Souverän Vermögen schützen
Wie sich Vermögende gegen Risiken absichern – ein praktischer Asset-Protection-Ratgeber
Campus Verlag
Frankfurt/New York
Über das Buch
Vermögen sichern für die jetzige und die nächste Generation, finanziell unabhängig
sein und bleiben. So lauten die Ziele, die wohlhabende Menschen in der zweiten Lebenshälfte
bewegen. Gerade heute machen sich viele von ihnen Sorgen um ihr Eigentum.
Gerd Kommer und Olaf Gierhake, beide selbst finanziell unabhängige Unternehmer, zeigen
in diesem Schritt-für-Schritt-Ratgeber praxisnahe, wirksame Instrumente des Vermögensschutzes.
Zur Senkung der Belastung mit Kosten und Steuern. Zur Reduktion politischer, volkswirtschaftlicher,
steuerlicher, rechtlicher und marktbedingter Risiken.
Einen überzeugenden Mehrwert liefern hier Familienstiftungen – und zwar für alle wichtigen
Vermögensarten: liquide Investments, Immobilien und Unternehmensbeteiligungen.
»Verlustängste nerven, machen krank. Deswegen dieses Buch für Vermögenserhalt, Asset
Protection und Finanzrisikomanagement in schwierigen Zeiten. Anschaulich, konzentriert
und auf den Punkt.« Hans Kaspar von Schönfels, Chefredakteur Die Elite der Vermögensverwalter
im deutschsprachigen Raum, Elite Report/Handelsblatt
»Das einzige Ratgeberbuch zum Vermögensschutz, das die zentralen rechtlichen, steuerlichen
und wirtschaftlichen Aspekte in einer Gesamtschau abdeckt.« Dr. Iring Christopeit,
Fachanwalt für Erbrecht und Steuerberater, Kanzlei Peters, Schönberger & Partner
»Es ist sinnlos, über viele Jahre hinweg als Unternehmer Vermögen aufzubauen, um dann
wieder vieles davon oder gar alles zu verlieren. Leider passiert das häufiger als
man denkt. Was man zu diesem Thema wissen muss, findet sich in diesem Buch.« Dr. Rainer
Zitelmann, Immobilieninvestor, Bestsellerautor, mehrfacher Millionär
Vita
Die Autoren sind selbst finanziell unabhängig und haben seit vielen Jahren unternehmerisch die gleiche Zielgruppe mit ihren spezifischen Problemstellungen im Blick: vermögende Privatpersonen. Olaf Gierhake hat Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaftsingenieurwesen, Rechtswissenschaften und Psychologie studiert und ist Geschäftsführer der Vermögensschutz Gierhake AG in Triesen (Liechtenstein). Gerd Kommer hat Betriebswirtschaftslehre, Steuerrecht, Politikwissenschaft und Germanistik studiert und ist Autor mehrerer Bestseller zum Investieren in Kapitalmarktanlagen und in Immobilien. Seine Vermögensverwaltung und Honorarberatung Gerd Kommer Invest GmbH hat ihren Sitz in München.
Wie Ihnen dieses Buch helfen kann – eine Einleitung
1Die grundlegende Unterscheidung zwischen Vermögensaufbau und Vermögensschutz
1Unser Vermögensschutzkonzept aus der Helikopterperspektive – ein erster Überblick
3Basiskonzepte und Grundfragen des Vermögensschutzes
3.1.Drei einleitend zu klärende Sachverhalte
3.2.Grundfragen der Vermögensbewahrung
3.3.Grundfragen der Asset Protection
3.4.Grundfragen des Finanzrisikomanagements
1Die wichtigsten Investments in der Umsetzungsperspektive (Finanzrisikomanagement)
4.1.Sinnvolle Vermögensanlagen in der Einzelbetrachtung
4.2.Achtzehn schlechte oder ambivalente Vermögensanlagen
4.3.Grundprinzipien der strategischen Vermögensaufteilung aus Vermögensschutzperspektive
4.4.Vermögensaufteilung (Asset-Allokation) für Euroskeptiker
4.5.Das »Weltportfolio« – ein integriertes Anlagekonzept für liquides Vermögen
5Vermögensschutzmaßnahmen, die nicht oder nur beschränkt helfen
5.1.Ein Konto oder Depot im Ausland
5.2.Auswandern zum Schutz vor deutscher Besteuerung
5.3.Eine vermögensverwaltende Kapitalgesellschaft im In- oder Ausland
5.4.Die Verlagerung von Vermögen ins Ausland
5.5.Ein ausländischer Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag
5.6.Eine zweite Staatsbürgerschaft
6Die bevorzugte Lösung: eine Familienstiftung in Liechtenstein
6.1.Warum eine Familienstiftung? Und was sind ihre Grundmerkmale?
6.2.Die Stiftungsstandorte Liechtenstein und Deutschland im Vergleich
6.3.Rechtliche Eigenschaften von Familienstiftungen
6.4.Die innere Organisation einer Familienstiftung
6.5.Die Basis: Stiftungserrichtung und Stiftungsbetrieb mit liquiden Anlagen
6.6.Nicht-liquide Vermögensarten im Stiftungsvermögen
6.7.Schenkung- und erbschaftsteuerliche Fragestellungen
1Flankierende Maßnahmen und Überlegungen im Vermögensschutz
7.1.Testamentserstellung
7.2.Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung, Testamentsvollstreckung
7.3.Vermögensschutz: Bald starten ist rentabler als aufschieben
1Besonderheiten für Leser aus der Schweiz und Österreich sowie Leser ohne derzeitigen Wohnsitz in Deutschland
9Einen Berater engagieren – was es dabei zu beachten gilt
10Was bedeutet das alles für Sie? Ein Resümee
1Anhang
Verzeichnis aller Infoboxen
Annahmen zu Tabelle 4 in Abschnitt 3.1.2
Literatur und Quellen
Glossar
Danksagung
Register
Dieses Buch richtet sich an wohlhabende Haushalte, die in der Phase des Vermögensschutzes angekommen sind oder auf diese Phase zusteuern. Die Vermögensschutzphase – man könnte sie auch die Reich-bleiben-Phase nennen – ist abzugrenzen von dem vorhergehenden, ganz anderen Lebensabschnitt des Vermögensaufbaus, der Reich-werden-Phase.
