Engelszorn

 

 

 

Band 37

 

Engelszorn

 

von Dario Vandis und Martin Kay

 

 

© Zaubermond Verlag 2014

© "Dorian Hunter – Dämonenkiller"

by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

 

Titelbild: Mark Freier

eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

 

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Alle Rechte vorbehalten

 

 

 

 

Was bisher geschah:

 

Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor.

Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen, auf die de Conde es abgesehen hatte, blieben ungeschoren.

Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. So ging es fort bis in die Gegenwart.

Dorian Hunter begreift, dass er die Wiedergeburt de Condes ist. Es ist seine Aufgabe, den Dämonen nachzustellen und sie zu vernichten.

Hunter wäre auf sich allein gestellt, blieben ihm nicht die engsten Mitstreiter im Kampf gegen die Dämonen: Zunächst wäre da die junge Hexe Coco Zamis, die früher selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, bis sie wegen ihrer Liebe zu Dorian den Großteil ihrer magischen Fähigkeiten verlor. Hin und wieder eine große Hilfe ist ebenfalls der rätselhafte Olivaro, der früher selbst einmal als Oberhaupt der Schwarzen Familie fungierte, inzwischen aber die Seiten gewechselt hat und Dorian unterstützt. Allerdings bleiben die wahren Absichten des undurchsichtigen Überläufers meist im Dunkeln. Weitere Mitstreiter sind Unga, der Steinzeitmann, und der magisch auf Zwergengröße geschrumpfte Ex-Secret-Service-Agent Don Chapman.

Sie alle können nicht verhindern, dass Luguri, der Herr der Schwarzen Familie, mit Castillo Basajaun das Hauptquartier des Dämonenkiller-Teams vernichtet. Treue Mitstreiter verlieren ihr Leben. Dorian Hunter und der aus der Vergangenheit zurückgekehrten Coco Zamis bleibt nichts weiter übrig, als sich nach London in die Jugendstilvilla zurückzuziehen und die Wunden zu lecken.

Doch das Böse kennt kein Erbarmen. Und so muss sich der Dämonenkiller schon bald einer neuen Gefahr stellen, die völlig neu für ihn ist ...

 

 

 

 

Erstes Buch: Spuren der Vergangenheit

 

 

Spuren der Vergangenheit

 

von Dario Vandis und Martin Kay

 

1. Kapitel

 

Vergangenheit, irgendwann vor Christi Geburt – ein Beobachter

Tod und Verderben hingen wie eine unsichtbare Bedrohung über den beiden Städten. Eine geheimnisvolle Ausstrahlung, die vom Ende allen Seins kündete, war in die Straßen und Häuser eingekehrt.

Ich konnte die Spannung förmlich spüren. Etwas Gewaltiges, Endgültiges würde geschehen, etwas, dem sich auch die Bewohner der beiden Städte hier nicht verschließen konnten – und dennoch taten sie es. Als ich ein letztes Mal durch die Straßen der dem Untergang geweihten Siedlungen schlenderte, begegneten mir die Menschen mit einer Sorglosigkeit, die mich geradezu erschreckte und irgendwie ... abstieß. Vielleicht hatten sie alle es wirklich verdient, nicht länger am Leben zu bleiben, niemand von ihnen. Auf der anderen Seite aber fragte ich mich häufiger denn je, ob die Ursache ihrer Schuld nicht einzig und allein in der Präsenz des Bösen zu suchen war. Es war ein offenes Geheimnis, dass sich finstere Kreaturen mitten unter den Bewohnern befanden – vom Satan gesandte dämonische Kräfte, die die dunklen Sehnsüchte der Menschen, die sie im letzten Winkel ihres Unterbewusstseins vergraben hatten, weckten. Diese finsteren Geschöpfe, zu dieser Zeit die Schwarzen genannt, weilten mitten unter uns, gaben sich zusammen mit den Bewohnern unverblümt dem lasterhaften Treiben hin.

Mord und Totschlag waren ebenso an der Tagesordnung wie Hurerei und Massenorgien, in denen schändliche Triebe ausgelebt wurden. Das Leben bestand nur noch aus ausschweifenden Festen und Tagträumen. Niemand kümmerte sich mehr um die Arbeit, keinen scherte, was das Leben bisher ausgemacht hatte. Alle gaben sich den Verlockungen und Versprechungen der Schwarzen hin, die ihnen scheinbar paradiesische Zustände vorgaukelten, welche letzten Endes doch nur Vorboten einer Hölle waren. Wahrlich, dieser Sündenpfuhl hatte jegliches Recht auf Existenz verloren. Die Bewohner hatten sich vom rechten Weg abgekehrt und buhlten mit dem Satan, frönten der körperlichen Lust, der Gewalt und der Macht, die ihnen von den Ausgeburten des Bösen versprochen wurden.

Die Menschen waren gewarnt worden, mehr als einmal. Aber selbst die Erwähnung von Gottes Namen und seinem furchtbaren Zorn konnte sie nicht mehr schrecken. Sie hatten vor seinen Priestern ausgespien, seine Boten verleumdet und fortgejagt. Die Bewohner wähnten sich in Sicherheit unter dem Schutz der Schwarzen.

Mit gesenktem Kopf und auf dem Rücken verschränkten Armen schritt ich die große Hauptstraße ab, die beide Städte miteinander verband. Es war früher Abend, und die Sonne war noch nicht ganz hinter dem Horizont versunken. Ich genoss den letzten Glanz, den ihre Strahlen auf diese Stätte der Sünde und Verderbtheit warfen, badete mich in dem natürlichen Licht, das bald der Finsternis weichen sollte. Ich war betrübt und besorgt. All die Leute hier ... wie hatte es dazu kommen können? Warum wandten sie sich vom Guten ab und erlagen ihren ureigensten, dunklen Trieben?

Aus einem der Hausschatten trat eine hochgewachsene Gestalt an mich heran. Ich erkannte diese schöne, anmutige Frau sofort und nickte ihr zu. Ihr langes, schwarzes Haar fiel lockig auf ihre Schultern und umrahmte ihr hübsches Gesicht. Ihr Anblick stand im krassen Gegensatz zu den düsteren Vorahnungen, die meine Gedanken beschäftigten. War das Leben hier tatsächlich nichts mehr wert?

»Da bist du«, sprach sie mich an.

»Ich wollte es noch einmal mit eigenen Augen sehen, bevor es vergeht«, teilte ich ihr mit leiser Stimme mit.

Auch ihr Blick war verbittert, und ich meinte, einen feuchten Glanz in ihren Augen zu erkennen. Sie weinte um die Menschen, genau wie ich es getan hätte – aber ich konnte nicht. Meine Tränen waren versiegt.

»Es ist bald so weit«, sagte sie.

Ich presste die Lippen aufeinander. Mein Atem sog ein allerletztes Mal die früher so reine Luft ein, die jetzt einen feinen Geruch von Pech und Schwefel enthielt. Pech und Schwefel, ging es mir durch die Gedanken. Genau so wird es enden!

Ich folgte meiner Begleiterin die Straße entlang bis zu ihrem Ende. Von dort nahmen wir eine Abbiegung und verließen die Städte, um in sicherer Entfernung den Untergang zu erleben.

