Texas Hold’em

POKER MIT SYSTEM

Band 2: Fortgeschrittene und Experten

Ein Lehrbuch über Theorie und Praxis im
Online- und Live-Pokerspiel

Von

Eike Adler

Inhaltsverzeichnis

VORWORT

KAPITEL 10 DER WEG ZUM EXPERTEN

GRUNDLAGEN

PROFESSIONELLER ANSATZ BEIM POKERN

UMSTIEG AUF SHORTHANDED

MULTITABLING

FORTGESCHRITTENES BANKROLL MANAGEMENT

PSYCHOLOGIE EINES EXPERTEN

DER UNTERSCHIED ZWISCHEN ONLINE- UND LIVE-POKER

FAZIT GRUNDLAGEN

KAPITEL 11 POKER STRATEGIE III

LOS GEHT’S!

LEKTION 27 – TABLE SELECTION

LEKTION 28 – FIND THE FISH

LEKTION 29 – SH PREFLOP-STRATEGIE

LEKTION 30 – DAS SPIEL VON DRAWS

LEKTION 31 – DAS SPIEL VON POCKETPAAREN

LEKTION 32 – DAS SPIEL VON KLEINEN ASSEN

LEKTION 33 – SH POST-FLOP-STRATEGIE

ÜBUNGEN TEIL 5 – SHORTHANDED SPIELEN

KAPITEL 12 POKER THEORIE III

LEKTION 34 – ERWARTUNGSWERT/EV

LEKTION 35 – FLOP-STRUKTUR

LEKTION 36 – GUTE BLUFFSITUATIONEN

LEKTION 37 – POT-COMMITTED ODER NICHT?

LEKTION 38 – WAY AHEAD ODER WAY BEHIND?

LEKTION 39 – POT CONTROL

LEKTION 40 – DIE FORTGESCHRITTENE CONTINUATION BET

LEKTION 41 – DER FLOAT

ÜBUNGEN TEIL 6 – KONTROLLIEREN SIE DEN TISCH

KAPITEL 13 GEGNER LESEN

LEKTION 42 – DAS HAND-READING

LEKTION 43 – PHYSISCHE TELLS

LEKTION 44 – ONLINE-TELLS

LEKTION 45 – EIGENE TELLS

FAZIT – DAS PUZZLE ZUSAMMENSETZEN

ÜBUNGEN TEIL 7 – LESEN SIE IHRE GEGNER

KAPITEL 14 POKER STRATEGIE IV

LEKTION 46 – DER EINSATZ VON ZUSATZSOFTWARE

LEKTION 47 – SPIELERTYPEN II

LEKTION 48 – DAS SPIEL GEGEN MANIACS

LEKTION 49 – DER LOOSE-AGGRESSIVE SPIELSTIL (LAG)

LEKTION 50 – DER SUPER-LAG-STIL/MANIAC

ÜBUNGEN TEIL 8 – ÜBEN SIE DAS SPIEL ALS LAG

KAPITEL 15 TURNIERE UND SIT’N GOS II

CASHGAMES VS TURNIERE

LEKTION 51 – AUFBAU EINER BANKROLL MIT SNGS

LEKTION 52 – SNG-STRATEGIE „PUSH ODER FOLD“?

LEKTION 53 – INDEPENDENT CHIP MODEL (ICM)

LEKTION 54 – DAS SPIEL ZU ZWEIT: HEADS-UP

LEKTION 55 – DAS SAGE-SYSTEM

ÜBUNGEN TEIL 9 – ICM UND SAGE IN DER PRAXIS

KAPITEL 16 TEST YOUR EXPERT SKILL

BEISPIELHÄNDE TEIL 4 – POT CONTROL

BEISPIELHÄNDE TEIL 5 – HAND-READING

BEISPIELHÄNDE TEIL 6 – ICM

ANTWORTEN TEIL 4 – POT CONTROL

ANTWORTEN TEIL 5 – HAND-READING

ANTWORTEN TEIL 6 – ICM / SAGE

KAPITEL 17 SCHLUSSWORT & ANHANG

SCHLUSSWORT

ANHANG

POKER GLOSSAR

POKER ABKÜRZUNGEN

POSITIONEN

PREFLOP-STRATEGIE

BANKROLL MANAGEMENT – AUFBAU EINER BR

HÄUFIGE GEWINNVERHÄLTNISSE

HÄUFIGE WAHRSCHEINLICHKEITEN

ODDS LISTE

Vorwort

Der zweite Band von Texas Hold’em – Poker mit System soll Ihnen einen Einblick in die Spielweise der Profis geben und Ihnen zeigen, wie Sie selber zum Experten werden können. Der Weg zum echten Pokerprofi ist recht lang. Aber mit Disziplin, viel Übung, Erfahrung und Geduld kann man diesen Weg durchaus erfolgreich beschreiten.

Vorab ein paar Worte zur Form: Es wird in diesem Buch keine zusätzliche weibliche Form benutzt (z.B. „Spielerinnen und Spieler“ oder „SpielerInnen“ o.Ä.), was ausschließlich der Einfachheit halber geschieht. Die erfreulicherweise stetig steigende Anzahl an Mitspielerinnen (Poker ist leider nach wie vor eine recht ausgeprägte Männerdomäne) soll hier nicht vergrault oder unter den Spieltisch gekehrt werden. Die Übersicht und Verständlichkeit des Buches würde nur stark in Mitleidenschaft gezogen, was ich vermeiden möchte. Ich hoffe, die weibliche Leser- und Spielerschaft sieht mir das nach.

