Die Letzten zweier Dynastien
»Schließlich kommt irgendwann
das Ende eines jeden.«
»Sie stellen ihn als Held dar. Wieder und wieder«, knurrte der Teufelsanbeter, während sein riesiger geschuppter Schwanz neben mir über den Boden zuckte. »Weil er einen Drachen getötet hat!« Krachend fegte die dornenbesetzte Spitze einen ganzen Haufen Säulentrümmer beiseite, der lose auf der verdorrten Wiese gelegen hatte.
Unheilverkündend bebte der Boden, indes sich sein mächtiger echsenähnlicher Körper voller Wut zu seiner ganzen Größe aufplusterte. In einer erregten Geste öffneten sich die mit mehreren Krallen und Federn besetzten schwarzen Flügel und roter Dampf waberte aus geweiteten Nüstern unterhalb der blutunterlaufenen kleinen Augen.
»Er war ein Mörder. Nichts als ein grausamer Mörder!«, heulte er nun und machte seinem Volk, den Flammenwesen, alle Ehre, indem er eine rot-orangene Stichflamme in Richtung des Sees vor uns spie. Einige verdorrte Grashalme fingen dabei Feuer und wurden zu trügerischen Minifackeln, die durch eine Handbewegung von mir erloschen, bevor sie einen Flächenbrand verursachen konnten.
Auch wenn die Show gut war, verzog ich genervt das Gesicht. Bei Himemi konnte man sich nie sicher sein, wann er seine Interessen durchsetzen wollte und wann er sich wahrhaftig im Rausch der Trauer und des Zorns befand. ›Schauspieler‹ beschrieb seinen Chrakter treffend, ›labil‹ seinen Geisteszustand.
Trotzdem war er äußerst gefährlich und tödlich, darin ähnelten wir uns.
»Er hat Seti umgebracht. Seti war unschuldig und kein Drache«, brüllte Himemi so laut, dass ich den Impuls unterdrücken musste, mir die Ohren zuzuhalten. Erneut fegte er mit seinem geschuppten Schwanz zornig Trümmer beiseite. »Sie war wie ich. Sie war mein.«
Es war stets die gleiche Leier! Die mir inzwischen zu den Ohren herauskam. Wer hätte gedacht, dass solch ein plumpes Wesen derart fanatisch lieben konnte?
»Ich weiß«, entgegnete ich äußerlich ruhig, um dem Ganzen für heute ein Ende zu bereiten, und stieß innerlich einen Seufzer aus. Warum verdammt noch mal musste eigentlich immer ich mich mit Himemis Manie herumschlagen? Richtig, weil ich ungern wichtige Angelegenheiten delegierte. Und wenn seine Manie mir nicht so nützlich gewesen wäre, hätte ich dem längst ein Ende gesetzt. Kurz und schmerzlos.
Oder auch nicht.
Je länger ich darüber nachdachte, desto sicherer war ich mir, dass ich es genießen würde, ihn zu töten. Wahrscheinlich würden wir kämpfen. Das wäre eine Herausforderung, da er die Größe einer kleineren Bergkette hatte und seine Oberfläche einer dampfenden dunkellilanen Rüstung glich. Aber ich sah das sportlich. Vielleicht würden sich dabei ganz neue Gefühlsregungen ergeben, wenn Himemi physische, nicht psychische Schmerzen erlitt. Wenn er sie seinetwegen und nicht um Setis willen verspürte.
Ein interessanter Gedankengang, den ich mir bewahren würde. Schließlich kommt irgendwann das Ende eines jeden. Selbst wenn ich es mir momentan nicht leisten konnte, Himemi zum Spaß umzubringen.
Während der Teufelsanbeter weiterhin die Landschaftsgestaltung meiner ohnehin ziemlich trostlos anmutenden Ländereien übernahm, schweifte mein Blick über den großen dunkelblauen See zu meiner Residenz.
Dunkelgraue, solide gemauerte Türme stachen mit ihren Spitzen in die tief hängende Wolkendecke des eisblauen Himmels. Kleine Schießscharten, schmale vergitterte Fenster und ein großes nietenbesetztes Tor mit dicken Ketten vervollständigten das Bild der Unüberwindbarkeit dieser Mauern. Noch nie war einer der einstmals vielen Gefangenen aus meiner Festung entkommen.
