Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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Impressum:
© 2014 Bernd Sternal
Herausgeber: Verlag Sternal Media, Gernrode
Lektorat: Dr. Detlef Schünemann
Gestaltung und Satz: Sternal Media, Gernrode
www.sternal-media.de
www.harz-urlaub.de
Umschlagsgestaltung & Abbildungen: Sternal Media
Karte S. →: Lisa Berg
1. Auflage April 2014
ISBN: 978-3-7357-7641-9
Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand, Norderstedt
Die Quellen schweigen, sind sehr spärlich oder auch schwer zu deuten. Wenig wissen wir bisher über die Besitzerlangung – Allodialbesitz – und die Besitzstrukturen der Liudolfingischen Sachsen in der Region Quedlinburg. Es gibt nur Mutmaßungen und Thesen an Hand der wenigen Quellen. Nachfolgend möchte ich meine persönliche These darlegen, die auf meinen umfangreichen Studien der Harzregion des 8. – 10. Jahrhunderts, sowie in den Jahrhunderten davor, beruht.
Der Quedlinburger Bürgermeister und Inspektor des Fürstlichen Gymnasiums, Andreas Wallmann, gibt in seinen Aufzeichnungen aus dem Jahr 1782 (auch) Auskunft über den Ho-Säken-Berg, wie er früher genannt wurde, und definiert ihn als „Hoher-Sachsen-Berg“; die einzige mir bekannte sinnvolle Ableitung. Unmittelbar nordöstlich von diesem Berg liegt Wedderstedt, westlich davon Ditfurt und südlich Quedlinburg. Das Grundwort -stedt deutet auf eine sehr alte Gründung hin, diese Gründungen werden dem aus Südschweden stammenden germanischen Stamm der Warnen zugeschrieben. Eine weitere in diese Gründungszeit fallende Siedlung war das schon lange wüste Billingstedt, zwischen Quedlinburg und Hoym, das durch das Bestimmungswort Billing eindeutig dem Geschlecht der Billinger zuzuweisen ist.
Unmittelbar unterhalb des Hösekenberges – Richtung Ditfurt – befand sich bereits in frühgeschichtlicher Zeit der einzige Bode-Übergang. Die Bode-Aue war in alter Zeit ein großes Sumpfgebiet, welches an anderen Stellen kaum zu überqueren war. Somit war auch der Standort Ditfurt schon früh von großer Bedeutung, zumal ein alter Heer- und Handelsweg über diese Furt führte. In der ersten Nennung des Ortes, um das Jahr 800 in den Aufzeichnungen des Klosters Fulda, wird der Ort „Deotfurdum“ genannt. Wallmann leitet nun das Bestimmungswort dieser Ortsbezeichnung von dem altsächsischen Wort „Thiod“ (dem Volke bei der Landversammlung) ab. Für mein Dafürhalten durchaus treffend: „Thiod oder Theod“ leitet sich außerdem von dem schon von Tacitus genannten Erdgott Tuisco ab, woraus sich auch die Theoden, die Deutschen, ableiten lassen.
Vieles deutet also darauf hin, dass diese Region Wedderstedt-Ditfurt-Hösekenberg schon in vorchristlicher Zeit im ostsächsischen Siedlungsraum eine herausgehobene Stellung einnahm. Wallmann schrieb dazu: „Ditfurt ist ferner berühmt wegen der von den Ostsachsen hier abgehaltenen Landtage (Gericht). Es stand schon im Anfange des neunten Jahrhunderts, auch wohl noch viel früher“. Weiter schrieb Wallmann: „In der älteren Zeit sind die Volksversammlungen des „Harzgau“ und noch früher, zu den Zeiten der heidnischen Sachsen, die Landesversammlungen der ostsächsischen Herren hier abgehalten worden, was zweifelsohne aus dem Namen des Berges Ho-Säken-Berg hervorgeht.“
