Anna M. Malen(ka) Radi, Achort 52/61, 5310 Mondsee
Arbeitsstand: 17.12.2014/Wullersdorf
Seelenlandschaften und soziale Prozesse
Mit dem Begriff 'sozialer Prozess' werden Elemente, Aspekte und Emotionen betrachtet. Die Autorin M. Radi und die Fotografin Birgit Gronau sind sich begegnet, weil sie einen ähnlichen Blickwinkel haben. Die Schreibende versucht, sich unterstützende und gegenläufige Tendenzen, gleichgeartete oder widerständige System- und Umweltbedingungen sowie das Handeln von Menschen und Interessengruppen innerhalb der Machtverteilung in der Verä
Ein besonderer Dank geht an Birgit Gronau, welche die Bilder gemacht hat.
Diese Arbeit widme ich unter anderem Achim von Hirschheydt:
Meinem Vater, meinem Mann und all meinen guten Freunden.
ZUGVOGEL
Zugvogel,
Deine Freunde
Sind Stürme,
Reisende
Über dem Ozean...
Sie ist in der Frühe,
Dein Sehnsuchtsflügel,
die Mitternachtssonne,
das Abendstrahlen-
Und alle Gestirne
Winken und rufen:
Sei standhaft!
Eine Hälfte deines Lebens
Ging mit ihr fort...
Zugvogel, sieh den Felsen,
die weißen Flügel
der Wiedergefundenen,
Verlorenen, Geborgenen
Über dem Seelenozean...
Derzeitiger Arbeitstitel:
Gone but not forgotten, einmal in Haft,
... für immer geprägt!
In meiner Phantasie entwickle ich einen Roman, der die Geschichte von zirka zwanzig Frauen erzählt, denen ich hier begegnet bin. Warum sie das Gesetz gebrochen haben und warum sie zu meist doch unschuldig verhaftet worden sind. Gründe zu suchen und immer alles sehr intellektuell zu rechtfertigen, bzw. auch wieder zu negieren, das ist hier der Versuch! (Hier ist noch Platzt für Briefe, die ich bekommen habe und die ich geschrieben habe!) Gefängnistagebuchnotizen, Frühlingsstimmung, Vogelgezwitscher und eine laue Prise. Ich stecke meinen Kopf in mein Tagebuch, rundum all meine Bücher und Aufzeichnungen. Finde ich einen Grund meine Geschichten aufzuschreiben?
'im Ringen der Anschauungen für den europäischen Geist und die humanitäre Gesinnung eine Tribüne zu sein' (Zitat aus den Statuten des Europa Verlages.)
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Ich sitze im Zug, vor mir die Literaturliste, bzw. ein Auszug:
Konrad Heiden: Adolf Hitler. Das Leben eines Diktators. Das Zeitalter der Verantwortungslosigkeit. Europa, Zürich 2007, ISBN 3-905811-02-2. (Vorwort zur Neuauflage 2007, über Oprecht als Verleger.)
Alexander Hildebrand: Oprecht, Emil Adolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 581 f. (Digitalisat).
Fritz Hofer, Sonja Hägeli: Oprecht, Emil. In: Zürcher Personenlexikon. 800 biographische Porträts aus zwei Jahrtausenden. Artemis Verlag, Zürich 1986.
Ute Kröger: Emil Oprecht. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 2, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 1353.
Manfred Papst: Zwei Europäer in schwieriger Zeit: Thomas Mann und sein Zürcher Verleger Emil Oprecht (1895–1952). In: Blätter der Thomas-Mann-Gesellschaft Zürich., Nr. 30. Thomas-Mann-Gesellschaft, Zürich 2002.
Peter Stahlberger: Der Zürcher Verleger Emil Oprecht und die deutsche politische Emigration, 1933–1945. Europa-Verlag, Zürich 1970.
Dr. Emil Oprecht. In: Biographisches Lexikon verstorbener Schweizer: in memoriam. Hrsg. von der Schweizerischen Industrie-Bibliothek. Schweizerische Industrie-Bibliothek, Zürich 1947–1982, Bd. 4.
Also, ich sitze mal wieder im Zug von Berlin nach Wien und soll einen Film machen, über den Europa Verlag. Na, toll. Mein Kopf ist voll der Texte und Skripte welche ich gerade lese und bearbeite.