»Sind sie fort?«, fragte ich auf halbem Wege.

Die Frau an meiner Seite nickte. »Ja, sie haben die Stadt am frühen Nachmittag verlassen und werden in Sicherheit sein.«

»Trotzdem mache ich mir Sorgen, um all jene hier«, erwiderte ich.

Ich spürte ihre Hand auf meiner Schulter. Sie versuchte, mich zu trösten, doch das vermochte niemand mehr. Wir erreichten den nahe gelegenen Hügel. Von hier aus hatten wir einen weiten Überblick über den gesamten Ort mit seinen beiden Städten. Leichter Wind brauste auf und zerrte an unserer Kleidung.

»Es beginnt«, verkündete meine Gefährtin.

Das war eine fast schon lächerliche Umschreibung dessen, was in diesem Augenblick geschah. Vielleicht sind meine Erinnerungen an das Ereignis nicht mehr die frischesten, aber das glosende Feuer, das vom Himmel fiel, hatte sich für alle Zeiten in mein Bewusstsein gebrannt. Obwohl ich sie nicht wirklich hören konnte, glaubte ich, die Schreie der Bewohner zu vernehmen, als sie die Wahrheit erkennen mussten, in dem Augenblick, als alles zu spät war.

Eine grelle Flammensäule gleißte über den Himmel und fraß sich bis zum Boden herab, kam über die Leute und brachte den Tod mit. Das tosende Inferno löschte alles binnen eines Lidschlags aus – und dennoch reichte die Zeit, um jedem Menschen die Missetaten, die er begangen hatte, vor Augen zu führen. So abrupt, so plötzlich hier auch alles endete, es war nur für den Außenstehenden in einem Sekundenbruchteil vorüber. All jene, die betroffen waren, die in den Städten zurückblieben und den Schwarzen huldigten, wurde die Zeit zur Erkenntnis gegeben. Das gemeinsame Erwachen aus dem dunklen Paradies sorgte dafür, dass ihre Gedanken in die Welt hinausgeschrien wurden. Ich spürte ihre Pein am eigenen Leibe, hörte die unmenschlichen Schreie der Sterbenden und Büßenden, erkannte ihr Flehen und die Gebete, die sie nun doch zum Himmel hinauf sandten.

Es war vergebens.

Die Entscheidung war endgültig, niemand würde sich ihr entziehen können – weder die Bewohner der zwei Städte, noch das Böse, das dort weilte und jetzt erfahren musste, dass es ebenfalls ausgelöscht werden konnte. Donner tobte wie die Stimme eines strafenden Gottes über den Ort der Sünde hinweg. Ihm folgte eine immense Druckwelle, die Gebäude wie Lebewesen gleichermaßen packte und in einem einzigen Augenblick in ihre Atome pulverisierte. Nichts und niemand mochte der Urgewalt der Vernichtung etwas entgegenzusetzen. Die Bilder von Leuten, denen ich während meines Aufenthalts in der Stadt begegnet war, tauchten vor meinem geistigen Auge auf. Ich sah ihre gequälten Gesichter, hörte ihre stummen Schreie um Gnade, ihre Versprechen zur Besserung. Die Erinnerungen marterten mich und ließen mich unachtsam werden.

»Obacht!«, schrie die Frau neben mir.

Genau in jenem Moment, als ein letzter, gewaltiger Blitz aus den Wolken jagte, um das Vernichtungswerk zu vollenden, schoss etwas Dunkles aus den Ruinen der Städte hervor. Ich gewahrte einen pfeilschnellen Schatten, der genau auf mich zuhielt. Die Warnung kam zu spät. Was immer es war, es hüllte mich ein und zog mich hinüber zu dem Ort der Vergeltung.

Plötzlich stand ich direkt in der Hölle. Die Zeit lief hier im Herzen der Vernichtung vollkommen anders ab als draußen, wo die Zerstörung nur wenige Sekundenbruchteile währte. Es herrschte das reinste Chaos. Menschen liefen in Panik wie wild durcheinander, schrien ihre Ängste und Schrecken in die Straßen hinaus. Nacheinander fielen die Häuser wie Papptürme in sich zusammen, Menschen standen plötzlich in Flammen, vergingen in kleinen Explosionen, wurden von Druckwellen zerfetzt, nur um eine Sekunde später fast unversehrt wieder aufzuerstehen. Meine Augen weiteten sich vor Unglauben. Nie hätte ich geahnt, welche Folter den Bewohnern noch auferlegt wurde. Es war nicht einfach vorbei. Sie mussten tausendfach für das büßen, was sie getan hatten.

»Warum?«, rief ich hinaus. Ich wollte fort. Der Anblick, der Schrecken, der sich vor meinen Augen und in meinem Innersten abspielte, war nicht länger zu ertragen. Aber es war mir versagt zu fliehen. Die dunkle Kraft, die mich hierher geschleudert hatte, hielt mich unerbittlich fest, wollte mich mit in den Untergang reißen, der ich doch beteiligt war an dem Schicksal der beiden Städte.

Trümmer von zerfetzten Häusern flogen umher und bohrten sich in den trockenen, lehmigen Boden. Schlacke und Asche prasselten wie Regen aus dem nunmehr pechschwarzen Himmel und schlossen die sandige Ebene rund um das Vernichtungswerk in einen dunklen, undurchdringlichen Mantel ein.

Ein Mann fiel vor mir auf die Knie. Seine Haut warf Blasen ob der unsagbaren Hitze. Er sah aus einem noch gesunden Auge zu mir auf, streckte mir die Hand entgegen und erflehte meine Hilfe. Ich konnte nichts für ihn tun. Nur einen Moment später ging sein geschundener Körper in Flammen auf, verbrannte innerhalb eines Lidschlags zu Asche – und dennoch hörte ich seinen qualvollen, nicht enden wollenden Schrei, der hundertfach verstärkt in mein Bewusstsein drang.

Aus den Augenwinkeln registrierte ich erneut den Schatten und fuhr herum. Da war er und verspottete mich im Angesicht des eigenen Untergangs. Es war einer der Schwarzen. Jener, der mich hierher gebracht hatte – es verschaffte ihm Genugtuung, mich leiden zu sehen, mich mit in den Tod zu reißen.

Noch einmal bäumte sich die urgewaltige, unsichtbare Kraft auf, um zu einem alles vernichtenden Schlag auszuholen. Blendendes Feuer fegte über die Städte hinweg und fraß alles Leben auf. Es war das Letzte, das ich von Sodom und Gomorrha erblickte, ehe mich ewige Nacht umfing ...

 

Industriestadt Sedom am südlichen Toten Meer, Israel, Gegenwart

Das laute Hämmern des Rotors verursachte bei Joram Ulman bohrende Kopfschmerzen. Wieder einmal wurde er daran erinnert, wie ungern er eigentlich flog. Seiner Meinung nach gehörte der Mensch mit beiden Beinen auf den Boden und nicht in die Lüfte – die waren anderen Wesen vorbehalten.

