Die Unfallversicherung in der betrieblichen Praxis
Horst Marburger,
Oberverwaltungsrat (AT) a. D.
3., vollständig überarbeitete Auflage, 2016
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3. Auflage, 2016
ISBN 978-3-415-05689-3
E-ISBN 978-3-415-05846-0
© 1997 Richard Boorberg Verlag
E-Book-Umsetzung: Konvertus
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Die Schriftenreihe DAS RECHT DER WIRTSCHAFT (RdW) ist Teil des gleichnamigen Sammelwerks, einer Kombination aus Buch und Zeitschrift: Zweimal monatlich erscheinen Kurzberichte, die auf jeweils 48 Seiten über aktuelle Rechts- und Steuerfragen informieren. Jährlich erscheinen zusätzlich acht Bücher zu Themen der aktuellen Rechtslage.
Verantwortlich: Klaus Krohn, Assessor
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Abkürzungen
Das Wichtigste in Kürze
I.Die Unfallversicherung als Teil der Sozialversicherung
II.Versicherungspflicht und Freiwillige Versicherung
1.Grundsätze
2.Pflichtversicherte kraft Gesetzes
3.Versicherung kraft Satzung
4.Versicherungsfreiheit und Befreiung auf Antrag
5.Freiwillige Versicherung
III.Versicherungsfälle
6.Allgemeines
7.Arbeitsunfälle
8.Wegeunfälle
9.Berufskrankheiten
10.Mittelbare Folgen eines Versicherungsfalles
IV.Leistungen
11.Einteilung
12.Prävention
13.Heilbehandlung
14.Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
15.Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und ergänzende Leistungen
16.Leistungen bei Pflegebedürftigkeit
17.Geldleistungen während der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
18.Renten
19.Leistungen an Hinterbliebene
20.Mehrleistungen
21.Anpassung von Geldleistungen
22.Ausschluss oder Minderung von Leistungen
V.Haftung des Unternehmers oder anderer Personen
VI.Unfallversicherungsträger
23.Grundsätze
24.Gewerbliche Berufsgenossenschaften
25.Landwirtschaftliche Unfallversicherung
26.Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand
27.Organisation auf Bundesebene
VII.Aufbringung der Mittel
28.Beitragspflicht
29.Beitragshöhe
30.Betriebsmittel und Rücklage
31.Zusammenlegung und Teilung der Lasten – Ausgleich unter den Berufsgenossenschaften
VIII.Mitteilungs- und Auskunftspflichten von Unternehmern und Krankenkassen
IX.Bußgeld
X.Das Sozialgerichtsverfahren
Sachregister
Abs. | =Absatz |
Abschn. | =Abschnitt |
BA | =Bundesagentur für Arbeit |
BAG | =Bundesarbeitsgericht |
BArbBl | =Bundesarbeitsblatt (Zeitschrift) |
BB | =Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) |
BG | =Die Berufsgenossenschaft (Zeitschrift) |
BGB | =Bürgerliches Gesetzbuch |
BGBl. | =Bundesgesetzblatt |
BGH | =Bundesgerichtshof |
BKV | =Berufskrankheiten-Verordnung |
BSGE | =Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Band und Seite) |
BSG | =Bundessozialgericht |
BUK | =Bundesunmittelbare Unfallkassen |
BUK-NOG | =BUK-Neuorganisationsgesetz |
BVA | =Bundesversicherungsanstalt |
BVG | =Bundesversorgungsgesetz |
DAV | =Durchgangsarztverfahren |
DB | =Der Betrieb (Zeitschrift) |
DGV | =Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. |
DOK | =Die Ortskrankenkasse (Zeitschrift) |
e. V. | =eingetragener Verein |
FamRZ | =Zeitschrift für das gesamte Familienrecht |
LSG | =Landessozialgericht |
NJW | =Neue Juristische Wochenschrift |
OLG | =Oberlandesgericht |
RVO | =Reichsversicherungsordnung |
SAV | =Schwerstverletzungsartenverfahren |
SGb | =Die Sozialgerichtsbarkeit (Zeitschrift) |
SGB I | =Sozialgesetzbuch Erstes Buch (Allgemeiner Teil) |
SGB II | =Sozialgesetzbuch Zweites Buch (Grundsicherung für Arbeitsuchende) |
SGB III | =Sozialgesetzbuch Drittes Buch (Arbeitsförderung) |
SGB IV | =Sozialgesetzbuch Viertes Buch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung) |
SGB VII | =Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (Unfallversicherung) |
SGB IX | =Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) |
SGB X | =Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (Verwaltungsverfahren) |
SGB XII | =Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (Sozialhilfe) |
SGG | =Sozialgerichtsgesetz |
sog. | =sogenannte |
SozEntsch | =Soziale Entscheidungssammlung |
SozSich | =Soziale Sicherheit (Zeitschrift) |
UVMG | =Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz |
USK | =Urteilssammlung für die gesetzliche Krankenversicherung |
VAV | =Verletzungsartenverfahren |
VersR | =Versicherungsrecht (Zeitschrift) |
WzS | =Wege zur Sozialversicherung (Zeitschrift) |
▷Die gesetzliche Unfallversicherung ist ein Bestandteil der deutschen Sozialversicherung, nimmt aber nicht wie die anderen Sozialversicherungsträger am Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrages teil.
