Der Ablauf des militärischen Geschehens entspricht der geschichtlichen Wahrheit. Die Namen der handelnden Personen sind frei erfunden. Eventuelle Ähnlichkeiten sind daher rein zufällig.

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Rosenheimer Verlagshaus erschienenen Originalausgabe 2013

© 2018 Edition Förg, Rosenheim
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Titelfoto: © Bundesarchiv, Bild 101I-435-1013-37 / Fotograf: Krempl
Lektorat und Satz: VerlagsService Dr. Helmut Neuberger & Karl Schaumann GmbH, Heimstetten

eISBN 978-3-933-70880-9 (epub)

Inhalt

Zwischen Kairo und Tunis

Der heiße Kampf ist beendet, und begonnen haben die langen Abende der Gefangenschaft. Mehr denn je hat man Zeit, über alles nachzudenken, was zu einer Erinnerung geworden ist.

Diese seltsamen, stillen Nächte sind schuld daran, dass ich in Gedanken jenen weiten Weg zurückgehe, den ich gekommen bin. Aus dem Staub der Wüste tauchen die verschwitzten Gestalten der Kameraden auf; ich höre die Paukenschläge des Trommelfeuers und sehe die tanzenden Lichter der afrikanischen Kriegsnacht vor meinen Augen erstehen.

Die riesige Weite hält mich in ihrem Bann, und ich spüre den Gluthauch des Ghibli, ich bin wieder mittendrin im Hexenkessel der Materialschlacht. Aber ich will nicht fragen, warum der Mensch seine vernichtenden Kräfte spielen lässt. Ich will nur das erzählen, was ich erlebt habe, ohne die Hintergründe zu kennen, die aus unserem Kampf eine Tragödie gemacht haben. Ich bin ein einfacher Soldat, der glaubt, seine Pflicht getan zu haben, und will diese hier aufgezeichnete Erinnerung all jenen widmen, die irgendwo in der einsamen Weite liegen, zugedeckt von fremder Erde, verweht vom ewig treibenden Sand, aber nicht vergessen.

Trinidad/USA, den 1. August 1944

11. März 1942. Mittag ist es, als wir die Ju 52 besteigen, um von Brindisi nach Kreta zu fliegen und dann weiter nach Afrika.

14 Mann sind in der Maschine. Wir hocken auf unserem Gepäck und schauen uns mit grünlichen Gesichtern an. Uns ist ja so schlecht. Wir Artilleristen sind das Fliegen eben nicht gewöhnt. Auch mich würgt das Mittagessen.

Eigentlich ist es gar nicht so heiß in der Maschine, aber wir schwitzen schrecklich unter den umgeschnallten Schwimmwesten. Diese Dinger erinnern uns ständig an die Gefahr, von der aber keiner spricht: Hurricanes. Malta ist nicht weit. Von dortaus steigen die englischen Jäger auf und greifen aus der Sonne die Verbände an, die Nachschub für Rommel bringen.

Lieber nicht daran denken!

Mein Nebenmann schreit mir ins Ohr: »Unter uns liegen die griechischen Inseln!«

Ich nehme meine kleine Box und steige über die Gepäckstücke hinweg zum Fenster, um eine Aufnahme zu machen.

Wie blau das Meer ist! So friedlich, so scheinheilig blau! Bald muss Kreta in Sicht kommen.

Der Pilot schaut sich um und ruft mir ärgerlich etwas zu, was ich wegen des Dröhnens nicht verstehen kann. Dann sackt die Maschine plötzlich ab, und ich muss mich erbrechen, ob ich will oder nicht. Jetzt ist mir wohler. Der Pilot schaut sich noch einmal um und grinst. Natürlich schaukelt er absichtlich so; es macht ihm Spaß, dass wir uns hundeelend fühlen.

In der Ferne tauchen Berge auf. Vier Stunden sind wir unterwegs, als Kreta sich zeigt. Ein paar Minuten später landen wir und dürfen aussteigen. Es ist ein herrliches Gefühl, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben! Die Luft ist frühlingswarm. Wie strahlend die Sonne scheint!

Wir fliegen erst morgen früh weiter und übernachten in einer Baracke. Heinze liegt neben mir. Wir können nicht einschlafen. Wir denken beide an das Kommende.

»Ich möchte nicht noch mal fünf Stunden Dauerschwimmen machen«, sagte er.

Es ist erst ein paar Monate her, dass er vom Transporter springen musste, weil ein britischer Torpedo mittschiffs traf und das Schiff versenkte, mit dem Nachschub für Afrika herübergebracht werden sollte.

Wir sind in Afrika, zum ersten Mal im Schwarzen Erdteil. Welche Enttäuschung! Ich hatte ihn mir anders vorgestellt, mit gelben Sanddünen und romantischen Kamelkarawanen, Backofenhitze und Palmenhainen, irgendwo eine Fata Morgana.

Denkste, Kamerad! Bitterkalt ist es, als wir auf dem Rollfeld stehen. Wir frieren wie die Schneider und hopsen am Fleck, um uns warm zu machen. Der Wind treibt uns feinen Sand in die Augen.