Der Flug war nicht das einzige Ärgernis, mit dem Ulman kämpfte. Mitten in der Nacht hatte ihn das Schrillen seines Telefons aus dem wohlverdienten Schlaf gerissen. Normalerweise war es nicht seine Art, des Nachts Anrufe entgegenzunehmen, doch das hartnäckige Klingeln hatte ihm einfach den letzten Nerv geraubt. Er hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber keinesfalls mit einem Anruf von der Universität. Irgendjemand von der Regierung hatte ihn angefordert, und er war angehalten worden, sich auf dem schnellsten Wege nach Sedom zu begeben.

All sein Fluchen hatte nichts geholfen, zumal der Universitätsdirektor gedroht hatte, ihm die Forschungsmittel zu streichen, wenn er jetzt einfach auflegen sollte. Knurrend hatte Joram Ulman seinem Vorgesetzten bestätigt, sofort zum Flughafen aufzubrechen, wo bereits ein Helikopter auf ihn wartete. Sein Spezialgebiet war die frühgeschichtliche Metallurgie, also musste man irgendetwas Metallisches gefunden haben, das er nun analysieren und vermutlich historisch einordnen sollte. Wenn er Erfolg hatte, konnte ein hübsches Sümmchen für ihn dabei herausspringen.

Auf dem Weg zum Flughafen von Jerusalem loggte er sich über sein Notebook in den Universitätscomputer ein, um sich näher über die Sedom-Ausgrabungen zu informieren. Er war nicht überrascht zu erfahren, dass man dort immer noch auf der Suche nach archäologischen Funden der untergegangenen biblischen Städte Sodom und Gomorrha war. Laut der Datenbank der Hebräischen Universität von Jerusalem handelte es sich dabei um ein Gemeinschaftsprojekt verschiedener Nationen, die zusammen mit der israelischen Regierung arbeiteten und auch von ihr subventioniert wurden.

Joram Ulman hatte die wichtigsten Informationen überflogen und war kurz darauf mit dem Hubschrauber ins knapp einhundertundzwanzig Kilometer entfernte Sedom aufgebrochen. Nun blickte er aus dem Seitenfenster in die klare Wüstennacht hinaus. Unter ihm zogen die Lichter der Industriestadt dahin. Die Abwässer der riesigen Chemiewerke sorgten dafür, dass das Tote Meer weiterhin seinen Namen beibehielt. Ulman schüttelte sich angewidert und blickte nach vorn. Die Ausgrabungsstätte befand sich nur ein paar Kilometer hinter den Stadtgrenzen von Sedom, und wenn man ganz genau hinsah, konnte man schon die Beleuchtung ausmachen.

»Wir sind gleich da«, verkündete der Pilot. Nach der Begrüßung waren dies die einzigen Worte, die er bisher auf dem Flug gesprochen hatte, und Joram Ulman sah sich nicht genötigt, dem etwas hinzuzufügen.

Gebannt sah der Wissenschaftler nach vorn. Er fragte sich, warum man ihn den weiten Weg von Jerusalem bis hierher schickte. Sicherlich befand sich unter dem Sedom-Team auch ein Metallurg. Nachdenklich strich sich Ulman über den Spitzbart.

»Endstation!«, sagte der Pilot.

Ulman zuckte zusammen. Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er die Landung des Helikopters nicht mitbekommen hatte. Der Pilot hatte die Maschine einige Hundert Meter von der eigentlichen Ausgrabungsstätte und den Zelten entfernt im Wüstensand aufgesetzt.

»Den Rest werden Sie wohl laufen müssen, Doktor!«

Mit verkniffenem Gesicht starrte der Archäologe den Piloten an, wusste aber, dass die Rotorblätter beim Landeanflug genug Staub aufwirbelten, um tagelange Freilegungsarbeiten wieder mit Unmengen an Sand zuzuschütten. Joram schnallte sich ab und stieg umständlich aus dem kleinen Hubschraubercockpit.

Aus den Schatten der Nacht löste sich eine einzelne Gestalt und kam auf den Wissenschaftler zugelaufen. Es handelte sich dabei um einen Soldaten der israelischen Armee mit den Abzeichen eines Feldwebels.

»Dr. Ulman?«, fragte der Mann und salutierte zackig.

»Der bin ich«, erwiderte Ulman mit einem Gähnen. »Und ich hoffe um Ihretwillen, dass es hier draußen etwas wirklich Spannendes zu sehen gibt, das die Mühen, die ich auf mich nehmen musste, wert ist.«

Ein Grinsen stahl sich auf das Gesicht des Soldaten. »Verzeihen Sie, aber da bin ich wirklich nicht der richtige Ansprechpartner. Kommen Sie, ich bringe Sie zu den anderen.«

Während die Rotorblätter des Helis langsam ausliefen, stapfte Dr. Joram Ulman zusammen mit dem Feldwebel durch den Sand auf das Lager der Ausgrabungsstätte zu. Nach einigen Hundert Schritten erreichten sie die ersten Unterkunftszelte, und direkt dahinter wurde die Umgebung schlagartig taghell.

Ulman kniff die Augen zusammen. Grelles Flutlicht stach durch die Nacht und ersetzte auf diesem Areal quasi die Sonne. Nachdem sich die Augen des Archäologen wieder einigermaßen an die Sichtverhältnisse gewöhnt hatten, überblickte Ulman den ganzen Komplex mit wachsendem Staunen.

Etwa zweihundert Meter hinter der Zeltsiedlung erstreckte sich die fast einen Quadratkilometer große Ausgrabungsstätte. Über künstlich angelegte Stufen und hohe Leitern ging es hinab in die Tiefe. Keine Maschinen, keine Bagger waren zu sehen, die den riesigen Krater ausgehoben hatten. Alles war in mühevoller Handarbeit über Jahre hinweg freigelegt worden. Bei der Archäologie kam es auf die Feinarbeit an. Grobe Maschinen konnten wertvolle Funde beim Graben zerstören. Nur mit Spaten, Harken und Pinseln bewaffnet tummelten sich mehrere Dutzend Arbeiter in der Stätte.

Ulman trat an den Rand des künstlich geschaffenen Kraters heran. Er schätzte, dass der tiefste Punkt mindestens hundert Meter unter dem Wüstenboden lag.

»Beeindruckend, nicht wahr?«

Ulman fuhr herum und sah einen weiteren Soldaten, der ihn unverhohlen angrinste. Seine Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen, obwohl es mitten in der Nacht war.

»Schalom, Dr. Ulman«, begrüßte ihn der Soldat im Dienstrang eines Leutnants. Seinen Namen vergaß Ulman, gleich nachdem er sich vorgestellt hatte, wieder. »Mir obliegt die militärische Leitung des Sedom-Projekts.«

»Schalom«, erwiderte der Doktor.

Der Leutnant bedeutete Ulman, ihm zu folgen. Sie umrundeten die gewaltige Ausgrabungsstätte und stiegen über eine Leiter zwei Ebenen in die Tiefe. Auf einem Plateau war ein Unterstand mit Zeltplanen, einigen Stühlen und einer Computeranlage eingerichtet worden. Unter der Plane befanden sich mehrere Leute, offensichtlich die leitenden Wissenschaftler der Ausgrabungen. Als Ulman zusammen mit dem Leutnant bei ihnen eintraf, wandte sich eine junge Frau zu ihnen um.