Und dann sei noch etwas zum Thema Anglizismus in der Pokersprache gesagt. Dies ist ein Buch in deutscher Sprache über ein Thema, das extrem stark von englischen Begriffen geprägt ist. Natürlich wäre es möglich, jedes englische Wort durch die deutsche Variante zu ersetzen… Aber das ist in einem Buch über Poker nahezu unmöglich und ginge komplett an der Realität vorbei: erstens ist es in sämtlichen Medien (Fernsehen, Internet, usw.) üblich, in diesem Bereich „checken“ statt „schieben“ zu benutzen, und zweitens würden deutsche Versionen von z.B. Slowplay, Pot Odds oder Gutshot („langsam spielen“, „Topf-Wahrscheinlichkeiten“ oder „Bauchschuss“) eher komisch in einem Theoriebuch klingen. Ich habe mir daher die Freiheit auch hier genommen, alles so zu benutzen, wie es im Pokerjargon üblich ist und sowohl „ein Gebot erhöhen“ als auch „eine Bet raisen“ benutzt. Ich halte dies für die sinnvollste Variante, da man quasi dadurch zweisprachig mit diesem Bereich aufwächst und von Anfang an mit sämtlichen Pokerbegriffen vertraut wird. Die häufigen Erklärungen und Nebensätze tragen hoffentlich ein wenig zum zusätzlichen Verständnis bei. Das Glossar am Ende des Buches dürfte die letzten Unklarheiten über die häufigsten Begriffe und Abkürzungen im Poker ausräumen.

Ein Hinweis zur zweiten Auflage: Es wurde ein paar Fehler korrigiert, die sich in der 1. Auflage eingeschlichen hatten und einige Formulierungen der neuen deutschen Pokersprache angepasst, so wie sie sich in den letzten Jahren seit Erscheinen der 1. Auflage dieses Buches z.T. verändert haben. Außerdem wurden einige Vorschläge von Lesern berücksichtigt, z.B. die Überarbeitung der Spielweise von Suited Connectors in der Preflop-Stratgie.

ACHTUNG! Dieses Buch setzt voraus, dass Sie sich mit den Basics des Spiels auseinandergesetzt haben und mindestens das klassische Standard-Poker in der Variante Texas Hold’em beherrschen…

Wenn Sie direkt von Band 1 zu diesem Band übergegangen sind, würde ich Sie ausdrücklich bitten, das Buch wegzulegen und nicht weiterzulesen!

Sie sind noch nicht bereit für die Informationen in diesem Buch. Im Gegenteil, die folgenden Informationen werden Ihrem Spiel sogar eher schaden, wenn die Grundlagen Ihnen noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen sind.

Ich muss Sie in diesem Fall bitten, sich erneut mit Band 1 auseinanderzusetzen und die Übungen eine Zeit lang zu machen, damit Sie die Grundlagen auch wirklich beherrschen. Ihr Pokerspiel braucht Zeit, um sich zu entwickeln. Schließlich werde ich Ihnen im Laufe dieses Buches zeigen, wann es sinnvoll ist, von den Grundlagen abzuweichen. Dafür sollten Sie die Grundlagen allerdings natürlich bereits beherrschen. Wenn Ihnen Pot Odds, Outs, Positionsspiel oder eine Continuation Bet am Pokertisch noch nicht flüssig von der Hand gehen, dann gehen Sie zurück zu den Übungen von Band 1 und festigen Sie diese Dinge zuerst, bevor Sie mit diesem Band weitermachen.

Wenn Sie allerdings soweit sind, und z.B. bereits erfolgreich kleinere Limits schlagen können, dann heiße ich Sie willkommen zum zweiten Band von Texas Hold’em – Poker mit System. Sie werden viele neue Dinge lernen, die teilweise sogar so in noch keinem deutschen Pokerbuch zu finden sind. Ich hoffe, die Lektüre bereichert Ihr Spiel.

Und nun wünsche ich Ihnen viel Spaß mit Band 2.

Eike Adler

Kapitel 10

DER WEG ZUM EXPERTEN

„Play like a champ. Win like a champ. Act like a champ.”

-- Henderson, Frank

Grundlagen

Wie im Vorwort bereits erwähnt, gehe ich in diesem Buch davon aus, dass Sie die Regeln des Spiels kennen und verstanden haben und mit den grundsätzlichen strategischen Überlegungen beim Pokern vertraut sind. Wenn Sie aber mit dem Lesen direkt von Band 1 zu Band 2 übergegangen sind, dann rate ich Ihnen dringend, das Buch an dieser Stelle wegzulegen und sich erneut mit Band 1 von Texas Hold’em – Poker mit System auseinanderzusetzen. Sie sind noch nicht bereit für die Informationen in diesem Buch! Die Abweichungen von den Grundlagen, die ich hier vermitteln werde, würden Ihrem Spiel nur schaden, wenn Sie die Grundlagen nicht bereits beherrschen. Da dies ein fortgeschrittener Band ist, werde ich auf die Grundlagen nicht weiter eingehen. Nur ein paar Worte vorab noch zur Form. Folgende Schreibweise werde ich Laufe dieses Buches für die Karten verwenden:

Die restlichen Zahlen werden natürlich auch als Zahlen dargestellt. Wenn eine Folge von Karten ohne Hinweis auf ihre Farbe angegeben wird (z.B. „A2T“), dann ist die Farbe für das Beispiel einfach nicht von Bedeutung.