Jetzt starten unsere Transportmaschinen zum Rückflug. Damit reißt die letzte Verbindung zur Heimat ab. Wir stehen in einem fremden Erdteil, von dem wir nicht wissen, ob er uns noch einmal in Gnade entlassen wird. Es gibt kein Zurück mehr. Jedenfalls vorläufig nicht.

Noch stehen wir bei den Gepäckstücken und klappern mit den Zähnen. Der Wind pfeift durch das dünne Tuch unserer kakifarbenen Uniformen.

Wumm … wum-wum-wum … macht es plötzlich ringsum. Die Flak schießt wie verrückt.

»Volle Deckung!«, brüllt jemand, und wir spritzen auseinander, werfen uns in den Sand und machen uns so klein wie nur möglich.

Dann hören wir es niederrauschen wie auf riesigen Schwingen. Die Erde zittert. Die Trommelfelle drohen zu platzen. Britische Bomber sind über uns und begrüßen uns mit etlichen Hundert dieser abscheulichen Dinger, die das Rollfeld aufreißen und dicke Staubwolken aufwirbeln.

Teufel auch, ein schöner Anfang!

Dann sind die Bomber weg. In großer Höhe ziehen sie davon, verfolgt von ein paar deutschen Messerschmitt-Jägern.

»Los, antreten, der Sauhaufen! Gepäck aufnehmen! Rechtsum ohne Tritt marsch!«

Wir werden in ein Sammellager gebracht. Erstmals essen wir englisches Corned Beef und lernen auch jene faustgroßen Weißblechbüchsen kennen, die es unter Namen wie »Angeschwemmter Matrose« oder »Alter Mann« zu trauriger Berühmtheit gebracht haben. Offenbar halten die italienischen Lieferanten diese billigsten Fleischkonserven für gut genug, um sie an die Soldaten zu verfüttern. Dieses minderwertige Zeug würde uns bald ebenso zum Überdruss werden wie der Tubenkäse und das in schönes Silberpapier verpackte Vollkornbrot, das meistens grün und verschimmelt war und weggeworfen werden musste.

Die erste Nacht in Afrika. Am Himmel funkelt das Meer der Sterne, und meine Gedanken fliegen heimwärts, um eine schlanke Gestalt zu suchen: Lo! Ich muss ihr schreiben, denn ich kann jetzt nicht schlafen.

Du wirst es nicht glauben, Lo, aber es gibt hier Blumen, viele Blumen. Ich lege dir eine bei als Gruß aus der Wüste!

In der Nähe von Cirene bei Barce habe ich meinen alten Haufen aus Frankreich wiedergetroffen! Ich bin bei meiner Batterie, die zwischen Bäumen und Blumenfeldern liegt.

»Die Briten scheinen was vorzuhaben«, sagen mir die Kameraden, »aber Rommel wird ihnen schon dazwischenfunken.«

Im Morgengrauen steht die Batterie marschbereit. Ich werfe mein Gepäck auf einen Geschütz-Lkw und hocke mich dann auf den Kübelwagen vom MG-Zug, der mir anvertraut worden ist.

Rot wie Blut steigt die Sonne empor. Morgenrot! Soll ich an jenes alte Soldatenlied denken, das die Morgenröte zu einer Todesahnung macht? Weg mit solchen Gedanken!

Die Wärme macht die klammen Glieder bald wieder beweglich. Rasch und zügig rollt die Batterie nach Osten, mitten hinein in die glutvolle Röte des aufsteigenden Gestirns, die Via Balbia entlang, bis zur Wasserstelle Tmimi, wo wir alle Kanister mit dem wertvollen Nass auffüllen.

Dann verlassen wir die große Straße, um in die Wüste hineinzufahren. Weit offen sind ihre Arme, riesenhaft. Sie werden uns umschlingen und nicht mehr freigeben, und wir werden alles kennenlernen, was zu ihr gehört: Hunger, Durst, die Millionen und Milliarden Fliegen, den Staub und die unbarmherzige Sonne.

Verschwunden sind die Blumen des libyschen Küstenlandes; vor mit liegt die Wüste, von der ich immer geträumt habe, seitdem ich als Junge Karl May gelesen habe, und die ich noch heute zugleich liebe und fürchte.

Signali-Sued ist unsere erste Station. Das ist beileibe kein Dorf, wie ich vermutet habe, sondern nichts als eine Kreuzung von Karawanenstraßen. Auf leere Benzinfässer sind taktische Zeichen gemalt mit einem Pfeil, der anzeigt, in welcher Richtung irgendwo in der Wüste eine Einheit liegen mag.

Flach wie ein Teller ist das Land. Die Sonne glast, und die Luft flimmert. Hier taucht der erste Brite auf. Eine Hurricane. Im Tiefflug saust sie heran, zieht über den Hügel hinweg, legt sich in die Kurve und kommt zurück. Der Sand spritzt auf. Ein VW-Kübel steht lichterloh in Flammen, und dort, wo einige italienische Zelte stehen, ertönt Geschrei.