Wenige Flugstunden auf Himemis Rücken entfernt lag die Hauptstadt dieses Planeten. Sie hatte, genau wie mein Anwesen, schon deutlich bessere Tage gesehen. Das wusste ich wie jeder andere auf Kekifa nur zu gut. Trotzdem strahlte unser alter Familiensitz, im Gegensatz zu der traurigen Ansammlung von metallenem Hüttenwerk und betonierter Tristess der Stadt, Macht aus. Eine kalte, von Grausamkeiten und Blutvergießen herrührende Macht. Eine, die unwiderruflich mit mir verbunden war und die einen der Gründe darstellte, warum ich stets hierher zurückkehrte.
Ich hielt die Kifu zusammen. Ich war ihr König und ich würde sie wieder erstarken lassen. Würde uns zu neuem Ruhm führen. Uns zusammen mit meinem Bruder Firihati als letzte Nachfahren unserer königlichen Dynastie zum Sieg verhelfen! Dem endgültigen Sieg – über die Sisu.
Ein weiterer Feuerschwall Himemis, gefolgt von Gebrabbel, brachte ihm meine Aufmerksamkeit zurück. »Sie erzählen sich, er hätte gewaltige Kräfte besessen, wäre mutig und tapfer gewesen, redegewandt und furchtlos«, knurrte der Teufelsanbeter voller Abscheu, mit zuckenden Nüstern.
»Furchtlos?« Das entlockte mir ein ironisches Lachen. »Leider hat er Firihati nie gegenübergestanden.« Denn wenn mein Bruder eines konnte, dann war es, jemandem Furcht einzujagen. Ihn zu erschrecken. Zu Tode zu erschrecken, um genau zu sein. Wenn er wollte, selbstredend. Nur, wenn er wollte. Ansonsten war er ein gut aussehender, charmanter Bastard. Die schwarzen Haare und die ebenmäßige Nase hatten wir von unserer Mutter geerbt. Genau wie die schlanke, hochgewachsene Gestalt. Was genau wir von unserem Vater hatten, war mir unklar. Vielleicht die Streitbarkeit. Nicht jedoch den Willen aufzugeben.
Ich würde niemals aufgeben. Nicht, solange ich lebte.
Deshalb musste ich mich mit Himemi arrangieren. Die Hitze seines Feuers war es, die mich und die Meinen bei Kräften hielt. Die enorme physikalische Schwingung der Teilchen, die entstand, sobald er die erste Flamme spie, versorgte uns mit ausreichender Energie, um zu überleben, wenn wir sie von der züngelnden Hitze absaugten. Ausgehungert wie wir waren, wurde unser Körper von selbst zum Energiemagneten und Himemis extrem heißes Feuer erlosch binnen Sekunden.
Für Firihati, Pami, meinem Ersten Berater, Xanei, meinem besten Krieger, und mich ein wöchentliches Vergnügen. Für die Bewohner der Hauptstadt ein seltenes. Denn Himemis Kräfte und sein Wille, sich uns zur Verfügung zu stellen, waren begrenzt.
Er war das letzte Flammenwesen. Ein starkes, aber eben doch nur eines. Während wir schwach waren – viel zu schwach, um auf ihn zu verzichten. Kam der von mir ersehnte Tag des Endkampfes zwischen Kifu und Sisu, würde ich Himemi unter allen Umständen schützen. Denn sollten wir wider Erwarten den Rückzug antreten müssen und all meine anderen Pläne ihr Ziel verfehlen, blieb sein Feuer die einzige Chance für den kümmerlichen Rest meines einst so stolzen Volkes, zu überleben.
Allerdings konnte ich ihn nicht kontrollieren. Er hatte seinen eigenen Kopf. Einen schrecklich eigensinnigen Dickschädel! Wenn Himemi kämpfen wollte, würde ich ihn nicht aufhalten können – mir blieb nur zu hoffen, dass all meine mit Engelszungen vorgebrachten falschen Versprechungen ihn, wie die letzten Jahrhunderte über, besänftigen würden. Ab und an versuchte ich es gar mit Humor, doch stieß ich meist auf taube Ohren.
Das Flammenwesen hatte ebenso heute meinen lauen Scherz entweder nicht registriert oder nicht witzig gefunden, denn inzwischen waren wir einen Schritt weiter im üblichen Ablauf seiner Klagen.
»Seit dem elften Jahrhundert ehren ihn die Erdlinge mit Wandmalereien in Schlössern, Burgen und heutzutage sogar mit Bildern in ihrem seltsamen In-ter-net!« Die Nüstern des Flammenwesens zuckten unkontrolliert. Es sah angewidert aus. »Seit dem dreizehnten Jahrhundert muss ich mir schlechte Gedichte anhören und sie besingen ihn seit jeher mit ihren furchtbaren Liedern!«
Nichts Neues. Und zunehmend überwog meine Ungeduld.