Vermögensschutz, so wie in diesem Buch verstanden, hat drei unterschiedliche Dimensionen:
Vermögensbewahrung: Maßnahmen zur Senkung von Kosten und Steuern,
Asset Protection1: Maßnahmen zum Schutz vor politischen Risiken, Steueränderungsrisiken und zivilrechtlichen Risiken sowie
Finanzrisikomanagement: Maßnahmen zur Steuerung von Markt- und Finanzproduktrisiken.
In den nachfolgenden Kapiteln 1 und 2 werden wir genauer erläutern, was sich hinter diesen Begriffen und kurzen Erläuterungen verbirgt.
Vermögensschutz hat nur marginal zu tun mit Vermögensaufbau und Renditemaximierung, also mit Techniken, die einem Haushalt helfen, ein Vermögen erst zu schaffen oder seine Rentabilität zu erhöhen.
Vermögensschutz sind Wissen und Techniken, mit denen der Eigentümer und seine Familie ein vorher aufgebautes Vermögen bewahren, schützen und nutzen – in dieser Generation und zumeist auch in Folgegenerationen. Die sich stark unterscheidenden Phasen des Vermögensaufbaus und des Vermögensschutzes können sequenziell nacheinander kommen, die Vermögensschutzphase kann jedoch auch schon beginnen, während die Aufbauphase noch andauert.
Die wirtschaftlich sinnvolle Umsetzung des hier vorgestellten integrierten Vermögensschutzkonzepts über seine oben genannten drei Dimensionen hinweg setzt ein vorhandenes Nettovermögen von mindestens einer oder zwei Millionen Euro voraus – oder das realistische Anstreben dieses Vermögensniveaus in der absehbaren Zukunft.
Souverän Vermögen schützen richtet sich an Leser aus dem ganzen deutschsprachigen Raum. Die meisten steuerrechtlichen und zivilrechtlichen Sachverhalte sowie die Fallstudien im Buch beziehen sich direkt allerdings auf Deutschland, eher selten auf Österreich oder die Schweiz.
Wenn Sie sich vor diesem Hintergrund fragen, ob dieses Buch Sie weiterbringen wird, empfehlen wir, den Rest dieser Einleitung zu lesen und dann einen gründlichen Blick auf das Inhaltverzeichnis zu werfen. Das Inhaltsverzeichnis mit seinen aussagekräftigen Kapitel- und Abschnittsüberschriften – fast schon ein wenig wie ein Lehrbuch – gibt Ihnen eine gute Vorstellung über Zielrichtung und Philosophie dieses Ratgebers.
Es ist unser Anspruch in diesem Buch, solide und etablierte wissenschaftliche Erkenntnisse auf den Gebieten der Finanz-, Rechts- und Steuerwissenschaften pragmatisch und einfach für die Vermögensanlage wohlhabender Privatanleger aus dem deutschsprachigen Raum nutzbar zu machen – schwerpunktmäßig aus der oben dargestellten Schutzperspektive.
Aufgrund der fachlich anspruchsvollen Orientierung von Souverän Vermögen schützen werden Ihnen darin einige Verweise auf akademische Untersuchungen begegnen. Diese Verweise müssen Sie natürlich nicht selbst nachlesen. Sie könnten es jedoch tun, wenn Sie sich für einen bestimmten Sachverhalt besonders interessieren. Die Nennung der Quellen soll das ermöglichen und zugleich Nachvollziehbarkeit, Transparenz und Glaubwürdigkeit fördern.
In zahlreichen Fällen verweisen wir im Buch auf frei zugängliche Blog-Beiträge, die wir – teilweise mit anderen Kollegen zusammen – in den vergangenen Jahren veröffentlicht haben und die im Internet leicht auffindbar sowie kostenfrei zugänglich sind. Diese Blog-Beiträge präsentieren Argumente ausführlicher, die im Buch eher knapp und oft nur in ihrer Schlussfolgerung dargestellt werden, mit zusätzlichem Zahlenmaterial und Literaturangaben.
Innerhalb des Buches werden Sie viele Querverweise zwischen den einzelnen Kapiteln und Abschnitten finden. Theoretisch hätte man auf die meisten von ihnen verzichten können. Wir haben sie dennoch eingebaut, weil wir glauben, dass sie für jene Leser hilfreich sind, die auch die Herleitungen, den Kontext oder die Herkunft bestimmter Argumente nachvollziehen sowie das große Ganze sehen wollen. Leser, die nur ein grundsätzliches Verständnis anstreben und denen es primär um die Schlussfolgerungen geht, mögen die Querverweise einfach ignorieren.
Alle Abschnitte enden mit einem kurzen Fazit, das deren wesentliche Aussagen kurz zusammenfasst.
Einige Sachverhalte und Argumente im Unterkapitel 3.4 und im Kapitel 4 hat Gerd Kommer schon in ähnlicher Weise in seinen früheren Büchern dargestellt.