Seelenlandschaften und soziale Prozesse
Mit dem Begriff 'sozialer Prozess' werden Elemente, Aspekte und Emotionen betrachtet. Die Autorin M. Radi und die Fotografin Birgit Gronau sind sich begegnet, weil sie einen ähnlichen Blickwinkel haben. Die Schreibende versucht, sich unterstützende und gegenläufige Tendenzen, gleichgeartete oder widerständige System- und Umweltbedingungen sowie das Handeln von Menschen und Interessengruppen innerhalb der Machtverteilung in der Veränderung in den Blick zu nehmen. B. Gronau versucht das virtuell.
Denke an das Gedicht:
ABENDHEERE
Kündet uns,
Ferne Sonnenwolken,
von beschwörendem Rosa!
Den Tränenpalästen,
von Adlern gehoben,
im Abendblau...
Lausche
den Sonnenchören
Der Abendheere!
Ihre Stimme
Gewähre der Frühnacht
Selige Flügel...
Plötzlich holt mich die Vergangenheit ein. Ich erinnere mich an so viele Reisen durch die Zonen und das Gedicht von Achim von Hirschheydt: ZUGVOGEL. Die ganzen Kontrollen, die ewige Sorge. Die Unsicherheit. Und die Präsens der Geschichte. Wie soll das gehen, wie soll gerade ich mich konzentrieren können auf Emil Oprecht, wer er war, was er wollte und warum. Das einzige was mich motiviert ist, das meine grundsätzliche Haltung zum Thema: "Würde der Menschen", "Menschnerechte und Achtung vor anders Denkenden", auch hier sehr positive Aspekte findet, die man bündeln könnte. Also, rein ins Vergnügen: Kamera läuft!
In Memoriam ein Auszug aus Wikipedea:
Der Europa Verlag (offiziell Europa-Verlag Aktiengesellschaft), ist ein Schweizer Verlag mit Sitz in Zürich.
Wikipedea liefert uns die Informationen, aber was machen wir daraus?
LASS den BLINDENZAUBERSTAB
Lass deinen
Blindenzauberstab
Meine Schläfen berühren,
Den Sehenden
Mich zu Dir führen...
So begann ich und
Wußte nicht weiter
<im Regen...
Zur Zeit ist es wirklich lästig, dieser viele Regen. Jeden Tag schüttet es!
Erkundet sein
Leise beflügeltes Eilen
Die Mauern,
Die Menschenhindernisse,
Die Fesseln des Erinnerungsschweren,
Ausgesetzt auf
Marmonen Kirchenstufen?
Und ewig werde ich die Athmosphäre in der Toskana lieben.
Karren, elende Pferde,
Bärtige Männer,
Sie schleppen dich fort
in das hundertjährige Ringen...
Deine Abschiedsblicke,
Weiße Sonne, dein Winken,
Näher und ferner
Aus sternlosen Meeren.
Die Sehnsucht zum Meer zu kommt, jedes Jahr, diese Sehnsucht bleibt ungebrochen. Weiter mit meinem Thema, welchen Verlag werde ich finden? Wer wird mich vertreten wollen?
Der 1933 vom Schweizer Verleger und Buchhändler Emil Oprecht gegründete Verlag veröffentlichte während der Zeit des Nationalsozialismus vor allem Werke von verfolgten Autoren und galt damit als so genannter Emigrantenverlag. Auch war der Europa Verlag einer der wichtigsten Theaterverlage der damaligen Zeit. Emil Oprecht gehört zu den legendären Verlegern des vergangenen Jahrhunderts, der in täglichem Kampf für die Unterstützung Verfolgter, gegen zunehmenden Druck auch der schweizerischen Zensur und gegen alle ökonomischen Widerstände aufrecht blieb. In dem halben Jahrhundert des Bestehens seines Verlages standen im Programm Autoren und Bücher im Vordergrund, die für die Würde und Freiheit des Menschen eintraten.
WOLKENBÄNKE
Wolkenbänke,
Halte die Winde an,
Daß sie lauschen
Den schwarzen
Wellen des Flusses...
Wolkenbänke,
Schiffe der Winternacht,
laßt uns reisen
Mit getrösteten Stürmen...
Auch im 80. Jahr seiner Existenz im Jahre 2013 ist der Zürcher Europa Verlag teilweise noch Verlag von Autoren der Emigration und des Kampfes gegen den Faschismus wie Curt Riess, Luigi Bartolini, Arthur Koestler, Carlo Levi, Bertrand Russell, Willy Brandt. Moderne Autoren sind unter vielen Richard Aschinger, Reinhold Joppich, Angelika Waldis, Robert Parker, Andreas Gross, Rainer Gross, und Esther Scheidegger.