»Dieses Jahr überbieten die Veranstaltungen alles! Festspiele in Worms, Aufführungen an der Semperoper, im Royal Opera House, in der Dutch National Opera, an der Göteborg Opera, der Melbourne Opera und der Met Opera in New York. Außerdem Theateraufführungen in Baden-Baden, Chemnitz, Oxford, Brüssel, Marseille, Budapest und San Francisco. Dazu kommen Veranstaltungen in Venedig, Toulouse und …«
Ja. Ja. Immer dasselbe. »Es reicht!«, herrschte ich Himemi an. Jetzt hatte ich wirklich genug. Konnte er nicht ein einziges Mal seine vermaledeite Klappe halten? Oder zumindest irgendwann die geistige Stopp-Taste finden? Sein Klagelied war wie ein Tonband, das einmal eingelegt bis zum Schluss abgespielt werden musste. Komme, was wolle. Nur war ich nicht sein Seelenklemptner! Ich war der verdammte König der Kifu. Ich erwartete Respekt!
Statt ihm das entgegenzuschreien, statt es ihn direkt mit Taten zu lehren, ermahnte ich mich zur Ruhe. »Du hast deinen Standpunkt ausreichend erläutert. Und ich verfluche Sigfried, den angeblichen Drachentöter, und die Nibelungen seit ihrer Uraufführung. Genau wie du! Aber es ist keinem geholfen, wenn wir uns stets aufs Neue daran aufhängen. Diese Geschichte ist wie jede andere, die die Sewi erzählen – ein äußerst schwacher Versuch, Unwissenheit in Wissen zu wandeln. Menschen«, ich spuckte es angewidert aus. »Selbst das Wort – ihre selbst gewählte Bezeichnung – ist nichts als eine Hülse, genau wie sie. Sisu, Kifu, das bedeutet wenigstens etwas.«
»Und was haben sie daraus gemacht?«, unterbrach Himemi mich. »Lichtalb und Schwarzalb? Was soll das sein?«, höhnte der Teufelsanbeter.
Ahh! Ich hasste diese Verunglimpflichungen. Er wusste genau, wie er mich erzürnen konnte. Ob das im Moment allerdings klug war, bezweifelte ich. Meine Geduld hing bereits am seidenen Faden.
»Klingt einfach beschissen«, grollte er ungerührt.
Ja, das tat es! Geschmeidig krümmte sich meine rechte Hand in Richtung des langen Messers, das hinten im Bund der schwarzen Anzughose mit Bügelfalte steckte. Diese trug ich zu einem meiner unzähligen dunkelgrauen Hemden. Ich brauchte es nicht, um jemandem wehzutun. Aber ich liebte es, damit zu spielen. Muster faszinierten mich. Besonders wenn sie Strich um Strich in einen lebenden Körper geritzt wurden. Langsam, säuberlich, exakt folgten sie einer Gleichmäßigkeit und ließen durch meine Hand ein ausgewogenes Bild entstehen. Eines, dessen Schöpfer ich war. Ich ganz allein.
Mein Stempel auf der Haut des Besiegten.
Mein Siegel als Zeichen der Macht. Bezahlt mit Blut und Tränen. Geschaffen durch Stahl und Akribie.
»Es spiegelt nur das Wesen der Sewi wider«, zischte ich.
»Vielleicht.« Der große Kopf des Wesens nickte.
»Dumm. So dumm, unwissend und schwach.«
»Daran wird sich nichts ändern.«
»Ja, genau darüber könnte ich mich aufregen«, gestand ich nun doch ein.
Der Teufelsanbeter stieß einen röhrenden, fast lachenden Laut aus. »Du tust es jedenfalls stets aufs Neue!« Seine Augen blitzten hinterlistig. »Und das darf ich mir dann anhören«, kam bereits die ihm unbewusste Retourkutsche. Eine, die mir für ihn viel zu durchdacht vorkam – dafür, dass er sich scheinbar im gefühlsmäßigen Tunnel der Rachsucht befand.
Himemi führte etwas im Schilde. Seine Provokationen schienen mir heute zielgerichteter als üblich – angereichert mit Hintergedanken. Er wollte etwas, das konnte ich spüren. Nur was? Welcher Teil unserer Vorsehung würde sich dieses Mal bewahrheiten?