Das Buch ergänzt die vorhandene Souverän-Investieren-Trilogie von Gerd Kommer, deren Gedankengut und Grundphilosophie auch hier präsent sind. Das Buch konzentriert sich aber – anders als die Bücher der bisherigen Trilogie – auf Schutzdimensionen, die für heute bereits vermögende Personen besonders relevant sind und die dieses Vermögen vor rechtlichen, politischen und steuerlichen Risiken schützen sowie möglichst ungeschmälert für nachfolgende Generationen erhalten möchten. Olaf Gierhake hat in diesem Bereich schwerpunktmäßig wissenschaftlich veröffentlicht (Gierhake 2004, 2013a, 2016b, 2021) und stellt in der vorliegenden Publikation praxiserprobte Schutzkonzepte erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vor. Beide Ansätze, das »souveräne« Investmentkonzept und die hier vorgestellten rechtlichen Schutzkonzepte, ergänzen sich und ermöglichen einen ganzheitlichen, generationsübergreifenden Vermögensschutz.
Wenn in dieser Arbeit auf weibliche Substantive wie »die Anlegerin« oder »die Unternehmerin« und auf Gender-Sternchen verzichtet wird, hat dies rein leseökonomische Gründe. Weibliche Akteure sind selbstverständlich in allen Fällen ebenfalls gemeint.
Am Ende dieser Einleitung ist noch eine Offenlegung zu den beiden Autoren angebracht:
Prof. Dr. Dr. Olaf Gierhake ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Vermögensschutz AG (VSAG) und der Vermögensschutz Gierhake AG (VSGAG). Die VSGAG ist eine Gesellschaft zur Erbringung von Dienstleistungen für Stiftungen und verfügt über eine Zulassung als grenzüberschreitend tätiger Versicherungsmakler für fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen. Die VSAG ist eine Rechts- und Steuerberatungsgesellschaft in Rapperswil bei Zürich mit Genehmigung zur gelegentlichen und vorübergehenden Dienstleistungserbringung in Deutschland gemäß § 3a StBerG. Das gesamte Privatvermögen der Familie Gierhake ist nach den Grundsätzen investiert, die in diesem Buch dargestellt werden.
Dr. Gerd Kommer ist Gesellschafter und Geschäftsführer der Gerd Kommer Invest GmbH (GKI) und der Gerd Kommer Capital GmbH (GKC). Beide Unternehmen haben ihren Sitz in München. Die GKI ist ein Vermögensverwaltungsunternehmen für vermögende Privatkunden, die GKC ein digitaler Vermögensverwalter (»Robo Advisor«). Auch das gesamte Privatvermögen von Gerd Kommer ist nach den Grundsätzen investiert, die in diesem Buch dargestellt werden.
Wir haben uns viel Mühe gegeben, dieses Buch verständlich und klar zu schreiben, wohl wissend, dass unser Thema durchweg anspruchsvoll ist und an einigen Stellen subjektive Wertungen enthält. Vor diesem Hintergrund bitten wir unsere Leser, das Buch wohlwollend, im guten Glauben zu lesen und uns Fehler nachzusehen, von denen der Text – trotz großer Sorgfalt – möglicherweise einige enthalten wird.
Konstruktive Anregungen zu dem Buch nehmen die Autoren gerne entgegen. Ihre E-Mail-Adressen lauten olaf.gierhake@web.de und gerd.kommer@outlook.com. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, der LinkedIn-Gruppe »Vermögensschutz und Vermögensnachfolge« beizutreten und dort Fragen zur Diskussion zu stellen.
In diesem Buch geht es um Vermögensschutz und nicht oder nur wenig um Vermögensaufbau, Vermögensmehrung oder Renditesteigerung.
Unser Fokus liegt also nicht auf Renditeerzielung und Reichwerden, sondern auf dem, was nach der »Phase 1« der Renditeerzielung und dem Reichwerden kommt – das Reichbleiben und der Vermögensschutz zu Lebzeiten desjenigen, der das Vermögen aufgebaut hat, und oft auch darüber hinaus in der nächsten Generation.
Die meisten Finanzratgeber übergehen nach unserer Wahrnehmung fundamentale Unterschiede zwischen Vermögensaufbau und Vermögensschutz, indem sie direkt oder indirekt den Eindruck vermitteln, dass zwischen Vermögensaufbau und Vermögenserhalt bei den Grundregeln klugen Investierens nur wenige Abweichungen bestünden. Ein großer Trugschluss.
Wir werden in diesem Kapitel zeigen, dass in der Lebenszyklusphase des Reichwerdens – der Phase des Vermögensaufbaus – und in der Phase des Reichbleibens (Vermögensschutz und Vermögensnutzung) ein gegebener Sachverhalt oft ganz anders beurteilt und entschieden werden sollte, wenn man die Erfolgsaussichten maximieren möchte. Privatanleger, die das erkennen, werden finanziell bessere Ergebnisse erzielen und mental-emotional zufriedener sein.
In diesem Abschnitt benennen wir zwölf wesentliche strategische Kriterien, bei denen smarte Entscheidungen in der Vermögensaufbauphase und der Vermögensschutzphase stark divergieren. Bevor wir dazu kommen, müssen wir noch kurz auf drei Aspekte eingehen, die beim Verständnis unserer zwölf Kriterien wichtig sind.