Ich werde im Laufe des Buches zur Unterscheidung von Turnierchips und echtem Geld tX und X $ benutzen. Mit anderen Worten: t4000 entsprechen 4000 in Turnierchips und 300 $ sind 300 echte Dollar, um die es geht.

Ich setze für dieses Buch außerdem die Kenntnis folgender Dinge voraus:

a) Sie kennen die Spielertypen

Man unterscheidet die verschiedenen Spielweisen der einzelnen Spielertypen in tight-passive, tight-aggressive (TAG), loose-passive und loose-aggressive (LAG).

b) Sie kennen die guten Starthände

Die Pocketkarten, die Sie beim Texas Hold’em zu Anfang des Spiels bekommen, werden in Kategorien eingeteilt. Die Einteilung, die ich im ersten Band vorgenommen habe, finden Sie auch im Anhang dieses Buches.

c) Sie können problemlos mit Outs umgehen

Outs sind die möglichen, verbleibenden Karten, die Ihre Hand verbessern und zur voraussichtlichen Gewinnerhand machen. Sie sollten wissen, dass ein Flush Draw 9 Outs hat und wann man Outs reduziert bzw. auch Extra-Outs hinzuzählt. Sie sollten außerdem wissen, dass die Frage, wie wahrscheinlich die Outs mit den noch kommenden Karten kommen, nach folgender Faustformel berechnet wird:

% Gewinnwahrscheinlichkeit mit der nächsten Karte = Outs x 2 + 2

% Gewinnwahrscheinlichkeit mit den nächsten zwei Karten = Outs x 4

d) Sie haben Pot Odds und Implied Pot Odds verstanden

Die Pot Odds sind das Verhältnis zwischen der Wahrscheinlichkeit, sein Blatt zu verbessern und dem Einsatz-Gewinn-Verhältnis, welches der Pot einem Spieler gibt. Die Implied Pot Odds beziehen dazu noch die folgenden, zu erwartenden Einsätze mit ein. Sie sollten dieses Prinzip nicht nur verstanden haben, sondern auch in der Lage sein, jedenfalls grob in einer Situation am Pokertisch zu erkennen, ob ein Call nach Pot Odds vertretbar wäre oder nicht.

e) Sie wissen, was eine Continuation Bet ist

Die Continuation Bet (oder kurz „Contibet“) ist ein Gebot auf dem Flop vom Preflop-Aggressor. Als guter, tight-aggressiver Spieler sollte man recht häufig auf dem Flop erneut betten, wenn man vor dem Flop erhöht hat, selbst dann, wenn man den Flop nicht zu 100 % getroffen hat. Besonders wenn dieses Gebot ein Semi-Bluff ist, man also zwar noch keine gemachte Hand hat, aber gute Aussichten besitzt, mit den folgenden Karten noch eine starke Hand zu machen.

Außerdem werde ich im Laufe des Buches ein paar Begriffe benutzen, die Sie kennen sollten, um die jeweiligen Kapitel zu verstehen. Da ich diesen Begriffen aber kein eigenes Kapitel widmen möchte (um den Rahmen nicht zu sprengen), werde ich sie nur einmal kurz anreißen:

Skill-Level

Der „Skill-Level“ beschreibt die Fähigkeiten eines Spielers. Um einen Gegner zu schlagen, ist es die optimale Strategie, sich genau einen Skill-Level über ihn zu setzen. Wenn Sie z.B. gegen einen Profi auf dem AA2-Flop einen Check-Raise machen, wird er wesentlich eher ahnen, dass dies ein Bluff sein könnte, als wenn Sie diesen Move gegen einen blutigen Anfänger machen würden. Der wird entweder nach Ihrem Check selber checken, weil er kein Ass hat oder Ihre Erhöhung als Garantie empfinden, dass Sie das Ass haben müssen. Genauso müssen Sie sich im Spiel gegen einen guten Spieler durchaus Gedanken darüber machen, auf welche Hand er Sie gerade setzen könnte – daraus ergeben sich bestimmte Konsequenzen, auf die ich im Laufe dieses Buches noch näher eingehen werde. Gegen einen Anfänger wäre das meistens verschwendete Energie, weil er noch nicht mal zu Ihnen herüberblickt, um zu erahnen, mit was Sie da gerade erhöhen. Er sieht seine Karten und den Flop. Passen die nicht zusammen, geht er raus. Deshalb ist es wichtig, den Skill-Level seiner Gegner herauszufinden. In hohen Skill-Levels ist es nicht selten, dass sich ein Profi gegen einen anderen Profi in dieser Situation Gedanken macht wie: „Ich denke, er denkt, dass ich denke, dass er nur vorgibt, das Ass zu haben. Also werde ich das Ass selber mit einem verzögerten Call repräsentieren, um ihm das Gefühl zu geben, ich wollte ihn nicht verscheuchen. Wenn ich raise, dann weiß er doch, dass ich bluffe. Denn mit dem Ass würde ich ja niemals raisen.“

Edge

Die „Edge“ ist der Vorteil, den ein guter Spieler gegenüber einem schwächeren Spieler hat. Man sagt auch, dass ein Spieler eine Edge in einem Turnier hat, wenn er besser als der Durchschnitt ist und demnach erwarten kann, recht gut abzuschneiden. Diese Edge ist immer abhängig vom Können eines Spielers.

