den Globetrotters unterwegs gewesen war, kam Chamberlain in die Staaten zurück und unterschrieb bei den Warriors.
Zehn Jahre nachdem die Globetrotters die Lakers geschlagen und dadurch alle Vorurteile gegen farbige Basketballspieler widerlegt hatten, nahm die Zahl der für die NBA an den Start gehenden Afroamerikaner rasant zu. Als die 1950er in die 1960er übergingen, konnte die League Jahrhunderttalente wie Chamberlain, Stokes, Elgin Baylor, Oscar Robertson und Bill Russell vorweisen. Jetzt konnte die NBA mit Fug und Recht von sich behaupten, die besten Spieler der Welt unter Vertrag zu haben.
George Mikan erkämpft gegen Globetrotters Nat Clifton und Babe Pressley einen Rebound
Der Sieg der New York Knicks über die Huskies in Toronto im Jahr 1946 mag als erstes Spiel der NBA gelten, jedoch sollte es noch drei weitere Jahre dauern, bis die National Basketball Association offiziell ins Leben gerufen wurde.
Die Knicks und die Huskies hatten der Basketball Association of America angehört, die sich am 3. August 1949 verbindlich mit ihrem Rivalen, der National Basketball League, zusammenschloss. Ohne diesen Zusammenschluss hätte die NBL, für die die neun Jahre zuvor gegründete BAA eine ernsthafte Bedrohung darstellte, nicht überlebt. Die Stadionbesitzer, die für die Gründung der BAA verantwortlich gewesen waren, verfügten über erhebliche finanzielle Mittel und kontrollierten die lukrativsten Absatzmärkte im Nordosten. Dazu kam, dass sie 1947 bereits vier Vereine davon hatten überzeugen können, die NBL zu verlassen, darunter die erfolgreichen Minneapolis Lakers und die Rochester Royals.
Mit den Spielstätten und einwohnerstarken Metropolen der BAA konnte die NBL nicht mithalten. Allerdings verfügte sie über die besseren Allrounder und als 1948 die Tri-Cities Blackhawks (die ihren Sitz in Moline, Illinois hatten) den Star der New York University, Dolph Schayes, für sich verpflichten konnten, schlug dies hohe Wellen, da Schayes von den Knicks aus seiner Heimatstadt ebenfalls schwer umworben worden war.
Im Sommer darauf, nur kurz vor dem Zusammenschluss, gründete die NBL ein neues Team namens Indianapolis Olympians, zu dessen Aufstellung die komplette Startmannschaft der Kentucky Wildcats gehörte, dem zu dieser Zeit amtierenden Champion der NCAA. Vier dieser Spieler hatten den Vereinigten Staaten bei den Olympischen Spielen von London im Jahr 1948 zur Goldmedaille verholfen.
Auch wenn die NBL ums Überleben kämpfte, so waren es genau Schachzüge wie diese, die sie zu einem wertvollen Partner für die BAA machte. Landesweit wurde in Zeitungen über die Fusion und die damit einhergehende Neugründung der NBA berichtet.
Die erste Begegnung unter der Flagge der NBA fand am 29. Oktober 1949 zwischen den Tri-Cities Blackhawks und den Denver Nuggets statt. In einer Liga, die überwiegend an den Great Lakes und der Ostküste der Vereinigten Staaten operierte, gab es kein Team, das tiefer im Westen lag als das der Denver Nuggets.
Die ungerade Anzahl von 17 Mannschaften, aufgeteilt in drei Divisionen, in Verbindung mit den großen Distanzen, die mit Bus oder Bahn überbrückt werden mussten, ließen die Planung zu einem logistischen Albtraum werden. Manche Teams hatten nur 62 Spiele zu absolvieren, andere wiederum brachten es auf 68 und es gab Vereine, die mehr unterwegs als zu Hause waren. Es war nicht ungewöhnlich, dass Spiele an neutralen Orten ausgetragen wurden – die Nuggets hielten mit elf Begegnungen dieser Art den Ligarekord.