Aspekt 1: Die Vermögensaufbauphase und die Vermögensschutzphase können sich im Lebenszyklus eines Privatanlegerhaushaltes überlappen, müssen das aber nicht. Bei den meisten Privatanlegerhaushalten, die ihr Leben lang Angestellte waren und irgendwann zwischen 55 und 67 »normal« in Rente gehen, gibt es kaum eine Überlappung. Das trifft ebenfalls zu bei einem erfolgreichen Existenzgründer, der sein Unternehmen im Alter von 40 Jahren für sieben Millionen Euro verkauft und danach entscheidet, »nicht mehr für Geld zu arbeiten«. Anders sieht es dagegen aus bei wirtschaftlich sehr erfolgreichen »konventionelleren« Unternehmerhaushalten. Bei ihnen existiert eine Vermögensaufbau-Vermögensschutz-Überschneidung, wenn ein solcher Haushalt bereits recht früh im Lebenszyklus (etwa mit 40 bis 45) ein substanzielles Vermögen akkumuliert hat. Dann werden die geldverdienenden Mitglieder des Haushaltes oft noch 20+ Jahre berufstätig sein. In dieser langen verbleibenden Berufstätigkeit benötigt der Haushalt das schon vorhandene Vermögen noch nicht zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten.
Aspekt 2: Der bei Weitem größte Teil des Vermögenszuwachses in der Vermögensaufbauphase kommt aus der erfolgreichen Erhöhung und Nutzung von Humankapital und/oder aus unternehmerischer Tätigkeit, nicht aus nebenberuflichem Investieren in Immobilien und Wertpapiere als Privatanleger. »Wirklich reich« werden setzt fast immer unternehmerische Tätigkeit voraus, lässt man üppige Erbschaften, reich heiraten und hohe Lotteriegewinne einmal außen vor. Als Angestellter kann man aus eigener Kraft zwar bis zu einem gewissen Grad vermögend werden, aber selten »wirklich reich«. Das sei hier definiert als das Vermögensniveau, ab dem eine Person »nie mehr arbeiten muss« (auch dann nicht, wenn die Immobilien- oder Aktienmärkte in den nächsten Jahrzehnten deutlich unterdurchschnittliche Renditen produzieren sollten).
Aspekt 3: Unsere Gegenüberstellung weiter unten ist nur eingeschränkt auf die Verhältnisse von → superreichen Haushalten anwendbar. Diese definieren wir für die Zwecke dieses Buches als Haushalte mit einem Nettovermögen ab 20 Millionen Euro pro Haushaltsmitglied.
Kommen wir nun zur eigentlichen Vermögensaufbau-versus-Vermögensschutz-Abgrenzung. Unsere nachfolgende Gegenüberstellung von zwölf Kriterien stellt den idealen Soll-Zustand in beiden Phasen dar. Vor allem in der Vermögensschutzphase sieht der Ist-Zustand bei vielen vermögenden Haushalten leider anders aus. Diese Haushalte erkennen den Vermögensaufbau-Vermögensschutz-Dualismus nicht und verhalten sich zu ihrem eigenen Schaden so, als ob sie sich immer noch in der Vermögensaufbauphase befänden. Daneben existieren auch Privathaushalte in der Vermögensaufbauphase, die vermögend werden wollen, dabei jedoch Vermögensschutzregeln und -methoden anwenden. Auch das ist auf eine andere Weise wenig erfolgsversprechend. Wir glauben, dass die Gegenüberstellung in Tabelle 1 für das Verständnis dessen, was wir im ganzen Buch vermitteln möchten, essenziell ist. Bitte nehmen Sie sich daher zwei, drei Minuten Zeit für das Lesen der Tabelle.
Unterscheidungskriterium |
Vermögensaufbauphase (reich werden) |
Vermögensschutz- und Vermögensnutzungsphase (reich bleiben) |
---|---|---|
(1) Lebenszyklusphase und Alter des Anlegers bzw. des Haushaltes |
Der Anleger steht am Anfang seiner beruflichen Tätigkeit oder hat mindestens noch zehn Jahre vor sich. Er ist tendenziell unter 45 bis 50 Jahre alt und hat noch viel Zeit, Vermögensverluste wieder aufzuholen, da Humankapital [1] und Restlebenserwartung nach wie vor hoch sind. Das Renditereihenfolgerisiko kann bei ihm ignoriert werden. [2] |
Das Ende der beruflichen Tätigkeit ist in Sicht oder schon erreicht. Der Anleger ist eher über 50 Jahre alt und hat nur noch begrenzt Zeit, mögliche Vermögensverluste wieder aufzuholen. Das Renditereihenfolgerisiko [2] hat eine hohe Bedeutung und sollte nicht ignoriert werden, zumal Maßnahmen des Vermögensschutzes häufig auch die nächste Generation umfassen sollen. |
(2) Kurz- und mittelfristiges wirtschaftliches Ziel des Haushaltes |
Vermögensaufbau, Vermögenszunahme, hohe Eigenkapitalrendite. |
Vermögenserhalt. So wenig und so selten wie möglich »verlieren«. Vermögenserhalt auch unabhängig vom Vorhandensein unternehmerischen Talents weiterer vorhandener Familienmitglieder. |
(3) Nutzung des Vermögens |
Die Erträge/Renditen aus dem Vermögen sind nicht zur Bestreitung der laufenden Lebenshaltungskosten erforderlich. |
Erträge/Renditen aus dem Vermögen werden teilweise oder ganz zur Bestreitung oder Absicherung des Lebensunterhalts verwendet. Auch ein partieller oder überwiegender Verbrauch der Vermögenssubstanz ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Nicht lebzeitig verbrauchtes Vermögen soll meist Familienmitgliedern der nächsten Generation oder gemeinnützigen Zwecken dienen. |