Equity

Der Begriff „Equity“ ist recht wichtig im Zusammenhang mit fortgeschrittenen Pokerstrategien. Darunter versteht man den theoretischen Anspruch einer Handlung auf ein bestimmtes Ergebnis. „Tournament Equity“ z.B. bezeichnet den Gewinn, den ein Spieler aufgrund seiner Edge im Turnier erwarten kann. Die „Fold Equity“ bezeichnet die Erwartung, dass der Gegner foldet, wenn man erhöht und man den Pot ohne Gegenwehr mitnehmen kann. Unter der Equity während einer Hand versteht man den Anteil, der einem Spieler sozusagen mathematisch zusteht. Ich erkläre das einmal an einem Beispiel:

Spieler B hat hier zwar aktuell noch die bessere Hand (ein Paar Könige), aber Spieler A hat einen Flush Draw und gleichzeitig einen Open-ended Straight Draw. Damit hat Spieler A mindestens 15 Outs auf die beste Hand und eine Gewinnwahrscheinlichkeit von insgesamt 55 %. Investiert er also 10 $ in diese Hand, gehört davon über die Hälfte mathematisch ihm. Bekommt er von seinem Gegner einen Call, macht er in jedem Fall Gewinn: Er investiert 10 $, baut einen 20 $-Pot damit auf, von dem ihm 11 $ zustehen. Er kann also erwarten, mit jedem Gebot 10 % Gewinn zu machen. Das ist wie eine Dividende an der Börse. Auf Dauer wird jeder Dollar, den er in diese Hand investiert, ihm einen Gewinn bescheren. Das ist seine Equity (und nebenbei der Grund, weshalb man seine großen Draws immer auf so genannte „Value“ betten sollte).

Value

„Value“ ist der Wert einer Hand, eines Gebots oder eines Pots. Wenn ich den Wert einer starken Hand erhöhen möchte, dann biete ich für die Value des Pots. Das bezeichnet man als Value Bet. Die Value Bet steht im Gegensatz zum Bluff oder Semi-Bluff. Mit dem Bluff möchte ich meinen Gegner vertreiben, mit der Value Bet möchte ich, dass der Gegner bleibt und bezahlt. „Set Value“ ist der Wert, den ein kleines Pocketpaar bekommt, wenn ich damit ein Set (also einen Drilling) treffe, „Flush Value“ ist der erhöhte Wert, den eine Hand bekommt, wenn sie einen Flush machen kann (z.B. Als im Gegensatz zu A7o).

Gap-Konzept

Das vom bekannten Pokerbuchautor David Sklansky entwickelte „Gap-Konzept“ sagt aus, dass man grundsätzlich eine bessere Hand zum Callen benötigt als zum Raisen. Der Grund dafür ist recht einfach: man hat keine Fold Equity mehr, wenn ein anderer Spieler bereits Stärke signalisiert hat. Ein Raise kann eine Hand immer direkt gewinnen, ein Call allerdings nicht. Deshalb braucht man immer eine Hand mit mehr Showdown-Potenzial für einen Call als für einen Raise.

Ein Beispiel: Man kann mit AJo im Small Blind im Grunde nur selten callen, wenn der Spieler UTG bereits geraist hat, da man erwarten muss, von einer besseren Hand dominiert zu werden: Gegen AQ, AK, AA, KK, QQ, JJ wäre man weit hinten mit AJ. Auf der anderen Seite kann man aber mit AJo vom Button durchaus profitabel raisen, wenn alle anderen Spieler bis zum einem selber gefoldet haben. Die Aussicht, die Blinds ohne Gegenwehr zu stehlen und die geringe Wahrscheinlichkeit, dass einer der beiden Blinds jetzt noch eine bessere Hand hat, macht AJo hierbei plötzlich zu einer gut spielbaren Hand. Das bezeichnet man als Gap-Konzept, und es ist sehr wichtig für erfolgreiches Pokerspiel. Ich werde diesen Begriff in paar Mal im Buch verwenden. Gemeint ist damit einfach die Tatsache, dass Sie mit potenziell dominierten Händen zwar manchmal gut erhöhen, aber selten eine Erhöhung oder ein All-In callen können.

Gewinnrate/„hourly rate“

Unter diesem Begriff versteht man den theoretischen Stundenlohn, den man sich als Pokerspieler erarbeitet. Jeder professionell ambitionierte Spieler sollte als oberste Priorität haben, seine „hourly rate“ zu maximieren. An einigen Stellen wird die Erfolgsrate stündlich gemessen, an anderen Stellen pro 100 Hände. Die Maßeinheit ist dabei entweder absolut in Dollar oder relativ in der Anzahl an Big Bets. Wenn ein Spieler z.B. sagt, dass er eine „hourly rate“ von 6 $ hat, dann sagt das zwar aus, dass er ein gewinnender Spieler ist, aber nicht, wie gut er ist. Sagt er aber, dass er eine Gewinnrate „4 BB/100“ im Fixed Limit 2 $/4 $ hat, dann erspielt er durchschnittlich 16 $ in 100 Händen. Im Laufe des Buches werde ich ab und zu einmal diese Werte erwähnen. Sie mit Stift und Papier für jede Session einzeln zu errechnen, kann ganz interessant sein, ist aber etwas aufwändig. Durch den Einsatz von Zusatzsoftware wird dieser Wert normalerweise automatisch ermittelt und angezeigt.