»Ah, endlich!«

Ulman runzelte die Stirn und musste sich erst darüber klar werden, dass die Dame englisch sprach.

»Dr. Ulman? Ich bin Dr. Helena Riedberg, Archäologisches Institut in Berlin.«

Sie reichte ihm die Hand. Ulman musterte die junge Frau. Sie schien nicht älter als dreißig zu sein, trug einen blonden Pagenschnitt und wirkte insgesamt recht attraktiv. Doch irgendwie schienen ihre rehbraunen Augen nicht zu den blonden Haaren passen zu wollen.

»Guten Morgen«, sagte Joram Ulman in stark akzentuiertem Englisch.

Mittlerweile hatten sich auch die anderen Anwesenden umgedreht. Helena Riedberg stellte sie der Reihe nach vor.

»Das ist Dr. Jeremy Collins aus Cambridge.« Sie deutete auf einen großen, dürren Mann mit Nickelbrille und Stoppelschnitt. Sein Dreitagebart wirkte mehr als deplatziert.

»Hallo!«, presste der Engländer hervor.

Ulman machte sich nicht die Mühe, ihn mit einem Händedruck zu begrüßen.

»Dr. Aaron Postlethwaite aus Boston«, fuhr Helena fort. Ein untersetzter, leicht korpulenter Mann mit hoher Stirn und dunklem, krausem Haar, der das genaue Gegenteil von Collins zu sein schien, trat hervor und ließ ein »Hi, Doc!« vernehmen.

Bevor Dr. Riedberg mit ihrer Vorstellung weitermachen konnte, ergriff die letzte Person bereits die Initiative, machte einen Satz aus der Reihe und begrüßte Ulman mit einer heftigen Umarmung.

»Schalom, Joram!«, rief sie.

Ulman stutzte. Er betrachtete das Mädchen von oben bis unten und erkannte sie sofort. »Etti ... Etti Hirshfeld! Ja, genau, Sie waren auf dem archäologischen Kongress in Tel Aviv vor zwei Jahren. Sind Sie noch immer an der Uni in Haifa beschäftigt?«

Etti nickte so heftig, dass ihr lange Strähnen ihres dunkelbraunen, langen Haares gleich zu Dutzenden ins Gesicht fielen.

»Ja, inzwischen habe ich promoviert.«

»Dr. Hirshfeld also«, meinte Ulman.

»Sie dürfen mich weiterhin Etti nennen.«

Eine Weile unterhielten sich Ulman und Etti Hirshfeld über Dinge, die sie in den letzten zwei Jahren getan hatten, bis es Jeremy Collins zu bunt wurde, und er die beiden mit einem lauten Räuspern unterbrach.

Ulman fühlte sich ein wenig ertappt, schließlich hatte man ihn nicht des nächtens geweckt und von Jerusalem nach Sedom geflogen, nur um eine alte Bekannte wiederzusehen. Obwohl er sich eingestand, dass ihre Anwesenheit seine Laune deutlich verbessert hatte. Schon vor zwei Jahren hatte er Etti wegen ihrer Schönheit und Intelligenz bewundert. Und sie teilte seine berufliche Leidenschaft – die Archäologie. Sie wäre die ideale Frau für ihn gewesen, auch wenn es zwischen ihnen einen Altersunterschied von mindestens zehn Jahren geben mochte. Unglücklicherweise hatten sie sich nach dem Kongress aus den Augen verloren.

»Sie werden sich sicherlich fragen, Dr. Ulman, weshalb man sie mitten in der Nacht geweckt hat, um Sie hierherzubringen«, unterbrach Collins den schwärmerischen Gedankengang des Archäologen.

Der Brite war Ulman auf Anhieb unsympathisch, aber er hielt sich im Zaum, um dies nicht jetzt schon offen zu zeigen.

»Allerdings«, gestand Joram. »Falls Sie mir nur den klaren Sternenhimmel und die frische Nachtluft hier draußen gönnen wollen, dann wird das einige Konsequenzen nach sich ziehen.«

»Aber, aber, Dr. Ulman«, warf Helena Riedberg ein und legte Joram eine Hand auf den Arm. »Sie werden es nicht bereuen. Ich kann Ihnen jetzt schon versichern, dass Ihre wissenschaftliche Neugier geweckt wird. Kommen Sie!«

Die Archäologen marschierten zusammen mit dem Leutnant den Weg hinauf zu den Unterkunftszelten. Im gedämpften Licht des großen Hauptzelts nahm nun endlich auch der Soldat seine Sonnenbrille ab und ließ sie in der Brusttasche seines Feldanzugs verschwinden.

Dr. Postlethwaite schritt voran. Er beugte sich über einen Schreibtisch und förderte aus einer geräumigen Schublade eine hölzerne Schatulle von knapp einem Meter Länge hervor. Triumphierend hielt er sie Joram Ulman mit beiden Händen unter die Nase.

»Sie sind Experte auf dem Gebiet der Metallurgie, Dr. Ulman. Obwohl dies auch mein Fachgebiet ist, bin ich sozusagen mit meinem Latein am Ende. Wir haben Sie herzitiert, damit Sie uns weiterhelfen können.«

Postlethwaite öffnete die Schatulle.

Ein muffiger Geruch entwich dem Behältnis, aber das war bei Fundstücken, die die Jahrtausende überdauert hatten nichts Besonderes. Interessiert blickte Joram Ulman über den Rand der Schatulle und erkannte in ihrem Innern ein metallisches Objekt. Auf den ersten Blick wirkte es gar nicht so antiquiert, eher modern. Bei dem Fund handelte es sich um einen zylindrischen Gegenstand mit einem breiten Griffstück und schmal auslaufendem Stab an dessen Ende. Hätte Ulman es nicht besser gewusst, hätte er vermutet, es hier mit einem Zeigestab zu tun zu haben.

»Darf ich?«, fragte der Metallurg und deutete auf das Metallobjekt.

»Nur zu«, ermunterte ihn Postlethwaite.

Ulman umfasste den Griff der Stange. Das Metall war kalt und ungewöhnlich leicht. Es fühlte sich wie glatt polierter Stahl an, und dennoch war es irgendwie anders – auch nicht schwer genug für Stahl.

Joram Ulman zog den Stab ganz aus der Schatulle und begutachtete ihn im Halogenlicht einer Tischlampe. Das Material, was immer es war, war äußerst glatt und wies nirgendwo Schrammen oder Einkerbungen auf, obwohl es mehr als tausend Jahre im Wüstensand begraben gelegen hatte. Ulman berührte die abgerundete Spitze des Stabes und schüttelte den Kopf.

»Was sagen Sie, Doktor?«, fragte Helena Riedberg neugierig.