(4) Optimismus-Pessimismus-Spektrum des Anlegers in Bezug auf persönliche Finanzen |
Hohe Zuversicht, hohe Erfolgserwartung (besonders bei Unternehmern). Ehrgeiz, »gesunde Gier« und begrenzte Selbstüberschätzung sind förderlich. |
»Rationaler Pessimismus.« Ehrgeiz, Selbstüberschätzung und auch nur moderate Gier sind schädlich für die nachhaltige Zielverfolgung. |
(5) Experimentierfreude in Bezug auf eigenes Humankapital oder unternehmerische Tätigkeit |
Eher hoch. |
Eher niedrig. |
(6) Risikoappetit |
Hoch; Risiko drastischer Vermögensminderungen muss implizit oder explizit akzeptiert werden, da das »Nehmen« beträchtlicher Risiken die Voraussetzung hoher Upside-Potenziale ist. |
Risikoappetit gering. Vermögensverlustrisiko wird nur in bescheidenem Umfang explizit akzeptiert. |
(7) Bei Unternehmerhaushalten: Vermögenskonzentration in der unternehmerischen Sphäre |
Häufig ist über 90% des Gesamtvermögens innerhalb der unternehmerischen Risikosphäre (Haftungsmasse) konzentriert. |
Ein großer und idealerweise der überwiegende Teil des Vermögens befindet sich außerhalb der unternehmerischen Risikosphäre. |
(8) Geografische Vermögenskonzentration |
Häufig über 90% des Gesamtvermögens realwirtschaftlich innerhalb des eigenen Landes (Hauptwohnsitz) konzentriert. |
Systematische globale Diversifikation: Maximal 40% bis 50% des Gesamtvermögens sollten sich realwirtschaftlich innerhalb des eigenen Landes befinden. |
(9) Allgemeine Klumpenrisikotoleranz bei Investments |
Hoch. Klumpenrisiken sind jedenfalls für Unternehmer eine notwendige Voraussetzung für hohes Wachstum/hohe Rendite. Ein großer Teil des Gesamtvermögens ist in einem oder zwei → Assets konzentriert. |
Niedrig. Klumpenrisiken in einzelnen Assets oder in einer einzelnen → Asset-Klasse (z. B. Direktinvestments in Immobilien) werden erkannt und dann systematisch reduziert. |
(10) Konzentrationsgrad des Eigentums auf eine Person |
Hohe Konzentration des Eigentums typischerweise bei derjenigen Person, die unternehmerischen Risiken ausgesetzt ist. |
Eigentumsdiversifikation über mehrere Familienmitglieder und → Rechtsträger, auch zugunsten nachfolgender Generationen. |
(11) → Kredithebel (Verschuldung/Leverage) |
Aggressive Verschuldungsquote normal; vorwiegend bzgl. Immobilienschulden und/oder Unternehmensschulden. |
Kein oder nur moderater Leverage. Der oder die Vermögenseigentümer haben verstanden, dass die möglichen Vorteile von Leverage das Leverage-Risiko in dieser Phase nicht mehr aufwiegen. |
(12) Hauptursache für hohe Verluste auf Gesamtvermögensebene bei Unternehmerhaushalten |
Misserfolge und Pech in der unternehmerischen Tätigkeit. |
Das Fortführen oder das Erhöhen von Klumpenrisiken und konzentrierten Investments bei Vermögensanlagen. [3] |
Tabelle 1: Gegenüberstellung einiger wesentlicher Unterschiede zwischen der Phase des Vermögensaufbaus und der Phase des Vermögensschutzes
► [1] Humankapital ist der Gegenwartswert aller noch nicht vereinnahmten künftigen Nettogehälter oder sonstiger beruflicher Einkommen einer Person oder eines Haushalts. ► [2] Renditereihenfolgerisiko: Bei einem Portfolio, aus dem Entnahmen stattfinden, wird die effektive Rendite in einem gegebenen Betrachtungszeitraum maßgeblich von der Reihenfolge der Periodenrenditen bestimmt. Schlechte Renditen am Anfang sind nachteiliger als schlechte Renditen später. ► [3] Entgegen landläufiger Meinung sind nicht hohe Lebenshaltungskosten (selbst exorbitant hohe Lebenshaltungskosten) Hauptursache großer und gefährlicher Vermögenseinbußen reicher Haushalte in der Vermögensschutzphase, sondern in dieser Phase grundsätzlich überflüssige, »gierige«, »konzentrierte« Investitionen, die schiefgehen.
Warum ist das Erkennen der Unterschiede zwischen der Vermögensaufbauphase und der Vermögensschutzphase für Privatanlegerhaushalte so bedeutsam?
Die Antwort ist banal: Die fundamental unterschiedlichen Ziele zwischen den beiden Phasen – Vermögensaufbau einerseits und Vermögensschutz andererseits – können realistischerweise nicht zugleich maximiert werden. Sie konterkarieren sich zu einem beträchtlichen Teil. Schlussendlich beruht das auf dem altbekannten ehernen Gesetz des Investierens, das uns allen theoretisch gut bekannt ist, das jedoch nur wenige von uns illusionslos und konsequent in die Praxis umsetzen:
In die Zukunft gerichtet gilt: Hohe Renditen erfordern hohe Risikobereitschaft. Niedrige Risiken wollen heißt, niedrige Renditen zu akzeptieren. (Kreditfinanzierte Immobilien, da risikoreich, sind keine Ausnahme.) Kein Risiko haben zu wollen bedeutet, nach Steuern, Inflation und Kosten eine negative Rendite hinnehmen zu müssen. Das ist heute so, und das war in den letzten 100 Jahren so (Kommer/Weis 2018c).