Rübezahl, der lange Kerl, schießt den ganzen Gurt des MGs leer. Getroffen hat er den Briten nicht. Wir haben nie einen abgeschossen. Aus diesem Grund haben wir’s auch späterhin unterlassen. Das sollte lieber die Flak machen, aber auch durch deren Sprengwölkchen schaukelte der Tommy unbeschadet davon.

Wir sind schon wieder unterwegs. Kein Mensch kennt das Marschziel; wir streifen durch die Wüste. Wochenlang. Unsere Bärte wachsen, die Sandflöhe piesacken uns, und der Dreck wird mit dem Taschenmesser vom Hemdkragen geschabt. Wasser ist Mangelware. Wasser ist das Kostbarste.

»’n Kasten Dortmunder, schön eisgekühlt, was hältst du davon, Willi?«

»Halt die Schnauze!«

»Es fühlt sich ganz kalt und nass an, das Glas, Willi. Du hebst es an und säufst es auf einen Zug aus … Aaaah!«

»Wenn du nicht still bist, hau ich dir den Spaten auf den Schädel!«

Der Chef sieht alle Augenblicke auf den Kompass. Eine Kompasszahl wird genannt, und nach der wird gefahren, denn Straßen mit Kilometersteinen und Wegweisern gibt es hier nicht. Kompasszahl und dazu so und so viele Kilometer. Dann muss man an der befohlenen Stelle sein. Sonst hat man sich eben verrannt und Pech gehabt.

Da kracht es plötzlich. Vor uns, kaum 200 Meter entfernt, steigt eine Rauchwolke auf. Und jetzt der erste Einschlag! Wumm … rreng!

Wir gehen in Feuerstellung. Auf der Höhe steht eine Pak und schießt; wir sehen nur das dünne Rohr, aus dem es in rascher Folge blitzt und kracht.

Irgendwo da vorn haben die Tommys ihre Batterien aufgebaut. Sie kleckern in unregelmäßigen Zeitabständen durch die Gegend, mal da, mal dorthin.

Wir graben Löcher in den Sand und springen flugs hinein, wenn etwas angerauscht kommt. Meistens zu spät, denn die Granaten sind schnell, und der Dreck spritzt herum, ehe wir im Loch liegen.

Unsere Granaten orgeln hinüber, bis es finster wird. Dann tritt auf beiden Seiten Ruhe ein.

»Du«, sagt Schorsch zu mir, »der Max ist weg. Hat’s ihn am Ende erwischt?«

Wir suchen Maxi Reiner und finden ihn im Sandloch. Hat der Mensch Töne! Geschlafen hat er, während wir wie die Wilden zum Tommy hinüberballerten.

»Du hast vielleicht einen gesegneten Schlaf, Max.«

»Wer hat, der hat«, grunzt er und fragt dann, ob’s schon Kaffee gäbe.

Gleich nach Sonnenaufgang beginnt der Zauber wieder. Die Engländer schießen herüber, wir antworten. So geht es den ganzen Tag.

Am nächsten Morgen taucht ein englischer Jäger auf, eine Hurricane. Er fliegt unsere Stellung ab und beharkt uns. Kurz danach geht das Artillerieduell wieder an. Am nächsten Tag ist in aller Früh die Hurricane abermals da, und diesen Morgenbesuch macht sie sich zu stets gleichbleibender Stunde zu einer lieben Angewohnheit. Das ärgert uns natürlich. Der freche Bursche muss doch zu fassen sein! Der Chef setzt sich mit einer Flakbatterie in Verbindung, und als wir heute Morgen aufstanden, sahen wir eine Zwei-Zentimeter-Flak bei uns in Stellung gehen.

»Ist er schon vorbei?«, fragt der Geschützführer.

Ich schaue auf die Uhr. »Nee. Muss aber bald kommen.«

Er kommt pünktlich, klärt auf, fliegt eine Schleife und greift an. Der Sand spritzt, irgendwo klirrt es. Da hämmert die Flak mit raschen, gleichmäßigen Schlägen. Und siehe da, Freund Tommy steilt erschrocken hoch und fliegt davon. Auf Nimmerwiedersehen.

In den nächsten Tagen kommt er nicht mehr – vielleicht, weil er »den Hof mit Müh und Not« erreichte. Sonst geschieht nichts Aufregendes. Artillerie- und Stoßtrupptätigkeit nur.

Und eines Tages verfärbt sich der Himmel seltsam schwefelfarben. Die Sonne hängt als matte Silberscheibe im Dunst. Eine beklemmende Hitze legt sich über die Wüste und treibt uns den Schweiß aus den Poren. Jede Bewegung ist eine Qual. Die Lungen keuchen, die Glieder ermatten.

»Der Ghibli kommt«, sagt einer.

Das Leben verlöscht, nichts rührt sich. Die Feldflaschen sind leer, weil wir sie schon am Morgen ausgetrunken haben. Hält das ein Mensch überhaupt noch aus? Sollen wir hier verdursten, elend verrecken?

»Schafft ’was zu saufen her!«, schreit einer heiser.