»Ich weiß nicht«, sagte Joram. »Entweder spielt Ihnen einer Ihrer Arbeiter einen Streich und hat einen gewöhnlichen Zeigestab im Sand versteckt, oder Sie haben es hier mit einem wirklich außergewöhnlichen Fund zu tun. Ich kann so auf Anhieb das Material des Stabes nicht feststellen. Wir müssten eine elektronenmikroskopische Analyse durchführen, um Genaueres herauszufinden.«

Collins seufzte. »Ich wusste, dass es pure Zeitverschwendung ist, diesen Mann anzufordern. Er kann uns auch nicht weiterhelfen.«

Joram fuhr herum und starrte Collins an. Wahrscheinlich war es müßig, mit diesem Mann zu diskutieren, doch Ulman hatte seinen eigenen Stolz, den er verteidigen wollte.

»O doch, Dr. Collins, ich kann Ihnen helfen!«

Collins machte eine abwehrende Handbewegung und wollte sich umdrehen, aber Etti Hirshfeld verstellte ihm den Weg und bedeutete ihm mit einem strengen Blick zuzuhören.

»Die archäologische Abteilung der Hebräischen Universität in Jerusalem ist im Besitz eines Elektronenrastermikroskops«, teilte Ulman mit, nicht ohne einen gewissen Triumph gegenüber Collins in seiner Stimme mitschwingen zu lassen. »Ich schlage vor, diesen Fund dorthin zu bringen, um eine genaue Analyse durchführen zu können.«

Collins, der Ulman genauso wenig Sympathie entgegenbrachte, wie dieser ihm, musste klein beigeben. Hier vor Ort war keine eindeutige Altersbestimmung oder Metallzusammensetzung einzuordnen. Sie brauchten bessere Geräte und komplett eingerichtete Labors, um das Fundstück genauestens untersuchen zu können.

»Also gut«, traf Helena Riedberg, die offensichtlich Leiterin der Ausgrabungsstätte bei Sedom war, eine Entscheidung, »Dr. Ulman, Dr. Postlethwaite, Sie begleiten mich nach Jerusalem. Collins und Hirshfeld werden die Ausgrabungen vor Ort weiterführen.«

Die anderen, mit Ausnahme von Collins, nickten zustimmend. Anschließend löste sich die Versammlung auf. Der Hubschrauberflug war für den nächsten Morgen angesetzt, und jeder wollte sich noch ein paar Stunden Schlaf gönnen.

Ulman ließ sich von Etti Hirshfeld zu einem unbewohnten Zelt führen. Sie zeigte ihm ein Feldbett und die Waschstelle und verabschiedete sich dann von ihm. Joram Ulman ließ sich auf die Pritsche fallen und rieb sich müde die Augen. Er war jetzt schon gespannt, was die Auswertungen des Elektronenrastermikroskops bringen würden. Noch konnte er nicht wissen, dass er den Tag dieses Fundes einmal verfluchen sollte.

 

Der nächste Morgen begann mit einer leichten Brise, die sich im Laufe von wenigen Stunden zu einem recht heftigen Wind steigerte. Dunkle Wolken hatten sich als Vorboten eines Unwetters am Himmel zusammengezogen und verdeckten das Licht der Sonne. Es war auch merklich kühler als noch in der Nacht.

Etti Hirshfeld stand in der Nähe des Hauptzeltes und beobachtete den Abflug des Helikopters in knapp hundert Schritt Entfernung. Gerne wäre sie auch bei der Analyse dabei gewesen, zum einen, weil sie die Erforschung der Funde und deren Altersbestimmung am meisten an der Archäologie reizte, und zum anderen, um in Joram Ulmans Nähe zu sein. Auch wenn sie es sich selbst gegenüber ungern eingestand, aber damals auf dem Kongress in Tel Aviv war ein Funke übergesprungen. Sie mochte Ulman, hatte ihm dies aber nie direkt gesagt. Es war damals nichts zwischen ihnen gewesen, und man hatte sich nach dem Kongress aus den Augen verloren. Ihre Arbeit nahm sie voll und ganz ein – da blieb kaum Zeit für zwischenmenschliche Beziehungen, so sehr sich die dunkelhaarige Etti auch danach sehnte.

In Gedanken versunken starrte sie hinter dem nunmehr nur noch punktgroßen Hubschrauber hinterher. Sie gab sich selbst einen Ruck und löste sich von dem Anblick. Vielleicht konnte sie später nachreisen, wenn man hier nichts Aufregendes mehr fand.

»Dr. Hirshfeld?«

Die männliche Stimme holte sie endgültig in die Wirklichkeit zurück. Gegen den Wind blinzelnd drehte Etti sich um und starrte in das sonnenbebrillte Gesicht des Leutnants.

»Der Wind wird immer stärker«, erklärte der Soldat und wies zum Himmel. »Ich befürchte, dass es einen Sandsturm geben wird. Sie sollten dafür sorgen, dass die Ausgrabungsstätte abgeplant wird, solange noch Zeit dazu ist.«

»Einen Sandsturm?«, fragte Etti zweifelnd. »In dieser Gegend hat es seit fünfzig Jahren keinen echten Sandsturm mehr gegeben.«

»Diese Wolkenformationen sprechen für sich«, widersprach er. »Glauben Sie mir, ich war in Jordanien stationiert. Die Sandstürme haben sich immer so angekündigt.«

Etti nickte in sich hinein. Sie trat an die riesige Grube heran. Der Wind fegte den Sand darüber hinweg, doch es war jetzt schon abzusehen, dass mehr und mehr Sandmassen im Innern der Ausgrabungsstätte verschwanden.

»Wir haben Planen«, sagte Etti. »Aber wir können nicht den ganzen Quadratkilometer auf einmal abdecken.«

»Vielleicht die unteren Bereiche«, schlug der Leutnant vor.

»Das wird nicht viel bringen, wenn wirklich alles zugeschüttet wird. Aber versuchen können wir es.«

Jeremy Collins kam atemlos die Leitern von unten aus der Grube hochgestürmt. Etti lief ihm zusammen mit dem Soldaten entgegen.

»Collins, wir müssen die unteren Bereiche abdecken«, rief die Archäologin ihrem englischen Kollegen schon von Weitem zu, doch der beständig stärker werdende Wind schluckte ihre Laute, noch ehe sie Collins erreichen konnten.

Wild gestikulierend nahm der Engländer die letzten Stufen und sprang mit einem Satz aus der Grube. Unvermittelt wurde er von einer heftigen Böe erfasst und zu Boden gedrückt. Überraschung machte sich auf seinem Gesicht breit, denn unten in der Stätte war von den Auswirkungen des Windes noch nichts zu spüren gewesen.

»Was ist denn hier los?«, rief Collins, als Etti bei ihm war und ihm hochhalf.

»Ein Sandsturm kommt auf«, berichtete der Leutnant.

»Sandsturm?«, echote Collins. »Auch das noch.«

»Wir müssen einen Teil der Grube abdecken«, sagte Etti, »am besten die unteren Bereiche, wo wir den Metallstab gefunden haben.«

Collins schüttelte den Kopf. »Das geht jetzt nicht. Wir haben noch etwas dort unten gefunden!«

Etti horchte auf. Zusammen mit dem Leutnant folgte sie Collins nach unten. Der Abstieg über zahllose Holzleitern war alles andere als einfach. Immer wieder musste man hinunterschauen und darauf achten, wo man hintrat. Es ging über mehrere angelegte Plateaus knapp hundert Meter in die Tiefe. Als sie endlich den tiefsten Punkt der Grube erreicht hatten und Collins in eine Richtung wies, blieb Etti wie angewurzelt stehen.