Range

Als „Range“ bezeichnet man allgemein ein Spektrum. Eine Handrange ist das Spektrum an Karten, die ich bei meinem Gegner vermute. Spiele ich also gegen einen sehr tighten Spieler, dann hat dieser eine recht kleine Handrange. Diese kleine Handrange besteht dann z.B. aus Karten wie 99-AA und AKo, AKs, AQs. Im Laufe dieses Buches werde ich immer wieder von „Ranges“ sprechen, denn je fortgeschrittener das Spiel wird, desto wichtiger wird das Lesen der gegnerischen Karten. Und beim Lesen der Hand des Gegners beginnt man immer mit einer recht weiten Range an möglichen Karten, die man dann im Laufe der Hand immer weiter einschränkt. Als „Calling Range“ bezeichnet man die möglichen Hände, mit denen mein Gegner mich callen würde.

Der zentrale Pokerlehrsatz

Ebenfalls von David Sklansky stammt der so genannte „zentrale Pokerlehrsatz“. Dieser besagt, dass mein Gegner immer dann einen Fehler macht, wenn er sich anders verhält, als wenn er meine Karten kennen würde und umgekehrt. Nehmen wir also an, mein Gegner weiß, dass ich bloß einen Flush Draw habe, dann würde er korrekterweise so hoch bieten, dass ich nicht die Pot Odds für meinen Draw bekomme. Immer dann spielt er nach diesem Lehrsatz richtig. Checkt er aber, weil er eine bessere Hand bei mir vermutet, dann mache ich einen Profit, da ich eine freie Karte für meinen Draw bekommen kann. Damit hat er anders gespielt, als er es tun würde, wenn er wüsste, was ich habe. Und umgekehrt gilt natürlich auch: jedes Mal, wenn ich eine Hand anders spielen würde, als könnte ich die Karten meines Gegners sehen, profitiert mein Gegner davon.

Wenn Sie diese Punkte zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle zu 100 % verstanden haben, ist das kein Problem. Im weiteren Verlauf des Buches werden diese Begriffe nur immer wieder auftauchen. Dann lohnt es sich eventuell, an dieser Stelle den Begriff noch einmal nachzulesen.

Professioneller Ansatz beim Pokern

Wenn Sie vorhaben, Ihr Pokerspiel zu professionalisieren, sollten Sie sich folgende Fragen stellen: Wieso spiele ich Poker? Überwiegt für mich der Entertainment-Faktor oder reizt mich die mathematische Herausforderung? Geld machen möchte natürlich jeder, aber die Art und Weise, wie das Geld den Weg zu Ihnen (oder von Ihnen) nimmt, wird davon bestimmt, welche Einstellung Sie zum Pokern haben. Kommen Sie mit der psychologischen Anforderung durch Hochs und Tiefs beim Pokern klar? Haben Sie genügend Geduld für dieses Spiel? Haben Sie auch genügend Wissensdurst, um sich jede Woche über neue Theorien, Techniken und mathematischen Grundsätze zu informieren?

Ich nehme einmal an, dass Sie ein Interesse daran haben, Ihr Spiel zu verbessern und professioneller anzugehen, sonst hätten Sie sich wahrscheinlich auch nicht dieses Buch gekauft. Aber überstürzen Sie nichts! Professionell zu pokern bedeutet, eine Menge Energie in dieses Hobby zu investieren.

Ich spreche hier absichtlich von „professionellem Poker“ und nicht vom „Pokerprofi“. Denn das ist ein Spieler, der seinen Lebensunterhalt mit Pokern alleine bestreiten kann. Das können aber nur sehr wenige. Und der Beruf des Pokerprofis ist wesentlich anstrengender, nervenaufreibender, schlafraubender und riskanter, als sich viele Anfänger das vorstellen können. Viele Spieler, die ein paar gute Pokersitzungen hatten, träumen deshalb schnell vom Dasein als Pokerprofi, aber es ist ein sehr anstrengender Beruf.

Aber selbst zum „professionellen Spiel“ ist es normalerweise ein sehr langer Weg und man sollte niemals versuchen, diesen Weg mit wenigen Schritten oder über Nacht zu erreichen. Man wird garantiert kläglich (und pleite) scheitern. Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut, also lassen Sie sich und Ihrem Pokerspiel ausreichend Zeit. Und damit meine ich nicht Tage, sondern eher Jahre! Als ambitionierter Pokerspieler auf dem Weg zum Experten sollten Sie sich in jedem Fall schon mal ein paar Dinge angewöhnen:

1.) Spielen Sie immer nur nüchtern, ausgeruht und konzentriert

Wenn es Ihr Ziel ist, mit dem Pokern Geld zu verdienen, sollten Sie topfit und zu 100 % aufmerksam sein. Wenn Sie bisher in den Mikrolimits stetig gewonnen haben, werden Sie sich wundern, welche Anforderungen in den höheren Limits auf Sie warten. Poker ist ein Spiel der täglich neuen Herausforderungen. Wenn Sie sich eine Umgebung und Umstände fürs Spielen schaffen, sollten diese so optimal wie möglich sein.