Angefangen hatte alles lange vor meiner Zeit. Vor Äonen von Jahren. Damals, so war es mir erzählt worden, kämpfte Keni, der regierende König der Sisu, mit Lelit, unserem regierenden König, um die Vorherrschaft in der Galaxie. Lelit kam irgendwann in den Besitz eines Artefaktes, welches das Machtgefüge zu seinen Gunsten beeinflusste. Vielleicht kreierte er es gar, vielleicht hatten die Weltenweber, als Erschaffer der Galaxien, ihre Finger im Spiel. Keni wollte sich jedenfalls nicht geschlagen geben und suchte außerhalb des Krieges, der bisher zwei Völker umfasste, nach Verbündeten. Diese fand er in einer anderen Galaxie: die Flammenwesen. Mit Himemi, der sich durch das Versprechen Kenis, ihm für seine Dienste nach dem Krieg das Artefakt Lelits zu überlassen, einverstanden erklärte, hatten die Sisu ebenfalls eine mächtige Waffe. Ihnen gelang so der Diebstahl des Artefaktes und die Befriedung unserer Galaxie. Während Keni daraufhin Wort hielt und die Kriegsbeute Himemi übergab, wusste er nicht, dass das Artefakt nur für die Kifu von unschätzbarem Wert war.
Es wird gemunkelt, es soll eine unerschöpfliche Energiequelle für die Krieger unserer Kifu-Armee dargestellt haben. Selbstredend gab es davor und danach besondere Besitztümer, doch keines von ihnen war wie dieses.
Friedliche Jahre zogen fortan ins Land, aber unter der Oberfläche brodelte es, während die nächste Generation geboren wurde. Isirenya, einer der Söhne Kenis, und Gidiya, einer der Söhne Lelits, wuchsen von unschuldigen Kindern zu Männern heran. Rachsüchtig trafen sie schließlich, die kriegerische Tradition ihrer Vorfahren fortführend, aufeinander und Gidiya tötete Isirenya im Zweikampf. Ein Sieg für die Kifu. Doch damit war der wieder aufschwellende Konflikt nicht beendet. Isirenya hatte mit Fire, seiner Frau, vor seinem Tod ein männliches Zwillingspaar gezeugt. Einer der beiden, Degineti, machte sich Jahre später zu Himemi auf, um ihn erneut um Hilfe zu bitten – in der Absicht, den Tod seines Vaters zu sühnen.
Auf Amendon, dem Heimatplaneten der Flammenwesen, fand er allerdings nichts als Zerstörung vor. Der Besitz des Artefaktes hatte Himemis Sippe gegeneinander aufgebracht und sie hatten bei ihren Ränkespielen in blinder Gier und Tobsucht einen Großteil des Planeten eingeäschert. Degineti fühlte sich im Namen seines Großvaters dafür verantwortlich und bot Himemi an, der als Einziger mit Seti, seinem Weibchen, überlebt hatte, das Artefakt mitzunehmen und an seiner statt zu verwahren. Himemi wollte allerdings nicht davon ablassen, deshalb beschloss Degineti, es zu stehlen – zum Wohle der Flammenwesen und der Sisu, deren Position er gegenüber den Kifu in Zeiten der Unsicherheit stärken wollte. In der alles entscheidenden Nacht kam es jedoch zum Kampf. Seti wurde getötet und das Artefakt durch Himemis Feuer zerstört.
Degineti kehrte bestürzt und geläutert, aber unversehrt zurück zu seiner Frau, Nefisi, und sie gebar ihm wenig später Kinder. Himemi verblieb trauernd auf Amendon – der Letzte seines Volkes. Gidiya seinerseits witterte nun eine weitere Chance, die Kifu erstarken zu lassen, und zog in böswilliger Absicht los, um Degineti und dessen Kinder zu töten. Während er den Sisu kaltblütig ermordete und damit das Wohlwollen Himemis auf unser Volk lenkte, entkam Nefisi mit den Babys. Eine Unzahl von Finten, Schlägen und Gegenschlägen zwischen den Sisu und den Kifu folgte. Ein Manöver erfolgloser und kräftezehrender als das vorhergehende. Erst als Himemi in seiner fortwährenden Wut, nach etlichen gescheiterten Friedensverhandlungen zwischen den Völkern mit mir zusammen, Simeti, den Heimatplaneten der Sisu, einäscherte, starb das letzte Kind Deginetis, der Vater von Amilaki King, meinem Erzfeind.