Niemand antwortet. Was sollte man auch schon sagen? Wer hätte wohl auch nur noch einen einzigen Schluck in seiner Feldflasche? Und die Hitze lähmt einen zudem so, dass man zu faul ist zu reden.

Ein sturmartiger heißer Wind peitscht den Sand haushoch über uns hinweg. Man kann sich nur hinkauern und versuchen, unter einer Zeltbahn Schutz zu finden. Aber es ist vergeblich. Überallhin dringt der feine Sand, in die Augen, in die Nase, in die Ohren, und selbst zwischen den Zähnen knirscht er, man mag die rissigen Lippen noch so fest zusammenpressen. Der Körper ist klitschnass vom Schweiß, man könnte Hemd und Hose auswringen.

Als die Nacht einfällt, legt der Sturm sich schlagartig, und dann kommt auch endlich der Küchenwagen und gibt Sirupwasser aus. Es ist lauwarm und schmeckt abscheulich. Aber es ist etwas zu trinken!

»Langsam trinken«, sage ich mir, als ich die Feldflasche an den Mund setze. »Beherrsch dich … trink langsam … Heb dir für den Tag etwas auf!«

Aber kaum ist der erste Schluck getan, da gieße ich die ganze Flasche hinunter. Alles. Bis auf den letzten Tropfen. Erst morgen Nacht gibt es wieder etwas zu trinken!

Der Körper schwitzt das Wasser aus. Der Durst ist wieder da.

Nach einer fast schlaflos verbrachten Nacht geht die Sonne auf wie ein totes gelbliches Licht, das über der Wüste glost. Jetzt ist der Ghibli wieder da und fegt den mehlfeinen Sand noch ärger. Die Fahrzeuge, die Geschütze versinken in ihm.

Ich krabbele auf allen Vieren zum Geschütz.

»Habt ihr was zu trinken, Kameraden?«

Staubige, unkenntlich gewordene Gesichter grinsen mich an.

»Daheim hab ich ’n Kasten Bier im Keller … Hol ihn dir.«

»Idiot!«

Noch einen langen Tag lang quält uns der heiße Wüstenwind und dörrt unseren Lebenswillen aus. Erst die dritte Nacht bringt die Erlösung. Es wird kühl. Die Lebensgeister erwachen wieder. Schier unersättlich saugen wir die herrliche Kühle ein.

Es ist Pfingsten. Daheim steht jetzt alles in voller Blüte. Ich sehe die Menschen in hellen Kleidern spazierengehen. Ein buntes Kleid leuchtet aus dem Grün der Wiese … Lo!

Lo, spürst du, dass ich an dich denke? Wie gern wäre ich bei dir! Vielleicht hast du meinen Brief mit der Blume aus Libyen schon bekommen, liebe Lo!

Lo, ich kann dir jetzt leider nicht mehr schreiben. Rommel will angreifen. Es geht bald rund! Vergiss mich nicht, geliebte Lo!

Wir sehen deutlich, dass sich etwas vorbereitet. Die Wüste ist in Aufruhr. Immer mehr Einheiten rollen heran, gehen in Stellung und tarnen sich.

Ich muss zum Chef kommen: »Obergefreiter Trump, Sie übernehmen das 1. Geschütz!«

Fünf prächtige Kerle gehören zu mir: Schorsch Koppel, Franz Hufnagel, Sepp Schaizach, der so herrlich fluchen kann, der kleine Hans Böttcher und Marxen.

Wir schreiben den 20. Mai 1942. Nachts brechen wir auf und rollen in breiter Front, von Panzern unterstützt, gen Osten. Der alte Ford, der unsere 10,5 Zentimeter Haubitze italienischen Ursprungs hinter sich herzieht, quält sich mit heulendem Motor durch den Sand, über Felsplatten, durch Wadis, über Stock und Stein. Hinterdrein klappert unsere Spritze und droht auseinanderzufallen. Der schwere, plumpe Schutzschild macht einen Mordsspektakel, weil alle Schrauben lockergeschlagen sind. Wenn das bloß gut geht! Denn Toni Schmutzer, unser Fahrer, fährt wie der Teufel in jener Nacht!

Wir sitzen auf dem KLK und rauchen unzählige Zigaretten. Dann und wann heißt es »Runter! Schaufeln«, und wir machen den alten Ford wieder flott, schieben, fluchen, springen wieder auf und murksen weiter. Nur den Anschluss nicht verlieren! Immer hinter den Panzern bleiben!

Es ist noch dämmrig, als Halt geboten wird. Der Morgen ist kalt. Wir frieren in den kurzen Hosen.

Mit Hoo-ruck und Zuu-gleich bringen wir unsere klapprige Berta in Stellung. Vor uns breitet sich die Wüste aus, da und dort mit einem Kameldornbusch betupft. Die Sonne steigt blutrot auf und beginnt das Land zu wärmen.

Wumm … wum-wum-wum … macht es drüben. Abschüsse. In hohem Bogen kommen die ersten Grüße heran und schlagen ein, Lage um Lage.

Wir haben unser Geschütz schussbereit. Schorsch klebt hinter dem Zielfernrohr.

»Warum schießen wir denn nicht?«, fragt er.