Die Arbeiter hatten sich in eine der Sandwände hineingegraben und waren nach wenigen Metern auf eine Höhle tief unter dem Sand gestoßen. Das Loch war vielleicht zwei Meter breit, grub sich drei oder vier Meter in den Sand hinein und war knapp zwei Meter hoch. Solche Aushöhlungen im Erdreich konnte es immer wieder geben, doch was die Leute am meisten erstaunte, war das, was sich in der Höhle befand.

»Was in Gottes Namen ist das?«, presste der Leutnant hervor.

Sie blickten auf ein eigenartiges, eiförmiges Gebilde. Es war von milchig-gelber Farbe und schien eigentlich keine feste Substanz zu besitzen. Vielmehr erschien es wie ein Gespinst aus Myriaden von gesponnenen Fäden, ähnlich dem Kokon, in den eine Spinne ihre im Netz gefangenen Opfer einwickelte.

»Das wüsste ich auch gerne«, murmelte Collins.

Die Arbeiter, die mit den Ausgrabungen beschäftigt waren, schickten sich an, Tragseile um den Kokon zu werfen, um das Gebilde aus der Höhle zu ziehen und zu bergen.

»Nicht berühren!«, rief Etti.

Doch zu spät!

Einer der Arbeiter hatte gerade ein dickes Tau über den Fund geworfen und streifte mit seinem nackten Unterarm die seltsamen Fäden. Der Mann zuckte automatisch zurück, doch es erschien, als habe er einen zusätzlichen Stoß bekommen. Er wurde mit voller Wucht gegen die Sandwand geschleudert und tief eingedrückt. Erst dann überwand er seinen Schrecken, bemerkte den brennenden Schmerz und schrie ihn nach Leibeskräften heraus.

»Schnell, holt den Mann da weg!«, rief der Leutnant. Seine Stimme hatte einen befehlsgewohnten Ton angenommen. Er stürmte vor, packte einen der Arbeiter und wies ihn an, einen Arzt aus dem Lager zu holen. Dann half er zusammen mit zwei anderen Männern, den Betroffenen aus dem Sand zu buddeln und von dem Kokon fortzuziehen.

Der Arbeiter schrie noch immer und blickte entsetzt auf seinen Unterarm. Etti schob sich vor und musterte die entsprechende Stelle, doch außer einer leichten Rötung konnte sie nichts feststellen.

»Was haben Sie?«, fragte sie den Mann auf Hebräisch.

»Sehen Sie es denn nicht?«, kreischte er wie wild. In seinen Augen loderte die Panik. Offensichtlich hatte er Wahnvorstellungen, denn auf seinem Arm war nichts zu erkennen, was diese hysterische Reaktion hervorrufen konnte.

Nun beugte sich auch Collins herunter und wollte die gerötete Stelle des Mannes berühren.

»Nicht!«, riet Etti. »Vielleicht ist es ein durch Hautkontakt und Flüssigkeiten übertragendes Virus, das mit dem Kokon hier seit Jahrhunderten eingeschlossen ist.«

Collins runzelte die Stirn. »So wie die Viren in Ägypten, die in den Sarkophagen der Pharaonen eingeschlossen waren und für das Mysterium eines Fluchs sorgten?«

Etti nickte.

Collins vermied es, den Arbeiter direkt zu berühren, besah sich die Rötung aber genauer.

»Bringen wir ihn nach oben«, entschied er.

Zwei der umstehenden Arbeiter packten den Mann und wuchteten ihn auf die Beine. Sie schlangen seine Arme um ihre Schultern und zogen ihn von der Höhle fort. Es erwies sich als äußerst schwierig, den sich plump hängenlassenden Mann die Treppen hinaufzubefördern. Es musste zuerst eine Trage herangeschafft werden, auf die der Verwundete gebettet wurde. Jeweils drei Männer zogen die Trage an dicken Seilen stets eine Ebene höher.

Auf halber Höhe war der Feldarzt zur Stelle. Er kniete neben dem Verletzten nieder und prüfte seine Pulsfrequenz. Mithilfe einer kleinen Taschenlampe blickte er in die Augen und den Rachen des Mannes.

»Keine Schwellungen, kein Flattern!«, stellte er fest.

Der Mann schrie noch immer. Zuvor hatte er sich heftig gewehrt, sodass man ihn zusätzlich auf der Trage festschnallen musste. Immer wieder stierte er die gerötete Stelle auf seinem Arm an. Der nackte Wahn stand ihm ins Gesicht geschrieben.

Der Arzt tastete den Unterarm des Mannes ab und schüttelte langsam den Kopf.

»Was hat er?«, fragte Etti aufgeregt.

»Kann ich nicht sagen«, erwiderte der Arzt. »Anscheinend eine leichte Verbrennung am Unterarm, aber er halluziniert im Fieberwahn. Man könnte fast meinen, eine Schlange habe ihn gebissen. Ich gebe ihm ein Beruhigungsmittel und werde oben im Sanitätszelt sein Blut untersuchen.«

Während der Doktor eine Spritze aus seiner Tasche hervorzauberte, wies der Leutnant die anderen Arbeiter an, den Kokon an Ort und Stelle zu lassen. Er entschied, über Funk einen Kranwagen aus Sedom anzufordern, um das Gebilde zu bergen.

Etti sah, wie der Arzt die Spritze ansetzte. Ein letztes Mal schrie der Verwundete auf und stammelte etwas von einem Fluch Gottes, der über sie alle kommen werde, dann verstummte er, als das Beruhigungsmittel seine Wirkung zeigte.

Mit der Bahre wurde der Bewusstlose weiter nach oben getragen. Etti, Collins und der Leutnant folgten dem Arzt. Zu ihrer aller Überraschung war von dem aufbrausenden Sturm nicht mehr das Geringste zu spüren, als sie über den Rand der Grube kletterten.

Erstaunt blickte Etti sich um. Die Wolken am Himmel waren wie weggeblasen – er war strahlend blau, und die Sonne sandte ihre Strahlen zum trockenen Wüstensand herab.

 

 

2. Kapitel

 

Gegen Nachmittag war der Kranwagen aus Sedom eingetroffen. Etti Hirshfeld hatte eine Weile dabei zugeschaut, wie man den Kokon aus der Grube gehievt und auf einen Lastwagen verladen hatte. Anschließend machte sie sich zum Sanitätszelt auf, da der Feldarzt ihr mitgeteilt hatte, dass es seinem Patienten wieder besser ginge.