In den folgenden Jahren streckte die NBA ihre Fühler in Richtung Norden, Süden und Westen aus. Manche Vereine würden es nicht schaffen, andere wiederum führten ein fast nomadenhaftes Leben. Das Ganze wurde noch mit unzähligen Schaukämpfen in über die Landkarte verteilten Kleinstädten gewürzt, sodass die NBA in ihren Anfangstagen einem eher unsteten Spektakel glich.
Red Rocha von den St. Louis Bombers in den BAA Playoffs 1948 beim Versuch, einen Pass zu spielen.
Weder aus den Zeitungen noch aus dem Radio erfuhr man von dem historischen Ereignis, das am 31. Oktober 1950 stattfand: Earl Lloyd nahm als erster afroamerikanischer Athlet an einer Begegnung der NBA teil.
Nat Clifton posiert 1951 in seiner Knicks-Montur.
Mit der Ausnahme von Wataru Misaka, einem japanisch-amerikanischen Point Guard, der 1947 drei Spiele für die Knicks absolvierte, spielten in der NBA ausschließlich weiße Spieler. Am 25. April 1950 wurde Chuck Cooper als erster schwarzer Spieler von einem NBA-Team gedraftet. In der achten Runde folgte Lloyd, der von den Washington Capitols ausgewählt wurde. Doch bevor einer der beiden einen Deal mit ihren jeweils neuen Vereinen aushandeln konnte, unterschrieb Nat »Sweetwater« Clifton, ein ehemaliges Mitglied der Harlem Globetrotters, bei den New York Knicks und ging damit als erster schwarzer Spieler in die Geschichte ein, der einem NBA-Team beitrat.
Anfang der 1950er hielten Rassenspannungen die Vereinigten Staaten im eisernen Griff und die NBA war keine Ausnahme. Als Cooper, ein herausragender Forward und College-Spieler an der Duquesne University, zum NBA-Spieler aufstieg, wandten sich einige Vereinsbesitzer an Celtics-Inhaber Walter Brown und äußerten ihre Besorgnis über Coopers Hautfarbe. »Von mir aus kann er auch kariert sein«, teilte Brown ihnen mit. »Alles, was ich weiß, ist, dass der Junge es draufhat.«
Nicht wenigen Teambesitzern bereitete der Beitritt afroamerikanischer Spieler Kopfschmerzen. Zum einen befürchteten sie, dass niemand Geld ausgeben würde, um ihnen zuzusehen – was durch den Erfolg der Globetrotters jedoch bereits widerlegt worden war. Um mehr Eintrittskarten an den Mann zu bringen, teilten sich die damals noch jungen NBA-Teams bei der Ausrichtung von Doubleheadern nur allzu gerne die Bühne mit den Globies. Die Trotters betraten den Court als Erste, sodass eine volle Halle garantiert war – wenn die Spiele der NBA zu späterer Stunde begannen, leerten sich die Ränge.
Zum anderen waren die NBA-Bosse besorgt, sie würden mit dem Aufstellen schwarzer Athleten in direkte Konkurrenz mit den Globetrotters und damit mit ihrem Inhaber Abe Saperstein treten. Saperstein war zu dieser Zeit der mächtigste und einflussreichste Mann im Basketball. Bis zu jenem Zeitpunkt traten so gut wie alle schwarzen Spieler entweder für Sapersteins Trotters oder für andere umhertingelnde Clubs wie die Vagabonds an.
Die Knicks spielten mit dem Feuer, als sie ernsthaft versuchten, Sweetwater Clifton von den Globies abzuwerben, die wiederum alles daransetzten, Cooper für sich zu gewinnen, der schließlich bei den Celtics unterschrieb.
