Arnulf Krause

Die Wikinger umzingeln Europa

Campus Verlag
Frankfurt/New York

Über das Buch

Ganz Europa fürchtete sich vor den kaltblütigen, plündernden Wikingern. Angezogen durch die Schätze des europäischen Festlandes drangen sie nach und nach weiter vor und lösten verlustreiche Kämpfe aus. Es wurde brutal niedergemetzelt und dabei machten die heidnischen Nordgermanen keinen Halt vor den heiligen Orten der Christen. Zahlreiche Klöster wurden entweiht und die Bevölkerung konnte der Vernichtung ihrer Städte und dem Gemetzel nur hilflos zusehen.

Dieses E-Book ist Teil der digitalen Reihe »Campus Kaleidoskop«. Erfahren Sie mehr auf www.campus.de/kaleidoskop

Über den Autor

Arnulf Krause

Arnulf Krause ist promovierter Germanist und Skandinavist, erfolgreicher Sachbuchautor und Experte für germanische Heldensagen und die Dichtung der Edda. Er lehrt als Honorarprofessor am Institut für Germanistik, vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft der Universität Bonn. Bei Campus erschienen von Arnulf Krause bisher »Die Geschichte der Germanen« (2002, 2005), »Die Welt der Kelten« (2004, 2007) und »Die Wikinger« (2006). Seit 2013 erscheinen seine Texte in der E-Book-Reihe »Campus Kaleidoskop«.

Inhalt

Auf der Suche nach Reichtümern

Das Frankenreich und die Piraten aus dem Norden

Kaiser Karl richtet sein Auge auf Dänemark

Beliebte Ziele im zerfallenden Frankenreich: Handelsorte und Klöster

Dorestad und die Folgen

Die Wikinger auf Seine, Loire und Elbe

Dänen in Aachen, Franken in Dänemark

Wikinger nach der Taufe: Christen?

Die große Fahrt ins Mittelmeer

Die Wikinger im Rheinland

Der Kampf um Paris

Die Heldentaten des Grafen Odo von Paris

Die fränkischen Herrscher wehren sich

Die Schlacht von Löwen und ihre Folgen

Auf den Spuren der Wikinger zwischen Rhein und Atlantik

Das Alltagsleben der Wikinger

Campus Kaleidoskop

Impressum

Auf der Suche nach Reichtümern

Das Frankenreich und die Piraten aus dem Norden

Im Gegensatz zu den machtpolitisch zersplitterten Britischen Inseln erlebte das Reich der Franken um das Jahr 800 den Höhepunkt seiner Geschichte. Den karolingischen Herrscher Karl krönte der Papst in Rom zum Imperator, zum Kaiser. Damit folgte dieser den Traditionen des ruhmreichen Römischen Imperiums und erkannte den Anspruch des Kaisers in Konstantinopel, dessen einziger legitimer Nachfolger zu sein, nicht mehr an. Karls Frankenreich sollte die Wiedergeburt des Imperium Romanum sein, seine Lieblingsresidenz Aachen wollte er zum zweiten Rom ausbauen. Bis heute erinnert daran das Oktogon seiner Pfalzkapelle, die als Teil des Aachener Domes 1200 Jahre überdauert hat. Sie birgt den authentischen Thron des Kaisers, der dessen Herrschaftsanspruch auf das Abendland symbolisierte. Karl der Große, der von 768 bis 814 regierte, wurde bereits von Zeitgenossen als Pater Europae bezeichnet, als »Vater Europas«.

Karls Reich erstreckte sich über Romanen und Germanen, über unzählige Stämme und Völkerschaften zwischen Nordsee und Mittelmeer, von der Donau bis zum Atlantik. Der fränkische König und spätere Kaiser regierte zumeist als ausgesprochener Kriegsherrscher – er unterwarf die germanisch-stämmigen Langobarden in Norditalien, setzte den unbotmäßigen Herzog der Baiern ab und kämpfte über drei Jahrzehnte mit den heidnischen Sachsen, die im heutigen Westfalen und in Niedersachsen lebten. Wenige Jahre nach seiner Kaiserkrönung 800 brach deren letzter Widerstand zusammen, das Sachsenland wurde Teil des Fränkischen Reiches. Seine Bewohner mussten den alten Göttern abschwören. Das Land wurde zusehends durch Kirchen, Klöster und kaiserliche Pfalzen erschlossen und kontrolliert. Dem gläubigen Christen Karl galt die Missionierung der Heiden als tiefstes Anliegen und er schreckte nicht davor zurück, das Christentum mit Feuer und Schwert zu verbreiten.