Etti hatte sich nach dem schrecklichen Vorfall von heute Morgen mit Collins besprochen. Was immer den Wahn und die Verbrennung des Arbeiters ausgelöst hatte, konnte gefährlich werden. Es bestand sogar der Verdacht, dass mit dem Kokon gefährliche Viren die Jahrtausende überdauert hatten. Solange sie nicht wussten, womit sie es zu tun hatten, war äußerste Vorsicht geboten. Collins war dafür, den Kokon unter Quarantäne zu stellen und ihn zum nächsten Seuchenzentrum zu schaffen. Etti hatte nur widerwillig zugestimmt, denn das bedeutete gleichzeitig, dass die Virologen die Hände auf dem Fund hatten – die Archäologie würde in diesem Fall das Nachsehen haben.

Der Leutnant hatte sich in der Zwischenzeit mit seiner vorgesetzten Dienststelle in Verbindung gesetzt. Die israelische Armee besaß einige Tiefkühlanlagen aus amerikanischen Beständen, die ihr leihweise überlassen wurde. Eine dieser Gefriereinrichtungen sollte auf schnellstem Wege nach Sedom gebracht werden, um den Kokon auf Eis zu legen. Sollten sich wirklich gefährliche Viren in den Gespinsten befinden, war es sicherer, sie eingefroren ins Seuchenzentrum zu bringen.

Etti schlug die Zeltbahnen beiseite und trat in den kühlen Schatten der geräumigen Sanitätsunterkunft. Es war düster hier. Der Arzt hatte das Licht gedämpft. Er saß an einem zusammenklappbaren Schreibtisch und studierte einige medizinische Zeitschriften.

Etti trat an ihn heran und begrüßte ihn kurz. Sie blickte sich nach dem einzigen Patienten im Sanitätszelt um und erspähte ihn auf einem Feldbett in der hintersten Ecke. Vorsichtshalber hatte der Arzt ein transparentes Isolierzelt um den Mann aufgebaut, um ansteckende Keime, Bakterien oder Viren fernzuhalten.

Offenbar vergisst du, dass du selbst schon Hautkontakt mit ihm gehabt hast, dachte Etti und verurteilte stumm die Nachlässigkeit des Arztes. Wenn sie es hier wirklich mit einem ansteckenden Virus zu tun hatten, dann mochte ein Großteil der Anwesenden schon mit ihm infiziert sein.

»Dr. Hirshfeld«, sagte der Arzt. Er stand auf und wollte Etti die Hand reichen, was sie jedoch angesichts der Geschehnisse geflissentlich übersah. Der Arzt quittierte dieses Verhalten jedoch nur mit einem Stirnrunzeln. »Was kann ich für Sie tun?«

Etti wies zu dem Plastikzelt hinüber. »Ich wollte mich nach dem Zustand des Patienten erkundigen.«

Der Arzt geleitete sie zu dem Zelt. Zu Ettis Verwunderung öffnete er einen Magnetverschluss und zog die Bahnen ganz auseinander.

»Keine Sorge, es geht ihm wieder prächtig«, versicherte der Doktor. »Ich hatte ohnehin vor, ihn zu entlassen und wieder zur Arbeit zu schicken.«

»Was hatte er denn?«, wollte Etti wissen.

Der Arzt hob die Schultern. »Leichte Verbrennungen, wie bei einem Sonnenbrand – nichts Ernstes. Ich kann mir zwar die Ursache dafür nicht erklären, aber es geht ihm wieder prima. Ich habe ihm eine Heilsalbe aufgetragen, und er hat ein paar Stunden geschlafen.«

Etti trat an das Feldbett heran und musterte den Mann, der mit offenen Augen an die Decke starrte. Er wirkte bleich im Gesicht und sah noch gar nicht so gesund aus.

»Und was hat die Halluzinationen ausgelöst?«, fragte die Archäologin.

Wieder erntete sie ein Schulterzucken des Arztes.

Sie beugte sich zu dem Mann herunter und berührte leicht seine Schulter. Als er den Druck spürte, klärte sich sein Blick. Er blinzelte kurz und sah dann die Archäologin an.

»Wie geht es Ihnen?«, fragte sie.

»Ein wenig besser«, antwortete der Mann. »Das Brennen hat nachgelassen. Ich habe keine Schmerzen mehr.«

»Das klingt aber nicht sehr überzeugend!«

Der Arbeiter sog scharf die Luft ein und richtete sich auf seinen Ellenbogen auf. Abwechselnd blickte er vom Feldarzt zu Etti. In seinen Augen funkelte etwas Unbestimmtes, von dem Etti nicht sagen konnte, ob es Wahn oder Furcht war – vielleicht von beidem etwas.

»Sie haben nicht gesehen, was ich sah«, sagte der Mann leise.

»Was haben Sie gesehen? Was ist mit Ihnen geschehen?«

»Es war grauenhaft. Ich sah die Scharen von Finsteren, wie sie auf der Erde wüteten und den Menschen das Leben zur Hölle machten. Ich sah, wie Männer und Frauen sich anstecken ließen von dem dämonischen Treiben. Sie mordeten, sie kämpften, sie standen im Bann von Kreaturen, die jenseits unserer Vorstellungskraft liegen. Und ich sah das Licht, das über allem stand. Es stellte die Macht Gottes dar, war seine Augen, die das schändliche Treiben auf Erden beobachteten. Ich sah das Ende der Welt ...«

Der Mann sackte wieder in die Laken zurück und starrte zur Zeltdecke empor. Etti blickte ihn verständnislos an. Er sprach in Rätseln, und auch seine Ausdrucksweise hatte sich verändert – es war nicht mehr der Sprachgebrauch eines normalen Arbeiters gewesen, sondern der eines gebildeten Menschen.

»Wo haben Sie dies gesehen?«, drängte Etti.

»Auf meinem Arm«, erwiderte der Mann schwach. »Auf dem Brandzeichen, dem Mal eines Boten des Herrn.«

Er schloss die Augen. Sein Atem beruhigte sich, und er schien zu schlafen.

Etti richtete sich auf und wandte sich ab. Zusammen mit dem Arzt kehrte sie zu dem Schreibtisch zurück. Es war einfach unerklärlich, woher der Mann diese Wahnvorstellungen hatte. Vielleicht war er vorher schon psychisch labil gewesen, und der siedende Schmerz hatte eine Sicherung in seinem Geist durchbrennen lassen.

»Behalten Sie ihn weiter im Auge, ja?«, sagte Etti Hirshfeld. »Ich glaube, es ist noch zu früh, um ihn gesundzuschreiben. Vielleicht sollte man ihn in ein Krankenhaus überweisen.«

»Besser in eine psychiatrische Klinik«, kommentierte der Arzt.

Etti schüttelte den Kopf und drehte sich zum Ausgang des Zeltes um. Bevor sie jedoch über die Schwelle nach draußen treten konnte, hörte sie einen furchtbaren Schrei!

Abrupt fuhr sie herum und rannte zum Feldbett zurück. Der Arzt war bereits da und versuchte, den panisch um sich schlagenden Mann zu beruhigen. Er presste ihn auf die Pritsche, doch der andere gebärdete sich wie wild, bäumte sich auf und schlug den Doktor zurück.