»Geschossen wird immer nur auf Befehl; das musst du doch schon längst wissen, du Heini!«, rufe ich ihm zu.

Die britischen Einschläge tanzen in der Nähe herum und stieben eine Staubwolke nach der anderen auf. Zum Kuckuck, worauf warten wir noch?

Da bewegt sich etwas auf uns zu: vier … fünf … zehn dunkle Punkte, die eine Staubwolke aufwirbeln.

»Ich krieg die Krätze!«, schreit Schorsch. »Panzer sind das!«

Sie kommen näher, aber wir schießen noch nicht. Der Chef meint, es könnten Deutsche sein.

»Himmelkruzinesen …«, flucht Sepp. »Hundsdreck, elendiger, warum schiaß’ ma denn net?«

Die am Nachbargeschütz fiebern auch. Lübke schreit herüber: »Tommys sind das!«

Da kracht es plötzlich. Huunni … sssst … wummm! Dicht vor unserem Geschütz spritzt Sand auf. Alles duckt sich hinter den Schutzschild, gegen den Steine und Dreck prasseln.

Die Engländer schießen jetzt mit Vollgeschossen. Schorsch hat einen Panzer schon im Fadenkreuz, als plötzlich zwischen den Briten Rauchpilze aufsteigen. Zugleich hat es hinter uns ein paarmal gekracht, so laut, dass uns beinahe die Trommelfelle platzen. Kein Zweifel, die Panzer werden beschossen, aber nicht von uns. Hinter uns ist eine 15-Zentimeter-Batterie in Stellung gegangen und jagt Schuss auf Schuss hinaus.

»Stellungswechsel!«, heißt es auf einmal.

»Raus mit dem Schuss!«, schreie ich.

Marxen zieht ab, und das Geschütz hopst zurück. Wir verschwinden in einer Staubwolke. Dann wird eilig aufgeprotzt.

»Zur Telegraphenpiste!«, höre ich Leutnant Flamm schreien.

Die Briten vor uns sind von deutschen Panzern angegriffen worden. Der Kampf findet in einer zähen Staubwolke statt und endet mit dem Rückzug der Engländer. Eilig stieben sie davon, verfolgt von unseren Panzern, die ganz plötzlich in ihre Flanke eingefallen sind.

Toni fährt, was das Zeug hält. Wir klammern uns fest und ersticken beinahe im aufgewirbelten Dreck der vielen Fahrzeuge. Plötzlich stoppt alles. Vor uns ertönt Gefechtslärm. Kein Mensch weiß, was los ist. Aber dann wissen wir’s doch: Wir sind in einen Pulk englischer LKW geraten.

Runter von der Piste! Es ist ein kleines Wadi, an dessen Hang wir abprotzen. Ringsum kracht es wie verrückt.

»Das sind gar keine LKW!«, brüllt Halfschmitt, der Strippenzieher. »Das sind getarnte Tommypanzer!«

Auch so etwas gibt’s hier. Die Engländer haben ihre Panzer als LKW getarnt, und jetzt kurven sie, wie die Wilden schießend, um das Wadi herum, in dem wir in Stellung liegen. Mausefalle haben wir es genannt.

»Erstes feuerbereit!«

Vor uns kurven drei Britenpanzer. Sie schießen mit Vollgeschossen, die mit hässlichem Gezische um unsere Köpfe fliegen. Schorsch klebt hinter dem Zielfernrohr und hebt die Hand.

Jetzt fährt einer der Panzer ins Fadenkreuz hinein. »Feuer!«, brüllt Schorsch und haut die Hand herunter.

Daneben! Noch ein Schuss! Zu kurz ! Verdammt, wir haben den Panzer wieder nicht erwischt! Weg sind sie! Aus den Staubwolken tauchen andere auf.

»Das sind die Unseren!«, schreie ich, als ich sehe, wie Franz eine Granate ins Rohr hauen will.

Panzer mit dem weißen Balkenkreuz rollen an uns vorüber.

»Stellungswechsel!«, brüllt Leutnant Flamm.

Noch nie haben wir so blitzschnell aufgeprotzt wie diesmal. Dann drückt Toni Schmutzer aufs Gaspedal, und ab geht’s! Mit glasigen Augen fährt er das Wadi hinauf. Von irgendwo jaulen wieder die Vollgeschosse und schlagen links und rechts von uns in den Sand.

»Schorsch fehlt!«, brüllt Hufnagel mir zu.

Wo ist Schorsch? Haben wir ihn vergessen? Lag er irgendwo in Deckung, als wir aus dem Hexenkessel herausfuhren?

Ich stehe auf dem Trittbrett neben Leutnant Flamm und schaue in den wirbelnden Staub zurück. Und da sehe ich Schorsch hinter uns herlaufen. Er hat den Hebebaum in der Hand, winkt und macht einen letzten Versuch, nachzukommen. Dann dreht er um und verschwindet im Wadi.

Wir müssen Schorsch abschreiben! Entweder wird er gefangen oder er fällt! Armer Schorsch! Unmöglich, jetzt zurückzufahren und ihn zu suchen!