Mit der Unterwerfung der Sachsen gelangten Karls Soldaten bis über die Elbe hinaus nach Schleswig-Holstein und näherten sich somit der dänischen Grenze, die das Danewerk schützte. In Aachen wusste man sehr wohl von diesem noch heidnischen nordgermanischen Volk, wie Karls Vertrauter und späterer Biograf Einhard als Zeitzeuge verdeutlicht. Nach seinen Worten bekam der Sachsenherzog Widukind, Karls bedeutendster Gegenspieler, des Öfteren dort Asyl gewährt. Andererseits tauchten mit der fortschreitenden Eroberung Norddeutschlands durch die Franken immer häufiger dänische Gesandte in von Karl abgehaltenen Versammlungen auf. Aber was bedeuteten diese unzivilisierten Heiden schon einem Herrscher, der mit dem Kalifen Harun al-Raschid von Bagdad Botschaften und Geschenke austauschte und sich anschickte, dem Kaiser von Konstantinopel Konkurrenz zu machen!

Die dänischen Häuptlinge sahen dies naturgemäß anders. Zu Zeiten Karls hatte sich unter ihnen ein Godfrid als König etabliert. Er erkannte zweifellos die Gefahr, die vom fränkischen Expansionsstreben ausging – der sächsische Flüchtling Widukind war ihm kein Unbekannter. Doch wie viele skandinavische Herrscher vor ihm nahm er sich das mächtige Königtum der Franken zum Vorbild; gerade Karls Audienzen in den prächtigen neu erbauten Pfalzen kündeten von Macht und Reichtum. Gern hätte es ihm der Däne gleichgetan, zumal er südlich des Danewerks Land und Einfluss zu gewinnen suchte. In Schleswig-Holstein und dem westlichen Mecklenburg siedelten damals Teile der Sachsen neben den Slawenstämmen der Wilzen und Abodriten. Die Franken zeigten ihre Präsenz, indem sie die Letztgenannten zu ihren Verbündeten machten – wobei sie deren Heidentum anscheinend nicht weiter störte.

Kaiser Karl richtet sein Auge auf Dänemark

Im Jahre 808 unternahm König Godfrid einen Kriegszug gegen die Abodriten, wodurch er deren fränkische Schutzmacht eindeutig provozierte. Prompt entsandte Kaiser Karl seinen Sohn mit starken Verbänden von Franken und Sachsen an die Elbe. Die Dänen verheerten unterdessen das Land der Abodriten, wo Godfrid einen Häuptling vertrieb und einen anderen an den Galgen hängen ließ. Viele Slawen mussten sich zu Abgaben bereit erklären. Trotz dieser Erfolge kehrte Godfrid mit seinen Kriegern nach Dänemark zurück, weil das Heer erhebliche Verluste erlitten hatte und er den Tod seines Sohnes beklagen musste. Derweil setzten die frankosächsischen Truppen über die Elbe und heerten bei einigen kleineren Stämmen, die sich König Godfrid angeschlossen hatten. Gegen das größere Slawenvolk der Wilzen scheinen sie allerdings nichts unternommen zu haben, obwohl diese als enge Verbündete der Dänen galten.

Bevor der dänische König den Rückzug antrat, fällte er eine zukunftsträchtige Entscheidung. In der Nähe des heutigen Wismar ließ er einen an der Küste gelegenen Handelsplatz namens Reric in Schutt und Asche legen. Die Kaufleute nötigte er, ihn per Schiff nach dem Hafen Sliesthorp (Schleswig) zu begleiten und sich dort niederzulassen. Dies sollte die Geburtsstunde Haithabus werden – eines der bedeutendsten Handelsorte Nordeuropas. Der Dänenkönig wusste natürlich, dass die Kontrolle über einen derartigen Platz ihm reiche Abgaben bescherte, somit seinen Reichtum und seine Macht stärkte. Um den Ort vor den feindlichen Abodriten und ihren fränkischen Schutzherren abzuschotten, ließ er den alten Befestigungswall des Danewerk verstärken.