Lloyd, Cooper und Clifton waren große Bewunderer von Jackie Robinson, der drei Jahre zuvor unter weitaus schwierigeren Umständen die Barriere der Hautfarbe im Baseball überwunden hatte. Als Robinson anfing, für die Major League zu spielen, riefen gegnerische Spieler ihm rassistisch gefärbte Beinamen zu. »Solche Probleme kannten wir nicht«, sagte Lloyd. »Basketballspieler waren Leute vom College. Sollten sie rassistische Vorurteile gehegt haben, so waren sie clever genug, diese für sich zu behalten.«
Die Fans waren da ein anderer Fall. Die berüchtigten Anhänger der Hawks beispielsweise waren dafür bekannt, schwarzen Spielern Beleidigungen an den Kopf zu schmeißen und sie anzuspucken. Auch Begegnungen mit den Pistons in Fort Wayne, Indiana, waren immer problembehaftet.
Die afroamerikanischen Sportler konnten nicht im selben Restaurant wie ihre Mannschaftskollegen essen. Als er davon erfuhr, dass Lloyd der Zugang zum Speisesaal verwehrt worden war, nahm Coach Bones McKinney sein Essen mit auf Lloyds Zimmer. Dort aßen die zwei dann gemeinsam zu Abend.
Lloyd, Cooper und Clifton schrieben zwar gemeinsam Geschichte, da sie aber für verschiedene Mannschaften aufs Feld zogen, mussten sie sich dem alltäglichen Rassismus meistens allein stellen. Das Trio legte deshalb großen Wert darauf, Zeit miteinander zu verbringen. »Wir bildeten eine Art Selbsthilfegruppe. Wir wollten, dass jeder sich wohlfühlt, und es ist unmöglich, sich wohlzufühlen, wenn man allein in einem Hotelzimmer sitzt«, sagte Lloyd. »Hausmannskost mit Freunden zu genießen, bedeutete uns eine Menge.«
Seine Kindheit in Virginia durchlebte Lloyd in einer von rassistischen Vorurteilen geprägten Zeit. Weder war es ihm erlaubt, das örtliche, ausschließlich den Weißen vorbehaltene Schwimmbad zu besuchen, noch konnte er dieselben Toiletten wie seine weißen Altersgenossen benutzen. »Diese Erfahrungen hatten mich auf alles vorbereitet, was ich als Spieler für die NBA noch erleben sollte«, sagte er. Als er mit den Globetrotters über den Erdball zog, hatte Sweetwater Clifton ebenfalls die ganze Bandbreite des Rassismus erfahren.
Chuck Cooper hingegen war nicht annähernd auf das vorbereitet, was ihn erwartete. Geboren und aufgewachsen in Pittsburgh, hatte Cooper die Rassentrennung weniger extrem als sein Kollege Lloyd erlebt. Die Art und Weise, wie er 1950 bei einem Schaukampf in Charlotte im Vergleich zu seinem Rookie-Mannschaftskameraden Bob Cousy behandelt wurde, verletzte ihn tief. »Er konnte weder im selben Hotel übernachten noch in denselben Restaurants essen, nicht einmal pinkeln durften wir im selben Raum«, erinnerte sich Cousy. »Chuck war fürchterlich aufgebracht deswegen – und er hatte allen Grund dazu.« Anstatt sich nach dem Spiel eine eigene Unterkunft zu suchen, nahm Cooper den Mitternachtszug nach Hause. »Ich schaute mir diesen ganzen Müll an«, sagt Cousy, »und schämte mich dafür, ein Weißer zu sein.« Cousy begleitete Cooper auf der Zugfahrt zurück nach Boston. Bei einem Schaukampf drei Jahre später in Louisiana wurde es Cooper untersagt, auf den Platz zu gehen.
Die ersten schwarzen Spieler der NBA wurden nicht als Korbjäger angesehen und somit auch nicht als Stars. Sie waren für Picks und Rebounds zuständig und wurden von den Coaches regelmäßig gegeneinander aufgestellt. »Es fühlte sich an wie vier gegen vier, mit uns als fünftem Rad am Wagen«, resümierte Don Barksdale. »War es Absicht?«, fragte er Jahre später. »Sie sagten Nein. Was auch immer sie damit bezwecken wollten, das Ergebnis war erniedrigend.«