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Klaus Möckel

Der Löwe in der Gangsterburg

Abenteuer Zauberlöwe, Teil 3

ISBN 978-3-86394-178-9 (E-Book)

 

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

 

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Zwei gefährliche Hunde

Florian strampelte um sein Leben. Er trat ins Pedal, dass man Angst haben musste, es würde sich verbiegen oder die Kette vom Zahnrad springen. Der Sand knirschte, und die Steine auf dem holprigen Weg spritzten zur Seite. Dennoch kam er viel zu langsam voran. Langsamer jedenfalls als die beiden Hunde hinter ihm. Mit der kleinen schwarzen Töle wäre er ja noch fertig geworden, aber die Bulldogge konnte er unmöglich in Schach halten. Fast spürte er schon ihre scharfen Zähne im Po. Wenn er wenigstens einen Knüppel gehabt hätte!

Da waren die Eisenbahnschienen, aber kein Zug nahte, um sich zwischen ihn und seine Verfolger zu schieben, wie man das oft in Filmen sah. Obwohl es inzwischen bergab ging, wurde Florian wegen einiger enger Kurven eher langsamer. Rechts ein breiter Bach, beinahe schon ein kleiner Fluss. Die Dogge war bereits ziemlich nahe und die Kerle weiter hinten dachten gar nicht daran, sie zurückzupfeifen. Wahrscheinlich ein Kampfhund, fürs Zupacken abgerichtet. Schreckliche Bilder schossen dem Jungen durch den Kopf.

Keine Brücke über den Bach, vielleicht war das seine Chance. Florian sprang vom Rad. Einen Augenblick lang dachte er daran es mitzunehmen, aber schon hetzten die Köter heran und er ließ es lieber los. Rettete sich mit einem Sprung ins Wasser, das nicht sehr tief war, ihm nur bis zum Bauch reichte. Tauchte ein, kam wieder hoch, watete hastig aufs andere Ufer zu. Doch auch die Dogge sprang in den Bach. Der kleine Hund dagegen blieb am Ufer stehen, laut kläffend, er hatte offenbar keine Lust auf ein Bad.

Florian begriff, dass er der Dogge selbst hier nicht so leicht entkommen konnte. Er wollte aber wenigstens Widerstand leisten, drehte sich um und schwappte dem geifernden Vieh einen Schwall Wasser in die Schnauze. Ein Wunder geschah: Der Hund kam aus dem Konzept. Er paddelte verzweifelt, spuckte und hustete, versuchte vergeblich zuzuschnappen. Bei der nächsten vollen Salve gab er bereits auf, kehrte ans Ufer zurück.

Der Junge wartete nicht ab, bis die Dogge einen zweiten Angriff startete, sondern watete zur anderen Seite hinüber und erklomm den dortigen Hang. Er war pudelnass, aber die Sonne brannte vom Himmel und er schien erst einmal gerettet. Schlimm war nur, dass er sein Fahrrad hatte im Stich lassen müssen. Zumal nun die zwei Kerle angerannt kamen, denen die Hunde gehörten. Oder nein, der eine mit kurzem, blau gefärbtem Haar erwies sich als Mädchen. Was an der Sachlage nichts änderte.

"Hau bloß ab, du kleiner Schnüffler", schrie sie, "lass dich nicht wieder hier blicken!"

Das Wort Schnüffler war ungerecht und falsch. Rein zufällig war Florian auf die Waldlichtung und den alten Wohnwagen gestoßen, für den keiner zuständig zu sein schien. Er hatte ihn ein bisschen untersuchen wollen und die beiden wohl gestört, er konnte sich jetzt auch denken, wobei. Aber mussten sie deshalb gleich ihre Köter auf ihn hetzen?

Florian verzichtete auf eine Antwort. Die beiden waren viel älter als er, fast schon erwachsen und bestimmt nicht an einer fairen Diskussion interessiert. Als der Mann freilich das Rad aufhob und damit herumzukurven begann, konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Er brüllte:

"Lassen Sie es liegen, das ist mein Renner!"

"Renner? Die Klappermühle? Hol sie dir doch, wenn es deine ist, komm rüber. Hasso freut sich schon auf dich." Der Kerl, der an den Armen kunstvoll tätowiert war, tätschelte den Vierbeiner.

"Das Rad ist requiriert", rief das Mädchen. "Das können wir gut gebrauchen."