Viele Privatanleger in der Reichbleibenphase (RB-Phase) würden gähnend nicken, wenn ihnen jemand das eherne Gesetz des Investierens – auch No-Free-Lunch-Gesetz genannt – vorrezitiert, aber tief in ihrem Inneren akzeptieren sie die darin enthaltene unbequeme Wahrheit trotzdem nicht. Täten sie es, würden sie in der RB-Phase anders anlegen. Das zeigt sich beispielsweise an ihrer irrationalen Aversion gegen risikoarme, renditelose Anlagen und an ihrer Toleranz oftmals enormer Klumpenrisiken, beispielsweise dem Klumpenrisiko der eigenen Firma. Die Ursachen dieser Finanzschizophrenie in der Reichbleibenphase sind zu vielfältig, als dass sie hier alle benannt werden könnten.
Vier der wichtigsten sind (i) mangelndes Wissen von der Geschichte der Immobilien- und Kapitalmärkte, insbesondere der Tatsache, dass Asset-Klassen-Renditen historisch unterhalb dessen lagen, was wir allgemein annehmen und zugleich ihre Risiken höher waren, (ii) die Naivität, auf die unrealistischen Outperformance-Versprechen der etablierten Finanzbranche, mancher Ratgeberbuchautoren und Finanz-Blogger hereinzufallen, (iii) Selbstüberschätzung (der Glaube, Risiken würden sich nur bei anderen materialisieren), (iv) Gier, also die Unfähigkeit, niedere aber sichere Renditen zu akzeptieren, und (v) die Inkaufnahme hoher Risiken, weil man Steuerzahlungen auf Ausschüttungen aus dem eigenen Unternehmen »mit aller Gewalt« in die Zukunft verschieben möchte, obwohl diese Steuerzahlungen irgendwann sowieso fällig wären.
William Bernstein, ein lesenswerter Finanzbuchautor, charakterisiert den Paradigmenwechsel, den ein Privatanleger beim Übergang in die RB-Phase erkennen und umsetzen sollte, mit dem Bonmot: »If you have won the game, stop playing it« (Bernstein 2019). Knapper und klarer kann man es nicht mehr ausdrücken.
Fazit
Was sind nun die konkreten Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen, die aus der Einsicht in den strukturellen Unterschied zwischen Vermögensaufbau und Vermögensschutz resultieren?
Es macht wenig Sinn, die Mühe des Reichwerdens auf sich zu nehmen, wenn man danach alles wieder verliert, weil man beim Reichbleiben nicht oder kaum korrigierbare Fehler macht.
Vermögensschutz – so wie in diesem Buch verstanden – unterscheidet sich konzeptionell grundlegend vom Vermögensaufbau, also Investmentansätzen und -philosophien, die auf substanzielle Vermögensmehrung und Renditemaximierung ausgerichtet sind.
Vermögensaufbau versus Vermögensschutz überlappen sich jeweils stark mit dem Gegensatzpaar »reich werden versus reich bleiben«. Letzteres erfordert von den Entscheidern in einem vermögenden Haushalt fundamental anderes Wissen, andere Prioritäten, Ziele und Maßnahmen. Je konsequenter und klarer der Haushalt den Übergang von der Vermögensaufbauphase zur Vermögensschutzphase wahrnimmt und steuert, desto wirtschaftlich erfolgreicher und menschlich erfüllender wird das Ergebnis für ihn sein.
Ein Haushalt, der komplett in der Vermögensschutzphase angekommen ist, muss seine Renditeerwartungen aus dem Hauptziel des Vermögensschutzes ableiten, nicht – wie das oft geschieht – aus den Renditen, die der Haushalt in seiner eigenen Vermögensaufbauphase erzielte, als er erhebliche, häufig sogar existenzielle Risiken (z. B. unternehmerische Haftungsrisiken, Insolvenzrisiken, gesundheitliche Risiken durch hohen Einsatz von eigenem Humankapital) einging.
Wer maximalen Vermögensschutz haben möchte – und das sollte für die Mehrheit aller Haushalte in der Vermögensschutzphase das Ziel sein –, muss für sein Gesamtvermögen nach Kosten, Inflation und Steuern eine langfristig nur moderat positive oder sogar Nullrendite akzeptieren. Das ist kein Eingeständnis von Unvermögen, sondern ein Zeichen von Realitätssinn und Klugheit.
Klumpenrisiken aller Art sollten in der Vermögensschutzphase systematisch abgebaut werden, weil nachhaltiger Vermögensschutz umso wahrscheinlicher scheitert, je mehr Klumpenrisiken im Vermögen eines Haushalts vorhanden sind. Ähnliches gilt für eine etwa bestehende Verschuldung.
Rationale Unternehmer werden im Zeitablauf »Casino-Chips vom Tisch nehmen«, also konsequent Vermögen aus der unternehmerischen Risikosphäre in das davor geschützte Privatvermögen transferieren.
Vermögensschutz bedeutet im Idealfall die aufeinander abgestimmte Durchführung von Maßnahmen (i) zur Vermögensbewahrung, (ii) zur Asset Protection und (iii) zum Management markt- und finanzproduktbezogener Risiken. Das Ziel von Vermögensschutz ist, die bestmögliche Versorgung derjenigen Personen zu erreichen, die aus der Sicht des Eigentümers langfristigen Nutzen aus dem Vermögen ziehen sollen. Abbildung 1 gibt einen Überblick der drei Dimensionen oder Felder unseres Vermögensschutzkonzepts und ihrer Inhalte.
Abbildung 1: Schematische Darstellung der drei Felder des Vermögensschutzkonzepts
Die wirtschaftlich Begünstigten von Vermögensschutzmaßnahmen sind in der Regel – und in dieser Reihenfolge – der Eigentümer selbst und seine Familie, die nächste und übernächste Generation, vielleicht auch Freunde und langjährige Wegbegleiter und in manchen Fällen ergänzend auch philanthropische Organisationen oder Projekte.