In Memoriam, es ist vorbei und doch nicht!
Ich habe geträumt, ich mache eine Oper mit T. Schuler aus der Geschichte der Anuschka Brown. Mit den Liedern, welche wir 2006 in Wien produziert und mit der Razumovsky Gesellschaft, in deren Palais uraufgeführt haben.
GEFLÜGELTE SONNE
Aus feurigen Dornen
Steigt die
Geflügelte Sonne,
Und erwärmt
Im Friedensgesang
entrückter Krieger
Die vibrierenden Meere.
So sexy. Mein Körper erschüttert durch und durch, bei diesen Worten.
Die Bilder erscheinen vor mir. Dann, im Fernsehen die Bilder von Fidelio, die in einer Gedänkstätte eines ehemaligen Stasigefängnisses, gerade zur Premiere kommt. Ich habe Recht. Es ist ein wichtiges Thema und wird es wohl noch einige Zeit bleiben. Ich bin nicht die einzige, ich bin einen von vielen, denen Unrecht geschehen ist! Das Machtausüben, das Wegnehmen, das Enteignen, das Verbannen und Erniedrigen, ebenso, wie das etwas Verlieren, Weggenommen bekommen haben, Geplündert werden, Besitz verlieren, Wieder aufbauen müssen, wieder beginnen müssen, nichts mehr haben, alles verlieren.
Es schmerzt alles schmerzt, die Erinnerungen alles. Es geht nicht mehr weg. Strafe. Alles ist Strafe. Es gibt kein Leben mehr ohne Strafe. Alles tut weh. Nichts geht mehr. Ich versuche auf und ab zu gehen. Genau 5 Schritte kann ich machen. Mache ich kleine, schaffe ich auch sechs oder sogar sieben. Ich mache aber lieber einen richtigen Schritt. Also was soll ich machen. Es tut so weh. Ich bin völlig zerbrochen. Hätte ich Schmerzmittel. Ich würde sie schlucken. Ohne Ende. Nur um die Schmerzen zu bekämpfen. Man kann das nicht beschreiben. Nicht ausdrücken. Diese Schmerzen. Ganz allein. Alles ist Strafe. Ich bin ernüchtert. Ich bin gefangen. Im Schmerz. Da komme ich nicht mehr heraus. Die Erinnerungen sind gnadenlos. Es tut weh. Alles tut weh. Ich kann nicht sitzen. Nicht gehen. Nicht stehen. Liegen darf ich nicht. So kann ich wenigstens die Zeiten unterscheiden. Wann ich liegen darf, und wann nicht. Das Licht geht selten aus. Ich verbinde mir die Augen. Ich kann nicht mehr schlafen. Ich bin so erschöpft. Aber körperlich? Also mir tut alles weh. Im Herzen. Mein Körper. Mein Geist, die Seele. Ich kann das nicht beschreiben. Man kann das aushalten. Es kommt kein fröhlicher Gedanke mehr. Keine Erinnerung. Es gibt nichts mehr. Ich bin leer. Ich bin allein. Und es ist meistens Licht. Und immer weine ich innerlich. Aber keine Träne kommt mir mehr. Ich bin leer und voller Schmerzen. Kann mich nicht erinnern das jemand mit mir freundlich gesprochen hat. In den letzten Jahren. Ich bin leer. Ich fühle mich sterbend. Ich warte auf den Tod. Ich kann nur noch auf und ab gehen. Ich fühle mich so KO, so geschlagen. Nichts gibt es mehr. Gar nichts. Kein Funke Lebenslust. Kein Lachen. Ich bin schon lange tot. Und doch nicht. Ein Häufchen Elend voller Schmerzen. Man nannte mich mal. Jetzt nennt mich niemand mehr. Ich werde sterben und es wird mich doch immer geben. Ich bin nicht wie Jesus, aber ich bin wie ein Märtyrer. Ein Opfer. Ein etwas das bestraft wird. Ich bin etwas voller Schmerzen. Überall. Ich kann nur sagen soviel Schmerzen gibt es. Wer kann das ausdrücken, wenn man so einer ist. Einer der Leiden muss. Einer der das Leid trägt. Ich glaube an Gott und daran das es Opfer geben muss. Für die Menschen. Für alle. Ich bin es, so ein Opfer und ich muss büßen. Ich bin so voller Leid und Unwohl. Ich kann