"Nein, es ist meins."

Die Hunde, die zwischendurch einigermaßen Ruhe gehalten hatten, fühlten sich durch das Rededuell angeregt und kläfften erneut los.

"Seid still", fuhr der Tätowierte sie an. Über den Bach herüber rief er: "Hau jetzt ab, du Zwerg, sonst überleg ich mir's und hol dich doch noch."

Was konnte Florian tun? Er sah ein, dass er im Moment gegen die beiden nicht ankam und zog etwas zögernd ab. Ja, wenn er sein Zauber-Ei dabei gehabt hätte, mit dem er seinen Löwen mit dem sonderbaren Namen Rex-kun heranholen konnte! Dann wäre die Lage ganz anders - er malte sich aus, wie die Angeber da drüben samt ihren Kötern Reißaus nehmen würden. Aber er hatte das technische Wunderding leider bei Mareike gelassen. Übrigens würde seine Freundin bestimmt schon auf ihn warten.

Mareike saß ein Stück hügelan im Gras, sie hatte zwar das Gekläffe gehört, aber sonst nichts von den Ereignissen mitgekriegt. Das lag an den Hecken und Bäumen, die hier überall wuchsen. Außerdem führte hinter dem Hügel eine Straße vorbei und die Fahrzeuge machten einen Riesenkrach.

"Wo bleibst du denn so lange", fragte das Mädchen, "hast du die Cola mit? Ich hab mächtigen Durst."

"Richtig, die beiden Cola-Büchsen! Bedauerlicherweise waren sie gleichfalls eine Beute seiner Verfolger geworden. Florian hatte sie nach den Hunden geschleudert, leider ohne zu treffen. Dabei war er nur der Getränke wegen zum Zeltplatz gefahren, wo es einen Kiosk gab. Es wäre ja auch alles glatt gegangen, wenn er nicht den blöden Wohnwagen entdeckt hätte.

"Hoffentlich fahren sie das Rad nicht gleich in Klump", sagte Florian, nachdem er die Einzelheiten geschildert hatte. "Wir müssen es schnell zurückholen."

"Aber die Ausstellung hat nur bis fünf geöffnet."

"Es ist erst zwei", erwiderte Florian, "das schaffen wir spielend."

Sie wollten zur Burg, wo es eine Ausstellung über das Mittelalter gab: Ritterrüstungen und alte Waffen. Florian war schon mit der Klasse dort gewesen, aber Mareike hatte sie wegen einer fiebrigen Erkältung verpasst. Eine Erkältung mitten im Sommer, das konnte wirklich nur ihr passieren!

"Dann werden wir jetzt also den Löwen rufen", sagte das Mädchen.

"Klar. Wie sollen wir uns sonst die Köter vom Leib halten?"

Mareike kramte das Tamagotchi aus der Hosentasche, das technische Wunderding, doch in diesem Augenblick tauchte zwischen den Hecken eine Frau auf. Würde sie den Löwen bemerken, ginge ein Riesengeschrei los!

"Gib her, wir holen Rex raus, wenn wir am Bach sind", murmelte Florian. "Ist sowieso besser."

Er hatte sich gar nicht erst gesetzt, und Mareike, die aufgesprungen war, gab ihm das Ei. Sie sagte aber:

"Blöde ist es trotzdem, dass wir umkehren sollen. Warum musstest du in dem Wohnwagen stöbern?"

"Der sah verlassen und echt geheimnisvoll aus", erwiderte Florian, denn er wusste, dass seine Freundin gegen diese Erklärung kein Argument hatte. Geheimnisse liebte sie über alle Maßen. Sie war's, die ihm früher oft von Träumen erzählt hatte, in denen es Feen und Zauberer gab. Außerdem war ihre Mutter Bildhauerin, und die Kunst hat ja auch etwas Rätselhaftes. Ob die Mutter nun Menschen-, Tier- oder andere Figuren schuf - immer schauten sie einen an wie verwunschen, schienen in Bewegung zu sein, obwohl sie fest auf ihrem Sockel ruhten.