▷Allerdings sind in den Sozialversicherungsmeldungen auch Angaben zur Unfallversicherung zu machen. Dies betrifft die Abmeldungen und die Jahresmeldungen. Außerdem werden seit 1. 1.2010 die Betriebsprüfungen bei den Arbeitgebern wie bei den anderen Sozialversicherungszweigen durch die Rentenversicherungsträger durchgeführt.
▷Der versicherte Personenkreis ist so umfassend wie bei keinem anderen Sozialversicherungsträger.
▷Zu den kraft Gesetzes Pflichtversicherten gehören neben den Arbeitnehmern und den Auszubildenden auch behinderte Menschen, Arbeitslose, Kinder (z. B.) während des Schulbesuchs usw. Unternehmer und im Unternehmen mitarbeitende Ehegatten können versicherungspflichtig kraft Satzung sein.
▷Als Versicherungsfälle (Leistungsfälle) werden Arbeitsunfall und Berufskrankheit unterschieden.
▷Auch Wegeunfälle zählen zu den Arbeitsunfällen.
▷Bei mittelbaren Folgen eines Versicherungsfalles werden ebenfalls Leistungen gewährt.
▷Die gesetzliche Unfallversicherung besitzt einen umfangreichen Leistungskatalog. Dieser reicht von der Prävention über die Heilbehandlung, Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen bei Pflegebedürftigkeit, die Gewährung von Renten usw.
▷Renten der Unfallversicherung werden jährlich angepasst.
▷Die Haftung des Unternehmers gegenüber Verletzten in seinem Betrieb ist stark eingeschränkt.
▷Bei den Unfallversicherungsträgern sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften, die landwirtschaftliche Unfallversicherung sowie die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand zu unterscheiden.
▷Die Aufbringung der Mittel erfolgt durch ein Umlageverfahren. Dabei wird nachträglich der Bedarf ermittelt. In einem Gefahrtarif sind Gefahrklassen festzusetzen. Je nach Anzahl der eingetretenen Versicherungsfälle können Zuschläge auferlegt oder Nachlässe bewilligt werden.
▷Die Unternehmer haben gegenüber den Unfallversicherungsträgern umfangreiche Mitteilungs- und Auskunftspflichten.
▷Verstöße gegen Unfallverhütungsvorschriften und andere Bestimmungen werden mit einer Geldbuße geahndet.
▷Bei Klagen gegen die Unfallversicherungsträger ist die Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Dem Klageverfahren geht ein Vorverfahren voraus.
Die Sozialversicherung steht seit Jahrzehnten immer wieder im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Dabei geht es in der Regel um die Kostenexplosion im Gesundheitswesen und um die steigende Belastung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern durch Sozialversicherungsbeiträge. Die Unbezahlbarkeit der Renten bzw. die steigende Zahl von Frühverrentungen usw. gehören ebenfalls dazu.
Ein Sozialversicherungszweig unterscheidet sich hier deutlich von den anderen. Es handelt sich dabei um die gesetzliche Unfallversicherung. Sie steht im Allgemeinen nicht im Mittelpunkt öffentlichen Interesses.
Die gesetzliche Unfallversicherung arbeitet mehr im Stillen, ohne großes Aufsehen. Die maßgebenden gesetzlichen Vorschriften waren zumindest früher wesentlich konstanter als die anderen Versicherungszweige.
Dieses Bild hat sich in den letzten Jahren allerdings erheblich verändert. Es ist zu zahlreichen Fusionen zwischen Unfallversicherungsträgern gekommen. Deshalb gibt es zur Zeit nur noch neun gewerbliche Berufsgenossenschaften. Die rechtliche Grundlage stellt hier das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz – UVMG –)1 dar. Das Gesetz ist im Wesentlichen am 5. 11.2008 in Kraft getreten. Für die landwirtschaftliche Unfallversicherung ist die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau zuständig.