Eine Stunde später melde ich Schorsch Koppel als vermisst. Der Chef nickt nur und schaut an mir vorbei. Wir trauern um den Kameraden und sitzen schweigsam herum, kauen unser Essen und trinken »Negerschweiß«, den berüchtigten Kaffeeersatz.

»Vielleicht kommt er ja noch«, sagt Marxen mehr zu sich.

Das wünschen wir uns alle. Schorsch ist schließlich schon lange bei uns – vielleicht, dass er mit einem anderen Fahrzeug mitgekommen ist. Hoffentlich!

Als es dunkel wird, kommt plötzlich Schorsch heran und ruft: »Habt ihr was zu saufen, Kumpels?«

»Mensch! Schorsch, alte Gurke!«

Wir umringen ihn und klopfen ihm auf die Schulter.

»Ich kann euch sagen, das war vielleicht ’n Ding«, beginnt er zu erzählen. »Ihr wart weg, und ich stand da wie eine Piksieben. Ringsum der Tommy. Was mach ich? Ich springe auf den nächstbesten deutschen Panzer und klammere mich fest. Und was macht der Kerl? Dreht um und fährt einen Angriff! Ich denk, ich werd verrückt. Die Kanone ballert über mich weg, dass mir beinahe die Trommelfelle geplatzt wären. Bloß nicht runterfallen, sage ich mir und halte mich fest. So bin ich durchgekommen. Möcht’s nicht ein zweites Mal erleben! Pfui Deibl!«

Schorsch Koppel hat unfreiwillig einen Panzerangriff mitgefahren! Wir lachen darüber, obwohl’s verdammt ernst war!

Wir haben die Verbindung verloren und fahren kreuz und quer durch die abendliche Wüste. Blutrot geht die Sonne unter, aber wir haben keine Zeit, das grandiose Naturschauspiel anzuschauen, denn in kurzer Zeit wird es dunkel sein.

In allen Richtungen hämmern MG. Der Ford kocht. Toni springt herunter und schraubt den Kühlerverschluss los. Zischend entweicht der Dampf, und Toni flucht, weil er sich die Flossen verbrannt hat.

»Wir sind eingeschlossen«, sage ich, dem MG-Getacker lauschend. »Bin neugierig, wie wir hier wieder rauskommen.«

Vor uns hat auch Lübke angehalten; er studiert gerade die Karte und schaut zwischendurch auf den Kompass. Plötzlich fängt es an zu tackern. Die Garben prasseln in die Breitseite des LKW. Pssst … pssst … ssssst, macht es über uns hinweg. Tak-tak-tak-tak-tak … hämmert es in rasender Eile von drüben. Der Sand spritzt hoch.

Wir pressen uns an die schützende LKW-Seite.

»Himmelhund, elendiger«, flucht Sepp, »wo hockt denn der Bazi, der dreckerte?«

Wir sehen ihn nicht. Die Garben winseln und prasseln in den Wagen. Vor uns braust Lübke davon. Wir müssen ihm nach!

»Fahr los, Toni!«, brülle ich. »Haltet euch fest!« Da schreit der kleine Böttcher auf und wälzt sich im Sand.

»Mich hat’s erwischt, Willi!«

Beinschuss. Blut rinnt in den Stiefel.

Tak-tak-tak-tack … puiii … puiiii …

Hört denn der Schweinehund nicht auf! Wo hab ich nur die Verbandspäckchen! Hier sind sie!

»Tut’s weh, Hans?«

»Alles taub, ich spür nichts.« Das schmutzverkrustete Gesicht Böttchers schaut mich grinsend an. »Jetzt komm ich in die Heimat, Willi … Genesungsurlaub! Ganz hübsch, wie?«

Ich habe Böttcher notdürftig verbunden. Wir heben ihn in das Führerhaus, aus dem Tonis Pranken kräftig zupacken.

»Fahr zu, Toni!«, schreie ich ihm zu, »Lübke nach! Irgendwo werden wir die Batterie schon finden!«

Der Brite rackert noch immer und jagt uns Garben nach, bis uns die Staubwolke verschluckt. Wie die Affen klammern wir uns an der schützenden LKW-Seite fest. Wenn Toni nicht bald anhält, fallen wir runter.

Er hält. Wir steigen auf und fahren sofort weiter, denn wir wollen ja die Unseren finden, die irgendwo auf uns warten.

Es ist dunkel geworden, als der verlassene englische Verbandsplatz vor uns auftaucht. Ein paar Zelte stehen herum. Dazwischen hat die Batterie angehalten. Aus dem Chefwagen wird Preißel gehoben, der einen Halsdurchschuss bekommen hat. Preißel ist viel schlimmer dran als Hans.

»Ich fahre los und suche den Anschluss«, sagt der Chef. »Wartet hier, bis ich zurückkomme.«

Der Wagen holpert in Richtung Norden davon und verschwindet in der Dunkelheit.

Wir durchstöbern die Zelte, in denen staubige Feldbetten stehen. Leere Kisten, weggeworfene Konserven und Kanister liegen herum.