Das Rätselhafteste aber war die Geschichte mit Rex, den man mit einer bestimmten Tastenkombination aus dem Plastik-Ei holen konnte. Als er zum ersten Mal leibhaftig vor Florian gestanden hatte, traute der seinen Augen nicht. Er war furchtbar erschrocken und versuchte wegzulaufen. Dann hatte der Löwe auch noch zu sprechen angefangen, und Florian war aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen. Dass man Rex-kun (ursprünglich hatten sie angenommen, das Tier auf dem Display sei ein Hund) wieder ins Tamagotchi zurückschicken konnte, war ein weiteres Wunder. Florian hielt es zwar hauptsächlich für eine geniale technische Leistung - er hätte sich gern mit den Konstrukteuren unterhalten, die den winzigen Computer im Innern des Eis geschaffen hatten - aber im Grunde wusste er, dass es keine normale Erklärung gab. Man konnte die Sache nur hinnehmen und sich darüber freuen. Denn Rex war nicht bloß sein und Mareikes Freund. Durch seine mächtige Gestalt, seine prächtige Mähne und sein scharfes Gebiss war er zugleich ihr bester Beschützer.

Mareike schnappte ihr Rad und sie rannten hinunter zum Bach. Da sie nicht auch noch ihre Sachen nass machen wollte, suchten sie eine Brücke. Die Zeit, die sie durch diesen Umweg verloren, sparten sie wieder ein, indem sie querfeldein liefen.

In dem Wäldchen mit dem Wohnwagen riefen sie den Löwen. Zu diesem Zweck drückte Florian die Knöpfe drei, eins, vier auf dem Tamagotchi und sofort zuckte ein grünlicher Blitz auf. Die Raubkatze stand in voller Größe vor ihnen.

"Wo sind wir hier?", fragte sie.

"In der Nähe des Zeltplatzes", erwiderte Florian. "Ein Pärchen mit zwei Hunden hat mir mein Fahrrad weggenommen. Wir brauchen deine Hilfe."

"Ich dachte, wir würden ein bisschen spielen", murrte Rex enttäuscht.

"Das machen wir hinterher. Erst die Arbeit."

Obwohl der Löwe demjenigen gehorchen musste, der ihn gerufen hatte, stellte er gern seine Fragen. Zumal ihn mit den beiden Kindern inzwischen eine echte Freundschaft verband. Auch jetzt ließ er sich die Vorgänge, die zum Verlust des Rades geführt hatten, genau erklären.

"Na los, bringen wir's hinter uns", sagte er dann und setzte sich in Trab.

Sie erreichten den Weg, der zur Lichtung führte, und gleich darauf die Lichtung selbst. Durchs Buschwerk sahen sie das Mädchen mit den blauen Haaren vor dem alten Wohnwagen sitzen. Sie fläzte in einem Campingstuhl und versuchte Rauchkringel in die Luft zu blasen. Von dem Mann mit den beiden Hunden keine Spur. Auch das Rad war nicht zu entdecken.

"Tasten wir uns noch ein Stück ran", flüsterte Florian den Freunden zu.

Sie schlichen um die Lichtung herum und waren nun ganz nahe am Wohnwagen. Aus dem gegenüberliegenden Waldstück ertönte Gebell. Wahrscheinlich hielt sich der Kerl mit den Kötern dort auf.

"Bleibt hier, ich versuch's noch mal im Guten", murmelte Florian.

"So wie du die beiden schilderst, hat das doch gar keinen Zweck", wandte Mareike ein.

"Stimmt, aber du weißt ja: Rex-kuns Einsatz nur im absoluten Notfall!"

"Okay", sagte Mareike. Sie hatten ihre Erfahrungen. Es gab immer eine Menge Wirbel, wenn der Löwe in freier Natur gesichtet wurde.

Die beiden blieben in Deckung, und Florian betrat die Lichtung. Verblüfft blickte die Blauhaarige auf.

"Du bist es? Du Hänfling traust dich hierher?" Vor Erstaunen fiel ihr die Zigarette aus der Hand.

"Sie müssen die Kippe austreten, sonst gibt's einen Waldbrand", sagte Florian höflich.

"Jetzt kommt er mir auch noch mit Ratschlägen. Du bist wirklich nicht mehr zu retten." Trotz ihrer spöttischen Worte trat sie die Kippe aus.

"Ich bin wegen meinem Rad hier. Ich brauche es zurück."

"Sonst kriegst du Haue von Papi, stimmt's? Aber die Mühle hat Karsten. Hättst du nicht hier rumgeschnüffelt ..."

Florian unterbrach sie.

"Es tut mir leid, dass ich Sie vorhin gestört habe. Ich dachte, der Wohnwagen gehört keinem."