»Schnell, in meiner Tasche«, keuchte der Arzt. »Ein Sedativ!«

Etti presste die Lippen aufeinander. Ihr Blick irrte durch das Zelt und fand die Tasche. Sie stürzte auf sie zu und hörte hinter sich unmenschliche Laute, die der Patient immer wieder brüllend ausstieß. Hektisch durchwühlte sie die Tasche und fand eine Phiole und eine Spritze. Als sie sich erneut umdrehte, hätte sie die beiden Utensilien fast fallen gelassen.

Vor Schreck schrie sie auf!

Der Arzt lag unten auf dem Bett. Über ihm hockte der Arbeiter und schlug mit Fäusten auf ihn ein. Immer wieder stieß er das scheußliche, monströse Gebrüll aus.

Etti stieß die Nadel in die Phiole und zog die Spritze auf. Während sie auf die beiden miteinander ringenden Männer zulief, drückte sie einmal kurz auf den Kolben, um jegliche Luft aus der Röhre weichen zu lassen. Als sie die beiden erreicht hatte, wurden die Zeltbahnen am Eingang beiseite gerissen. Der Leutnant und zwei seiner bewaffneten Männer stürmten ins Innere.

»Was ist hier los?«, rief er.

Etti beachtete ihn nicht. Sie hatte den Arbeiter erreicht und rammte ihm die Spritze in den Arm. Der Mann schlug heftig um sich. Sein Arm ruderte herum und traf Etti ins Gesicht. Die Wucht schleuderte sie zu Boden.

In diesem Moment waren die Soldaten heran. Einer von ihnen hatte eine Pistole gezogen und legte auf den Arbeiter an.

»Nicht!«, schrie Etti.

Der Leutnant sprang vor und presste den Schussarm seines Soldaten nach unten. Mit einem Satz war er bei dem tobenden Patienten und drückte den Stift der Spritze bis zum Anschlag durch. Das starke Beruhigungsserum schlug sofort an. Der Mann wurde schlaff und sackte in sich zusammen.

Während der Leutnant Etti auf die Beine half, zerrten die beiden Soldaten den Bewusstlosen vom Bauch des Doktors herunter. Dieser sah ziemlich übel zugerichtet aus. Sein Gesicht war ganz blau geschlagen und ein Auge so stark zugeschwollen, dass er dadurch nichts mehr sehen konnte.

Etti ging zum Kühlschrank und füllte Eiswürfel in einen Beutel, den sie dem Arzt reichte.

»Ich verlange eine Erklärung!«, forderte der Leutnant, nachdem sich die Lage wieder beruhigt hatte.

Etti wollte gerade ansetzen, als einer der beiden Soldaten keuchte und auf den Bewusstlosen deutete, den sie zuvor auf eines der anderen Feldbetten gelegt hatten. Grenzenloser Schrecken zeichnete sich in den Gesichtern der Umstehenden ab, als sie das unglaubliche Schauspiel mitverfolgten. Der Bewusstlose lag auf dem Rücken. Seine Haut zerfiel vor den Augen der anderen. Immer matter, immer brüchiger wurde sein Gesicht, so als würde ihm in Sekunden von innen her jegliche Flüssigkeit aus dem Körper gesogen. Die Augen fielen ein, der Körper verschrumpelte wie in einem Zeitraffereffekt, bis nur noch ein blank geschältes Gerippe dalag.

Etti Hirshfeld stöhnte laut auf. Sie taumelte und wurde von einem Schwindelgefühl überrascht. Haltlos lief sie aus dem Zelt und übergab sich draußen. Einer der beiden Soldaten tat es ihr gleich, und so bekamen die beiden nicht mehr das Unfassbare mit.

Mit einem dumpfen Knall barst das Skelett des Toten auseinander. Vollkommen pulverisiert lagen die Überreste des Mannes auf dem Bett, und ein erbärmlicher Gestank machte sich in dem Zelt breit.

Es roch nach Tod!

Der Arzt und der zweite Soldat hielten sich die Hände vor den Mund und rannten aus dem Zelt. Was immer da drinnen geschehen war, es ging nicht mit rechten Dingen zu. Kein Virus der Welt konnte einen solchen Effekt hervorrufen!

Mittlerweile hatten sich auch andere Arbeiter um das Zelt versammelt, nachdem sie die unmenschlichen Schreie gehört hatten. Collins war unter ihnen. Der Archäologe ging zu Etti Hirshfeld hinüber und packte die Frau bei den Schultern.

»Was ist da drin geschehen?«, herrschte er sie an.

Sie wischte sich die Mundwinkel sauber.

»Das glauben Sie mir doch nicht!«, schnappte sie, woraufhin Collins sich ob des schlechten Atems angeekelt abwandte.

Der Leutnant hatte sich inzwischen wieder gefasst. Er gab Befehle an seine Männer, die dafür sorgen sollten, dass vorerst alle Ausgrabungen eingestellt wurden. Über sein Feldtelefon erreichte er sein Hauptquartier und forderte direkte Unterstützung vom Seuchenzentrum an.

Keine zwei Stunden darauf landeten drei Großraumhelikopter im Wüstensand und spien eine Truppe Virologen in hermetisch abgeriegelten Schutzanzügen aus. Die Männer und Frauen wirkten auf den ersten Blick, als seien sie nicht von dieser Welt. Sie verfielen in ein hektisches Treiben und bauten binnen weniger Minuten ein aufblasbares Druckzelt auf, in dem sie einige Tests durchführen wollten.

Jeder der Anwesenden des Camps musste eine Blutprobe abgeben, die innerhalb des Druckzeltes peinlich genau untersucht wurde. Es wurden Luft- und Bodenproben genommen, nur an den Kokon wagte sich bisher niemand heran.

Die Sonne versank bereits hinter dem Horizont, als einer der Virologen aufatmend verkündete, dass keinerlei Virusinfektion vorlag. Was immer den Arbeiter getötet hatte, musste anderer Natur sein und würde wahrscheinlich erst klassifiziert werden können, wenn der Kokon eingehend untersucht worden war.

Etti war einigermaßen erleichtert. Sie hatte sich in den letzten Stunden schon ein ähnliches Schicksal ausgemalt. Was sie im Zelt gesehen hatte, war der Gipfel allen Schreckens gewesen, den sie sich vorstellen konnte. Wahrscheinlich würde sie noch monatelang unter Albträumen, die diesen unheimlichen Alterungsprozess verbildlichten, leiden.

»Alles in Ordnung?«, fragte Collins, der sich nun zu Etti gesellte und ihr einen Becher mit dampfendem Kaffee unter die Nase hielt.

Dankbar nahm die junge Archäologin den Becher entgegen und nippte daran.

»Es geht wieder ... aber ich werde diesen Anblick nie in meinem Leben vergessen. Es war einfach furchtbar. In wenigen Sekunden war seine ganze Haut vertrocknet und schälte sich von seinem Körper ab. Ich konnte die Organe sehen, die ebenfalls ohne jegliche Flüssigkeit waren und einfach trocken und spröde in sich zusammenfielen, bis nur noch das Skelett ...«

Etti würgte erneut, hielt sich jedoch im Zaum.

Beruhigend legte Jeremy Collins einen Arm um seine Kollegin. »Denken Sie nicht daran. Es ist vorbei.«