Die erste Dimension des Vermögensschutzes, die Vermögensbewahrung, zielt darauf ab, das vorhandene Vermögen langfristig möglichst ungeschmälert zu erhalten und alle Faktoren, die das vorhandene Vermögen weniger stark wachsen lassen oder es allmählich schmälern, zu minimieren. Zu diesen Faktoren gehören Belastungen mit Gebühren von Finanzdienstleistern und vermeidbare laufende Steuerbelastungen, außerdem einmalige Steuerbelastungen bei Vermögensübergängen wie Schenkungen, Erbschaften und Verkäufen. Wichtig: Hier handelt es sich um direkt steuerbare, direkt kontrollierbare Faktoren, die gar keiner oder keiner nennenswerten Unsicherheit unterliegen.
In Bezug auf Vermögensbewahrung haben es die Betroffenen selbst in der Hand, wie teuer der von ihnen gewählte Vermögensverwalter und die genutzten Finanzprodukte sind, ob sie Vermögenswerte an Nachfolger verschenken, ob sie eine → Kapitalgesellschaft zur Vermögensbewirtschaftung oder eine Familienstiftung gründen und ob/wann sie ins Ausland umziehen. Zudem können sie entscheiden, ob sie in diese Maßnahmen nur bestimmte oder alle vorhandenen Vermögenswerte einbeziehen.
Asset Protection – ein ursprünglich angelsächsisches Konzept – ist die Abschirmung vor Nichtmarktrisiken. Asset Protection drückt als fachliches Programm den Grundgedanken des Schutzes eines vorhandenen oder noch zu bildenden Vermögens vor politischen, steuerlichen und zivilrechtlichen Risiken aus, deren Eintritt jeweils ungewiss ist, aber nicht als vernachlässigbar unwahrscheinlich eingestuft wird.
Asset Protection ist der Teil des Vermögensschutzkonzepts, der Vermögen, soweit wirtschaftlich machbar und natürlich im Rahmen der Gesetze, vor den folgenden Risikotypen abschirmen soll:
Politische Risiken. Damit sind Vermögensrisiken gemeint, die in einem relevanten Land oder einer Region direkt oder indirekt, kurz- oder langfristig aus schweren politischen Krisen, einschließlich Staatskonkursen, hoher Staatsverschuldung, Währungs(system)krisen und aus politischen Maßnahmen, also aus »Stressfaktoren« resultieren könnten. Allgemeiner formuliert: Risiken aus als gefährlich empfundenen politischen oder gesellschaftlichen Entwicklungen und Trends. Auch weitere staatliche Eingriffe in Eigentumsrechte, wie z. B. die jüngst in Berlin zu beobachtende Mietpreisbremse, stellt ein solches politisches Risiko dar.2
Steuerliche Risiken. Damit sind in der Zukunft neu eingeführte oder erhöhte Steuerbelastungen gemeint, beispielsweise die deutliche Heraufsetzung von Einkommensteuer- oder Erbschaftsteuersätzen, die Einführung einer nennenswerten Vermögenssubstanzsteuer oder die weitere Verschärfung der sogenannten Wegzugsbesteuerung, auf die wir in Abschnitt 3.3.2 näher eingehen. Steuerliche Risiken im Bereich der Asset Protection beziehen sich auf die mit einer ausreichend hohen Eintrittswahrscheinlichkeit versehenen Änderungen des geltenden inländischen Steuerrechts, wie Erbschaftsteuererhöhungen oder andere Maßnahmen des Staates, die mancher wirtschaftlich als »Enteignung« empfindet.3 Maßnahmen, die dagegen auf die Adressierung einer bereits bestehenden Steuerbelastung abzielen, sind dem Bereich der Vermögensbewahrung zuzurechnen, nicht der Asset Protection.
Zivilrechtliche Risiken. Damit sind Vermögensrisiken gemeint, die nicht – wie politische und steuerliche Risiken – grundsätzlich einen ganzen Bevölkerungsteil (etwa wohlhabende Haushalte) betreffen, sondern Risiken, die sich aus den spezifischen Lebensumständen eines einzelnen Haushalts ergeben. Beispiele hierfür sind Haftungsrisiken eines Unternehmers aus von ihm abgegebenen Bürgschaften, Gesellschafterdarlehen an das Unternehmen, aus gesetzlicher Geschäftsführerhaftung und aus anderen gesetzlichen oder vertraglichen Haftungskonstellationen, einschließlich Produkthaftung oder aus Versäumnissen beim Abschluss von Versicherungen. Beispiele außerhalb der unternehmerischen Sphäre sind familienrechtliche Risiken, etwa aus Ehescheidungen, familienrechtlichen Unterhaltskonstellationen oder möglichen Auseinandersetzungen mit künftigen Erben. Solche Konstellationen können zu gravierendem Verlust von Privatvermögen führen.
Eine Standardformel für die Quantifizierung eines Risikos im Sinne des »erwarteten Verlusts« ist »EL = P × I«. Ausformuliert: Expected Loss (erwarteter Verlust) = Probability (Wahrscheinlichkeit) × Impact given loss (Auswirkung im Falle des Eintritts). Diese simple Formel drückt etwas Wichtiges aus: Das Ausmaß von Risiko hängt einerseits von seiner Eintrittswahrscheinlichkeit P ab und andererseits von dem Schaden I (Impact), der bei Eintritt resultiert. Letztlich zählt nur das Produkt aus beiden Größen P und I. Die Wahrscheinlichkeit P oder das mögliche Ausmaß von Schaden I bei Eintritt – in Isolation betrachtet – sind lediglich eingeschränkt aussagefähig und können für sich genommen sogar irreführend sein.