"So, dachtest du. Das kann jeder behaupten. Wie auch immer, ich hab dir schon vorhin erklärt, dass dein Rad requiriert ist. Wenn ich dir einen guten Rat geben darf, hau ab, bevor mein Freund zurückkommt."

Hinter den Büschen hervor ertönte die Stimme des Löwen:

"Was heißt das, requi...riert?" Rex hatte gute Ohren und wenn er ein Wort nicht kannte, war es fast unmöglich, ihn am Fragen zu hindern.

Das Mädchen sprang auf und versuchte mit ihren Blicken das Buschwerk zu durchdringen.

"Ach so", rief sie, "du hast dir Verstärkung mitgebracht. Deinen großen Bruder, was? Deshalb bist du so mutig." Dann brüllte sie: "Karsten, Hilfe, hier will jemand was von uns!"

Es nützte nichts, Rex-kun musste eingreifen. Zusammen mit Mareike trat er ruhig aus dem Gebüsch.

Das Mädchen wurde aschfahl und wich einen Schritt zurück. Dabei stolperte sie über den Campingstuhl, wäre beinahe hingefallen. Sie stammelte:

"W... was ist das?"

"Ein Löwe", erwiderte Mareike wahrheitsgemäß, "er tut Ihnen nichts, wenn Sie uns das Rad zurückgeben."

Von der anderen Seite der Lichtung her kamen die Hunde angeprescht. Der Tätowierte, der den Hilferuf seiner Freundin gehört hatte, raste mit Florians Rad heran.

Rex-kun stellte sich vor die Kinder und fauchte leise. Das genügte, um den schwarzen Köter mitten im Lauf zu stoppen. Er überschlug sich, so jäh bremste er. Die Dogge dagegen konnte oder wollte nicht bremsen und sauste weiter auf Rex zu. Mit Todesmut gewissermaßen. Ein kleiner Tatzenhieb schleuderte sie zur Seite.

Dem Tätowierten gelang es anzuhalten, ohne zu stürzen, was bei seinem Tempo eine Leistung war.

" Wo kommt auf einmal ... das ist doch ..." Schockiert ließ er das Rad los.

Den Hunden war nicht viel geschehen. Sie verdrückten sich winselnd und mit eingezogenem Schwanz hinter dem Bungalow.

Mareike vollendete Karstens Satz:

"Ein Löwe, Sie sehen das ganz richtig. Aber ich hab's schon Ihrer Freundin erklärt. Er tut Ihnen nichts, wenn Sie sich ruhig verhalten und uns das Rad zurückgeben."

"Habt ihr den aus einem ZZoo?", stotterte der Tätowierte.

"Nein, er stammt aus meinem Tamagotchi." Florian konnte das ohne jedes Risiko verraten. Die beiden würden es sowieso nicht glauben.

"Mit so was spaßt man nicht. Ihr habt ihn noch nicht mal an der Leine."

Mareike musste laut lachen. Einen Löwen an der Leine führen. Als wenn sie den halten könnten!

Die Blauhaarige kreischte:

"Hast du nicht gehört, sie wollen das Rad. Nun mach schon, gib es ihnen."

"Klar, d... das Rad". Karsten wich vorsichtig in Richtung Wohnwagen zurück. "Nimm's dir ruhig, hier liegt es. Wir wo... wollten's nicht ernstlich behalten."

"Haben Sie was kaputt gemacht?", fragte Florian.

"Nein, alles okay. Ein bisschen Schmutz. Wenn ihr das Vieh wegnehmt, wisch ich ihn ab."

Der Löwe fauchte erneut, er empfand das Wort Vieh als Beleidigung. Aber Mareike streichelte ihn besänftigend und Florian sagte:

"Lass gut sein, Rex, er weiß es nicht besser. Bleib hier bei Mareike, du brauchst dich über die beiden nicht aufzuregen." Dann ging er zu seinem Rad und begutachtete es. Das mit dem Schmutz hielt sich in Grenzen. "In Ordnung", verkündete er, "scheint noch alles zu funktionieren. Wir können jetzt wieder los. Ich denke, die hetzen ihre Hunde nicht ein zweites Mal auf mich."

Ein geheimnissvoller Tunnel

Auf dem Rückweg fand Florian eine der Cola-Büchsen wieder, die er bei seiner Flucht nach den Hunden geworfen hatte. Er nahm einen großen Schluck und überließ den Rest Mareike, die mehr Durst hatte als er. Die zweite Büchse suchte er vergeblich. Entweder lag sie tief im Gebüsch, oder der Tätowierte und seine Freundin hatten sie gefunden.