mich nicht erinnern mich einmal wohl gefühlt zu haben. Doch kleine Moment gibt es jeden Tag. Jeden Tag verfluche ich, das ich sie überleben muss, um der Nachwelt zu erzählen, wer ich war. Ich kenne die Strafe, die Folter. Ich kenne das Elend der Bestraften. Braucht der Mensch das Bestrafen, um zufrieden zu sein? Oder sich sicher zu fühlen vor wirklichen Mördern und Verbrechern? Aber die findet man ja nicht im Gefängnis, die wissen sich zu schützen. Braucht es immer Menschen, die Strafe ertragen müssen. Zu Recht oder Unrecht. Es ist alles willkürlich. Denn, wer bestraft und verurteilt, der ist nie ein Opfer gewesen. Der kennt weder das Vergeben noch das falsche Urteil, der urteilt aus irgendwelchen Gründen. Historisch ist das. Wann wird es das nicht mehr geben, das Menschen, Menschen verurteilen dürfen? Ist dem Mensch nicht klar, das Strafen schmerzt und weder heilt noch Wunder vollbringt? Strafe ist immer ungerecht und ein politischer Häftling immer ein Opfer der Politik.
Und ich ich bin so dumm nicht mehr an Flucht zu glauben.(Aber die Realität holt mich ein, fliehe ich vor Berlin? Vor München? Warum zieht mich Wien so an? Ist es die Sehnsucht nach der Heimat?) Ich habe die Hoffnung aufgegeben und begraben. Auch wenn ich mir täglich kleine Gemeinheiten, erlaube um die Wärter zu ärgern und ihnen ihre Arbeit schwer zu machen. Das ist meine kleine Freude. Wo kann ich ihnen weh tun. Wie kann ich sie treffen. Was kann ich tun um ihren Machtbereich in Frage zu stellen. Ich freue mich dann, ich lache innerlich. Aber ich zeige ihnen immer meine grinsende Fresse, ob ich Schmerzen habe, oder nicht. Ich bin stolz. Es vergeht nicht. Meinen Stolz kann man nicht brechen. Mich kann man nicht zwingen, meine Schmerzen zu zeigen. Mich kann man nur töten. Ich werde nicht vergessen, was man mir angetan hat. Meine Schmerzen sind für alle. Ich habe so fürchterliche Schmerzen und ich werde sie nie heilen können. Nicht einmal der Tod wird mich erlösen. In der Hölle sollen alle meine Peiniger schmoren. Ich verfluche sie alle. Mein Fluch lastet auf dieser Generation. Die Peiniger und Verantwortlichen, die haben mir nicht nur ein Denkmal gesetzt. Die haben mir die Macht gegeben sie zu verurteilen, für immer. Durch mein Opfer. Durch mein Sein.
Meine Schmerzen, mein Leid und mein Tod, der bleibt. Der brennt sich in die Geschichte ein. Keiner wird mich vergessen. Keiner soll mich vergessen. Jeder wird meinen Namen kennen. Jeder wird wissen, ich stehe für die ungerechte Bestrafung von anders Denkenden. Ich bin ein Rocker und ich bleibe ein Rebell.
Ich reiß mir die Augenbinde von den Augen. Gott sei Dank. Kein Albtraum. Das alles war Wirklichkeit. Ich weiß jetzt, wie ich Dir ein Denkmal setzen kann. Gott sei Dank bin ich nicht allein. Im Moment. Jetzt muss ich meine alten Manuskripte herausholen sie wieder durchlesen.
Eine Story, eines Versuches, das Leben zu bewältigen? Dem Leben etwas abgewinnen, aus ihm etwas Besonderes zu machen? Sie versucht dem Dolmetscher zu erklären, dass sie Angst hat in Österreich für schuldig gesprochen zu werden. Sie hat zwar keine klare Ahnung für was sie alles angeklagt wurde, aber sie hat Angst. Und sie weiß, ihr früherer Geschäftspartner hat es ihr angedroht, dass er sie ins Gefängnis bringen werde, weil sie nicht mit ihm zusammen sein wollte.
Mit welcher Geschichte hat es angefangen? Welches Kapitel soll ich aufschlagen.