Da heult es plötzlich heran und haut zwischen die Zelte. Jetzt noch einmal! Mittelschwere Einschläge! Die Engländer sind uns auf den Fersen geblieben.

Böttcher ist aus dem LKW gekrochen. Wir glotzen uns an und wissen nicht, was wir machen sollen. Und wieder hauen die Einschläge in den Sand, reißen Dreckfontänen hoch und decken uns zu.

Wumm … macht es weiterab. Summm … kommt es heran und kracht nieder. Diesmal liegt der Einschlag, Gott sei Dank, wieder weiterab.

»Sollen wir in Stellung gehen, Herr Leutnant?«, frage ich

»Nein. Der Chef muss gleich zurückkommen!«

Da kommt er auch schon herangejagt und winkt uns: »Aufsitzen! Mir nach!«

Wir verlassen den Ort und preschen nach Norden. Dann erreichen wir endlich die Division und sind beim großen Haufen.

»Mach’s gut, Hans, grüß die Heimat!«

Ich habe Hans Böttcher nie wiedergesehen.

Die Sterne funkeln am südlichen Himmel. Ich liege auf dem Rücken, schaue hinauf zur schimmernden Pracht und suche den Nordstern. Vor meinen Augen taucht die stille, verträumte Poststraße auf. Ich stehe hinter meiner Drehbank und sehe eine Gestalt am Fenster: Lo. Sie hält einen Zettel hoch und legt ihn an die Fensterscheiben.

»Umdrehen, Lo!«, bedeute ich ihr. »Umdrehen, die Schrift steht ja kopf!«

Lo dreht den Zettel um, und ich lese: Acht Uhr, Bahnsteig! Ich komme!

Sie kommt, und ich nehme sie in die Arme. Wie biegsam ihre Gestalt ist, wie das Haar duftet. Lo, es ist schön, wenn man mit einer zärtlichen Erinnerung fortgeht! Ich liebe dich, Lo! Immer!

Ich muss eingeschlafen sein. Plötzlich erwache ich durch einen Krach. Jemand ist an das Geschütz gefahren. Dunkle, mächtige Schatten bewegen sich in der Nacht. Es brummt und rumort zwischen unseren Geschützen.

»Verfluchte Sauerei, könnt ihr denn nicht aufpassen? Stellt doch eure Spritzen woanders hin, ihr Pflaumen!«, tönt es unfreundlich aus dem Turm eines Panzers.

Die schweren Kettenfahrzeuge kurven zwischen uns herum. Eine lange Gestalt stolpert heran und wirft sich zitternd neben mich.

»Willi, stell dir vor, hätt’ mich doch gleich so ein Ding im Sandloch überrollt. Konnte gerade noch rausspringen! Diese Idioten! Was wollen die denn da? Sollen doch machen, dass sie weiterkommen!«

Ja, beinahe hätte man Franz Hufnagel beim Schlafen platt gewalzt!

Am nächsten Morgen vermisst er seine Brieftasche und findet sie in dem zugefallenen Sandloch.

Scheußlicher Gedanke, wenn man sich vorstellt, dass … Aber Franz hat ja Glück gehabt!

Ein vorbeifahrender Panzer hat den Schutzschild unseres Geschützes verbogen. Wir müssen mit dem Vorschlaghammer rangehen und ihn wieder geradeklopfen.

Ich bin mit der Zeitrechnung ein wenig durcheinandergekommen, aber ich glaube, dass wir Ende Mai haben. Wir sind nachts auf der Höhe 206 angelangt. Das ist ein Stützpunkt auf der Anhöhe, die nach Tobruk hin in eine Ebene übergeht und dann steil abfällt. Unten läuft die Via Balbia entlang, auf der die Tommys zwischen Gazalla und Tobruk hin- und herpendeln.

Wir gehen mit unseren italienischen 10,5-Haubitzen in Stellung, auch zwei 8,8 sind da und ein Zug Pak. Die Engländer haben Ausrüstungsgegenstände zurückgelassen, in denen wir neugierig herumkramen.

Auch eine verlorene 8,8 finden wir wieder! Über so etwas freut man sich natürlich! Die Artilleriebeobachterstelle unserer Batterie liegt 500 Meter vor uns. Wir können sie nicht sehen, weil wir hinter einer Bodenmulde in Stellung gegangen sind, aber nach rechts weg haben wir einen freien Blick über die Ebene, bis hinüber zum Steilhang.

Uns fällt die Totenstille auf. Kein Windhauch weht. Die Sonne glost und zaubert Hitzewellen über das Land, in denen alles vibriert. Fahrzeuge muten an, als hüpften sie, und sie erscheinen grotesk verzerrt.

»Zwei Geschütze weiter vor!«, heißt es dann.

Lübke und Köhler ziehen mit ihren Geschützen durch die Talsenke zum Steilhang hinüber und gehen in Stellung. Stohl und ich bleiben zurück und beobachten, wie die Kameraden ihre Spritzen feuerbereit machen. Es dauert auch nicht lange, da blitzt es drüben auf, ein paar Sekunden später erst krachen die Abschüsse.