2.) Sehen Sie Poker nicht als Glückspiel und jammern Sie nicht über Bad Beats!

Sie werden Pechsträhnen wie auch Glücksträhnen beim Pokern haben, das ist ganz normal. Aber wenn Sie Ihre Mitmenschen mit Bad Beat-Stories am Stammtisch langweilen, sich regelmäßig über das Ass auf dem River aufregen und an Ihre Glücksfee beim Pokern glauben, sind Sie definitiv auf dem falschen Weg. Sehen Sie Pokern als Investition in positive Erwartungswerte, ähnlich wie an der Börse. Man kann nicht immer gewinnen, Profis erwarten von 5 Sessions, dass sie 3 davon positiv beenden. Das ist ein langfristig positives Ergebnis. Das reicht aus, um für einige Spieler einen Millionengewinn im Monat auszumachen. Sie planen die Verluste eben genauso mit ein.

3.) Kritisieren Sie sich in jeder Hand aufs Neue

Damit meine ich nicht, dass Sie sich selber ständig schlechtmachen sollen. Setzen Sie sich mit jeder Entscheidung, die Sie treffen, auseinander – auch rückwirkend. Fühlen Sie sich verantwortlich für Ihr Spiel und sehen Sie jeden Spielzug in einem langfristigen Zusammenhang: „War der Call korrekt, den ich in Anbetracht der Informationen da gemacht habe, die mir vorlagen?“ Nur so werden Sie auf Dauer ein besserer Pokerspieler

4.) Gehen Sie es ein wenig kontrollierter an

Natürlich kann man ein riskantes Bankroll Management irgendwie rechtfertigen, sich für einen knappen Call noch irgendwo Extra-Backdoor-Outs zusammensuchen oder auf einen Read, den man zu haben glaubt, alle seine Chips setzen. Aber Sie schonen Ihre Nerven, ihre Bankroll und besonders Ihre Spielqualität, wenn Sie sich in knappen Fragen für den konservativeren Weg entscheiden. Einige Profis versuchen z.B. beim No-Limit, nicht mehr als 30 BB in eine einzelne Hand zu investieren, egal, was sie haben. Es geht natürlich immer um eine Gewinnmaximierung, aber psychologisch kann der Wiederaufbau einer Bankroll manchmal mehr Schaden anrichten als eine einzelne, gewonnene Hand nützen kann.

5.) Führen Sie ein Pokertagebuch, machen Sie sich Notizen

Wie bereits erwähnt, halte ich es für absolut notwendig, sich für seine Ergebnisse selbst verantwortlich zu fühlen. Es ist definitiv nicht so, dass alle anderen mehr Glück haben als man selbst oder dass man der Bad Beat-König aller Zeiten ist. Alle bekommen dieselben Chancen (in Form von Karten) und werten diese nur unterschiedlich aus. Indem Sie ein Pokertagebuch führen, bewahren Sie sich selbst vor größeren, finanziellen Schäden und vor einer Selbstlüge, zu der quasi jeder Mensch nur allzu gerne zu neigen scheint, wenn es um Verluste geht. Es geht bei einem Tagebuch auch nicht nur um eine statistische Gewinnauswertung, sondern auch um die Selbstkontrolle. Habe ich vielleicht einen großen Pot gewonnen, die Hand aber schlecht gespielt? Habe ich einen Read auf einen Spieler bekommen (z.B. im Casino), den ich mir merken muss, oder den ich über einen längeren Zeitraum einmal beobachten möchte, weil wir öfters zusammen spielen? Online bieten eigentlich alle Pokeranbieter die Möglichkeit, Spielernotizen direkt am Tisch zu machen, die man jederzeit wieder einsehen kann. Nutzen Sie diese Möglichkeit für alles Mögliche: „NL50: limp-callt AA UTG“, „Turnier: Calling Station“, „55 $-SNG: Fisch, callt QQ auf AK2 Board bis zum River für 1/3 seines Stacks“, „2 $/4 $: check-raist immer TPTK am Flop“ usw.

6.) Nutzen Sie zusätzliche Pokersoftware

Für Notizen und Statistiken sind Excel-Tabellen oder Notizblöcke beim Live-Poker unerlässlich. Aber für das Spiel im Netz gibt es mittlerweile für diverse Anwendungsgebiete Helfer in Form von kleinen Zusatzprogrammen, die einem die Arbeit abnehmen. Ich werde in der Lektion 46 – Der Einsatz von Zusatzsoftware – ab S. 145 noch etwas genauer darauf eingehen. Welche Software Sie nutzen, sollten Sie dabei selber entscheiden, es kommt ja auch ständig neue dazu. Der wichtigste Effekt dabei ist aber vor allem, dass Sie Ihre Analyse verbessern, automatisch Statistiken über sich und Ihre Gegner führen und vor allem Hände im Rückblick gut Revue passieren lassen und analysieren können. Ihr Spiel wird sich dadurch signifikant verbessern und Ihnen häufig einen Vorteil am Pokertisch gegenüber denjenigen verschaffen, die ohne Zusatzsoftware pokern.