Sie sitzt jetzt ihrer alten Schulfreundin gegenüber und möchte ihr die Geschichte erklären und die Tagebücher vorlesen. Ihre Freundin Annette ist krank und muss jetzt lange liegen. Sie hat Zeit zum Zuhören und sie wollte die Geschichte immer einmal komplett erzählt bekommen.
Also, zurück zu Anuschka Brown: „Ok, Sie wollen nicht ausgeliefert werden, dann bringen wir sie erst einmal in unsere Staatsgefängnis, dort müssen sie warten, bis entschieden wird, was möglich ist.“ Es ist Anfang März. Sie sollte dort bis in den Juni bleiben.
Die Szene: Ein Gefängnis aus Ziegelsteinen für gut tausend Häftlinge. Männer und Frauen, am Stadtrand. Man sieht von manchen Fenstern entweder über die Hügelkette oder auch über das Stadtpanorama. Eigentlich ein ganz schöner Blick hinaus. Der ständig die Lust auf Fluch auslöst.
Bewölkt, kein Hauch regt sich. Totale Windstille!
Lieber Gott, das ist nicht wahr. Ich bin tatsächlich im Gefängnis. Was soll das, wie lange werde ich hier bleiben. Drei Tage, oder drei Monate?
Im Gefängnis angekommen, eingekleidet in die Anstaltskleidung kommt sie erst einmal für eine Woche in eine Isolierzelle im Erdgeschoss. Sie wird beobachtet, wie sie sich verhalten wird, so eingesperrt. Sie starrt die Wand an. Noch gibt es sogar eine bunte Tapete und recht viel Platz. Später sollte sie feststellen, das zwar das Alleinsein in den ersten Tagen sehr hart war, aber besser als gleich den Machtstrukturen in einer winzigen Zelle ausgeliefert zu sein, die dann nur noch halb so groß sein sollte, wie die, in der sie am Anfang war.
Am Ende der ersten Woche hatten Sie dann die ersten Kontakte mit anderen Neuzugängerinnen, da war sie schon Herrin ihrer Lage und konnte trösten.
Umsiedelung in das obere Stockwerk. Endlich wieder etwas Licht! Und Xaver, er schreibt täglich!
Vorwärts, was wird morgen sein. Ich darf nicht immer zurückblicken. Es sind ewige Albträume, die Erinnerungen. Und jetzt die Manuskripte. Sie holen mich ein. Die Blätter fliegen um mich herum, alle durcheinander.
ABENDSONATE
Mit seinen
Winterlichen Flügeln
Umarmte
der Abendwald
Wanderers Schatten,
Mondes Eulenauge
Tat sich auf.
Sanft erschrockene
Gleichgültigkeit
Zart eilender Rehe,
Rauhe Weisheit
Verborgener Abendkrähe.
(Rauhe Weisheit,
Kälte ohne Ende.)
Um die Geheimnisse
wehenden Schnees
Wußte der Zweibeiner
Todesspuren
Belächelnder Marder,
Ein Abendhauch
Durchzitterte
Äste wiegend
die graue Ödung.
Ganz still war es um mich, seit ich geschieden bin, suche ich die Ruhe, die Klausur und die Einsamkeit. Ich habe Angst bekommen, vor den Menschen. Bereits seit zwei Tagen, oder sind es zwei Wochen, oder vielleicht zwei Monate, oder Jahre? Die Zeit ist für mich irrelevant geworden. Seit ich verurteilt wurde. Die Angst ist gewichen, die Angst vor dem Gefängnis, aber nicht die Sorge, vor Strafe und auch nicht das Gefühl am Ende zu stehen.
Grimm's Märchen sind heute mein Thema. Insbesondere das Schneewittchen. Weil Schneewittchen und Dornröschen, sowie Schneeweißchen und die Sterntaler immer so eine Mollstimmung in mir aufkommen lassen. Zur Zeit lebe ich in Moll. Morgens, wenn ich aufwache, dann höre ich Moll-Klaviersonaten und Konzerte in Moll.
Von einem einem Moment in den anderen werde ich so melancholisch. Die anderen Grimm´s Märchen. Brüderlein und Schwesterlein (meine Schwestern werden wohl nie erfahren wie wichtig mir die Schwesterliebe ist!), sowie Frau Holle und Rotkäppchen waren mir auch wichtig. Meine Mutter hat es geliebt sie mir vorzulesen. Ich lese sie meinen Mädchen aber noch viel zu selten vor. Hoffentlich finden sie Zeit, sie ihren Kindern einmal vorzulesen.