In einer Feuerpause hören wir plötzlich über unseren Köpfen ein hohles Dröhnen.

»Eigene«, sage ich zu Stohl, als ich zum Himmel hinaufschaue, »Ju 88.«

»Ist doch eigentlich beruhigend so was«, meint Stohl und nickt mir grinsend zu. »Wo die abladen, möchte ich nicht sein.«

»Nee«, bestätige ich kopfschüttelnd und beobachte die heranziehenden Bomber. Am liebsten möchte ich ihnen zuwinken und rufen: Servus, Kameraden!

Da durchzuckt mich ein heißer Schreck. Ich sehe, dass sich silberne Punkte aus den Maschinen lösen. Winzig klein! In der Sonne blinkend. Wahnsinnig schnell wachsen sie.

»Achtung!«, brüllt jemand. »Bomben!«

»Rauchzeichen abschießen! Schnell!«, gellt eine andere Stimme.

Das Brüllen geht im Bersten und Krachen unter. Staubwolken wirbeln auf und verdunkeln die Sonne. Blitze zucken. Die Trommelfelle drohen zu platzen.

»Verflucht! Die beschmeißen uns mit Bomben! Sind die wahnsinnig?«

Ich hebe den Kopf und schaue in die abziehenden Rauch- und Staubwolken. In der Senke brennt ein Muniwagen aus. Nur noch das glühende Gerippe ist zu sehen. Die Flak schießt erst blaue, dann rote Rauchzeichen und gibt den Idioten dort oben zu verstehen, dass sie zu früh die Bombenschächte aufgemacht haben und uns den Segen auf die Köpfe warfen.

Stohl und ich sind mit Dreck zugedeckt worden, aber sonst ist zum Glück nichts passiert. Benommen rappeln wir uns auf, klopfen den Staub von den Klamotten und schauen ängstlich zum Himmel hinauf. Der Verband dreht jetzt ab.

Ich kann mir vorstellen, dass der Häuptling dort oben einen ganz schönen Anpfiff entgegennehmen wird! Aber na ja, auch so etwas kann vorkommen. Irren ist menschlich!

Die Sonne sticht unbarmherzig herab. Um Mittag herum ist die Hitze am größten. Wir lechzen nach einem Trunk. Lippen und Gaumen sind ausgedörrt. Ach, könnte man sich doch nur einmal, ein einziges Mal unter einen kalten Brunnenstrahl legen, den Mund weit aufreißen und trinken … trinken!

Ich döse vor mich hin und wedele die scheußlichen Fliegen weg. Diese Fliegen! Nirgendwo gibt es so viele Fliegen wie in Afrika!

Ich blinzele träge zu den beiden Geschützen von Lübke und Köhler, die hinter dem Steilhang in Stellung gegangen sind. Nanu! … Was machen die denn? Die protzen ja auf, und zwar ziemlich eilig, wie ich feststellen muss. Jetzt jagen sie zu uns herüber.

Was ist denn los?

Teufel auch, da kracht es dicht hinter uns. Die 8,8 schießt. Und jetzt brüllt auch schon der Fernsprecher: »Feuerbereitschaft!«

Ich springe zum Geschütz. »Los, Schorsch, laden!«

Während der Richtschütze am Zielfernrohr klebt und Franz die erste Granate heranschleppt, kracht es von drüben herüber. Dicht über unser Geschütz hinweg winselt das Vollgeschoss und haut in den Sand, spritzt auf und pfeift als Querschläger davon.

»Mensch! Panzer greifen uns an!« Irgendjemand hat es gerufen.

Hinter uns dröhnt die 8,8. Wir sind wie betäubt von dem Krachen. Wir arbeiten in einer rötlichen Staubwolke. Wir schießen die erste Granate ab, noch eine, eine dritte! Das Geschütz hüpft bei jedem Abschuss zurück und bohrt die Holme immer tiefer in den Sand. Der Durst ist vergessen, das Trugbild von einem plätschernden Brunnen vorbei.

»Feuer!«

Rums!

»Laden! Macht schneller, schneller!«

Die Entfernungsangabe nimmt ständig ab. Immer näher kommen die Panzer, die wir noch nicht sehen. Entfernung 1400 … Entfernung 1200 … Entfernung 1000… Dort hinter der Anhöhe müssen sie heraufkommen! Die 8,8 sieht sie wahrscheinlich schon, weil sie etwas höher steht. Im direkten Beschuss wird jetzt gefeuert.

Erst jetzt kommen die beiden anderen Geschütze heran. Aus einer wirbelnden Staubwolke tauchen sie auf. Abhängen! Holme spreizen!

Sie haben keine Zeit mehr, die Zieleinrichtung zu bedienen. Die Panzer sind da. Kommen immer näher. Die Vollgeschosse zischen, heulen, winseln, klirren. Der Dreck stiebt gegen den Schutzschild.

Die Tommys lassen jetzt ihre Feldgeschütze sprechen. Rechts hinter uns gibt es einen wahnsinnigen Knall. Volltreffer bei der 8,8. Die Fetzen fliegen. Todesschreie gehen im Gekrache der Geschütze unter.