7.) Bilden Sie sich ständig weiter

Poker steht nicht still. Es kommen ständig neue Erkenntnisse hinzu und das Spiel verändert sich rasant. Vor 10 Jahren wäre die heutige Form des Online-Pokers noch vollkommen undenkbar gewesen. Sie sollten als professionell ambitionierter Spieler nie aufhören, sich weiterzubilden, sich und andere zu analysieren und sich auch darüber hinaus Ihre eigenen Gedanken zu machen.

8.) Bankroll Management, Bankroll Management, Bankroll Management

Man kann nicht häufig genug erwähnen, wie wichtig ein gutes Bankroll Management (BRM) ist. Ein professionell ambitionierter Spieler sollte ständig sein zur Verfügung stehendes Geld planen und kalkulieren können. Er sollte in der Lage sein, nach einem Limitaufstieg wieder abzusteigen, ohne dass es ihm oder seinem Ego wehtut. Schaden erleidet sonst ausschließlich die Bankroll, nichts anderes. Das gilt insbesondere nicht nur für das Cashgame, sondern auch für Turniere und Sit’n Gos. Ich habe diesem Thema deshalb auch im zweiten Band zwei Kapitel gewidmet. Zum einen geht es um das fortgeschrittene BRM bei Cashgames in höheren Limits bzw. mit wenigen Gegnern, zum anderen um das BRM bei Sit’n Gos.

Umstieg auf Shorthanded

Je höher Sie in den Limits steigen, desto häufiger werden Sie so genannte Shorthanded-Tische (SH) antreffen, also Tische mit maximal 6 Plätzen. Viele gute Spieler wechseln ab einem bestimmten Zeitpunkt von voll besetzten 10er-Tischen (Fullring/FR) auf diese kleineren Tische, und das hat seine Gründe. Diese Spielform hat besonders beim Texas Hold’em für fortgeschrittene Spieler einige Vorteile:

1.) Man spielt mehr Hände pro Stunde. Dadurch erhöht sich die Auswirkung der Edge eines guten Spielers an einem SH-Tisch im Vergleich zum FR-Tisch, und somit auch seine „hourly rate“ (also der theoretische Stundenlohn).

2.) Die Hände sind schneller und aktionsreicher. Es wird an SH-Tischen seltener eine Hand bis zum River gespielt. Somit erhöht sich ebenfalls die Edge, die aggressive Spieler haben, die gleichzeitig ein gutes Postflop-Spiel beherrschen.

3.) Starthände werden unwichtiger. Die fortgeschrittenen Fähigkeiten wie Reads, das Führen von Spielerstatistiken und das Ausnutzen der Schwächen des Gegners werden dafür wesentlich bedeutender. Auch das kommt den aggressiven und guten Spielern zu Gute, denn diese Fähigkeiten erfordern fortgeschrittene Kenntnis, Erfahrung und Geschick.

4.) Die Gegner sind häufig schlechter als an FR-Tischen. Viele Spieler passen ihre Taktik nicht der SH-Situation an, sondern spielen einen 6er Tisch genauso wie einen Tisch mit 10 Spielern. Außerdem tummeln sich an SH-Tischen sehr häufig Fische, denen FR zu langweilig ist. Sie suchen Action und die bekommen sie am ehesten an einem Tisch mit wenigen Spielern, wo alles schnell geht und viel gefeuert wird.

Für einen professionell denkenden Spieler ist der Umstieg von FR zu SH also eine Gewinnmaximierung. An einem FR-Tisch spielt er online ca. 60 Hände pro Stunde, an einem SH-Tisch eher 80. Wenn er durchschnittlich 1 BB/100 Hände macht und 4 Tische gleichzeitig spielt, erhöht er seine „hourly rate“ mit diesem Umstieg von 2,4 BB auf 3,2 BB. In einem Limit wie 5 $/10 $ sind das immerhin 8 $ mehr, die er in der Stunde durchschnittlich verdient.

Aber wie genau stelle ich mich jetzt auf SH um, wenn ich vorher FR gespielt habe?

Nun, dafür müssen wir uns erst einmal genau vor Augen führen, was sich überhaupt bei diesem Umstieg verändert. Dazu hier ein paar theoretische Grundlagen:

Wenn man an einem FR-Tisch mit 10 Spielern in jeder Runde alle Hände offen legen würde und sämtliche Gemeinschaftskarten ausspielt, um zu schauen, wer am Ende vorne ist, dann gewinnt (rein mathematisch betrachtet) jeder Spieler 10 % der Spiele. Macht man dasselbe SH mit 6 Spielern, gewinnt jeder 1/6 der Spiele, also ca. 17 %. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jeder Spieler 7 % mehr Starthände spielen kann bzw. sollte, was ungefähr 75 % mehr Hände bedeutet. Denn man gewinnt ja auch dementsprechend mehr Hände. Die Frage, die sich dabei natürlich stellt, ist, welche Hände das unter welchen Umständen sind. Nun, dazu kommen wir noch.