"Wir waren blöde, wir hätten den beiden eine Geldstrafe aufbrummen sollen", sagte der Junge.

"Was denn für eine Geldstrafe?", fragte Mareike. "Wir sind doch keine Polizisten."

"Trotzdem, sie haben mich geschädigt. Von der Knete hätten wir zum Beispiel den Eintritt in die Ausstellung bezahlen können."

"Na ja, mir ist es eigentlich so lieber", erwiderte Mareike.

Wie auch immer, sie mussten die drei Mark, die es pro Kind kostete, von ihrem Taschengeld abzweigen. Den Löwen schickten sie ins Tamagotchi zurück. Er hätte sich sowieso kaum für die alten Ritter interessiert.

Die Burg erhob sich auf einem felsigen Hügel und war zum Teil nur noch eine Ruine. Der Turm und die Gebäude hinten waren baufällig, dort war alles abgesperrt. Vorn dagegen hatte man einiges renoviert, vor allem die Mauer mit dem Tor, den großen Rittersaal und etliche Gemächer. In diesen Räumen fand die Ausstellung statt. Nachdem die Kinder an der Kasse bezahlt hatten, überquerten sie einen altertümlich gepflasterten Hof, stiegen ein paar Stufen hinauf und stießen schon am Saaleingang auf einen kunstvoll nachgebildeten Ritter in blecherner Rüstung. Er war nicht sehr groß und Florian erklärte seiner Freundin, was er im Unterricht erfahren hatte: dass die Leute damals viel kleiner gewesen waren als heute. Um so mehr mussten sie an all dem Eisenzeug geschleppt haben, das sie mit sich herumtrugen.

Im Saal selbst, der sehr hoch und etwas finster dalag, saßen an einem langen Holztisch weitere Ritter, wenn auch ohne Rüstung. Zinngeschirr stand auf der Tafel, man sah Becher, Teller, große Platten und Schüsseln. Man konnte sich so richtig vorstellen, wie die Alten reingehauen hatten. An den Wänden waren Bänke aufgestellt, mächtige Truhen und ein Klotz von Eichenschrank.

"Da hatten sie ihre Schätze drin", flüsterte Florian, der an diesem Ort nicht laut zu sprechen wagte, obgleich sie im Moment die einzigen Besucher waren.

Mareike nickte und fügte hinzu:

"Und die kostbaren Stoffe für ihre Frauen."

Es gab noch mehr zu sehen, besonders in den anderen Räumen: Schilde aller Art, Schwerter, Lanzen, Spieße und ähnliches Mordwerkzeug. Möbel, zum Teil kunstvoll geschnitzt, zum Teil grob gezimmert, waren gleichfalls da, außerdem Teppiche und  mit Gold oder Silber bestickte Gewänder. Leider waren die Kinder so spät dran, dass sie überall nur kurz bleiben konnten, und urplötzlich taten Mareike gewaltig die Beine weh. Das Hin und Her mit den Rädern und der lange steile Weg zum Burgtor hatten sie kolossal geschafft.

"Fahren wir nach Hause", sagte Florian, "hier wird sowieso gleich zugemacht."

Sie kehrten zu ihren Rädern zurück, die sie vor dem Tor an der Burgmauer abgestellt und angeschlossen hatten. Mareike setzte sich auf einen Stein.

"Ich muss mich erst mal ausruhn."

"Gut", erwiderte Florian, "inzwischen sehe ich mich ein bisschen um."

"Aber bleib nicht so lange wie vorhin."

"Hier gibt's ja keine alten Wohnwagen", sagte der Junge.

Ihn interessierte der Turm, zu dem außen, am Fuß der Burgmauer, ein Trampelpfad führte. Kein Mensch war in der Nähe, und so holte er den Löwen aus dem Ei.

"Komm mit, wir wollen was erkunden."

Der Hang unterhalb der Mauer war mit Dornengesträuch bestückt, auch Felsbrocken lagen herum. Nachdem Florian ein Stück dem Pfad gefolgt war, stand er vor einem großen Schild mit der Aufschrift:

 

Achtung, Einsturzgefahr!

Unbefugten ist es bei Strafe

untersagt, das Gelände

zu betreten!