Ebenso gilt: Ein Risiko im Sinne des erwarteten Verlusts kann klein sein, weil die Wahrscheinlichkeit P klein ist oder weil der Schaden I klein ist oder weil beide klein sind. Das relative Größenverhältnis von P und I ist meistens entscheidend für das richtige Verständnis des betreffenden Risikos und etwaige Risikoschutzmaßnahmen. Viele finanzielle Risiken lassen sich auf diese Weise erfassen und bewerten.
Für die oben genannten drei Risikotypen im Kontext von Asset Protection gilt zum Teil, dass P (Eintrittswahrscheinlichkeit) einen eher niedrigen, jedenfalls schwer zu quantifizierenden Wert hat und I einen relativen hohen Wert (hoher Schaden im Fall des Eintritts). Sich vor diesem Risikotypus zu schützen ist in der Regel schwieriger als der Schutz vor Risiken, bei denen – umgekehrt – P hoch ist und I klein.
Infobox: Weltanschauung und Vermögensanlagen
Einige angesehene Autoren von Finanzratgebern – William Bernstein, Larry Swedroe und Rainer Zitelmann – betonen in ihren Veröffentlichungen, dass Privatanleger beim Investieren langfristig umso erfolgreicher sein werden, je besser es ihnen gelingt, zwei Impulse zu ignorieren: ihre Emotionen und ihre politische Meinung bzw. ihre Weltanschauung (Bernstein 2014, S. 46/101, Swedroe 2018, Zitelmann 2020). Die drei haben recht.
Was Emotionen anbelangt dürfte diese Aussage ziemlich unstrittig sein. Beim »Investmentstörfaktor« Weltanschauung – gemeint sind politische und volkswirtschaftliche Meinungen – werden uns jedoch nicht alle unsere Leser ohne Weiteres zustimmen.
Natürlich kann man einen beträchtlichen Teil der Wirtschaftspolitik der EU und der Geldpolitik der EZB der vergangenen Jahre kritisch sehen. Man kann sogar das gesamte Projekt des Euros in seiner konkreten Gestaltung als teilweisen Irrweg betrachten. Dafür haben wir Verständnis. Wir selbst vertreten eine dezidiert marktwirtschaftliche Weltanschauung und missbilligen viele Maßnahmen der EU und EZB seit Einsetzen der Großen Finanzkrise 2007/2008. Es muss dabei aber betont werden, dass die Regierungen und Zentralbanken der allermeisten westlichen Länder seitdem geldpolitische und fiskalpolitische Maßnahmen praktiziert haben und praktizieren, die fast deckungsgleich sind mit denjenigen der EU und der EZB.
Wir sind – wie die genannten Autoren – davon überzeugt, dass weise Investmententscheidungen ausschließlich auf den beiden Säulen Rationalität und Wissenschaftsorientierung ruhen sollten und so wenig wie möglich auf Emotionen oder politischen Meinungen. Wissenschaftsorientierung heißt das möglichst ausschließliche Orientieren an von Wissenschaftlern und interessenkonfliktfreien Fachleuten bestätigten sachlogischen Erwägungen, die mit harten empirisch-statistischen Daten validiert wurden. (Dass sich Investmententscheidungen innerhalb von Recht, Gesetz und ethischen Rahmenbedingungen bewegen müssen, ist so selbstverständlich, dass es keiner eigenen Erwähnung bedarf.)
Ein kleines illustratives Beispiel für den »Weltanschauungsirrtum« beim Investieren: Für die USA wurde gezeigt, dass Legislaturperioden, in denen die Republican Party, also die stärker marktwirtschaftlich orientierte Partei, die Regierung stellt, mit durchschnittlich niedrigeren Aktienmarktrenditen einhergehen als die Legislaturperioden mit der weniger marktwirtschaftlichen Democratic Party. Bei der Erhöhung der Staatsverschuldung und der Zahl der Rezessionen liegt die republikanische Partei ebenfalls leicht schlechter (Klebnikov/Touryalai 2020). Vermutlich ist dieses spezifische Ergebnis Zufall, aber es deutet aus unserer Sicht an, dass Weltanschauung und Investmententscheidungen so wenig wie möglich verquickt werden sollten.
In diesem Buch halten wir uns nicht an Weltanschauungen, sondern so weit es irgend geht an konsequente kühle Vernunft, Wissenschaftlichkeit, Sachlogik und harte statistische Daten.
Ein Beispiel für ein Risiko mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit und großem Schadenpotenzial: die finanziellen Einbußen aus einer möglichen staatlichen Enteignung von Immobilienvermögen in Deutschland. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Enteignung zu schlechten Kompensationsbedingungen in Deutschland in den nächsten 20 Jahren durchgeführt wird, mag niedrig sein, sie ist aber eben nicht null. Der Schaden für die Eigentümer im Falle des Eintritts könnte dann jedoch sehr hoch sein, insbesondere wenn bei einem Haushalt Klumpenrisiken in genau diesem Bereich bestehen, also ein großer Teil des Familienvermögens aus deutschen Immobilien besteht.
Unter Finanzrisikomanagement verstehen wir in diesem Buch die eher konventionellen, in vielen Ratgebern dargestellten Maßnahmen des Risikomanagements für liquide und illiquide Investments, etwa Diversifikation auf der Basis von Überlegungen zur → Korrelation4 zwischen Vermögensanlagen, die Identifikation und Vermeidung offen erkennbarer oder versteckter Gegenpartei- und Klumpenrisiken, die Vermeidung von aus der Sicht der Wissenschaft nicht durch erwartete Rendite5 kompensierter sogenannter »idiosynkratrischer« oder »unsystematischer« Risiken und ganz allgemein die Identifikation und Vermeidung »schlechter« Finanzprodukte oder unattraktiver →