Aus § 4 Abs.2 Sozialgesetzbuch-Erstes Buch (SGB I) ergibt sich, dass die Unfallversicherung ein Zweig der Sozialversicherung ist. Nach dieser Vorschrift hat derjenige, der in der Sozialversicherung versichert ist, im Rahmen der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte ein Recht auf
▷die notwendigen Maßnahmen zum Schutz, zur Erhaltung, zur Besserung und zur Wiederherstellung der Gesundheit und der Leistungsfähigkeit und
▷wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit, Mutterschaft, Minderung der Erwerbsfähigkeit und Alter.
Ein Recht auf wirtschaftliche Sicherung haben auch die Hinterbliebenen eines Versicherten.
§ 22 SGB I enthält in diesem Zusammenhang eine kurzgefasste Leistungsübersicht der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach dem Recht dieses Versicherungszweiges können danach in Anspruch genommen werden:
Zuständig für die Durchführung der gesetzlichen Unfallversicherung sind die
▷gewerblichen Berufsgenossenschaften
▷die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
▷Gemeindeunfallversicherungsverbände
▷Feuerwehr-Unfallkassen
▷Eisenbahn-Unfallkasse
▷Unfallkasse Post und Telekom
▷Unfallkassen der Länder und Gemeinden
▷gemeinsame Unfallkassen für den Landes- und kommunalen Bereich
▷und die Unfallkasse des Bundes.
Der Sozialversicherungszweig „Unfallversicherung“ unterscheidet sich von den anderen Sozialversicherungszweigen in erster Linie auch dadurch, dass er nicht am Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrages teilnimmt. Die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie die zur Arbeitslosenversicherung werden durch die Krankenkassen als Träger des Gesamtsozialversicherungsbeitrages eingezogen und an die anderen Versicherungszweige abgeführt.
Die Beiträge zur Unfallversicherung werden direkt vom Arbeitgeber an den jeweiligen Unfallversicherungsträger gezahlt. Eine weitere Unterscheidung zur sonstigen Sozialversicherung besteht darin, dass die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung allein von den Arbeitgebern aufzubringen sind.
Die gesetzliche Unfallversicherung war bis zum 31. 12.1996 im Dritten Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO) geregelt. Seit 1. 1.1997 ist das Siebte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Rechtsgrundlage für die Unfallversicherung2. Das SGB VII ist in elf Kapitel unterteilt:
▷Aufgaben, versicherter Personenkreis, Versicherungsfall
▷Prävention
▷Leistungen nach Eintritt eines Versicherungsfalls
▷Haftung von Unternehmern, Unternehmensangehörigen und anderen Personen
▷Organisation
▷Aufbringung der Mittel
▷Zusammenarbeit der Unfallversicherungsträger mit anderen Leistungsträgern und ihre Beziehungen zu Dritten
▷Datenschutz
▷Bußgeldvorschriften
▷Übergangsrecht (dabei enthält das elfte durch das UVMG geschaffene Kapitel die Übergangsvorschriften zur Neuorganisation der gesetzlichen Unfallversicherung)
Die Aufgaben der Unfallversicherung werden in § 1 SGB VII beschrieben. Danach ist es Aufgabe der Unfallversicherungsträger nach Maßgabe der Vorschriften des SGB VII
▷mit allen geeigneten Mitteln Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sowie arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu verhüten
▷nach Eintritt von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten die Gesundheit und die Leistungsfähigkeit der Versicherten mit allen geeigneten Mitteln wiederherzustellen und sie oder ihre Hinterbliebenen durch Geldleistungen zu entschädigen.
Die gesetzliche Unfallversicherung hat einen sehr großen Versichertenkreis. Dieser spannt sich vom Arbeitnehmer zum Unternehmen, über Arbeitslose, Blutspender, Lebensretter usw.
Rechtsgrundlagen für Versicherungspflicht und Freiwillige Versicherung sind die §§ 2 bis 6 SGB VII.
Der versicherte Personenkreis ist wie folgt zu unterscheiden:
Die Pflichtversicherung entsteht ohne Rücksicht auf den Willen der Beteiligten. Auch in der Unfallversicherung ist § 32 Sozialgesetzbuch-Erstes Buch (SGB I) zu beachten. Danach sind privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften des SGB abweichen, nichtig.
Nach § 2 Abs. 1 SGB VII sind kraft Gesetzes versichert:
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten,
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind, wenn für das Unternehmen eine landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist,
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden,
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlichen Angegriffenen persönlich einsetzen,
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder andauernde Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,