Schneewittchen und die sieben Zwerge. Dieses Märchen habe ich immer und immer wieder gelesen! IMMER HABE ICH MICH MIT IHR IDENTIFIZIERT: Immer bin ich in die Rolle dieses schönen Mädchen geschlüpft. Immer wollte ich Schneewittchen sein.
Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab, da saß eine Königin an einem Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte, und nähte. So poetisch finde ich diese Bild. Noch heute ist es das Madonnenbild in meinem Herzen.
Ich nähe auch wieder und sitze am Fenster, wenn ich schreibe, nachdenke und arbeite.
Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. ….Oh je.
„Ihre Pässe bitte!“....Schneewittchen muss sich retten!
„Dann lauf, du armes Kind." „Die wilden Tiere werden dich bald gefressen haben", dachte der Jäger, und doch fiel ihm ein Stein vom Herzen, weil er es nicht zu töten brauchte. Und weil gerade ein junger Frischling daher gesprungen kam, stach er ihn ab, nahm Lunge und Leber heraus und brachte sie als Beweis der Königin mit.
Ach, bitte …schnell! Wie könnte ich fliehen. Ich schau mich um. Viele Menschen. Warum habe ich nicht trainiert gut laufen zu können. Jetzt wäre es eine Chance. Hier auf dem Bahnhof. Hier steh ich noch ohne Handschellen, ohne Gitter ohne eisernen Griff. Später als ich zum Gericht gefahren wurde, erinnere ich mich. Dort auf dem Bahnhof wäre es die Beste Chance gewesen um davonzulaufen und sich zu verstecken.
Nun verschlingt mich die Justiz.
Nun war das arme Kind in dem großen Wald mutterseelenallein und hatte große Angst und wußte nicht, wie es sich helfen sollte.
WARNUNG
Kind, hüte dich
Vor den Augen
Des Märchenbrunnens!
Die Wiesen
Seines Spiegels
Tragen dich nicht,
Auch nicht
die wolkenweißen
Abendpferde...
Es dämmert schon!
Die klugen Brunnenschlangen
Ringeln sich um deine
Zögernden Füße...
Eile!
Besinne dich nicht!
( Achim v. Hirschheiydt)
Da fing es an zu laufen und lief über die spitzen Steine und durch die Domen, und die wilden Tiere sprangen an ihm vorbei, aber sie taten ihm nichts. (Ganz mutig und kühn, oder?)Gott sei Dank, bin ich nicht geflohen. Noch heute wäre ich auf der Flucht. Ein Leben im Untergrund. Immer wieder male ich es mir aus. Was ich weiß von Anne Frank und anderen. Ich weiß es geht. Es geht unter den schlimmsten und schwierigsten Umständen. Es gab immer Menschen die das geschafft hatten, so einer wollte ich sein.
...und dann endlich bei den sieben Zwergen! Aber wie diese Zetern! Wer hat von meinem Tellerchen gegessen und so weiter.
Wie poetisch. Ich muss mir dieses Gezeter immer unter den Kindern anhören. Das ist meins, Wieso hast Du das? Wieso bekommst Du etwas, was ich nicht habe?
Dann sah sich der erste um und sah, daß auf seinem Bettlein kleine Vertiefung war. Da sprach er: „Wer hat in mein Bett getreten?" Die anderen kamen gelaufen und riefen: „In meinem hat auch jemand gelegen." Als der siebente aber in sein Bett sah, erblickte er Schneewittchen, das lag darin und schlief. Einer der Schönsten Momente ist es, jemanden im Schlaf zu betrachten, der sich ausruht. Entspannt ist und gerade keine Sorgen hat.
Da erzählte es ihnen, daß seine Stiefmutter es hätte umbringen lassen wollen, der Jäger hätte ihm aber das Leben geschenkt, und da wäre es den ganzen Tag gelaufen, bis es endlich ihr Häuslein gefunden hätte.
Die Zwerge sprachen:
„Willst du unseren Haushalt führen, kochen, Betten machen, waschen, nähen und stricken, und willst du alles ordentlich und rein halten, so kannst du bei uns bleiben, und es soll dir an nichts fehlen." Das versprach Schneewittchen und blieb bei ihnen. Die Gute!