»Von hinten habe ich die Krallen durch den Rücken in sein Herz gebohrt und ihn auseinandergerissen. Amilakis Vater hat gelitten. Hat die Schuld seines Vokes zu spüren bekommen!«, ließ mich Himemis blutrünstiges Knurren aus der Vergangenheit auftauchen. »Und das war nur der Anfang …«
Immerhin waren wir damit am gleichen Punkt der Geschichte angelangt.
»Glaub mir, das kann ich wieder tun. Mit jedem«, grunzte der Teufelsanbeter unheilverkündend. Dampf waberte aus seinen Nüstern. »Er hatte eine körperliche Schwachstelle, die ich gefunden habe. Jeder hat eine – auch wenn nicht immer die gleiche«, fügte er überraschend weise hinzu und nickte behände mit dem hässlichen Kopf.
Ich wartete ab, da ich aus Erfahrung wusste, dass Himemi gleich zum großen Finale ansetzen würde. In drei – zwei – eins …
»Alles wegen eines Artefaktes. Wegen Macht und Vorherrschaft musste Seti sterben. Meine Seti.« Sabber tropfte gelblich schimmernd von seinen geifernden Lefzen. »Die Erdlinge erzählen das, was damals geschah, fortwährend, ohne Unterlass. Und sie werden nie damit aufhören. Ob nun Nibelungen oder neuerdings wieder Tolkien … mit diesem Ring, diesem verfluchten Ring. Die gleiche Geschichte, die gleiche Absicht, da hast du völlig recht – immer ein und dieselbe. In hundert Varianten. Mit tausend Gesichtern und Abertausenden von Masken. Meine Geschichte. Deine Geschichte. Es wird Zeit, dass das aufhört, findest du nicht?!« Das Flammenwesen schnaufte erregt, doch wirkte sein Blick klar wie nie zuvor. »Drachentöter, dass ich nicht lache. Sie haben keine Ahnung. Weder wie es sich damals zutrug noch über das, was heute vorgeht. Sie wissen nicht das Geringste über ihren verehrten Siegfried oder uns. Das sollten wir ausnutzen. Zu unserem Vorteil, um sie alle zu töten, um sie bezahlen zu lassen – ein für alle Mal! Die Sewi und die Sisu.«
Als ein roter Schleier sich über seine zu Schlitzen verengten Pupillen legte, sah ich die Raserei in seinen Blick treten. Sah, wie sich sein Geist zurückzog und seinen Instinkten die Kontrolle überließ. Ich wusste, dass er irre war. So weit von der Rationalität entfernt wie jeder, den ich fünf Stunden auf der Streckbank gefoltert hatte. Dennoch brodelte ein wildes Lachen von meinem Brustkorb hoch, aus meinem Mund. Ich konnte nicht anders, ließ mich vom Hoch seiner und meiner überbordenden Gefühle mitreißen. Sog sie auf, machte sie mir zu eigen und zog Energie daraus. Seine Mordlust stachelte mich an, setzte Adrenalin in mir frei und machte mich im gleichen Augenblick süchtig nach mehr.
Mir war klar, dass sich meine Interessen von seinen unterschieden. Er war voller Rachedurst – wollte alle töten. Ich war voller Visionen und wollte überleben. Wollte siegen, wollte der eine, der letzte, der wahre König der Galaxien sein! Das war allerdings unmöglich, wenn alles Leben erloschen war. Mein Volk benötigte Nahrung und dafür brauchten wir entweder ein neues Artefakt oder einen neuen Planeten, denn unserer hatte seinen Zenit längst überschritten. Wie es mit vielen anderen Welten im Laufe der Zeit geschehen war, hatten wir ihn ausgenommen und nun blieb nichts außer dem ungenießbaren Gerippe übrig.
»Such sie. Finde sie. Triff sie. Jeden Einzelnen. Oder ich werde es tun!«, beschwor mich der Teufelsanbeter. »Aber du wirst sowieso Dunkelheit und Verdammnis über alle bringen. Es hat längst begonnen. Dein Name ist deine Prophezeiung – genau wie bei uns anderen. Ob du willst oder nicht, du wirst sie erfüllen, weil du sie bis jetzt immer erfüllt hast. Das wissen wir beide, Chelemna.«
Ich nickte ergeben. In dem Punkt hatte er uneingeschränkt recht. Während mein Bruder Firihati Furcht säte, brachte ich Dunkelheit. Eine alles verschlingende Dunkelheit, die nun, durch mich, nach der Erde gierte.