Ein weiteres, sehr wichtiges Kriterium ist die Auswirkung der Blinds. Denn diese werden für jeden Spieler teurer, je weniger Spieler am Tisch sitzen, weil man sie ja durchschnittlich häufiger bezahlt als mit 10 Gegnern. Das bedeutet ebenfalls, dass man looser spielen muss: spiele ich z.B. von 21 Spielrunden genau eine Runde mit, dann zahle ich an einem FR-Tisch dafür im Schnitt 2,1-mal den BB und 2,1-mal den SB in Form der Blinds als quasi Gebühr. An einem SH-Tisch aber zahle ich für diese eine Hand insgesamt 3,5-mal den BB und 3,5-mal den SB in 21 Spielen. Das macht in einem Spiel mit 10 $ als Big Blind immerhin einen Unterschied von 21 $ aus. Mit anderen Worten: die Blinds werden teurer, je weniger Spieler im Spiel sind, weil man sie häufiger bezahlt. Das ist ein weiterer Grund dafür, mehr Hände zu spielen.

Eine weitere Änderung zum FR-Tisch ist die Position. Am FR-Tisch sind die ersten 3-4 Positionen wirklich schlecht, weil es gut sein kann, dass man z.B. in erster Position mit einem Raise vor dem Flop von 3 Spielern gecallt wird. Dann muss man nach dem Flop als Erster agieren und hat noch 3 Spieler hinter sich sitzen. Aus dem Grund sind ja – wie Sie hoffentlich wissen – die Anforderungen an die Starthände in früher Position an einem FR-Tisch sehr hoch. An einem SH-Tisch ist die erste Position allerdings bei Weitem nicht so schlecht wie an einem FR-Tisch. Denn im Grunde startet man ja nicht in Position 1 (UTG), sondern in Position 5 (MP2). Theoretisch kann man SH also so spielen wie einen FR-Tisch in MP2, an dem alle zu einem gefoldet haben.

Auch hier gilt wieder, dass Aggressivität eine große Edge darstellt: Raisen und Reraisen ist wesentlich profitabler als Callen oder Folden, da die Monsterhände wesentlich unwahrscheinlicher im Umlauf sind. Dasselbe gilt für den Positionsvorteil, der sich mit wenigen Gegnern noch stärker auswirkt. Durch die gesunkene Wahrscheinlichkeit, dass meine Gegner eine starke Hand haben, mit der sie profitabel callen können (speziell nach dem Gap-Konzept), steigt wiederum meine Fold Equity. Außerdem schauen sich durchschnittlich weniger Spieler den Flop an, was wiederum bedeutet, dass die Position wichtiger wird. Denn der Vorteil des Buttons wirkt sich Heads-Up maximal aus, während ich mit 7 Limpern im Pot am Flop kaum alle Spieler aus der Hand drängen kann, nur weil ich in der spätesten Position sitze.

Allerdings ist im Umkehrschluss natürlich das Gap-Konzept auch nach unten an einem SH-Tisch anpassbar. Das bedeutet, dass man gegen einen aggressiven Spieler, der das SH Konzept verstanden hat und vor dem Flop sehr viel raist und reraist, wesentlich mehr Hände callen oder reraisen kann als gegen einen tighten Spieler an einem 10er-Tisch.

Sie merken schon, dass das Spiel mit wenigen Gegnern nicht ganz so einfach in Kategorien und einfache Spielzüge zu verpacken ist, wie noch das Spiel mit vielen Gegnern. Aber je tiefer Sie in die Materie eindringen, desto wichtiger wird es, dass Sie die Dinge nicht nur theoretisch verstanden, sondern auch praktisch umgesetzt haben. Deshalb wird es auch in Band 2 wieder nach den wichtigen Abschnitten Übungsanleitungen geben, die Sie durchführen sollten, um das Thema wirklich nachvollziehen zu können.

Fassen wir also zusammen, welche Änderungen sich für Sie durch die Struktur von SH-Tischen ergeben. Sie sollten:

a) Ihre Starthände auflockern

b) die Position stärker gewichten

c) häufiger in Position raisen und vor allem reraisen als FR (eigentlich NIE limpen). Wenn viel geraist wird und man selber nur callt, lässt man die anderen Spieler den Tisch dominieren. Das bringt einen selber in eine sehr schlechte Situation auf jedem Flop. Wenn man das nicht in den Griff bekommt, sollte man eventuell lieber den Tisch wechseln. Dominanz und Position plus Geduld sind vor dem Flop wichtige Voraussetzungen, ganz besonders SH.

d) nach dem Flop ebenfalls aggressiver spielen als FR, weil Sie häufig Heads-Up sind.

e) in den Blinds sehr tight spielen! Viele Spieler callen zu viel aus den Blinds. Aber Sie spielen Out Of Position (OOP) und sind meistens in einer passiven Rolle gegen einen Raiser. Es ist sehr leicht, in den Blinds loose zu spielen, aber nur schwer tight zu spielen.

Das Spiel OOP (z.B. mit einer Hand wie 99 im SB) erfordert auch einiges an Anpassung. Man sollte hier eigentlich so gut wie nie callen, sondern etwas stärker als normal raisen (um den Positionsnachteil auszugleichen) oder folden. Die meisten Hände kann man nach dem Flop OOP nur sehr schwer weiter spielen. Das sollten Sie also vermeiden. Auf das Spiel von speziellen Händen wie kleinen Paaren, kleinen Assen usw. gehe ich später noch genauer ein.

Sie sollten ihre Anforderungen an die Starthände allgemein etwas auflockern, aber nicht alles Mögliche spielen. Wenn Sie auch mit 92o vom Button raisen, raisen Sie so häufig, dass Ihre Gegner Ihnen irgendwann nicht mehr glauben und ständig reraisen werden. Und mit 92o lässt es sich schwer weiterspielen.