Als die Franken die Sachsen geschlagen hatten und das nördliche Harzvorland zu christianisieren begannen, haben sie auf dem Flecken, der heute Ditfurt heißt, und wo zuvor die genannten Landtage stattfanden, eine kaiserliche Burg errichtet, die Deotfurt hieß. Wallmann schrieb dazu: „Nachdem der Kaiser Karl der Große die heidnischen Sachsen bis an die Saale und Elbe besiegt, ließ er zur Weiterführung seiner Kriege gegen die Sorben und Wenden, zwecks Herbeischaffung der Kriegsvölker und Kriegsbedarf, unter anderem auch hier eine feste, sichere und fahrbare Heerstraße durch Holzungen, Sümpfe und Moräste, woraus die ganze Gegend bestand, bauen; da auch die ganze Bode-Niederung stets unter Wasser stand um das Jahr 800. Kaiser Karls Sohn, Ludwig der Fromme, baute um 820 zur Besetzung des Passes hier die kaiserliche Residenzburg.“ Und weiter führte er aus: „Diese Burg hat Deotfurt geheißen und an der Stelle gestanden, wo jetzt das Stiftsvorwerk steht, auf einem steilen Berge gelegen und mit einer Mauer und Graben umgeben, wovon der Hohlweg und die Salzrinnen die letzten Spuren sind. Vor dem Eingange hat sie eine Vorburg oder sogenanntes Blockhaus, Wachthaus, welches zur Verteidigung mit Burgmännern besetzt war, gehabt, welches jetzt das Rathaus ist.“
Was war in der Neuzeit, und insbesondere im 18. Jahrhundert, davon noch erhalten und auf welche Quellen, die wir heute nicht mehr kennen, hat Wallmann zurückgegriffen? Wir wissen es nicht! Weiter führt er aus: „Von einem Nachfolger Ludwigs des Frommen ist auch der Spieker als Proviantmagazin angelegt worden. Der Spieker ist ungefähr 1360 als Wirtschaftshof mit einem Wohnhaus umgebaut.“ Nach Wallmann musste „um das Jahr 1000 das Blockhaus einem richtigen Bau weichen, wovon an den Ecken und Türen die Heiligenfiguren noch heute vorhanden sind.“
Wenn sich auf dem nahen Hösekenberg schon in heidnischer Zeit ein bedeutendes Heiligtum der Sachsen befand, wo auch die Landesversammlungen stattfanden, so ist davon auszugehen, dass der Hösekenberg auch in der für das frühe Mittelalter üblichen Art befestigt gewesen sein wird. Ob diese Befestigungsanlage die gesuchte Hoohseoburg war, wissen wir nicht, aber ich nehme es an. Als die Burg Deotfurt erbaut worden war, wurde es notwendig, den dortigen Gerichtsplatz zu verlegen. Das tat man wohl zum Hösekenberg hin. Heidnische Bräuche weiter dort zu zelebrieren, in unmittelbarer Nähe der fränkischen Burganlage, werden die ansässigen Sachsen sicherlich unterlassen haben.
Und die Burg auf dem Hösekenberg – wenn es die Hoohseoburg war – wurde von den Franken schon vor der Christianisierung dieser Region endgültig zerstört.
Mit dieser Hösekenburg hat sich der Historiker Hermann Goebke wie kein anderer wissenschaftlich beschäftigt. Während der Zeit des 2. Weltkrieges hat er sich in seiner Marburger Dissertation mit dem Thema Hoohseoburg auseinander gesetzt und ist zu folgendem Schluss gekommen: Nur die alte Burg auf dem Hösekenberg bei Wedderstedt kann die gesuchte Hoohseoburg sein. Leider ist H. Goebke im 2. Weltkrieg gefallen und die Veröffentlichung seiner Arbeit unterblieb. Auch hat er sich ausschließlich auf diese frühmittelalterliche Burg konzentriert; die von ihm herangezogenen Quellen analysieren auch tiefgreifend alle fränkischen Annalen.
Ein weiteres Indiz für die Bedeutung des Hösekenberges war der weithin berühmte Markt zu dessen Füßen, der etwa bis zum Dreißigjährigen Krieg dort jährlich stattfand. In Verbindung mit der Volks- und Landesversammlung, die immer zu Pfingsten abgehalten wurde, fand dieser Markt „an der Landfahrt, auf der Wiesche zu Dietforde, gegenüber dem Zoll“ statt – und das wohl schon seit dem frühen Mittelalter oder sogar noch früher. Mit der Aufgabe und Verlagerung der Versammlungen und Halsgerichte vom Hösekenberg, durch die Herzöge Ernst und Albrecht von Sachsen im Jahre 1479 nach Quedlinburg, ging jedoch die Bedeutung dieses Marktes zunehmend verloren. Wallmann schreibt von vielen Tausend Menschen, die jedes Jahr die Versammlungen, Gerichte und den Markt, der über eine Woche andauerte, besucht haben und davon, dass dieser Markt ein bedeutender Wirtschaftsfaktor war.